Protokoll der Sitzung vom 03.07.2008

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Ute Schildt, SPD: Auf keinen Fall.)

und damit die unterschiedlichen politischen Auffassungen beiseiteschieben können. Man hätte auch einen gemeinsamen Gesetzentwurf einbringen können, der all die Punkte ausklammert, bei denen unterschiedliche Auffassungen bestehen. Dann aber, meine Damen und Herren, hätten doch gerade Sie als Opposition den Vorwurf erhoben, dass wesentliche Fragen bei der öffentlichen Auftragsvergabe, nur um die unterschiedlichen politischen Auffassungen der Regierungsfraktionen zu verdecken, beiseitegeschoben worden wären.

Angesichts der Umstände, dass spätestens seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes am 3. April dieses Jahres zur niedersächsischen Tariftreueregelung zu der unterschiedlichen politischen Bewertung auch eine unterschiedliche rechtliche Bewertung hinzugetreten war, kann man auch den Weg wählen, einzelne, aber gravierende Fragen vorab einer rechtlichen Klärung zuzuführen und sich im Zusammenhang damit auf den Weg zu verständigen, wie gemeinsam weitergearbeitet werden soll, wenn dann die Klärung herbei

geführt wurde. Dass eine solche rechtliche Bewertung dann allerdings dergestalt vorgenommen werden muss, dass beide beteiligten Partner davon ausgehen können, dass nicht bloß die politischen Vorgaben der einen oder anderen Seite mit mehr oder weniger stichhaltigen juristischen Argumenten unterfüttert werden sollen, sollte doch niemanden in diesem Raum verwundern.

Dass sich die Fraktionen von SPD und CDU im vorliegenden Fall für den Weg des vorliegenden Entschließungsantrages entschieden haben, ist aus meiner Sicht im konkreten Fall vielleicht nicht die einzig mögliche, aber doch eine vernünftige Entscheidung.

(Volker Schlotmann, SPD: Und vor allem offen und ehrlich. – Dr. Armin Jäger, CDU: Das kann ich bestätigen, ja.)

Meine Damen und Herren, dass meine Fraktion weder willens ist, auf ein Landesvergabegesetz grundsätzlich zu verzichten, noch gemeinsam mit der CDU einen Gesetzentwurf einbringen will, der sich lediglich auf einen Minimalkonsens reduziert, wird Ihnen angesichts der Diskussionen und der öffentlichen Positionierung meiner Fraktion, welche in den letzten Monaten zu diesem Thema stattgefunden hat, zweifelsohne einleuchten.

Wie Sie, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, aber insbesondere auch die Öffentlichkeit auf der anderen Seite darauf reagiert hätten, wenn es einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen gegeben hätte, der so ziemlich alles für den weiteren Beratungsgang offenlässt, möchte ich mir lieber nicht vorstellen. Also erscheint es doch wohl bei näherer Betrachtungsweise logisch und konsequent, dass sich beide Koalitionsfraktionen angesichts der erheblich unterschiedlichen Auffassungen dazu verständigen, die politisch begründeten und juristisch unterschiedlichen Positionen zumindest rechtlich so weit durchleuchten zu lassen, dass sich hieraus keine politischen Konflikte herleiten lassen.

(Zurufe von Helmut Holter, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

Und, meine Damen und Herren, es ist sicherlich nicht das erste und es wird auch nicht das letzte Gutachten sein, welches durch diese oder eine andere Landesregierung zur Vorbereitung von Gesetzesvorhaben veranlasst werden wird. Es bleibt der Vorhalt, dass das Wirtschaftsministerium in Absprache mit anderen Ministerien die Möglichkeiten einer Tariftreueregelung im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs intern geprüft habe.

Meine Damen und Herren, ich will hier im Rahmen der Einbringung des gemeinsamen Entschließungsantrages nicht auf die konkret erfolgte juristische Bewertung eingehen. Das eine oder andere hierzu werde ich vielleicht noch im Verlaufe der weiteren Debatte kurz anreißen können. Aber, meine Damen und Herren, nur so viel an dieser Stelle hierzu: Nicht nur die SPD-Fraktion hat wohl allen Ernstes eine Bejahung einer Tariftreueregelung im Rahmen einer hausinternen Bewertung durch das Wirtschaftsministerium nicht erwartet, nachdem sich der Wirtschaftsminister bereits vorab abschlägig geäußert hat, was politisch völlig legitim ist, und sich unter anderem mit Pressemitteilung vom 22. April dieses Jahres dahin gehend geäußert hat, dass die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten bei der Vergabe von Aufträgen besser genutzt werden sollen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Die Worte in Gottes Ohr.)

