Protokoll der Sitzung vom 06.03.2008

Wir müssen auch hier als Gesetzgeber, als Landtag bedenken, welche Folgen unser Handeln hat. Wenn wir jetzt den Kommunen durch Änderung des Gesetzes verbindlich ein Soll in ein Muss aufgeben, dann wird all das, was zusätzlich draufkommt, bis zu hundert Prozent unter die Konnexität fallen. Das würde ich für ungerecht halten. Ich würde es für ungerecht halten, weil ich im Moment der Meinung bin, dass die Kommunen die Aufgabe in diesem Bereich vielleicht doch nicht so ganz erfüllen, wie das gesetzlich vorgesehen ist, sondern wir wissen ja alle, die mit Kommunen zu tun haben, dass dieser Bereich auch etwas ist, wo gern mit dem Personal nicht ganz so umgegangen wird, wie wir uns das wünschen.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja.)

Deshalb meine ich, dass wir dieses Prüfverfahren begleiten sollten durch Gespräche des Sozialministeriums mit den Kommunen, bei denen wir sagen: Leute, da müsst ihr mehr tun! Was hindert euch denn eigentlich daran? Wie gestaltet ihr das gesetzliche Angebot eigentlich aus, dass wir mehr erreichen? Und wenn wir dann am Ende dazu kommen, dass wir das umstellen, dann könnte man das übrigens auch noch – darum bitte ich noch mal – in den Beratungen mehr untersuchen. Wir sollten uns noch einmal anschauen, schulärztliche Untersuchungen sind als Pfl icht außerdem noch in der 4. und 8. Klasse durchzuführen. Und wir sollten genau schauen, wie es mit den bundesrechtlichen U-Untersuchungen ist, was davon passt. Kann man vielleicht eine dieser Untersuchungen von einem Muss zum Soll machen und dafür in der Vorschule etwas umstellen? Dann wären wir alle Probleme der Konnexität los. Aber das muss man, glaube ich, gemeinsam gut überlegen und ich denke, wir sind auch gut beraten in diesem Bereich, dann einen engen Schulterschluss mit den Kommunen und den dortigen Gesundheitsämtern zu pfl egen.

Vielleicht – das wird häufi g an mich herangetragen in diesem Bereich – können wir auch als Landtag, als Ausschuss Empfehlungen aussprechen dafür, wie denn für eine vernünftige Aufgabenerfüllung eine Ausstattung in den Kommunen aussehen könnte. Also es wird von all denen, die in diesem schwierigen Bereich in den Kommunen tätig sind, sehr erbeten. Und wenn man da – das können wir natürlich nicht vorgeben – in gemeinsamen Gesprächen zu einer Vereinbarung käme, dann würde auch in einem solchen Fall wie Lea-Sophie nicht plötzlich wieder diese Diskussion geführt werden müssen.

Ich glaube, man kann hier unterm Strich sehen, dass dieser Antrag eine Einladung zu sehr weitreichenden Diskussionen in den Ausschüssen ist, zu einer hoffentlich gemeinsamen Verständigung und dann einem guten Weg, um viele Schritte weiterzukommen bei der Kindergesundheit hier im Land. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Linke von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich beziehe mich ganz ausdrücklich, das möchte ich sagen, auf den vorliegenden Antrag und bitte Sie, sich diesen Antrag zur Hand zu nehmen, um meine Anmerkungen zu verstehen. Wir haben gestern zwei Gesetzentwürfe der Landesregierung behandelt, die sich sowohl mit der Kindertagesbetreuung als auch mit der Kindergesundheit befassten. Und da stellt sich die Frage, weshalb die Koalitionsfraktionen nunmehr diesen gesonderten Antrag einbringen. Welches Problem soll mit diesem Antrag neben den beiden Gesetzgebungsverfahren gelöst werden?

Suchen wir die Antwort im Absatz 1, dann wollen Sie maximale Chancengleichheit erreichen. Ich frage Sie jetzt, verehrte Abgeordnete der Koalitionsfraktionen: Wollen Sie wirklich zwischen erstrebenswerter maximaler und eventuell minimaler Chancengleichheit differenzieren? Im ersten Satz haben Sie die Gedankenkette, maximale Chancengleichheit durch individuelle Förderung unter der Voraussetzung, dass die Kinder physisch und psychisch gesund und altersgerecht entwickelt sind.

(Irene Müller, DIE LINKE: Na danke schön!)

Was ist nun mit Kindern, die chronisch krank oder durch ein Handicap nicht altersgerecht entwickelt sind?

(Irene Müller, DIE LINKE: Sehr merkwürdig.)

