Protokoll der Sitzung vom 06.03.2008

Hier im Land gibt es eine Landesverordnung zur Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen – darunter fallen auch Ratten –, in der das Ganze organisiert ist. Zuständig sind die Gesundheitsämter in den Kommunen. Wir haben gesetzlich nicht vorgesehen, dass die Gesundheitsämter eine ständige Statistik führen, aber die Rückmeldungen der Gesundheitsämter sind so, dass wir ein vermehrtes Aufkommen von Ratten, wie etwa in Hamburg, nicht bestätigen können.

Also hat sich meine zweite Frage erübrigt?

Ja. Eine Statistik erübrigt sich, sie wird nicht geführt.

Alles klar. Danke.

Danke schön, Herr Minister.

Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Stärkung der Kindergesundheit und Weiterentwicklung der individuellen Förderung im Kindertagesstättenbereich, Drucksache 5/1288. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/1347 vor.

Antrag der Fraktionen der SPD und CDU: Stärkung der Kindergesundheit und Weiterentwicklung der individuellen Förderung im Kindertagesstättenbereich – Drucksache 5/1288 –

Änderungsantrag der Fraktion der FDP – Drucksache 5/1347 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ziel unseres Antrages ist es, die Chancengerechtigkeit zu erhöhen, die Partizipationsmöglichkeiten von Kindern zu verbessern. Das ist eine wichtige Aufgabe. Hier gibt es nach wie vor Handlungsbedarf.

Das Herstellen von Chancengleichheit fängt bei der individuellen Förderung von Kleinkindern an und hier gibt es bei uns im Land durchaus gute Rahmenbedingungen. 97 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen bei uns besuchen eine Kindertagesstätte. Deswegen sind die Kitas der richtige Ort, um mit Förder- und Unterstützungsmaßnahmen zu beginnen.

Worum geht es? Schaut man sich die Daten an, so können wir Jahr für Jahr in den Einschulungsuntersuchungen feststellen, dass trotz der Tatsache, dass 97 Prozent der Kinder die Einrichtungen besuchen, immer wieder Defi zite festgestellt werden, sei es im Bereich der Motorik, sei es im Bereich der Sprache, sei es im Bereich von Übergewichtigkeit bis hin zu Adipositas. Ziel unseres Antrages ist es, bestimmte Punkte aufzugreifen, Maßnahmen zu entwickeln, die hier helfen können.

Zuerst geht es darum, ein individuelles, transparentes Assessmentverfahren zu entwickeln, auf dessen Grundlage man Möglichkeiten hat, Förderbedarf festzustellen, besondere Begabungen zu erkennen und daraus – also auf der Grundlage dieser Erkenntnisse – individuelle Unterstützungsbedarfe zu organisieren, da, wo sie notwendig sind.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir wissen, dass man gerade mit Kindern in jungem Alter mit Unterstützung viel machen kann. Wenn beispielsweise Sprachschwierigkeiten auftauchen, ist es ein großer Unterschied, ob ich bei einem Dreijährigen oder einer Dreijährigen ansetzen kann, oder ob ich warte, bis ein Kind in die Schule kommt. Wir sagen, in den Kindertagesstätten müssen Instrumente entwickelt werden, die Unterstützungsbedarfe festmachen und die dann auch geeignet sind, individuelle Hilfen zu organisieren, um zu einer Verbesserung zu kommen.

Der zweite Punkt, den wir erkannt haben und wo wir meinen, da muss etwas mehr getan werden, ist das Thema „Intensivierung der Elternarbeit“, wo es erforderlich ist,

die Eltern letztendlich intensiver in die notwendigen Prozesse einzubinden.

(Udo Pastörs, NPD: Wie?)

Ein weiterer Punkt ist das Thema „Einbinden von Familienbildungsstätten“. Wir haben im letzten Haushaltsjahr die Förderung von Familienbildungsstätten ausgebaut. Diese Familienbildungsstätten sind bei uns im Land sehr qualifi ziert aufgestellt und wir müssen gucken, wie wir die Verzahnung zwischen Kindertageseinrichtungen auf der einen Seite und Familienbildungsstätten auf der anderen Seite besser hinkriegen und wie wir sie zueinander führen, dass sich die Familienbildungsstätten mit den Möglichkeiten, die sie haben, an der Stelle auch besser einbringen können.

