Protokoll der Sitzung vom 17.10.2007

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/902. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/902 mit den so eben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Danke. Damit ist dem Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/902 mit den eben beschlossenen Änderungen bei Zustimmung der Fraktionen der SPD und CDU sowie Ablehnung der Fraktionen DIE LINKE, FDP und NPD zugestimmt worden.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Erhalt der Arbeitsplätze am Standort der Zuckerfabrik Güstrow, Drucksache 5/908.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Erhalt der Arbeitsplätze am Standort der Zuckerfabrik Güstrow – Drucksache 5/908 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Professor Tack von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Nachricht vom 28. September 2007 über die beabsichtigte Schließung der traditionsreichen Zuckerfabrik in Güstrow traf viele, auch mich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wohl kaum jemand in diesem Hohen Hause hatte damit gerechnet.

(Raimund Borrmann, NPD: Wir rechnen mit allem.)

Gerechnet wurde mit der Aussage, die auch Minister Backhaus vom Konzern Nordzucker AG noch vor wenigen Wochen erhielt: Die Zuckerfabrik in Güstrow bleibt bestehen und wird zur Gewinnung erneuerbarer Energie weiterentwickelt.

(Michael Andrejewski, NPD: So ist es in Anklam auch.)

Inzwischen haben sich alle demokratischen Kräfte im Land, insbesondere im Raum Güstrow, vor allem wegen der sozialen und der regionalen Auswirkungen gegen die Schließung gewandt. Ich erwähne insbesondere den einstimmig angenommenen Beschluss aller Fraktionen des Kreistages Güstrow vom 10.10. dieses Jahres. Im Agrarausschuss haben wir vor zwei Wochen erste detaillierte Informationen des Agrarministeriums zur Kenntnis nehmen können.

Ich möchte es am Anfang sofort unterstreichen, obwohl es für eine Oppositionspartei nicht unbedingt immer üblich ist, wir wollen mit diesem Antrag nicht die Landesregierung kritisieren und ihr Untätigkeit unterstellen. Es geht uns um ein einheitliches Vorgehen der demokratischen Parteien.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Aufmerksame Leser haben das sicherlich schon im Antragstext gemerkt. Es geht uns heute weiterhin darum, die Konsequenzen dieser Entscheidung des Konzerns Nordzucker im Parlament zu thematisieren – was ja bereits gelungen ist –, Alternativen aufzuzeigen und der Landesregierung mit der Debatte in Übereinstimmung der demokratischen Parteien in dieser Frage den Rücken zu stärken.

Als Hauptgrund für die Schließung der Zuckerfabrik Güstrow wird von der Konzernleitung die Reform der Zuckermarktordnung genannt. Am 26. September dieses Jahres beschloss der EU-Ministerrat ein umfangreiches Programm zur Realisierung der bisher nicht erreichten Ziele zur Reduzierung der Zuckerproduktion, ich wiederhole, zur Realisierung der bisher nicht erreichten Ziele zur Reduzierung der Zuckerproduktion.

Die Rückgabe von 13,5 Prozent der ausgegebenen Zuckerquote wird den Zuckerkonzernen – und ich bleibe im Bild – versüßt und außerdem für jede Tonne stillgelegter Zuckerquote eine kräftige Abfi ndung gezahlt, sodass Nordzucker rund 60 Millionen Euro erhält. Damit werden ehemals etwa 170 bis 200 Millionen Euro Investitionssumme und darin enthaltene 30 Millionen Euro – Gelder der Steuerzahler – im wahrsten Sinne des Wortes vom Erdboden verschwinden. Damit würde ein wirtschaftlicher Kristallisationspunkt in einer Region verschwinden, die kaum eine Perspektive auf einen gleichwertigen Ersatz hat, mit dem sie qualifi zierte Arbeitsplätze, Gewerbesteuer, Ausbildungsplätze sowie zahlreichen Dienstleistern Arbeit und Brot bieten könnte.

An dieser Stelle ist auch ein Blick auf den vermeintlichen Verursacher der Situation in Güstrow zu werfen. Ich meine die Zuckermarktordnung der Europäischen Union. Als linker Politiker gehe ich wie viele meiner demokratischen Kollegen in diesem Hause mit gespaltenen Gefühlen an diesen Teil der europäischen Agrar- und Außenhandelspolitik heran. Einerseits ist es sicher untragbar, dass die EU, obwohl die Zuckererzeugung aus Zuckerrüben weitaus teurer ist als aus Zuckerrohr, ständig Überschüsse produziert und auf dem Weltmarkt zu massiv gestützten Preisen absetzt. Das ist für Produzenten in Entwicklungsländern zerstörerisch und kommt dem europäischen Steuerzahler teuer zu stehen. Deshalb ist eine Reform, mit der künftig strukturell Überschüsse verhindert werden, dringend notwendig und von uns zu begrüßen.

