Das als Hinweis aus der Landesregierung, natürlich verbunden mit dem Angebot, in den Ausschüssen darüber ausführlich zu berichten und auch aus fachlicher Sicht weiter Stellung zu nehmen. – Vielen Dank.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Heydorn. Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Kollege Grabow hat gerade schon darauf aufmerksam gemacht, dass es im Bereich der Behindertenhilfe, im Bereich der Anerkennung von Behinderungen das tägliche Geschäft ist, sehr dicke Bretter zu bohren. Ich fi nde es ziemlich skandalös, wenn jetzt am Tag der Deutschen Einheit Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, nämlich der barrierefreie Zugang zu Pavillons, nicht gewährleistet sind.
Ich fi nde, das ist ein Fauxpas, den kann man sich nicht leisten, vor allem, weil wir ja in der letzten Zeit auch Dinge gemacht haben, um solche Sachen noch zu verbessern. Wir haben in der letzten Legislaturperiode die Landesbauordnung angepackt, wo noch mal der barrierefreie Zugang zum öffentlichen Raum ein Thema gewesen ist. Wir haben das Behindertengleichstellungsgesetz gemacht, wo es auch darum geht, das Thema Barrierefreiheit in öffentlichen Einrichtungen und Gebäuden zu regeln, zu bestimmen und zu unterstützen. Aber wie man scheinbar erkennen kann, reicht das nicht aus. Und insofern ist uns als SPD-Fraktion diese Initiative der FDP durchaus willkommen. Vor allen Dingen, Herr Grabow, kommt die Initiative aus einer Partei, wo man es nicht unbedingt vermuten würde.
Also, Herr Roolf, von Ihnen hätte ich jetzt so was nicht erwartet. Aber das scheint sich hier auch an bestimmten Personen festzumachen, die in diesem Bereich positiv in Erscheinung treten.
(Heike Polzin, SPD: Das ist ja auch gut so. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Gucken Sie mich an! Gucken Sie mich an!)
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Er wird Sie hören. – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)
Also ich habe nur Zweifel, ob wir mit einem solchen Tag der Behinderten hier im Landtag – solche Tage gibt es ja, sage ich mal, auch in anderen Bereichen – wirklich in großem Umfang etwas verändern und verbessern, ob, wenn wir hier einen solchen Tag durchführen, das Thema „Akzeptanz von Behinderten und Berücksichtigung von Belangen von Behinderten“ wirklich Erfolg versprechend ist. Da bin ich mir nicht sicher.
Und weil ich mir nicht sicher bin, plädieren wir dafür, dass wir Ihren Antrag in den Sozialausschuss überweisen. Da haben wir dann Gelegenheit, sage ich mal, uns selbst intensiver damit zu beschäftigen. Und wir haben vielleicht auch die Gelegenheit, den einen oder anderen externen Experten zu dem Thema zu befragen, um uns ein besseres Bild zu machen. Dann haben wir das irgendwann wieder im Hohen Hause, können uns damit auseinandersetzen und uns darüber verständigen, ob wir das machen oder ob wir andere Mittel und Wege suchen, um hier zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Müller. Bitte, Frau Abgeordnete.
Werter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, welcher uns heute vorliegt, möchte dazu beitragen, Dinge, die theoretisch immer sehr groß, deutlich, weitschweifend dargestellt werden, praxisnäher zu machen. Seit 2002 beziehungsweise 2001, seit die große Initiative zum Bundesbehindertengleichstellungsgesetz einen Umfang erreicht hatte, dass daran nicht mehr vorbeigegangen werden konnte, dass ein Bundesbehindertengleichstellungsgesetz letztendlich beschlossen wurde durch die damalige Koalition der SPD und der Grünen, gibt es viele, viele Dinge, die immer wieder in den Mündern sind.