Ein weiterer Punkt, den wir sehen, ist die Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Grundschulen. Wir haben die Situation, es gibt auf der einen Seite die Kindertagesstätten und auf der anderen Seite gibt es die Grundschulen. Und es stellen sich die Fragen: Wie ist die Kommunikation beispielsweise, wenn Kinder von den Kindertagesstätten in die Grundschulen wechseln? Was werden für Informationen zur Verfügung gestellt? Welche Hinweise werden zu dem einzelnen Kind gegeben, die dann auch für die Grundschule wichtig und hilfreich sind, um damit etwas anfangen zu können?

Ein weiterer Punkt ist für uns die Frage, ob Kindertagesstätten und Grundschulen in ein System eingebunden werden können, was geeignet ist, Kindervernachlässigung und Kindeswohlgefährdung letztendlich frühzeitig zu erkennen. Wir haben uns in der Vergangenheit aus sehr traurigen Anlässen intensiver mit diesem Thema beschäftigen müssen. Die Frage ist: Was können Kindertagesstätten und Schulen an der Stelle besser leisten? Besteht die Möglichkeit, in den Einrichtungen bestimmtes Personal so zu qualifi zieren, dass einfach dort Erkenntnisse gewonnen werden können, die hilfreich sind, um Kinder gegebenenfalls, wenn es erforderlich ist, aus einem Dilemma zu befreien? Das muss untersucht werden und es müssen, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass diese Einrichtungen geeignet sind, hier einen Beitrag dazu zu leisten, Instrumente entwickelt werden, wie das funktionieren kann.

Ein weiterer Punkt, den wir für notwendig halten, sind Aktivitäten auf der Bundesebene, um gegebenenfalls die Häufi gkeit und den Turnus der U-Untersuchungen zu verändern. Auch da, denke ich, ist es wichtig, dass man guckt, ob man da was machen kann, indem man mehrere Untersuchungen vielleicht einbezieht oder wenn man die Häufi gkeit, den Abstand zwischen den U-Untersuchungen letztendlich so verändert, dass einfach die Dichte größer wird.

Das sind alles Punkte, die wir hier mit unserem Antrag verfolgen und bei dem wir der Meinung sind, dass damit jetzt begonnen werden sollte, weil der Handlungsbedarf da ist. Ich denke, das ist hier allen im Hause bekannt. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Heydorn.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen

Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Soziales und Gesundheit Herr Sellering.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr über diesen Antrag. Wir haben hier häufi g schon über Familienfreundlichkeit gesprochen, darüber, dass wir Kinder in diesem Land fördern wollen. Wir alle sind uns einig – das betrifft den Antrag der SPD genauso wie das, was wir in der Koalitionsvereinbarung vereinbart haben –, dass das nicht wenige Leute beschließen können, sondern es ein Prozess sein muss, der alle Akteure im Land mit einbezieht. Deshalb freue ich mich, dass es diesen Antrag gibt. Demnächst wird es weitere Anträge der Koalitionsfraktionen zur Kita geben, die diesen Diskussionsprozess im Grunde genommen auch hier in den Landtag holen.

Und, Herr Grabow, ich habe ja gestern mitbekommen, dass Sie als Vorsitzender manchmal der Meinung sind, Sie haben nicht genug zu diskutieren. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir im Sozialausschuss diesen Prozess sehr aktiv begleiten könnten und auch die Fragen, die man klären muss, dann gemeinsam klären.

Herr Heydorn hat einen wichtigen Bereich dieses Antrages angesprochen, den gesamten sozialen Bereich, den gesamten Bereich der Chancengleichheit der bildungsmäßigen Entwicklung von Kindern. Ich möchte einen anderen Punkt ansprechen, der genauso wichtig ist und mich als Gesundheitsminister betrifft, nämlich die Gesundheit von Kindern.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Wenn wir über Chancengleichheit reden, weiß jeder, der sich vertieft damit beschäftigt, dass sich die Chancengleichheit, die unterschiedlichen Chancen von Kindern leider auch in einer unterschiedlichen Gesundheit niederschlagen. Es gibt zum Beispiel in Greifswald ein sehr interessantes Projekt zur Zahngesundheit, wo genau untersucht worden ist, welche Kinder unter welchen Voraussetzungen, bei welchen Bedingungen gesunde Zähne haben. Insgesamt kann man übrigens sagen, dass die Zahngesundheit bei etwa 90 Prozent der Kinder deutlich zugenommen hat, deutlich besser geworden ist. Wir haben aber etwa 10 Prozent oder vielleicht auch eine etwas kleinere Zahl, bei der sich ganz im Gegenteil die Zahngesundheit drastisch verschlechtert hat, wo ganz massive Eingriffe nötig sind, um schlimme Entwicklungen frühzeitig zu verhindern. Und da ist die Frage, wie man darauf Einfl uss nehmen kann.