Meine Damen und Herren, es bleibt der Einwand, dass die Koalitionsfraktionen diesem Entschließungsantrag zwei von den jeweiligen Fraktionen beigefügte Gesetzentwürfe als Anlage beigefügt haben. Aber, meine Damen und Herren, stellen Sie sich doch bitte selber einmal die Frage: Schadet es etwa der politischen Kultur in diesem Land, wenn auf diese Art und Weise die Menschen in diesem Land, die Beschäftigten und die Unternehmer, die Befürworter und die Gegner der jeweiligen Positionen, für den weiteren Verlauf der politischen Debatte die unterschiedlichen Vorstellungen in die Hand nehmen können, sie lesen, bewerten und in die eigene Meinungsbildung mit einbeziehen können? Die Frage von Mindestlöhnen, Tariftreueregelungen und der Absicherung der wirtschaftlichen und sozialen Arbeitsbedingungen sind Grundfragen in der öffentlichen Diskussion. Und auch Sie, meine Damen und Herren von der Linkspartei, wollen sich doch nicht jetzt ernsthaft darüber beschweren, dass die Fraktionen von CDU und SPD die mit der Offenlegung der jeweiligen gesetzlichen Vorstellungen letztendlich frühzeitig in die weitere Diskussion mit einbeziehen.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Wir wollten einen Gesetzentwurf einbringen.)

Das wäre dann allerdings – der Herr Kollege Methling ist nun leider im Moment nicht da –

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja, er kommt noch.)

wirklich Realsatire.

Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen haben sich darauf verständigt, ein unabhängiges Gutachten zur Prüfung der europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen durch die Landesregierung erstellen zu lassen. Das, meine Damen und Herren, hätte man auch sicherlich ohne Entschließungsantrag beauftragen können.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau. – Michael Roolf, FDP: Genau so.)

Wichtig ist dabei aber – und ich erlaube mir, auf die Rede des Wirtschaftsministers von heute Morgen Bezug zu nehmen –, dass das Gutachten, auch wenn es nicht zu einem jeweils gewünschten Ergebnis führt, dann trotzdem als Arbeitsgrundlage akzeptiert wird. Dies habe ich für meine Fraktion ausdrücklich bereits im Vorfeld dieser Landtagssitzung erklärt. Und dass wir uns dabei nicht missverstehen: Das heißt nicht, dass eigene rechtliche und politische Vorstellungen aufgegeben werden, wenn man ein solches Gutachten akzeptiert. Es heißt nur, dass man im Interesse einer weiteren erfolgreichen Zusammenarbeit der Koalitionsfraktionen bereit ist, die weitere Debatte unter dem Ergebnis dieses Gutachtens zu führen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Okay.)

Und genau das erwarten wir natürlich auch von unserem Koalitionspartner. Um dieses auch für alle Beteiligten, und damit meine ich nicht nur die Koalitionsfraktionen, sondern vor allem für diejenigen, die außerhalb des Landtages die politische Diskussion verfolgen, deutlich zu machen, haben wir uns für den vorliegenden Weg entschlossen.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir an dieser Stelle die Einbringung des gemeinsamen Entschlie

ßungsantrages der Fraktionen von CDU und SPD abzuschließen und auf die unterschiedlichen Positionen und die Ausgestaltung der einzelnen Gesetzentwürfe im Verlauf der weiteren Debatte einzugehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Herr Schulte.

Ich muss mich korrigieren: Der vorhin genannte Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/1643 bezieht sich auf den Tagesordnungspunkt 20. Ich bitte dies zu beachten. Es liegt also kein Änderungsantrag für diesen Tagesordnungspunkt vor.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Herr Seidel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat gibt es eine solche Vereinbarung zwischen den Koalitionsfraktionen, sie wurde hier angesprochen, zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfes, der sich an Sachsen und Sachsen-Anhalt orientieren sollte, wobei wir gleich wussten, dass Sachsen-Anhalt sein Gesetz aufgehoben hat, was natürlich zu bedenken ist.

Ich will auch noch mal deutlich machen, dass nach dieser Vereinbarung – ganz konkret einen Monat nach dieser Vereinbarung – der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung getroffen hat, die die Aufhebung des niedersächsischen Landesvergabegesetzes insbesondere wegen seiner Tariftreueregelung zur Folge hatte, und ich meine, daraus sind Konsequenzen zu ziehen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das ist so im Rechtsstaat.)

