Protokoll der Sitzung vom 25.09.2008

Nicht jede wissenschaftliche Studie muss man ganz ernst nehmen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Ratjen.

Ich muss noch mal nachfragen. Sie haben jetzt einen …

Herr Ratjen, bitte.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hallo! Nachfrage von der Präsidentin!)

Ich muss noch mal nachfragen. Sie haben jetzt einen Antrag auf Überweisung gestellt. Sagen Sie bitte noch mal, in...

(Sebastian Ratjen, FDP: Ja, Wirtschafts- und Sozialausschuss, federführend Wirtschaft.)

Federführend Wirtschaft.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen dann zur Abstimmung.

Es wurde in der Debatte ein Antrag zur Überweisung des Antrages der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/1713 gestellt, federführend in den Wirtschaftsausschuss und mitberatend in den Sozialausschuss. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsantrag der Fraktion der FDP zur Drucksache 5/1713 bei Zustimmung der Fraktion der FDP und Zustimmung der Fraktion der NPD mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion DIE LINKE abgelehnt.

Ich lasse nun in der Sache abstimmen über den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/1713. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/1713 bei Zustimmung der Fraktion der FDP und der Fraktion der NPD mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion DIE LINKE abgelehnt.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Politische Instrumentalisierung des Geschichtsunterrichts in Mecklenburg-Vorpommern beenden, Drucksache 5/1787.

Antrag der Fraktion der NPD: Politische Instrumentalisierung des Geschichtsunterrichtes in Mecklenburg-Vorpommern beenden – Drucksache 5/1787 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Borrmann von der Fraktion der NPD.

Bürgerin Präsidentin! Bürger Abgeordnete! Bürger des Landes!

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Mit der Bildung in unserem Land steht es schlecht.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Selbst die Systempresse, die nun wirklich nicht auf unserer Seite steht, attestiert dem Land, dass es unter allen Bundesländern den letzten Platz einnimmt. Wer eine fehlerhafte Entwicklung vom Grundsatz her überwinden will, muss sich aufmachen, die Sprache, die Begrifflichkeiten, die unhinterfragten Dogmen, die aus ihnen abgeleiteten Schlüsse und Sinnzusammenhänge zu überwinden, indem er sie einerseits bezweifelt, anderer seits Neues, Selbsterkanntes entgegenstellt. Auf die Frage der Preußischen Akademie der Wissenschaften, was Aufklärung sei, antwortet Immanuel Kant: „Aufklärung ist der“ Aufbruch „aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.“

(Peter Ritter, DIE LINKE: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.)

Das heißt für uns Nationaldemokraten:

1. Aufbrechen im Sinne einer aus eigenem Antrieb,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie müssen mal weiterzitieren, Herr Borrmann!)

aus idealistischem Ansatz gewonnenen Initiative, die darauf vertraut, etwas Besseres als das Bestehende schöpfen zu wollen, aber auch Aufbrechen im Sinne eines Durchbrechens

(Irene Müller, DIE LINKE: Richtig! Richtig, Herr Borrmann. Fangen Sie damit an!)

bisheriger Schranken, Konventionen und Etiketten, die uns ein freies, ein befreiendes Denken verbieten

2. Unmündigkeit aufbrechen, welche uns an ein System fesselt, das uns verbietet, es zu bewerten, es zu hinterfragen und zu überwinden, wenn es demokratischen Maßstäben nicht mehr genügt, unsere Not zu wenden

3. selbst verschuldete Unmündigkeit aufbrechen, die Lethargie, die Selbstverständlichkeit, mit der wir uns eingerichtet haben in dem Moder des Verfaulenden und des Verkommenen

4. Freiheit statt nur freies Wort, sagt Schiller. Wir Nationalen wollen nicht beim freien Gedanken stehenbleiben, sondern praktische Freiheit gewinnen für unser an den ägyptischen Fleischtöpfen leidendes Volk.

Dieser Ansatz für einen neuen Geschichtsunterricht ist daher ein ganz anderer als der gegenwärtig praktizierte.

Heute ist Geschichte in unseren Schulen ein positivistisches Sammelsurium, eine theologische Konstruktion, das heißt, Betrachtung, in der die einzelnen Ereignisse, die Geschehnisse früherer Zeiten als Marken auf dem Weg zum Hier und Jetzt betrachtet werden, Wegmarken, die danach bewertet werden, inwieweit sie den heutigen Maßstäben schon entsprechen oder noch hinter diesen zurückbleiben. In diesem politischen System ist die Historie Geschichte, das heißt, ein Geschehen, aus dem wir zwar hervorgegangen sind, das aber keinerlei Wirkmächtigkeit mehr aufweist. Diese Wirkmächtigkeit geht allein vom sinnlich Gegenwärtigen aus, vom empirisch Konstatierbaren und seine es durchdringenden Gesetze. Geschichte ist das tot hinter uns Gelassene, das man ebenso vergessen kann, weil sein Vergessen die Gegenwart nicht vermindert.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Und Sie vergessen besonders viel.)