Darf es für diese Kinder nur eine minimale Chancengleichheit geben? Sie differenzieren ja.

(Heike Polzin, SPD: Ach, Frau Dr. Linke, also das ist eine Unterstellung. – Irene Müller, DIE LINKE: Das steht da drin. Lesen Sie mal!)

Ich mag niemandem etwas unterstellen, aber der Autor scheint mir bei dieser Frage in dieser Welt nicht ganz zu Hause zu sein, und die Ansätze der Kinder- und Jugendpolitik, aber eben auch der Behindertengleichstellungspolitik in den vergangenen Jahren verschlafen zu haben.

In Nummer 1 des Antrages fordern Sie die Landesregierung auf, ein Instrument zu entwickeln, das in sozialen Brennpunkten Entwicklungsbilder der Kinder liefern kann. Was verbirgt sich dahinter? Soll das eine kindgerechte Videokamera sein? Für die mit diesem Instrument festgestellten Förderbedarfe sollen damit passgenaue Hilfen sichergestellt werden und dann wollen Sie den jeweiligen Entwicklungsstand den Eltern zugänglich machen.

Bevor Sie, verehrte Abgeordnete der Koalitionsfraktionen, sich den armen Kindern in sozialen Brennpunkten auf die von Ihnen formulierte Weise zuwenden, möchte ich einfach für Tausende Eltern in sozialen Brennpunkten sagen: Die Verantwortung für die Kinder liegt bei den Eltern. Das soll so bleiben und die Eltern wollen das auch so.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Heike Polzin, SPD: Ja, genau. – Peter Ritter, DIE LINKE: Genau.)

Ich will auch noch den Punkt 2 unter die Lupe nehmen. Großzügigerweise wollen Sie die Elternarbeit darauf ausrichten, dass diese im Bedarfsfall

(Irene Müller, DIE LINKE: Im Bedarfsfall.)

eine aktive Rolle im Gesamtkonzept der Förderung ihrer Kinder wahrnehmen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Es werden Eltern im Bedarfsfall angesprochen.)

An dieser Stelle empfehle ich einen Grundkurs im Öffentlichen Recht, sprich im Verfassungsrecht, insbesondere zu Artikel 6 des Grundgesetzes,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Hört, hört!)

denn die Bundesrepublik und das Land MecklenburgVorpommern haben eine Rechtsordnung, nach der die Verantwortung für die Erziehung der Kinder bei den Eltern liegt. Im Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz heißt es vollkommen zu Recht: „Pfl ege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pfl icht“. Ich erlaube mir, noch einmal darauf hinzuweisen, dass das aus der Sicht unserer Fraktion auch so bleiben soll.

Die Nummer 3 des Antrages ist unverständlich. Natürlich sollen Kindergärten und Grundschule eng zusammenarbeiten. Dieses Anliegen wurde deshalb im Kindertagesförderungsgesetz, wir haben ja gestern darüber gesprochen, normiert.

(Heike Polzin, SPD: Na und?!)

Im Paragrafen 1 Absatz 4 heißt es: „Die Kindertagesförderung hat den nahtlosen Übergang der Kinder in die Grundschule und die Zusammenarbeit mit dieser zu sichern.“ Das wurde bereits vor vier Jahren gesetzlich festgeschrieben.

(Heike Polzin, SPD: Und was ist dabei rausgekommen, Frau Dr. Linke?)

Es war schon damals wesentlich mehr, als Sie in Ihrem Antrag jetzt formulieren, nämlich die eventuelle Übergabe einer Beurteilung planen Sie. Schauen Sie sich in den Kitas und in den Grundschulen um,

(Heike Polzin, SPD: Das haben wir getan. Das ist das Problem.)

orientieren Sie sich am realen Leben, studieren Sie die Kooperationsverträge, die es zwischen Kitas und Grundschulen gibt, und leisten Sie einen praktischen Beitrag zur Umsetzung des Gesetzes in den hier genannten Paragrafen!

In Punkt 4 Ihres Antrages wollen Sie prüfen, wie Kindertagesstätten und Schulen eingebunden werden können, um Kindeswohlgefährdung und Vernachlässigung frühzeitig zu erkennen. Ich darf Sie bitten, lesen Sie an der Stelle auch den Artikel 6 des Grundgesetzes. Im Artikel 6 Absatz 2 Satz 2 heißt es: „Über ihre Betätigung“ – also die Wahrnahme der Verantwortung der Eltern – „wacht die staatliche Gemeinschaft.“

Meine Damen und Herren Abgeordnete, lesen Sie noch ein wenig weiter, Sie kommen dann zum Artikel 7 des Grundgesetzes. Im Absatz 1 heißt es: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“ Lehrer und Sozialpädagogen sind Grundrechtsverpfl ichtete. Die Umsetzung des Schulgesetzes, des SGB VIII und des KiföG ist deren Verfassungsauftrag. Oder anders: Sie sind verpfl ichtet, Kindswohlgefährdungen und Vernachlässigungen entgegenzuwirken, diesen nachzugehen beziehungsweise diese anzuzeigen.

