Protokoll der Sitzung vom 18.12.2008

4. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die Verpflichtung – mit über 130 Millionen Euro für die bedrohte Finanzindustrie einzustehen – zu widerrufen, wenn sich die Auffassung erhärtet, dass die vom Ministerpräsidenten gegebene Verpflichtung verfassungswidrig ist?

Herr Abgeordneter, ein Verstoß gegen die Landesverfassung ist nicht erkennbar. Insofern sehe ich mich auch nicht genötigt, über einen Widerruf zu spekulieren. Ihre Vermutung der Verfassungswidrigkeit bezieht sich offenbar auf einen Beitrag eines regionalen Internetnachrichtenportals, in dem mit Verweis auf die Artikel 63 und 65 der Landesverfassung ein solcher Verstoß gegen die Verfassung behauptet wird.

Hierzu lässt sich Folgendes sagen: Nach Artikel 65 Absatz 1 der Landesverfassung bedürfen die „Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können“,

einer „der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung“ durch ein Landesgesetz. Die vom Ministerpräsidenten im Bundesrat erteilte Zustimmung zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz ist aber weder eine Bürgschaft noch eine Garantie noch eine sonstige Gewährleistung im Sinne des Artikels 65. Auch Artikel 63 Absatz 1 ist hier nicht zutreffend. Die Vorschrift bestimmt, dass „über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungen … der vorherigen Zustimmung des Finanzministers“ bedürfen. Adressat dieser Vorschrift ist aber die Landesverwaltung und nicht der Ministerpräsident in seiner Eigenschaft als Mitglied des Bundesrates.

Nach Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz besteht der Bundesrat aus „Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sie bestellen und abberufen“. Der Ministerpräsident als Mitglied des Bundesrates ist dort Teil eines Gesetzgebungsorgans des Bundes. Mit seiner Zustimmung zu einem Bundesgesetz begründet er also nicht eine Verpflichtung für das Land, die einer haushaltsrechtlichen Ermächtigung bedürfte. Die Verpflichtung tritt vielmehr unmittelbar durch das Bundesgesetz ein.

Diese Sichtweise ist im Übrigen allgemeine Staatspraxis. Es gibt zahlreiche Bundesgesetze, die mit Zustimmung des Bundesrates Verpflichtungen für die Länder begründen, absenken oder erhöhen, zum Beispiel das Wohngeld, BAföG, Sozialhilfe et cetera. In all diesen Fällen ist noch niemand jemals der Idee verfallen, dass der Ministerpräsident für seine Zustimmung im Bundesrat eine haushaltsrechtliche Ermächtigung braucht.

Zusatzfrage: Könnte der Ministerpräsident als Mitglied des Bundesrates das Bundesland derart verpflichten, dass das Bundesland bankrottgehen würde?

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das geht überhaupt nicht. – Gabriele MûšÈan, DIE LINKE: Das geht gar nicht.)

Herr Abgeordneter, Ihre Frage beinhaltet eine Unterstellung.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Rein hypothetisch! – Michael Andrejewski, NPD: Bankrott ist eine Tatsache!)

Und ich denke, dass ich durch die umfassende Beantwortung Ihrer Frage die rechtlichen Grundlagen für das Handeln des Ministerpräsidenten dargelegt habe. Sie dürfen auch in Zukunft davon ausgehen, dass der Ministerpräsident in großer Verantwortung für dieses Land eine von Ihnen unterstellte Entscheidung nicht treffen würde. Im Übrigen wäre es auch das allererste Mal, dass so etwas die Bundesebene von Ländern verlangt, denn auch hier gibt es ein ausgewogenes Verhältnis.

Zusatzfrage: Können Sie sich vorstellen, dass ein Bundesland oder die Bundesrepublik Deutschland bankrottgehen könnte, zahlungsunfähig werden könnte, aufgrund des Handelns bestimmter Personen, wie das beispielsweise bei Argentinien der Fall war oder fast auch bei Island der Fall war?

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Herr Abgeordneter, ich stelle fest, dass Ihre Zusatzfrage mit dem Grundgehalt der Ursprungsfrage nichts zu tun hat …

Aber mit der Antwort.

… sondern auch hier wieder eine Unterstellung beinhaltet. Ich gedenke nicht, das zu beantworten.