Der echte Paradigmenwechsel, der eingefordert wird, das Von-vornherein-Darstellen, was kann der Mensch, was ist der Mensch und zu welchen Leistungen ist er fähig, ist nach wie vor nicht erreicht. Menschen mit Behinderungen, mit chronischen Erkrankungen und ihre Angehörigen haben immer und überall nach wie vor das Problem, dass sie darstellen müssen, warum sie diese und jene Rahmenbedingungen benötigen. Integration hat
sich hier in unserem Deutschland zu einem Unwort entwickelt, zu einem Unwort dahin gehend, dass die meisten unter Integration verstehen, wir nehmen die Menschen, pressen sie in unsere Gesetze, irgendwie werden sie schon reinpassen. Nein! Integration ist das Schaffen von Rahmenbedingungen, dass die Menschen so hineinpassen, wie sie sind. Paradigmenwechsel bedeutet, dass ich einen Menschen frage, welche Talente, welche Leistungen, welche spezifi schen Dinge er einbringen kann, zu bringen hat, zu geben hat, in denen er sich bewegt, und nicht als Erstes: Was kannst du denn alles nicht?
Dass der Paradigmenwechsel auch hier in MecklenburgVorpommern nicht durchgesetzt ist, empfi nden wir immer in den Momenten, wo es um bestimmte Gesetzlichkeiten geht und uns als Allererstes dargestellt wird: Geht nicht – Finanzen. Wer als Allererstes das Totschlagargument Finanzen nutzt, meint es nicht ehrlich. Er meint es einfach nicht ehrlich, bei ihm ist der Paradigmenwechsel nicht angekommen.
In dem Moment, wo wir stets und ständig erklären müssen, dass, wenn barrierefrei gebaut wird, es für alle Menschen in Ordnung ist – in jeder Lebenslage und nicht nur für Menschen mit Behinderungen –, und trotzdem wieder geredet wird und gebarmt wird, wo kriege ich bloß die Finanzen her für die breitere Tür, sind wir auf dem falschen Weg. Die USA zum Bespiel haben von vornherein die Türen so breit genormt, dass jeder Rollstuhlfahrer bequem durchkann.
Derjenige, der eine schmalere Tür haben will, der muss das Geld bezahlen für diese Extraanfertigung. Wir müssen bei jedem Pfl egeheim, bei jeder Einrichtung, in Krankenhäusern immer und überall gucken, ist es nun richtig.
Millionen sind in das moderne Müritzeum gefl ossen. Am 12. August ist es eröffnet worden. Der dortige Behindertenbeirat, die Arbeitsgemeinschaft Umwelt und Verkehr vom Blinden- und Sehbehindertenverein, die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreiheit, der Allgemeine Behindertenverband – alle haben sie zusammengearbeitet und zugearbeitet im Vorfeld, um dieses Haus barrierefrei zu gestalten. Als wir wieder reingelassen wurden, sprich, als der Bau praktisch fertig war, nur noch die letzten Innenarbeiten ausgeführt werden mussten, stellten wir fest, nichts ist, nichts. Und da nutzt uns dann auch kein Baugesetz, da nutzt uns überhaupt kein Gesetz, da nutzt uns nur, immer wieder aufmerksam zu machen, hier ist etwas nicht in Ordnung. Es ist ganz einfach so, dass politische Darstellungen, politische Stellungnahmen zu bestimmten Dingen unbedingt notwendig sein müssen und unbedingt notwendig sind, um Dinge allen darzustellen, die wir hier gemeinsam durchsetzen wollen.
Und wir verstehen oder ich verstehe auch den Tag nicht als einen Tag, an dem sich Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und ihre Angehörigen hinstellen und rumbarmen, warum was wo nicht gelungen ist. Nein, wir wollen miteinander reden, dass die Hirne und die Gedanken von vornherein immer so offen sind, dass die Probleme der Menschen, die sie im Handhaben ihrer Umwelt haben könnten, von vornherein mit bedacht werden und es nicht notwendig ist, dass Herr Grabow oder ich hier vorn stehen und sagen, wir sind aber auch noch da, ihr habt da was vergessen,
und wir wieder darstellen müssen, wie viel behinderte Menschen es im Land Mecklenburg-Vorpommern gibt und damit unterstützen, dass wir das Geld für eine Rampe brauchen. Es geht nicht darum, wie viele behinderte Menschen es gibt. Es geht überhaupt nicht darum, wie viele die Rampe nutzen. Es geht darum, dass die Barrierefreiheit da sein muss, um für die, die es wünschen, barrierefrei ins Haus zu kommen. Wie gesagt: Paradigmenwechsel und im Rahmen dieses Tages die politische Akzeptanz und Unterstützung.