Andererseits stellen wir entgegen der EU in den Mittelpunkt der Reform nicht den Abbau der Erzeugerpreisstützung für Zuckerrüben, sondern eine Mengenregu

lierung, mit der ein relativ hoher Eigenversorgungsgrad mit Zucker gesichert und zugleich ein schrittweise größerer Zugang der Zuckerexportländer auf dem EU-Markt ermöglicht würde. Das würde ein rasches Auslaufen der indirekten Exportsubventionen, den Ausbau der Produktion von Bioäthanol – auch das wiederhole ich sehr gerne –, den Ausbau der Produktion von Bioäthanol und die Unterstützung weiterer alternativer Verwertungsmöglichkeiten für Zuckerrüben, aber auch den Anbau weiterer Kulturen bedeuten. So ließen sich Überschüsse der EU reduzieren, ohne massiv Arbeitsplätze zu gefährden oder zu vernichten. Die EU hat sich aber für die Politik entschieden, die wir jetzt gerade erleben.

Trotzdem ist die derzeitige Zuckermarktordnung in meinen Augen nicht die Ursache für die Schließung der Zuckerfabrik in Güstrow. Sie ist lediglich Auslöser einer politischen Entscheidung eines Konzerns, der die grundgesetzliche Gemeinwohl verpfl ichtende Ausrichtung seines Eigentums nicht im Blick hat.

(Beifall Angelika Gramkow, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Wenn wir den Blick etwas weiter nach Osten zur Zuckerfabrik Anklam des dänischen Betreibers Danisco richten, sehen wir eine zukunftsfähige Geschäftspolitik,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

die sowohl Konzern, Rübenbauern, ländliche Räume und Erzeugung alternativer Energien befördert.

(Michael Andrejewski, NPD: Abwarten!)

Und ich stelle daher die Frage: Sollte das nicht auch in Güstrow möglich sein?

(Beifall Angelika Gramkow, DIE LINKE)

Ich möchte aber feststellen, dass eine Schließung von Güstrow auch eine Auswirkung auf Anklam hätte. Es sei nur an die gegenwärtig schon ausgetauschten Kontingente und damit an die notwendigen übergroßen Transporte erinnert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als gelernter Landwirt und Agrarpolitiker möchte ich in diesem Bezug besonders die Situation in der Landwirtschaft beleuchten. Kenner der Materie wissen, dass der Anbau der Zuckerrübe nicht nur hohe Ansprüche an den Standort stellt, sondern auch den Landwirt im Besonderen fordert. Ich gehe davon aus, dass unter uns hier im Hause etliche sind, die wie ich das Rübenhacken als jährlich wiederkehrende und schweißtreibende Verpfl ichtung noch kennengelernt – und ich füge hinzu – und auch wegen des weißen Goldes schätzen gelernt haben und damit den Rübenanbau auch aus dieser Perspektive kennen.

Erfahrene Landwirte in gut organisierten Betrieben, die die Technologie des Rübenanbaus beherrschen, haben die besten Ernten und Erträge. Seit 1990 sind enorme Steigerungen in den Erträgen, aber auch in der Produktivität unserer Erzeuger zu verzeichnen. Dieses Wissen, diese Erfahrungen und dieses Können sollen jetzt im mittleren Mecklenburg für alle Zeiten, ja möglicherweise in ganz Mecklenburg-Vorpommern, verloren sein? Das darf nicht sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wir rechnen mit circa 800 betroffenen Erzeugern, die Vertragspartner von Nordzucker am Standort Güstrow sind und auf circa 11.000 Hektar Zuckerrüben anbauen.

Lieferrechte bestehen derzeit für 760.000 Tonnen Zuckerrüben, die bis 2013 festgeschrieben waren und Entscheidungsgrundlage für die Anbauplanungen, Investitionen und Arbeitskräftebedarfe in den landwirtschaftlichen Betrieben, aber auch bei Dienstleistern darstellten. Jeder, der ein bisschen die Materie kennt, weiß, dass die Zuckerrübenernte heute im Wesentlichen durch Dienstleistungsunternehmen aufgrund der hohen Investitionen realisiert wird.

Die Konzernleitung geht davon aus (ohne weitere Rück- sprache mit den Akteuren vor Ort), dass etwa 70 bis 75 Prozent der Rübenquote in Mecklenburg-Vorpommern aufgekauft werden können. Das überträfe die EUForderungen, sodass die Restquote an niedersächsische Landwirte weiterverkauft werden könnte. Ziel des Konzerns ist es, die Zuckerrüben aus Mecklenburg-Vorpommern abzuziehen. Wir brauchen jedoch die Zuckerrübe in diesem Land.