Untersuchungen zeigen, das wird niemanden überraschen, wenn man zwei Gruppen betrachtet, die eine Gruppe putzt sich regelmäßig die Zähne und die andere nicht, dass diejenigen, die regelmäßig putzen, gesünder sind. Nur, dieses Merkmal „regelmäßiges Putzen“ als Grundlage für gesunde Zähne wird bei Weitem übertroffen durch das Merkmal „Status der Eltern“. Durch einen Status der Eltern wie „tätige Akademiker in anerkannten Berufen“ ist die Zahngesundheit einfach größer. Und das bedeutet, wir müssen genau schauen, es geht um Erziehung, es geht um Wissen, es geht darum, wie man insgesamt die Kompetenz hat, sich gesund zu erhalten. Und da ist die Frage, wie wir in Familien helfen können, bei denen diese Kompetenz fehlt.

Das Projekt GeKo KidS in Greifswald zum Beispiel setzt darauf zu sagen, wir machen ja viel: Elternarbeit, Elternerziehung, Eltern stark machen, wo wir hoffen, dass diese es weitergeben an ihre Kinder. Dieses Projekt setzt da an zu fragen: Wenn wir die Eltern nicht mehr erreichen, wann kann man dann sinnvoll bei den Kindern ansetzen? Und dazu werden etwa 12- bis 13-Jährige aus ausgesuchten Schulen darin geschult, ihre Zahngesundheit zu erhalten, auch mit der Hoffnung, dass sie das vielleicht in ihre Familien tragen. Und das ist ein sehr großes Projekt, bei dem es nicht nur darum geht, Leute zu fi nanzieren, die sich besonders einsetzen – solche Projekte haben wir ja häufi ger im Land –, sondern es geht darum, wirklich in zwei Gruppen zu schauen: Hat so eine Erziehung Erfolg? Sind nach zwei Jahren die Kinder, was die Zahngesundheit angeht, gesünder oder nicht? Solche Projekte brauchen wir, die müssen wir unterstützen, daraus müssen wir auch Konsequenzen ziehen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das sind die mit dem Brot zu 49 Cent. Die essen zu viel Brot zu 49 Cent.)

Ganz wichtig für die Gesundheit ist natürlich eine gesunde Ernährung. Deshalb ist ja das, was die Koalition beschlossen hat, so wichtig, dass wir ein gesundes Mittagessen in den Kitas für alle Kinder möglich machen wollen und deshalb denen, denen das fi nanziell besonders schwerfällt, das Mittagessen kostenlos zur Verfügung stellen, von null bis sechs,

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

wobei es bei null mit dem Kostenlosen nicht ganz so einfach ist. Da müssen die Mütter noch helfen.

Also das ist, glaube ich, ganz wichtig – eine gesunde Ernährung. Aber es reicht eben nicht in den Familien, wo keinerlei Kenntnisse da sind, wo Probleme da sind, dass man den Kindern ein gesundes Mittagessen gibt, und dann gehen sie nach Hause und es gibt doch wieder McDonald’s oder sonst etwas nicht ganz so Gesundes. Und deshalb ist es auch wichtig, dass wir das Wissen um Gesundheit transportieren und versuchen, die Familien dabei zu erreichen. Große Erfolge, gute Erfolge gibt es in den Kitas, wenn die Eltern eingeladen werden, zusammen mit den Kindern zu kochen, gemeinsame Kochkurse zu besuchen, wo man fröhlich miteinander kochen lernt und wo manche Kinder – das muss man mal deutlich sagen – erstmalig die Erfahrung machen, dass man Essen dadurch herstellen kann, dass man bestimmte Zutaten in einen Topf tut und kocht. Die haben bisher immer gedacht, das ist außen mit Aluminium versehen und wird in die Mikrowelle geschoben. Es gibt Kinder, die nie gesehen haben, wie man kocht. Und da müssen wir auch helfen und erziehen.

