Protokoll der Sitzung vom 24.09.2009

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Aber nur noch 2010.)

Lassen Sie mich an dieser Stelle eines ausdrücklich klarstellen: Das Land hat und wird sich nicht auf Kosten seiner Kommunen sanieren. Insofern weise ich auch die Ausführungen ausdrücklich zurück, und zu denen stehe ich. Land und Kommunen sind und bleiben eine Schicksalsgemeinschaft. Wenn man sich zum Beispiel genauer mit dem Regierungsentwurf der Mittelfristigen Finanzplanung 2009 bis 2013 befassen würde, wüssten Sie, dass das Land auch weiter ein strukturelles Haushaltsdefizit trotz Konsolidierungsanstrengungen aufweist.

Und auch das sollten Sie nicht vergessen: Nicht nur die Kommunen, sondern auch das Land hat unter den Folgen der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise erheblich zu leiden. So muss es im Vergleich der Maisteuerschätzung 2009 und 2008 Einnahmeverluste aus Steuern, Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich und Bundesfinanzzuweisungen abzüglich des kommunalen Finanzausgleichs in Höhe von round about 1,5 Millionen Euro verkraften. Dem steht bei den Kommunen ein Rückgang der Finanzausstattung, also von Steuern und Leistungen aus dem kommunalen Finanzausgleich, in Höhe von 607 Millionen gegenüber.

Meine Damen und Herren! „Wir haben die Situation … dass unsere Kommunen … im Durchschnitt, circa 40 Prozent aus eigenen Einnahmen realisieren und bei etwa 60 Prozent angewiesen sind auf Zuweisungen des Landes. Es ist doch klar, wenn von diesen großen Zuweisungen des Landes aufgrund der Finanzsituation etwas weggeht, das aufgrund der eigenen Einnahmen nicht kompensiert wird, dann bleibt eine Lücke. Und natürlich führt die Lücke dazu, dass wir in den Kommunalhaushalten … dann reagieren müssen.“

Frau Präsidentin, Entschuldigung, ich habe vergessen, dass ich soeben zitiert habe aus dem Vortrag der Fraktionsvorsitzenden der damaligen Linkspartei.PDS und heutigen Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt Schwerin Frau Gramkow, die die Probleme im Jahr 2006 zutreffend beschrieb.

(Udo Pastörs, NPD: Die war nie Fraktions- vorsitzende. Ah ja, damals vielleicht schon.)

Umso weniger verstehe ich, Herr Kollege Holter, weil ich Sie sehr schätzte, Ihre Ausführungen von gestern, wo nicht nur angesichts der Weltwirtschaftskrise die Situation viel dramatischer wird, dass DIE LINKE heute Krokodilstränen vergießt, der Landesregierung stümperhaftes Krisenmanagement vorwirft und wegen des FAG sogar meinen Rücktritt fordert. Das ist Ihnen legitim. Erklären Sie doch einmal, warum die von Ihrem damaligen Fraktionsvorsitzenden – wo Sie mit in Regierungsverantwortung waren – gesetzten Maßstäbe heute nicht mehr gelten! Haben Sie in den Jahren der Opposition wirklich alles vergessen, was Sie als Regierungsfraktion vertreten haben?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Na ja, das kann man auch gut umdrehen.)

Wieso haben Sie in den zurückliegenden Jahren immer verhindert, dass das FAG in seiner Struktur neu gestaltet wird? Das waren Sie in Ihrer Fraktion, die damals nicht dazu beigetragen haben, dass wir schon lange eine Strukturveränderung vorgenommen haben, und die ist ja dringend notwendig. Dass Sie bei einer Neuverteilung des FAG, wenn weniger zu verteilen ist, keinen Sympathiepreis gewinnen können, das ist von vornherein klar. Aber klar ist auch, dass sich diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen nicht nach Sympathie bewegen, sondern nach Notwendigkeit. Und deswegen ist das FAG vollkommen notwendig. Ihre Ausführungen sind aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar.

