Protokoll der Sitzung vom 22.10.2009

Dennoch ist es ohne Zweifel so, dass die Netze ausgebaut werden müssen. Offshorewindkraft wird bedeutende Strommengen liefern, und die müssen aufgenommen und weitergeleitet werden. Diese Strommengen können auch nicht allein bei uns in Mecklenburg-Vorpommern verbraucht werden. Das ist ja hier von meinem Vorredner auch schon deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Dafür ist der Bedarf ganz einfach nicht da. Wir wollen ja gerade, dass Mecklenburg-Vorpommern mit seinem überdurchschnittlichen Potenzial an natürlichen Voraussetzungen für die Nutzung erneuerbarer Energieträger, wie Sie selbst sagen, auch einen überdurchschnittlichen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen in der ganzen Bundesrepublik leistet. Also die Schlussfolgerung kann nur sein, die Netze auszubauen. So weit, so gut.

Sie erwähnen auch, dass die von der Universität Rostock vorgelegte Studie „Netzintegration der Erneuerbaren Energien im Land Mecklenburg-Vorpommern“ zu diesem Schluss kommt. Was Sie verschweigen, ist, dass in besagter Studie auch gesagt wird, dass das geplante Steinkohlekraftwerk in Lubmin ebenfalls einen großen Netzausbaubedarf generiert.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wir sprechen sogar von einem neuen Kohlekraftwerk in Rostock.)

Oder es ist eine Ente, Herr Professor Methling.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das wäre eine Katastrophe.)

Die Studie macht deutlich, dass es am effektivsten ist, die Stromeinspeisung nahe an den Punkt der Erzeugung heranzuführen und dicht an die Verbraucher. Dringend ist es deshalb geboten, den Einfluss der überregionalen Netze auf die Nutzung dezentraler Energieerzeugungseinheiten und die unterlagerten Netze zu untersuchen.

Wir gehen noch einen Schritt weiter: Wir wollen, dass in den nächsten Jahren immer mehr Kommunen und über Verbünde auch Regionen ihre Netze übernehmen, kommunale Kontrolle sichern und sich damit ein weiteres Standbein für Einnahmen aufbauen können.

(Udo Pastörs, NPD: 100 Millionen.)

Nur dann wird das von den Koalitionsfraktionen wie eine Fahne vor sich hergetragene Ziel, kostengünstige Energieversorgung zu sichern, erreichbar sein.

Von der Landesregierung erwarten wir Unterstützung für diesen Prozess. Nachdem selbst der regierende Bürgermeister von Hamburg feststellen musste, dass im Interesse der Stadt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner die Privatisierung der Energieversorgung ein Fehler gewesen war, sollte es auch Ihnen möglich sein, dezentrale Strukturen zu unterstützen.

Sie fordern in Ihrem Antrag, die anderen Bundesländer mögen sich an den EEG-bedingten Netzausbaukosten beteiligen, um die einheimische Wirtschaft und die Bevölkerung nicht über Gebühr zu belasten. Dazu soll eine Bundesratsinitiative gestartet werden. Das ist so weit in Ordnung, würde möglicherweise sogar die Unterstützung Niedersachsens und Schleswig-Holsteins finden. Die Frage ist allerdings: Wer soll diesen Ausgleich bekommen? Bekommen ihn die großen Netzbetreiber? Dann kann ich nur sagen, ohne Prophet zu sein: Dass die den Ausgleich dann nicht einfach nur einstecken und die Bevölkerung trotzdem bluten lassen, scheint mir aufgrund der Erfahrung mit den vier Energiemonopolen doch sehr wahrscheinlich.

Und eine zweite Frage ergibt sich bei dem Vorschlag nach einem föderalen Ausgleich: Was ist mit den Netzausbaukosten, die konventionelle Kraftwerke, darunter das geplante Steinkohlekraftwerk, verursachen? Bis auf die Notwendigkeit eines Gasturbinen- und Dampfkraftwerkes als Regelkraftwerk bei der Einspeisung des Windstromes wird der Strom im Land nicht gebraucht. Dazu kommt noch, dass nicht nur der Strom exportiert wird, sondern auch noch die Millionen Tonnen an CO2-Emissionen. Sollen die anderen Bundesländer auch dafür zahlen?