Und wenn Herr Sellering hier angetreten ist und sich verpfl ichtet fühlte, als Sozialminister zu reden, fi nde ich das in Ordnung. Aber seit der 3. Legislaturperiode, in der ich hier schon im Landtag war, habe ich immer gesagt: Behindertenpolitik ist nicht ausschließlich Sozialpolitik, Behindertenpolitik ist ressortübergreifend.
Ich hätte es viel lieber gehabt, wenn nicht Herr Sellering hier gestanden hätte, sondern wenn sich auch ein anderer Minister dazu mal ausgedrückt hätte, was er in seinem Ressort in Richtung Behindertenrahmenbedingungen tut oder nicht tut. Und dann hilft uns nämlich letztendlich unser Integrationsförderrat auch nicht, wenn zum unzähligsten Male heute zu dieser Stunde kein Mitglied, kein berufenes Mitglied aus dem Wirtschaftsministerium im Integrationsförderrat anwesend ist – das, obwohl die Integrationsförderratssitzungen für das ganze Jahr festgelegt werden, das, obwohl die Mitglieder wissen, wann Integrationsförderratssitzungen sind, sie auch die Einladungen dazu bekommen, rechtzeitig vor der Zeit, jeder einen Stellvertreter hat, und trotzdem sind sie einfach nicht da. Das sind Dinge, kleine Dinge gewiss, die aber alle sagen, hier ist es noch nicht durch, wir haben noch viel zu tun.
Und, Herr Sellering, richtig, wir haben den Welttag der Menschen mit Behinderungen, wir haben den Europäischen Tag der Menschen mit Behinderungen. Nutzen wir doch einfach diese Tage, wenn es so der Konsens ist! Und nehmen Sie gerade so einen Tag hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, um politisch die Forderungen der Menschen mit Behinderungen zu unterstützen und von hier aus auch ein Signal zu setzen.
Wir als Behindertenverbände und -vereine, die Verbände für chronisch Kranke und Angehörigenverbände haben jedes Jahr versucht, Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, aber auch Vertreterinnen und Vertreter aus den Ministerien zu unseren Veranstaltungen ranzubekommen. Es sieht dürftig aus.
Stimmt, wir haben viel zu tun und die Zeiten sind knapp. Aber wenn wir uns an so einem Tag hier dazu bekennen, jawohl, Menschen mit Behinderungen gehören in unsere Gesellschaft, dann wäre das doch ein Zeichen, was bestimmt vernommen wird und uns als Behindertenverbände und -vereine in der ehrenamtlichen Arbeit unterstützt.
Zum Änderungsantrag: Er ist lediglich etwas weiter gefasst, weil wir in der Behindertenbewegung uns verstehen als Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und ihren Angehörigen. Das liegt ganz einfach daran, dass es etliche Menschen mit Schwer
behindertenausweis gibt, die sich allerdings nicht als behinderte Menschen zählen, sondern als chronisch kranke Menschen. Ich denke, das muss man von der Psyche her sehr wohl akzeptieren. Es ist schon schlimm, sich einzugestehen, etwas zu haben, schlimm, sich einzugestehen, es chronisch zu haben. Da sollte man auch verstehen, wenn jemand dann nicht unbedingt ein behinderter Mensch sein möchte, sondern ein Rheumatiker ist eben ein Rheumatiker – chronisch krank –, braucht unter Umständen die barrierefreie Treppe, sprich die Schräge und das Treppengeländer, um sich ranzuziehen. Die sollen alle mit einbezogen werden. Sie gehören ganz einfach dazu. Und deswegen ist das, denke ich mir, eine kleine Änderung, die aber für die betroffene Klientel sehr wichtig ist, weil sie sich wünschen, gehört zu werden und gesehen zu werden, und da beziehen wir sie von vornherein mit ein, nehmen die richtige Bezeichnung und schon ist es gut. – Danke schön.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU die Vizepräsidentin Frau Holznagel. Bitte schön, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Rund sieben Millionen Menschen in Deutschland sind schwerbehindert. Das sind mehr als acht Prozent der Bevölkerung. Angesichts dieser hohen Zahl ist es umso wichtiger, unsere Solidarität und Unterstützung den Menschen mit Behinderung und ihren Familien zukommen zu lassen. Sie sind zwingend hierauf angewiesen und sie haben auch meiner Meinung nach einen Anspruch auf unsere Hilfe.