Das Land hat in den zurückliegenden Jahren vorausschauend Rücklagen gebildet – und so ehrlich muss man auch sein – mit der damaligen und der heutigen Finanzministerin, auch wenn wir teilweise in der Zeit nicht dabei waren als Mitregierende. Insofern muss man das deutlich anerkennen, dass sie diese gebildet hat. Aber sie hat sie

nicht gebildet, einfach weil es Spaß macht, sondern sie ist immer davon ausgegangen, dass nach guten Zeiten auch schlechte Zeiten kommen,

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Vergessen Sie da nicht, Angelika Gramkow zu zitieren!)

damit so die zu erwartenden Steuereinbrüche in den kommenden Jahren auch kompensiert werden können. Nach einem umfangreichen Personalabbau in der Vergangenheit passt die Landesregierung mit einem zusätzlichen Personalkonzept die Größe der öffentlichen Verwaltung an den Rückgang der Bevölkerung weiter an.

Zu vergessen ist auch nicht, dass sowohl das Land wie auch die Kommunen in den Jahren 2007 und 2008 jeweils mit einem Haushaltsüberschuss abgeschlossen haben. Zudem zeigt ein aktueller Vergleich der Zuweisungen der anderen neuen Bundesländer, die Sie ja immer wieder in den Vergleichen anführen, an ihre Kommunen im Jahre 2009, dass Mecklenburg-Vorpommern einwohnerbezogen die höchsten Gesamtleistungen an seine Kommunen weitergibt.

(Udo Pastörs, NPD: Das hilft den Kommunen nicht. Die sind trotzdem pleite.)

Auch vor diesem Hintergrund sehe ich keinen Grund, im FAG-Entwurf von dem weiter vereinbarten Gleichmäßigkeitsgrundsatz zur Bestimmung der Höhe der Finanzausgleichsleistung abzuweichen. Er berücksichtigt nicht nur die Leistungsfähigkeit des Landes, sondern auch die Einnahmen von Land und Kommunen und ihre Aufgaben.

Die Fraktionen DIE LINKE und FDP vergessen bei ihrem Antrag offenbar völlig, dass die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise die zusätzliche Ursache zu dem Einnahmerückgang ist. Stattdessen führen Sie insoweit eine untaugliche Systemdebatte zum Finanzausgleichsgesetz. Das FAG – und das wiederhole ich noch mal, weil es Einzelne offensichtlich immer wieder verwechseln – ist keine Gelddruckmaschine, sondern kann nur das Geld verteilen, was Land und Kommunen einnehmen. Ansonsten reden wir über Luftbuchungen, und die kennen alle, die im Osten groß geworden sind, sehr genau und wissen, wozu sie geführt haben.

(Udo Pastörs, NPD: Das kennen Sie aus Ihrer LPG. Da hieß es Planerfüllung.)

Und da keine Luftbuchungen möglich sind, können wir nur das verteilen, was zur Verfügung steht.

Im Übrigen hat das Landesverfassungsgericht im Jahr 2006 nach eingehender Prüfung im Mai 2006 den Gleichmäßigkeitsgrundsatz für verfassungsgemäß erklärt. Er trägt dem Recht der Kommunen auf eine angemessene Finanzausstattung Rechnung. Über viele Jahre haben die Kommunen im hohen Maße mehr noch als das Land von dieser Regelung profitiert. Und ich kann mich nicht entsinnen, dass meine Kollegin Polzin oder ich im Jahr 2008 oder im laufenden Jahr von irgendeiner Kommune die Mitteilung bekommen haben, sie haben zu viel Geld, sie wollen nicht noch mehr. Also nochmals: Diese Schicksalsgemeinschaft in guten wie in schlechten Zeiten gilt eben gleichermaßen.

Jetzt, wo die Zeiten der hohen Steuereinnahmen vorbei sind und die Hilfen aus dem Länderfinanzausgleich und dem Solidarpakt II zurückgehen, kann keiner versuchen, die Zahnpasta zurück in die Tube zu drücken. Der Gleichmäßigkeitsgrundsatz ist keine Regelung nur für

die guten, sondern er bedeutet auch, dass Land und Kommunen eine Schicksalsgemeinschaft bilden – in guten wie in schlechten Zeiten.