Diese Art, dieser Charakter von Geschichte, wie sie heute an unseren Schulen gelehrt, wie sie in diesem Staat gelebt und gefühlt wird, hat denselben Charakter wie der Gott für einen Atheisten. Er kann sagen, Gott ist tot, ohne dass die Welt sich für ihn ändert. Er kann ebenso sagen, Geschichte interessiert mich nicht, ohne dass er aufhört zu existieren. Zwischen Geschichte und Gegenwart liegt eine Wand, die Transzendenz von Immanenz, die Jenseits von Diesseits scheidet, wie das erstarrte Eis vom flüssigen Wasser im offenen Meer geschieden ist.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Ein Grund, der die Geschichtsauffassungen in unserem Land an heutigen Schulen zu bestärken scheint, ist der Umstand,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

dass Geschichte nicht mehr beeinflussbar ist. In der Gegenwart stehen wir mit beiden Beinen,

(Irene Müller, DIE LINKE: Tja, den Beweis müssten Sie noch bringen.)

hier ist angewandte Tatkraft ein Wirkfaktor zur Veränderung. Das Unveränderbare, das unverrückbar hinter uns Liegende entzieht sich unserer Subjektivität.

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Das Geschichtliche erfährt gerade dadurch den Anschein seines Totseins und durch scheinbare Unverrückbarkeit und Unbeeinflussbarkeit in der Folge an den Schulen seine Instrumentalisierung, indem es durch diese Eigenschaften des Toten, Abgestorbenen und zugleich Unveränderbaren als Absolutes, mitunter dämonisch Teuflisches sich in jeder Beziehungsetzung mit dem Lebendigen, Gegenwärtigen entzieht und damit auch über eine Relativierung, eine In-Beziehung-Setzung der verschiedenen geschichtlichen Ereignisse untereinander erhaben ist. Ja, es findet eine staatliche Sanktionierung des Absoluten statt, indem ein In-Beziehung-Setzen von Geschichte mit der Gegenwart oder von Historien untereinander sogar strafbewährt ist

(Helmut Holter, DIE LINKE: Verstehen das Ihre Kollegen aus der NPD-Fraktion auch, was Sie hier vortragen? – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

und eine solche Relativierung mit Verharmlosung gleichgesetzt wird, die an der Schule Straftatbestände begründet, welche staatsanwaltlichen Ermittlungen offenstehen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Welches Konzept stellen wir Nationaldemokraten dem entgegen? Es ist zunächst erst einmal zu hinterfragen, ob die Behauptung, es würden im Geschichtsunterricht empirisch konstatierbare Fakten im Lichte einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung vermittelt, überhaupt haltbar ist.

(Irene Müller, DIE LINKE: Sie fangen nicht mal an zu denken.)

In der DDR lehrte seinerzeit Professor Dieter Wittich, die marxistisch-leninistische Erkenntnistheorie geht von wahren Aussagen aus. Ich habe mir schon damals die Frage gestellt, wo diese Wahrheit herkommt. Erkenntnisse seien Widerspiegelung der objektiven Realität, hieß es meist lapidar. Darüber lässt sich heute trefflich streiten. Doch gerade der Geschichtsunterricht hat ein Feld zum Gegenstand, in dem die objektive Realität entweder gar nicht mehr oder aber nur noch als funktionsloses Monument in der ägyptischen Wüste oder auf dem Nürnberger Reichsparteitagsfeld existiert. Hier stehen sowohl eine historisch-materialistische als auch eine rein positivistische Methode vor einem Problem.

Bereits während meines Studiums schien es, als lehnten alle eine idealistische Lösung ab. Immanuel Kant erklärt dazu in der „Kritik der reinen Vernunft“: „Unter einem Idealisten“ darf man aber „nicht denjenigen verstehen, der das Dasein äußerer“ Dinge „läugnet, sondern der nur nicht einräumt“, dass sie unmittelbar erkannt werden. Die zentralen Dogmen des Geschichtsunterrichts unseres Landes vermitteln jedoch den Lehrstoff, als sei er unmittelbare Erkenntnis, und leisten damit einer politischen Instrumentalisierung Vorschub.

Zentrale Kategorie ist der Begriff der offenkundigen Wahrheit, der immer wieder ins Feld geführt wird. Dabei ist oft gar nicht klar, welche Prädikate dieser Begriff umfasst. Zunächst einmal ist eine offenkundige Wahrheit der Gegensatz zur offensichtlichen Wahrheit. Offensichtliche Wahrheit ist eine Erkenntnis, die auf unmittelbare Wahrnehmung gestützt ist, welche auch andere wahrnehmen können, eine Wahrheit, die also nicht nur allgemein mitteilbar, sondern auch allgemein unmittelbar nachvollziehbar ist, weil jeder Urteilende nicht nur die Schlussfolgerungen ziehen, sondern auch die Prämissen empirisch konstatieren kann. Offensichtliche Wahrheiten ermöglichen die Selbsterfahrungen. Sie sind für alle selbst erfahrbar. Eine offenkundige Wahrheit ist eine Erkenntnis, die sich auf eine andere Anschauung, die sich auf eine andere zur Anschauung transformierte Wahrheit/Wahrnehmung gründet, die, über eine Kette von Kundigen vermittelt,