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, wir würden auch gerne erfahren, wie Sie mit den Aufgabenstellungen umgehen, die die Studie der Rostocker Universität für die Politik im Land formuliert. Übernimmt die Landesregierung die Koordinierung der notwendigen Netzausbaumaßnahmen? Kontrollieren Sie auch die Sinnhaftigkeit, um von Beginn an unrealistische Maßnahmen zu vermeiden? Oder: Wie stehen Sie zu den Forderungen aus der Studie, die Technologie der virtuellen und Hybridkraftwerke sowie Energiespeicherung zu fördern?

Bereits im Mai bei der Diskussion des Konzeptes „Energieland 2020“ hatten wir Sie aufgefordert, diese zukunftsträchtigen Bereiche für den Wirtschaftsstandort Mecklenburg-Vorpommern zu erschließen. Schwankungen bei der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien können so ausgeglichen werden, was deren vollständi

ger Nutzung erheblich zugutekommen würde. Aber vielleicht befürchten Sie auch, dass Sie mit Ihrer Auffassung von der Stromlücke ins Wanken kommen könnten.

Zusammengefasst möchte ich namens meiner Fraktion sagen, dass wir dem Punkt I des Antrages auf keinen Fall zustimmen können. Punkt 1 des zweiten Punktes braucht der Landtag im Prinzip nicht zu bestätigen. Dass dies geschieht, ist doch eine logische Folge des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Die Fraktion DIE LINKE beantragt aus diesem Grunde, die beiden Punkte des Antrages getrennt abstimmen zu lassen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Dieser Antrag ist maßstabsetzend.)

Vielen Dank, Herr Griese.

Ums Wort gebeten hat jetzt der Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Seidel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will daran erinnern, dass es gute fünf Monate her ist, als wir hier in der 69. Landtagssitzung über die Gesamtstrategie „Energieland 2020“ debattiert haben. Ich weise noch einmal darauf hin mit besonderem Blick auf die LINKE-Fraktion – oder auf die Fraktion DIE LINKE, korrekt bleiben müssen wir schon –, dass wir damit die erste Energiestrategie des Landes Mecklenburg-Vorpommern hier vorgelegt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Das, finde ich, darf man noch mal feststellen.

Und wir haben zwischenzeitlich, nachdem ja nun in der damaligen Debatte die Oppositionsfraktionen, ich will es mal so bezeichnen, planmäßig ihre Kritik losgelassen haben, mehrere Veranstaltungen durchgeführt, mehrere Fachveranstaltungen in Rostock, in Neubrandenburg, in Greifswald, in Schwerin, heute auf der Insel Rügen, und wir haben sehr viel positive Unterstützung auf diesen Veranstaltungen erfahren. Ich bitte, nur ein bisschen aufzupassen, dass man nicht aus einer Plankritik, die man aus der oppositionellen Sicht vielleicht für angebracht hält, jetzt irgendwie in eine schwierige Situation hineinrutscht, denn ich will Ihnen deutlich machen, dass es nicht nur positive Reaktionen in Reden gibt, sondern dass wir inzwischen aus dem angloamerikanischen Raum Nachfragen zu unserer Energiestrategie haben. Das führt zum Beispiel dazu, dass wir diese jetzt ins Englische übersetzen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Udo Pastörs, NPD: Schon toll.)

Wir haben noch einmal darauf zu verweisen, dass die Windenergie hier eine bedeutende Stellung einnimmt. Das entspricht der Situation unseres Landes. Und es waren kürzlich nordamerikanische Einkäufer bei der Nordex AG und bei der Eikboom GmbH in Rostock zu Besuch. Im Mai hat uns der Präsident des USA-Energiekonzerns Duke Energy, Brett Carter, besucht, sich für diese Dinge interessiert und, wie Sie auch hoffentlich wissen, Rostock war Gastgeber einer internationalen Konferenz zur Windkraftnutzung. Also ich denke, dass wir hier ganz deutlich auf uns aufmerksam gemacht haben. Da will ich schon noch mal die Gelegenheit nutzen. Insofern freue ich mich auch, dass es den Punkt I gibt. Und ich finde es einfach nicht so toll, wenn man diese Plan

kritik der Opposition nun auch noch fortsetzt und hier Anträge stellt, um diesen Punkt I zu streichen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Überlassen Sie das uns! Sehen Sie zu, dass Sie das Steinkohlekraftwerk gebaut kriegen!)

