Meine Damen und Herren, was da erreicht wurde, ist doch nicht unerheblich. Es ist gelungen, dass mehr als ein Drittel der Verwaltungen im kreisangehörigen Raum heute nicht mehr da sind. Man muss sich einmal vor Augen halten, es gab vier Klagen dazu. Und darüber, dass wir von 175 auf 113 Verwaltungen gekommen sind – da ist die Erwartungshaltung deutlich überschritten worden –, waren wir alle gemeinsam überrascht,
und auch darüber, dass heute Ämter nicht im Durchschnitt 8.000 Regeleinwohner haben, sondern der Durchschnitt der Ämter bei 11.300 Einwohnern liegt, die heute in einem Amt verwaltet werden.
Meine Damen und Herren, die Zahl der Gemeinden selbst hat übrigens auch erheblich abgenommen. Bei der Einsetzung der Enquetekommission im Jahr 2000 hatten wir rund 1.000 Gemeinden, davon waren 440 unter 500 Einwohnern. Wir haben heute 811 Gemeinden, aber immer noch 300 Gemeinden, die unter 500 Einwohner haben.
Meine Damen und Herren, als Fazit bleibt festzustellen: Hier ist etwas auf Augenhöhe geschehen. Hier ist eben nichts vorher vorgegeben worden. Und da weiß ich nicht, Frau Měšťan, ob Sie das mit Beinausreißen oder
Jungfräulichkeit gemeint haben. Nein, daran war uns gerade gelegen, mit diesem Antrag nichts vorzugeben, was nicht unbedingt vorgegeben sein muss, sozusagen ergebnisoffen zu sein, weil diese Ergebnisoffenheit auch eine Lehre aus der 4. Legislaturperiode ist. Ergebnisoffen zu sein heißt auch, diese Chance und diesen Charme für sich selber wahrzunehmen. Das macht die Sache nicht einfacher, das macht sie durchaus komplizierter, aber es bietet eine Chance, wirklich das Beste für die Entwicklung unserer Kommunen zuwege zu bringen. Aber es bleibt festzustellen, meine Damen und Herren: In erster Linie haben sich die Ergebnisse der Enquetekommission der 3. Wahlperiode, dann fortgeführt in der 4. Wahlperiode mit der Änderung der Kommunalverfassung, in der Reform der Ämterstruktur in Mecklenburg-Vorpommern eigentlich schon fast erledigt.
und die 38 können wir ebenfalls toppen. In meinem Amtsausschuss sitzen 40 Mitglieder des Amtsausschusses. Das mag weniger den Ämtern zuzuschreiben sein, sondern der Tatsache, dass wir noch deutlich zu viele kleine Gemeinden haben,
die kaum die Aufgabenerledigung für sich wirklich wahrnehmen können. Da werden wir gemeinsam nachdenken müssen, dort müssen wir ansetzen.
(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Da sind wir doch bei dem, was ich gesagt habe, wir müssen noch mal überlegen.)
Es gibt aber auch Probleme, die im Grunde völlig ungelöst sind, und das ist die berühmte Stadt-Umland-Problematik.
(Heiterkeit bei Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Ein schönes Thema. – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS)
Die Enquetekommission hat sich damit intensiv beschäftigt, aber aus Zeitnot gab es keine abschließende Empfehlung. Das ist nachzuvollziehen. Der Kollege Müller hatte es schon gesagt, er hat es vorsichtiger ausgedrückt, als ich es jetzt vielleicht tun werde. Wer meint, dass das Verwaltungsmodernisierungsgesetz auch nur irgendwo eine wirkliche Antwort auf die Frage der Lösung der Stadt-Umland-Problematik bietet, der sieht sich wohl getäuscht. Das sind wirklich bestenfalls die Türen, Herr Müller, die da ein bisschen aufgemacht wurden. Aber wer es noch einmal nachlesen möchte, kann sich das Protokoll der Anhörung der kreisfreien Städte und der großen kreisangehörigen Städte vornehmen. Da hat es zum Beispiel Rosemarie Wilcken an Deutlichkeit wirklich nicht vermissen lassen.
(Zuruf von Heinz Müller, SPD – Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD, und Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS)
Schuldt aus Güstrow zum Beispiel hat das für die mittleren Kreisstädte auch sehr deutlich gemacht. Meine Damen und Herren, da geht es überhaupt nicht, und das muss ich jetzt wirklich mal sagen, um Partikularinteressen irgendwelcher einzelner Oberbürgermeister, sondern es geht um die Stärkung der wenigen Zentren, die dieses Land tatsächlich hat. Und das ist in unserem eigenen Interesse, das ist im Überlebensinteresse dieses Landes.
Meine Damen und Herren, man mag zu großen Koalitionen stehen, wie man will, aber eine Chance haben sie allemal, dass sie bei wirklich schwierigen Problemen, und das ist die Stadt-Umland-Problematik ganz ohne Zweifel, gemeinsam mit denen, die guten Willens sind, auch Lösungen schaffen können. Wir haben seit 16 Jahren keine Lösung für das Stadt-Umland-Problem. Allerdings ist noch ein Urteil eines Verfassungsgerichtes im Frühsommer 2007 zu erwarten. Der Zwischenbericht der Enquetekommission soll schon am 30.06.2008 da sein und dann wollen wir es gemeinsam schaffen, die gesetzgeberischen Notwendigkeiten einzuleiten, die eine Umsetzung bis zur Kommunalwahl 2009 möglich machen.