(Beifall Gabriele Měšťan, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Spannend wird auch noch die Antwort auf die Frage, wer denn die Entschädigung für die Rückgabe der Lieferrechte erhält, denn diese sind an das Flächeneigentum gebunden, also nicht an den Pächter. Nicht zu vergessen sind die wirtschaftlichen Erträge, die aus der Zuckerrübe stammen. In dieser Kampagne rechnet die Güstrower Fabrik mit circa 900.000 Tonnen Zuckerrüben, die zu verarbeiten sind. Möglicherweise wird bis in den Januar hinein sogar die Millionengrenze überschritten werden. Das ist ein Umfang, der noch nie erreicht wurde. Und warum strebt man das an? Man strebt es deshalb an, um über diese hohe Verarbeitung nachzuweisen, dass die 13,5 Prozent allein an diesem Standort abgewickelt werden können. Die Hektarerträge haben sich von ehemals 340 Dezitonnen je Hektar im Jahre 1990 auf 540 Dezitonnen je Hektar entwickelt. Das zeigt die hohen Potenziale der Rübe für die Landwirte und dokumentiert die Meisterschaft meiner Kollegen.

Ich möchte zum Abschluss sagen, wie unsere Forderungen lauten:

1. den Standort erhalten, aber nicht als Quotenzuckerfabrik, sondern als Produktionsstätte für die Äthanolgewinnung

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Daran anknüpfend kann man auch Biogas produzieren.

2. das qualifi zierte Arbeitskräftepotenzial an den Standort zu binden und die 113 Beschäftigten nicht einem Sozialplan, der diese Bezeichnung nicht verdient, auszuliefern

Also mündet die Frage insgesamt darin: Gibt es zu dieser Entscheidung von Nordzucker Alternativen? Ich denke, es gibt ausreichend Alternativen. Ich bitte Sie, diese rein unternehmerische Entscheidung, die hier ist, einmal unter dem Gesichtspunkt der Sozialverträglichkeit und der Suche nach Alternativen zu bewerten. Ich darf Sie sehr herzlich bitten, die Landesregierung zu unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Mit der Zustimmung zu unserem Antrag würden wir auch damit dem Rübenanbauerverband Genüge tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter Professor Tack.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat um das Wort gebeten der Landwirtschafts- und Umweltminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Backhaus. Herr Backhaus, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich feststellen, wir hatten die Hoffnung – auch ich persönlich –, dass im Zusammenhang mit der Zuckermarktreform der Europäischen Union für die Standorte Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich die Erhaltung dieser Standorte gesichert wird. Das war unser Ziel. Ich glaube, dass es möglich ist und auch möglich gewesen wäre, tatsächlich die beiden Zuckerstandorte Anklam und Güstrow zu erhalten.

Ich will an dieser Stelle sagen, Herr Professor Tack, Sie haben ja darauf hingewiesen, dass ich bereits den Agrarausschuss und Umweltausschuss über die Sachlage und auch über die Auffassung informiert habe, die wir dazu vertreten. Ich will in diesem Zusammenhang zu dem Antrag Folgendes sagen: Selbstverständlich bin ich jederzeit bereit, sofern wir neue Erkenntnisse haben, die Information an die entsprechenden Ausschüsse weiterzugeben. Ich hatte also im wahrsten Sinne des Wortes die große Hoffnung, dass das Gewitter der Zuckermarktreform an Mecklenburg-Vorpommern ohne großen Schaden vorbeizieht.

Zu Beginn dieses Jahres haben wir intensive Gespräche mit Nordzucker geführt. Bei mir am Tische und auch innerhalb des Hauses ist dargestellt worden, dass die Nordzucker AG – das will ich an dieser Stelle betonen – nicht vorhatte, zu schließen oder Veränderungen herbeizuführen, sondern auf Expansionskurs war. Es ist richtig, auch das gehört zur Geschichte dazu, dass die Landwirte – und ich betone das an dieser Stelle – schon die Möglichkeit hatten, zusätzliche Kontingente zu verzeichnen. Mein Ziel und das meines Hauses war es, die Zuckerfabrik ähnlich wie für Anklam abzusichern, um damit zusätzliche Kontingente aufzunehmen und in Richtung der Äthanolproduktion voranzutreiben.

Es ist uns im Übrigen im Zusammenhang mit Anklam gelungen, weil das hier schon von der rechten Seite angeklungen ist und die linke Seite weiß das auch, in zähen Verhandlungen Anklam zu sichern und an diesem Standort eine Äthanolanlage, die es in der Form europaweit nicht gibt, zu erstellen. Ansonsten wäre die Zuckerfabrik in Anklam tatsächlich auch infrage gestellt worden. Es ist also der Landesregierung zu verdanken, dass wir im letzten Jahr bereits erhebliche Mittel an Förderung bereitgestellt haben. Ich gehe davon aus, dass dieser Standort auch auf längere Sicht wirklich gesichert worden ist.