Ja, ja, Herr Ritter, das sollen Sie auch weiterhin selbst entscheiden, keine Frage.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Aber Sie werden sich auch sagen lassen müssen, dass Sie da außerhalb der Fachmeinung stehen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nichts zum Inhalt.)

Meine Damen und Herren, ich möchte diese positive Kritik auch nutzen, um ein Dankeschön zu richten an die vielen Mitarbeiter der Verbände, der Wirtschaft, der Wissenschaft und natürlich auch in der Landesregierung, die an dieser Energiestrategie mitgearbeitet haben.

Und ich will nun ganz klar noch einmal zum Punkt II des vorliegenden Antrages sagen: Ja, die erneuerbaren Energien stellen einen energiepolitischen Schwerpunkt der Landesregierung dar. Wir wissen, dass wir damit im Netz besondere Probleme bekommen. Beim „Energieland 2020“ – ich will Sie noch mal daran erinnern, Herr Griese, weil Sie ja immer versuchen, es so ein bisschen zu verniedlichen – gehen wir von einer Verfünffachung, …

Herr Griese, wenn ich Sie bitten darf, vielleicht noch ein bisschen aufzupassen?

… von einer Verfünffachung der bisherigen Stromerzeugung

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

auf Basis erneuerbarer Energien aus und bei Wind

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir passen auf.)

sogar von fast einer Versechsfachung.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir hören zu. Gucken Sie mal rechts in den Reihen!)

Ja, aber man kann’s nicht oft genug sagen, Frau Borchardt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Deswegen sind Ihre Kollegen jetzt gerade auch nicht hier, ne?)

Also ich glaube, dass das wirklich eine große Leistung im Lande ist,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist die Strategie der CDU.)

nämlich von 2,2 Milliarden Kilowattstunden auf 11,3.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Schwarz-Gelb in Berlin kürzt die Zuschüsse für erneuerbare Energien.)

Meine Damen und Herren, und das wird natürlich heißen, dass das Land im großen Umfang Strom exportiert. Das ist die Folge dessen. Deswegen haben wir eine Arbeitsgruppe „Netze“ ins Leben gerufen. Insofern kann ich die Frage gleich beantworten. Wir koordinieren natürlich gewissermaßen damit auch. Und im Ergebnis dieser Arbeitsgruppenarbeit hat es dann die Netzstudie gegeben beim Lehrstuhl für Elektrische Energietechnik der

Universität Rostock. Sie zeigt – und das sollte sie auch – uns die Engpässe auf, die es im Netz gibt, um daraus resultierend den technisch-wirtschaftlich optimalen Netzausbau festzulegen.

An der Studie, die ich jetzt nannte, haben neben der Universität Rostock die Fachhochschule Stralsund, Planungs- und Beratungsunternehmen aus dem Lande sowie die regionalen Verteilnetzbetreiber E.ON edis und WEMAG Netz GmbH sowie der Übertragungsnetzbetreiber Vattenfall Europe Transmission mitgewirkt. Diese Studie zeigt uns, dass es eben die Netzengpässe, die ich nannte, gibt und dass die durch weiteren Ausbau in der Zukunft zu beheben sind. Dazu liefert uns die Studie eben die notwendigen Begründungen.

Die Berechnungen ergeben Folgendes: Die Grenze der Übertragungsfähigkeit beziehungsweise der Systemsicherheit der 110-kV-Verteilungsnetze würde punktuell dann erreicht und bereits heute überschritten werden, wenn es keine regulierenden Eingriffe gäbe. Die Anpassung der Netze für die sichere Aufnahme und den Transport der Einspeiseleistungen bedingt daher einen erheblichen Netzausbau. Der Betrag oder die Größenordnung der Investitionskosten beläuft sich auf mehr als 1 Milliarde Euro.

Nun könnte man positiv sagen, das ist Wertschöpfung für unser Land, aber das hat natürlich eine Kehrseite, die ist aufgezeigt worden, nämlich dass es dann zu entsprechenden zusätzlichen Belastungen der Netzentgelte käme. Insofern muss man sich die Sache anschauen. Wir wissen ja, dass bereits erste Maßnahmen begonnen wurden, wenn ich Sie erinnern darf an die Anbindung des Offshorewindparks Baltic I an das Höchstspannungsnetz in Bentwisch Anfang Juli dieses Jahres und auch an die im September 2009 planfestgestellte 380-kV-Leitung Krümmel-Schwerin.