Meine Damen und Herren, das ist ein großer Auftrag an uns selbst, denn da geht es nicht um irgendwelche Änderungen zum Beispiel in der Kommunalverfassung, sondern da geht es zum Beispiel auch um maßgebliche Änderungen im FAG. Da geht es nicht nur um das System der Vorwegabzüge im horizontalen Finanzausgleich. Da mag es um ganz spezielle Ausgleichsleistungen gehen, die wir in dieser Enquetekommission gemeinsam miteinander erarbeiten, die dann aber auch umgesetzt werden müssen. Meine Damen und Herren, es kann, und das muss ergebnisoffen bleiben, auch durchaus um eine Eingemeindung bislang selbstständiger Gemeinden gehen, und zwar gegen den Willen der betroffenen Gebietskörperschaften, wenn es das überwiegend öffentliche Wohl erfordert. Das, meine Damen und Herren, ist der härteste Eingriff in kommunale Selbstverwaltung. Da muss man auch den Mut haben, wenn die Enquetekommission sagt, ja, das ist für dieses spezielle Gemeinwesen, für diese noch kreisfreie Stadt der Weg, der gegangen werden muss.
Meine Damen und Herren, wir brauchen jetzt aber auch Antworten, wie eine dauerhaft leistungsfähige Struktur der Gemeinde im kreisangehörigen Raum beschaffen sein muss, und wir brauchen diese Antworten auf der Basis der fortgeschriebenen Rahmenbedingungen. Wir haben jetzt ein Verwaltungsmodernisierungsgesetz und die schon beschriebene Ämterreform ist auch längst da. Wir brauchen es auf Basis einer aktuellen Datenlage. Da wird der Bericht der Landesregierung zum 30.06.2008 – Sie wissen der, der nach Paragraf 101 Verwaltungsmodernisierung zum 30.06. vorliegen soll – Grundlage sein müssen wie zum Beispiel auch erste Ergebnisse des jetzt gerade in der Anhörung bei den kommunalen Spitzenverbänden befi ndlichen Runderlasses des Innenministers zur Beurteilung der dauerhaften Leistungsfähigkeit der Kommunen. Aber, meine Damen und Herren, was wir brauchen, ist sachlich fundierte Arbeit. Wir brauchen wissenschaftliche Begleitung. Dieses Thema ist so ernst, dieses Thema müssen wir so ernst nehmen. Was wir aber nicht brauchen können, ist Strukturbastelei. Wir müssen da quasi vom Ende denken, die Struktur muss auf die Bedingungen von 2019 passen. Wir können nicht noch einmal die kommunale Ebene wieder anfassen. Es muss dann auf 2019 passen. Ich meine den Wegfall des Soli
darpaktes, die sinkenden Finanzzuweisungen, die dann die Gemeinden unseres Landes noch viel härter treffen, als das zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon der Fall ist.
Es geht natürlich auch um die problematischen Auswirkungen der demografi schen Entwicklung, die wir dann schon einrechnen müssen. Das betrifft nicht nur Vorpommern, die Müritzregion oder den Landkreis Mecklenburg-Strelitz, sondern das geht weit darüber hinaus. Wir brauchen Antwort auf die Frage, welche Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft von den Gemeinden künftig überhaupt bewältigt werden sollen. Wir müssen eine Aufgabendefi nition haben. Und da bin ich nicht ganz der Auffassung, dass der Paragraf 2 Absatz 2, Herr Müller, das Maß aller Dinge sein muss. Nun wirklich nicht. Aber wir brauchen auch eine Antwort auf die Frage, wie wir damit umgehen wollen, wenn gerade in den dünn besiedelten Räumen, und das sind zum Beispiel die Regionen, die ich gerade angesprochen habe, zu einer technokratischen Überdehnung eines Raumes kommt. Wir müssen immer eingedenk sein, dass Gemeinden Identifi kationsraum für Bürger sind und der örtliche Zusammenhalt und die Identität der örtlichen Gemeinschaft gefördert sein müssen.