Besonders darf ich Sie an dieser Stelle auf den Paragrafen 8a des SGB VIII hinweisen. Zur Nummer 5 ergänze ich, dass dieses Prüfverfahren, welches Sie auf den Weg bringen wollen, beim gemeinsamen Bundesausschuss anhängig ist. Es ist jetzt bereits zwei Jahre her, dass ich Gelegenheit hatte, dieses Anliegen für die damalige Landesregierung in den Bundesrat einzubringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, bei allem Respekt vor der sehr schwierigen Situation, in der viele Eltern unseres Landes mit ihren Kindern durch die hohe Arbeitslosigkeit und die geringen Einkommen sind, meine Fraktion thematisiert die Situation dieser Familien, die in Armut leben, hier auf fast jeder Landtagssitzung. Es ist unser Anliegen, gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Möglichkeit einer chancengleichen Entwicklung der Kinder zu entwickeln. Diesem Antrag kann meine Fraktion jedoch nicht zustimmen. Hier gilt der einfache Satz: Ein Blick ins Gesetz bewahrt vor Geschwätz.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Dr. Linke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Reinhardt von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie der Sozialminister sich die Umsetzung des vorliegenden Antrags vorstellt, hat er uns vorhin ausführlich dargelegt. Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf einige bildungspolitische und pädagogische Aspekte, die auch Inhalt unseres Antrags sind, beziehen. Die in den Punkten 1 bis 4 genannten Schwerpunkte sind meines Erachtens alles Themen, die bei der Entwicklung der Bildungskonzeption für null- bis zehnjährige Kinder in unserem Land er- und bearbeitet werden sollten.

Sie wissen, und der Sozialminister ist darauf eingegangen, Bildungsminister Henry Tesch hat am 13. Februar dieses Jahres die Mitglieder der Projektgruppe „Rahmenplan – Kita“ berufen. Vor diesem Hintergrund können wir ableiten, dass die zu erstellende Bildungskonzeption aus mehreren Teilen bestehen muss, unter anderem aus dem Rahmenplan für die pädagogische Arbeit in den Kindertageseinrichtungen, aus einer Konzeption für Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte, einer Konzeption für die Zusammenarbeit mit den Eltern und sicherlich ist auch ein Teil, der sich mit dem Qualitätsmanagement auseinandersetzt, vonnöten.

Einige dieser genannten Module werden bereits ab dem Schuljahresbeginn 2008/2009 erprobt, wie zum Beispiel Beobachtungsanleitungen zu Entwicklungsverläufen von Kindern und die Erarbeitung der damit im Zusammenhang stehenden individuellen Förderkonzepte. Themen wie Demokratie, Umwelt, Gesundheitserziehung, der Umgang mit Behinderungen oder die Frage der Migration sollen dabei eine wesentliche Rolle spielen. Erprobt werden soll auch …

(Irene Müller, DIE LINKE: Das haben Sie aber gut versteckt in Ihrem Antrag. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Es sind richtige Inhalte drin. Wenn man das vernünftig liest, dann kann man das auch erkennen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Man muss darüber nachdenken, ja, ja.)

Und zu jedem, der es nicht verstanden hat, sage ich es ja extra, Herr Methling. Insofern ist bei Ihnen ein Erkenntnisgewinn möglich.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Eine Lesehilfe ist immer gut. Ja, ja.)

Erprobt werden soll auch die Einführung von Themenheften zu den Lehr- beziehungsweise Bildungsbereichen. Entsprechend der Evaluationsergebnisse kann dann die Bildungskonzeption bis 2010 überarbeitet und nach einer weiteren Vertiefungsphase im darauffolgenden Jahr deren einheitliche Anwendung mit allen Trägern und Verbänden vereinbart und in Kraft gesetzt werden. Wir wollen und müssen die Herausforderungen der Wissensgesellschaft ernst nehmen. Es geht nicht um mehr und nicht um weniger als die Entwicklung eines ganzheitlichen Bildungssystems.

(Heike Polzin, SPD: Richtig. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr gut. Sehr gut.)

Danke sehr. Schön, wenn wir uns einig sind.