Stellen Sie bitte die nächste Frage.

5. Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um die für die Banken-, Finanz-, Wirtschafts- und Systemkrise verantwortlichen Manager, beispielsweise der Hypo Real Estate, der IKB, KfW, Deutschen Bank sowie diverser Landesbanken, gegebenenfalls strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen und für ihr Handeln dingfest zu machen?

Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, bei Vorliegen eines Anfangsverdachts für strafbares Verhalten innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs entsprechende Ermittlungsverfahren einzuleiten.

(Jörg Heydorn, SPD: Das ist ja wohl sehr lächerlich.)

Bundesweit prüfen derzeit Staatsanwälte die Einleitung von derartigen Ermittlungsverfahren gegen verschiedene Banken. Gegen die IKB, die KfW und die Sachsen LB laufen bereits Ermittlungen. Es ist nicht Aufgabe einer Landesregierung, strafverfolgend tätig zu werden.

(Reinhard Dankert, SPD: Der hat doch nur das Gesellschaftsbild im Kopf.)

Dass ich Ihnen, Herr Borrmann, in einer Fragestunde des Parlamentes diese demokratische Gewaltenteilung erläutern muss, spricht jedoch Bände.

(Matthias Lietz, CDU: So ist es.)

Zusatzfrage: Ist Ihnen bekannt, dass die Staatsanwaltschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern weisungsgebunden ist und von der Landesregierung in der Person der Justizministerin

(Harry Glawe, CDU: Das gibt es doch gar nicht. Oh, oh!)

angewiesen werden kann, Ermittlungen aufzunehmen?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Ein Blick ins Grundgesetz wäre hilfreicher gewesen. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Herr Borrmann, ich würde am liebsten noch mal meinen letzten Satz wiederholen an der Stelle, aber ich denke, alle anderen hier im Raum haben den schon beim ersten Mal verstanden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Zweite Zusatzfrage: Sehen Sie die Auswirkungen der Finanzkrise in Deutschland im Wesentlichen als systembedingt oder von einzelnen Personen abhängig?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Herr Abgeordneter Pastörs, wenn Sie mich demnächst auch noch fragen, ob ich …

(Stefan Köster, NPD: Herr Borrmann!)

Entschuldigung, so weit wollte ich jetzt nicht gehen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wenn Sie mich jetzt demnächst fragen, ob ich vielleicht auch Ihre Grundideologie teile, dann kann ich da nur mit einem ganz klaren Nein antworten,

(Stefan Köster, NPD: Doch, doch!)

genau wie auf Ihre Frage, die das beinhaltet.

Das ist aber keine Antwort. – Danke.

Bitte stellen Sie Ihre Zusatzfrage.

Zusatzfrage:

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach! – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Wie erklären Sie sich, dass in Artikel 65 unserer Landesverfassung festgeschrieben steht, dass Belastungen für den Haushalt eines Gesetzes „bedürfen“? So steht es dort. Das heißt also, dass „Garantien oder sonstige Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können“ – also schon können! –, „einer der Höhe nach bestimmten … Ermächtigung durch Gesetz“ bedürfen. Und was Sie ausführten, beinhaltete das nicht. Sie haben das ganz einfach weggelassen. Wie kommt das?

(Stefan Köster, NPD: Die Regierung ist das Gesetz.)

Herr Abgeordneter Pastörs, jetzt wirklich. Mir ist natürlich klar, dass Sie Ihre Zusatzfrage aufgeschrieben haben, bevor ich meine Antwort gegeben habe. Und da war es jetzt schlecht übereinanderzulegen, dass ich genau auf Artikel 65 eingegangen bin

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vollkommen richtig. – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, eben.)

und gesagt habe, dass dieser überhaupt nicht berührt ist, denn es handelt sich um keine Garantie oder Gewährleistung an der Stelle. Aber Sie können ja die Antwort ohnehin noch mal schriftlich nachlesen. Ich denke, dann ist das grundsätzlich geklärt und wir können hier die Zeit sparen.

Also, Zusatzfrage: Sie sagen hier, die über 130 Millionen, die verpflichtend eingegangen worden sind, sind gar keine festen Verpflichtungen für das Land?

(Stefan Köster, NPD: Das ist alles nur Traum.)