Was das Wissen angeht, so müssen wir auch bei den Schulkindern mehr tun. Ich erinnere daran, dass wir als Koalition beschlossen haben, eine dritte Stunde Sport und Gesundheit einzuführen, wo es darum geht, dass Sport, Bewegung ganz wichtig sind, aber natürlich auch das Wissen darum gefördert werden muss, wie man sich gesund erhält. Und wir wollen nicht, dass von den zwei Bewegungsstunden, die wir haben, etwas abgeknapst wird, sondern es muss eine dritte Stunde dazukommen, wo sich vielleicht Bewegung und Wissen die Waage halten.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Da bin ich ja gespannt, wie das dann aussieht.)

Ich bin sicher, Kollege Tesch arbeitet engagiert daran.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das hoffe ich doch! – Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Da ich ihn heute vertrete, könnte ich gleich vollmundige Versprechungen machen, aber das will ich lieber nicht tun. Ich bin sicher, er arbeitet daran und wird uns demnächst gute Pläne vorlegen. So viel zu diesem Teil.

Ich möchte jetzt noch einmal auf den Änderungsantrag der FDP eingehen, denn das ist ja ein ganz besonderes Problem bei der Gesundheit: Wie erheben wir den Status? Wie helfen wir und erfahren, wo es Probleme in der gesundheitlichen Entwicklung gibt? Und ich will gleich im Vorhinein sagen, dass ich diesen Änderungsantrag sehr unterstütze und meine, dass wir den so annehmen sollten, weil es darum geht, hier zu überprüfen, was wir tun. Ich würde DIE LINKE vielleicht bitten, die einen ähnlichen Antrag, glaube ich, nach der FDP gestellt hat, denn sie sind etwas früher damit gewesen – aber ich glaube, es geht hier jetzt nicht um Copyright –, dass sie vielleicht überprüft, ob sie ihren Antrag zurücknimmt, der das sozusagen schon einführen will. Ich möchte gern versuchen, Ihnen darzulegen, aus welchen Gründen ich meine, dass wir mit einer Überprüfung besser beraten sind.

Bei unserem Reformeifer muss man immer schauen, was man eigentlich schon hat, damit man nicht noch etwas erfi ndet, was schon da ist. Also wir haben hier gesetzlich geregelt schulärztliche Untersuchungen und diese sind bei allen Kindern vor der Einschulung durchzuführen – Absatz 1 des Paragrafen 3 der entsprechenden Verordnung. Aber wir haben eine weitere Regelung: Eine zusätzliche Untersuchung soll bereits ein Jahr vor der Einschulung angeboten werden.

(Heike Polzin, SPD: Ja.)

Also genau das, was wir wollen, steht schon im Gesetz. Und jetzt müssen wir uns mal anschauen, wie das in Anspruch genommen wird. Ich habe hier eine Statistik, in der steht, von 17,3 Prozent wird das in Anspruch genommen. Und das ist natürlich jämmerlich wenig. Wenn Sie sich mal in die Rolle von Eltern versetzen oder in die Rolle von Erzieherinnen in Kindergärten, kann ich mir nicht vorstellen, wenn Sie ein Angebot haben, eine solche Untersuchung für die Vorschulreife vorzunehmen, dass es Eltern gibt, die sagen: „Nein, daran soll mein Kind nicht teilnehmen“, oder dass man in den Kitas sagt: „Die wollen wir hier nicht haben“, sondern die Erklärung liegt natürlich in der Praxis, nämlich dass der Gesundheitsdienst in den Kommunen nicht so ausgestattet ist, dass er das schafft, dass er das erledigt.

Wir müssen auch hier als Gesetzgeber, als Landtag bedenken, welche Folgen unser Handeln hat. Wenn wir jetzt den Kommunen durch Änderung des Gesetzes verbindlich ein Soll in ein Muss aufgeben, dann wird all das, was zusätzlich draufkommt, bis zu hundert Prozent unter die Konnexität fallen. Das würde ich für ungerecht halten. Ich würde es für ungerecht halten, weil ich im Moment der Meinung bin, dass die Kommunen die Aufgabe in diesem Bereich vielleicht doch nicht so ganz erfüllen, wie das gesetzlich vorgesehen ist, sondern wir wissen ja alle, die mit Kommunen zu tun haben, dass dieser Bereich auch etwas ist, wo gern mit dem Personal nicht ganz so umgegangen wird, wie wir uns das wünschen.