Die CDU sieht die Förderung der sozialen und beruflichen Integration der Menschen mit Behinderung hierbei als eine besondere Verpfl ichtung an. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass es in unserer Gesellschaft von morgen normal ist, verschieden zu sein. Menschen mit Behinderung sollen wie jeder Bürger in unserem Land ein selbstbestimmtes Leben führen können und zur selbstständigen Lebensführung befähigt und ermutigt werden. Ein Schwerpunkt der Politik meiner Partei für Menschen mit Behinderung ist deshalb die Weiterentwicklung, Förderung und fi nanzielle Absicherung von Konzeptionen und Hilfen, die der Normalisierung der gesamten Lebensverhältnisse und Bedingungen dienen. Ganz besonders vor dem Hintergrund der Beispiele, die Sie genannt haben, Herr Grabow, ist noch mal deutlich geworden, wie wichtig das ist. Dabei kommt der Unterstützung und der Förderung von ambulanten und familienentlastenden Diensten, offenen Wohnformen, integrativen Angeboten in Bildung, Ausbildung und Freizeit sowie von Selbsthilfeaktivitäten besondere Bedeutung zu.
Sich berufl ich zu betätigen, ist für Menschen mit Behinderungen eine wesentliche Voraussetzung, um voll am Leben der Gesellschaft teilhaben zu können. Die CDU hat es daher stets als eine besondere Verpfl ichtung angesehen, die berufl iche Integration von Menschen mit Behinderung zu fördern. Hierfür wurden und werden umfangreiche Fördermittel sowohl vom Land als auch vom Bund zur Finanzierung von Werkstätten für Behinderte, Berufsausbildungswerken, Berufsförderungswerken, Eingliederungshilfen et cetera verwandt. Ich möchte hier vielleicht auch noch mal ein Beispiel anführen, und zwar sind das die Peene Werkstätten in meinem Landkreis.
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Die Verabschiedung des Sozialgesetzbuches IX – Rehabilitation und Teilhabe der Menschen mit Behinderung – kann ebenfalls als wichtiger Schritt auf dem Wege zur vollständigen Integration der Menschen mit Behinderung gesehen werden. Und ich denke, auch das haben wir seit der 3. Legislaturperiode in unserem Landtag doch mit eingebracht. Dass die Umsetzung noch nicht so ist, wie Sie es sich vorstellen, Frau Müller, glaube ich, hängt auch davon ab, wie vielschichtig die Probleme sind. Das haben wir heute auch noch mal in der Fragestunde hören können.
Eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des komplexen Systems der Behindertenhilfe war dringend erforderlich. Hinzugekommen ist inzwischen auch das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Dieses Gesetz setzt die Politik für Menschen mit Behinderung fort, die mit dem SGB IX begonnen wurde.
Auch wenn in der Behindertenpolitik weiterhin Handlungsbedarf besteht, muss jedoch auch klargestellt werden, dass die soziale Integration von Menschen mit Behinderung mit Gesetzen allein nicht zu schaffen ist. Das möchte ich auch noch mal deutlich unterstreichen. Vorurteile müssen abgebaut, Gedankenlosigkeit muss entgegengewirkt werden und Verständigung – das ist mir besonders wichtig – muss gesucht werden.