Meine Damen und Herren, Gemeinden unterstehen nach Paragraf 28 Absatz 2 Grundgesetz dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, weil sie Keimzelle der Demokratie und deshalb von besonderer Bedeutung sind. Gerade aber wenn der Ausschuss zum Ergebnis kommen sollte, dass eine Gemeindegebietsreform auch administrativ durchgesetzt wird, werden wir es mit dem Widerstand aller politisch Beteiligten zu tun haben. Und deshalb, meine Damen und Herren, keine oktroyierte Gemeindereform, sondern Einbindung aller Beteiligten, und zwar von Anfang an. Dafür ist die Enquetekommission das Maß der Dinge. Ich bitte Sie um Zustimmung zum gemeinsamen Antrag. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sehen in der Einsetzung einer Enquetekommission zum heutigen Tage einen klaren Widerspruch und werden dieser Einsetzung auch nicht zustimmen. Ich will es vorwegnehmen: Ich will hier formell beantragen, dass dieser Einsetzungsbeschluss an den Innenausschuss des Parlamentes verwiesen wird. Ich will das auch begründen. Die Situation sieht im Augenblick so aus, als wenn es hier darum geht, etwas nachzuarbeiten, was das größte Projekt von Rot-Rot in den letzten Jahren gewesen ist,
nämlich die Struktur der Verwaltung, die Beziehung von Stadt und Umland, die Beziehung in den Gemeinden, die Ämtergeschichten, die Dinge im Prinzip nachzuarbeiten und zu justieren, damit sie auch wirklich dauerhaft gültig sind. Das ist eine Art und Weise, wie wir uns Politik nicht vorstellen. Ich denke, es ist wichtig, dass das an dieser Stelle auch ganz deutlich gesagt wird. Dieses Parlament hat diese Thematik hier so für sich in Anspruch genommen, dass Sie Fakten geschaffen haben, Fakten geschaffen haben in einem Gesetz, was zur Umsetzung
für das Jahr 2009 ansteht. Wir haben die Situation, dass dieses Gesetz, was offensichtlich nicht die Mehrheit der Gebietskörperschaften und der Bürger in diesem Land erreicht hat, mit einer Welle von Klagen übersät worden ist, die im Augenblick bei der Gerichtsbarkeit anhängig sind und die ganz klare Ergebnisse, Aussagen und Bewertungen bezüglich dieses Gesetzes geben werden. Das heißt, unser erster Ansatz ist: Wir können heute gar keine Enquetekommission einsetzen,
weil wir erst einmal überlegen und uns erst einmal anhören sollten, was aus den Gerichtsentscheidungen überhaupt herauskommt,
welche Aufgaben wir neu zu justieren haben aus diesem Gesetz, dem größten Projekt von Rot-Rot, ich wiederhole das gerne noch einmal,
(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Die Klagen beziehen sich auf die Kreis- strukturen und nicht auf die Gemeinden.)
und ob wir dieses Gesetz auf der Grundlage von Justizentscheidungen noch einmal neu novellieren müssen.
Das Zweite, was wir zu dieser Situation sagen, ist, dass eine klare Defi nition der Ziele der Enquetekommission, ein klarer Zeitplan und ein klarer Handlungsauftrag aus dieser Vorlage, so, wie sie uns heute vorliegt, überhaupt nicht zu erkennen sind. Das, was der Kollege Ringguth hier vorgetragen hat, ist in vielen Aspekten – das sage ich ganz offen – nachvollziehbar, logisch und systematisch. Aber das, was beantragt worden ist, um eine Enquetekommission zum heutigen Tage einzusetzen, widerspiegelt überhaupt nicht das, was Sie hier gerade vorgetragen haben.
Und, liebe Frau Měšťan, dass Sie der Kommission zustimmen, verwundert mich auch nicht, weil Sie sich, wenn meine Unterlagen richtig sind, gerade zur stellvertretenden Vorsitzenden beantragt haben.
(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das hat sie aber nicht nötig, zumindest braucht sie das nicht.)
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Das ist ein Vorschlag der Fraktion, Herr Roolf. – Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Den hat Professor Methling unterschrieben.)
Ich will an dieser Stelle relativ klar und deutlich sagen: Lassen Sie uns im Innenausschuss des Parlaments defi nieren, welche Aufgaben wir in den letzten Jahren nicht geleistet haben, nämlich Stadt-Umland-Beziehungen zu defi nieren, Gemeindegrößen zu defi nieren und die Dinge zu organisieren. Die hätten damals schon, zumindest zu großen Dingen, grundsätzlich mitgeregelt werden müssen.
(Heinz Müller, SPD: Ich denke, das macht das Gericht?! – Zuruf von Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS)
Lassen Sie uns das im Innenausschuss dieses Parlaments diskutieren. Wenn der Innenausschuss als gewähltes Gremium der Meinung ist, dass man mehrheitlich zu der Empfehlung für dieses Parlament kommt, dass doch eine Enquetekommission das richtige Instrument ist, um die besten Ergebnisse zu bekommen, dann sind wir jederzeit für so eine Empfehlung offen. Das sage ich hier ganz klar und ganz deutlich. Aber diese Empfehlung ist sowohl eine inhaltliche Diskussion, eine Herstellung einer inhaltlichen Transparenz, als auch die Aussage, wie wir dann, diesen „Spaß“ will ich jetzt nicht sagen, diese Enquetekommission fi nanzieren wollen. Unsere Finanzministerin ist da. Wenn die Zahlen stimmen, die durch die Presse gehen, wird uns diese Enquetekommission 5 Millionen Euro kosten.
Ich frage allen Ernstes, wie wir das den Bürgerinnen und Bürgern draußen verkaufen wollen, wie wir das verargumentieren wollen. Ich frage mich, unter welcher Position Sie das in den nächsten Haushalten einstellen wollen.