Wenngleich, das war ja heute schon oft Thema, wir davon ausgehen dürfen, dass Politik Initiator von Rechtsetzung ist, ist sie dann aber auch dem Recht unterworfen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, Gott sei Dank. – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Unstrittig.)

Dieser Landtag und seine Abgeordneten dürfen nicht Gesetze beschließen, die mit höherrangigem Recht kollidieren. Meine Damen und Herren, dass ein Vergabegesetz und vor allem eine Tariftreueregelung mit deutschem und europäischem Recht vereinbar sein müssen, das ist, das muss ich nicht besonders betonen, die unausgesprochene Geschäftsgrundlage auch für jegliche Vereinbarung gewesen.

Meine Fraktion und ich sind nach der Entscheidung des EuGH der Ansicht, dass eine Tariftreueregelung, wie sie im Paragrafen 5 des SPD-Entwurfs aufgeführt ist, mit europäischem Recht nicht vereinbar ist. Der EuGH hat den Mitgliedsstaaten zwar gewisse Spielräume gelassen. Wenn man sich aber das Urteil genau anschaut, ist klar, dass Regelungen, die nicht für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten, unzulässig sind. Die Regelung im Entwurf unseres Koalitionspartners hält die vom EuGH gesetzten Grenzen nach unserer Auffassung nicht ein. Sie knüpft nicht an Tarifverträge an, die allgemein verbindlich erklärt sind, und sie erfasst lediglich öffentliche Aufträge, nicht auch private. Das sind die

Mängel gewesen, die im niedersächsischen Vergabegesetz kritisiert wurden und die Entscheidung des EuGH am Ende zur Folge hatten. So steht es jedenfalls in der Urteilsbegründung.

Nun gut, es wurde eben gerade gesagt, auch in einer Koalition kann man nicht davon ausgehen, dass alle immer einer Meinung sind.

(Volker Schlotmann, SPD: Gott sei Dank, ne?!!)

Das ist richtig. Die Frage ist: Wie geht man mit einer solchen Situation um? Es ist also eine ganz menschliche Geschichte, die wir hier offenbaren. Entscheidend ist aber zunächst einmal das redliche Bemühen um die Lösung eines Problems. Und das will ich gleich sagen: Von der Redlichkeit des Koalitionspartners gehe ich aus, auch wenn ich seine rechtliche Argumentation nicht teile.

Im Übrigen, Politik in einer Demokratie heißt auch Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen und Meinungen. Man muss immer wieder sagen, Parlamentarismus bedeutet auch Widerstreit der Argumente. Das, glaube ich, muss im Land auch mal betont werden. Es kann nicht immer alles nur friedlich, fröhlich und fromm, wie man so schön sagt, abgehen. Das ist schon alles richtig. Wir befinden uns in einer Koalition mit der SPD und wir wollen auch diese Koalition weiter erfolgreich fortsetzen, denn, ich meine, wir können mit Stolz gerade im wirtschaftlichen Bereich auf viele gute Daten verweisen.

(Udo Pastörs, NPD: Ha!)

Ich denke auch, wir könnten auf noch viel bessere Daten verweisen, wenn wir Sie nicht hätten. Da wäre das noch viel besser. Das sage ich Ihnen hundertprozentig.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wenn wir das noch weiter ziehen, dann wird’s besser. – Raimund Borrmann, NPD: Bis es wieder schlechter wird.)

Wir wollen sehen, dass wir auch die Intentionen oder die Auffassungen durchaus nicht verbessern wollen. Wir haben, das ist richtig, eine Tariftreueregelung immer abgelehnt. Wir haben sie deshalb abgelehnt, weil wir der Auffassung sind, sie hilft uns nicht.

Im Übrigen will ich an dieser Stelle schon noch mal feststellen, ganz abseits von rechtlichen Betrachtungen, Herr Schulte, weil Sie es gerade ansprachen: Die SPD sagt, im Interesse der Unternehmen vorgehen zu wollen.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Das Interesse der Unternehmen kann ich überhaupt nicht wahrnehmen.

(Zurufe von Volker Schlotmann, SPD, Jochen Schulte, SPD, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Wenn die Kammern, wenn die Verbände noch zumindest ein Sprachrohr für die Unternehmen sind, dann haben die mir gerade wieder mitgeteilt, dass sie kein Interesse an einer solchen Regelung haben.

(Volker Schlotmann, SPD: Ein Teil der Unternehmen. – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)