Die aktuelle Diskussion über die finanzielle Ausstattung der Kommunen verdeutlicht einmal mehr, wie unumgänglich es ist, die kommunalen Strukturen anzupassen und die Haushalte zu konsolidieren. Der Ministerpräsident hat gestern früh schon ausgeführt, dass selbstverständlich die Landesregierung und die sie tragende Koalition die weitere Entwicklung immer im Auge haben und auch wissen, dass wir uns im November beraten werden, wie wir mit der dann folgenden Steuerschätzung umgehen werden. Sie werden aber eines nicht erreichen: Sie werden nicht erreichen, einen Keil zwischen Finanzministerin, muss ich jetzt sagen, und Innenminister zu treiben, um hier eine systemuntaugliche Massendiskussion zu führen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Insofern kann die Antwort auf Ihre Fragen und auf Ihren Antrag nur lauten: Er löst Unverständnis aus, ist unehrlich und kann aus den Gründen nur abgelehnt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Das sehen die Kommunen aber anders.)

Danke schön, Herr Minister.

Die angemeldete Redezeit der Landesregierung wurde mit vier Minuten überschritten, sodass entsprechend Paragraf 85 unserer Geschäftsordnung diese Zeit den Oppositionsparteien zur Verfügung steht.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich könnte es mir bei diesem Antrag sehr einfach machen und sagen, das ist ein einmaliger Vorgang in diesem Landtag, dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorlegt, der Landtag ihn in einen Ausschuss überweist,

(Stefan Köster, NPD: Alles ist klasse!)

der Ausschuss eine Anhörung durchführt und – ohne dass der Ausschuss in der Lage ist, diese Anhörung auszuwerten, ohne dass der Ausschuss sich überhaupt eine Meinung bilden darf –

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das haben aber die Fachausschüsse schon abschließend beraten. – Zurufe von Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Birgit Schwebs, DIE LINKE)

dieser Gesetzentwurf der Landesregierung in den Orkus gekippt werden darf. Dieses, meine Damen und Herren, hielte ich für ziemlich einmalig.

(Hans Kreher, FDP: Ja, das stimmt.)

Aber ich will mich nicht auf formale Dinge zurückziehen, sondern ich will mich gerne mit dem Inhalt auseinandersetzen. Denn die kleine Diskussion, die wir im Innenausschuss gehabt haben, ohne dass wir Beschlüsse gefasst hätten, die kann man nicht als eine vollständige Auswertung dieses Anhörungsprozesses bezeichnen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sie haben die Chance nicht mal für die Fachausschüsse gegeben. Durchgepeitscht haben Sie das. – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Ich habe auch Ihre Anträge vermisst, Herr Holter. Aber da sind wir ja dann sehr gespannt, was noch kommt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Da kommen Anträge.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns nicht über das Verfahren lamentieren, sondern lassen Sie uns zur Sache reden! Und bei der Sache weiß jeder, spätestens seit der Innenminister mit einem Orientierungserlass deutlich gemacht hat, was die zahlenmäßige Entwicklung für die einzelnen kommunalen Körperschaften bedeutet,

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Genau. 2. September!)

dass wir im Jahre 2010 – und wir alle fürchten, im Jahre 2011 noch mehr – auf der kommunalen Ebene vor einer sehr schwierigen, um nicht zu sagen, einer dramatischen Situation stehen werden. Aber, und da beginnt das Thema Unehrlichkeit, es wird in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, als werde diese dramatische Situation verursacht

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Durch die Gesetze.)

durch den Gesetzentwurf der Landesregierung.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das macht kein Mensch.)

Dieser Eindruck wird allenthalben erzeugt, lieber Kollege Holter, und ich kann Ihnen das an vielen Beispielen auch aus Ihrer Partei nachweisen. Ich sage Ihnen, dieser Eindruck ist falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig.)

Es ist nicht der Gesetzentwurf der Landesregierung …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Wir reden immer über die Masse und die Verteilung.)

Es ist nicht der Gesetzentwurf der Landesregierung, der zu einer Reduzierung der Masse führt, weder zu einer großen noch zu einer kleinen. Und bei dem einen oder anderen, vielleicht darf ich namentlich Frau Reese nennen, mag ich ja noch entschuldigend gelten lassen, dass sie die Zusammenhänge nicht verstanden hat.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP – Zuruf von Hans Kreher, FDP)