Der damalige Vorsitzende der Bundes-Eltern-Vertretung der Musikschulen des Verbandes der deutschen Musikschulen e. V. beklagte bereits Ende 2008, dass der Anteil des Landes an den Gesamtkosten zur Finanzierung der Musikschulen weiter gesunken sei, die Elterngebühren dagegen aber gestiegen seien.
Der Welterbebeirat der Hansestadt Stralsund schrieb schon am 19. Juni 2008 an den Ministerpräsidenten des Landes unter anderem, Zitat: „Vor dem Hintergrund der kommunalen sowie der staatlichen Sparpolitik gerät die Kultur immer mehr an ihre finanziellen und existenziellen Grenzen. Gerade in der Hansestadt Stralsund wird es zukünftig nicht länger möglich sein, ein vielfältiges kulturelles Angebot aufrechtzuerhalten, wie es den berechtigten Erwartungen an eine Welterbestadt entspricht. Zum einen sagt das Land, dass die freiwilligen Leistungen in der kommunalen Verantwortung liegen, zum anderen drängt das Land auf eine Kürzung eben genau dieser Leistungen zur Haushaltssanierung.“ Zitatende.
Seit 1992 ist die MS „Stubnitz“ als schwimmender Veranstaltungsort aus dem Rostocker Kunst- und Musikleben nicht wegzudenken. Seit Juni fehlen eingeplante Förder
mittel von gerade mal 75.000 Euro. Sie sollten hälftig von der Stadt und dem Land kommen. Die Schuld dafür, dass das Geld nicht fließt, schieben sich beide gegenseitig zu. Bekannt ist aber auch, dass die Hansestadt Rostock von der Kommunalaufsicht beauflagt ist, große Summen einzusparen, nicht zuletzt zulasten der Kultur. Die Kommunen gehen schon längst ans Eingemachte. Zuwendungen an Vereine, oft in einer Größenordnung von 100 Euro, werden infrage gestellt. Auch die Landkreise sehen sich vor dem finanziellen Abgrund. Es heißt, jetzt gingen die Lichter wirklich aus.
Die Fraktion DIE LINKE verlangt mit dem vorliegenden Antrag, dass es hell bleibt, hier speziell und besonders im kulturellen Bereich. Dass die Eingriffe und Angriffe gegen die Kulturetats gehen, liegt ganz eindeutig daran, dass es sich bei der Kulturfinanzierung um eine sogenannte freiwillige Leistung der öffentlichen Hände handelt. Das aber ist nicht länger hinnehmbar, es ist inzwischen anachronistisch. Kulturausgaben sind keine Subventionen, sondern Investitionen in die Zukunft des Landes, der Landkreise und Kommunen und damit der dort lebenden Menschen. Das wird seit vielen Jahren in Sonntagsreden unter viel Beifall festgestellt und es ist an der Zeit, dass dies aber Alltag wird.
Der Kulturfinanzbericht 2008, herausgegeben vom Statistischen Bundesamt und den Statistischen Landesämtern, sagt aus, dass in Mecklenburg-Vorpommern der Kommunalisierungsgrad der Kulturausgaben gestiegen ist. 1995 betrug er 46,8 Prozent, 2005 aber bereits 52,3 Prozent. Das heißt, die Städte und Gemeinden übernahmen im Jahr 2005 einen größeren Anteil der Kulturausgaben als noch zehn Jahre früher.
Gerade in unserem Land werden sich die sinkenden kommunalen Einnahmen in besonderer Weise in Sachen Kultur bemerkbar machen. Der Gefahr, dass Kultureinrichtungen schließen und einige ihre unersetzbare Arbeit allein wegen fehlender Förderung einstellen müssen, müssen wir uns entgegenstellen. Werden wir der Notwendigkeit, den kulturellen Aufgaben eine Gewichtung zu geben, dadurch gerecht, dass wir uns dazu bekennen, die Vergabe der Fördermittel für Kunst und Kultur auf die gleiche Ebene zu heben wie die Vergabe von Fördermitteln an die Werften und an andere Stätten industrieller oder auch landwirtschaftlicher Produktion. Die Landkreise und Kommunen sollten dem folgen.
Kulturausgaben dürfen nicht länger Manövriermasse für Einsparungen sein, zumal sie nicht die Höhe ausmachen, mit der ein Haushalt tatsächlich auf Konsolidierungskurs gebracht werden könnte. Dafür ist – ich komme zum Schluss – die Bedeutung der Kultur für das Land und seine Kommunen, also den Einwohnerinnen und Einwohnern und dort ansässigen Unternehmen für Tourismusimage, zu immens. Deshalb bitte ich Sie, unserer Entschließung zuzustimmen. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Laut des Abschlussberichtes der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages, der vor zwei Jahren vorgelegt wurde, ist es die Aufgabe der Politik, Kultur als Fundament der Gesellschaft zu sichern und zu stärken. In Mecklenburg-Vorpommern stehen wir mit unserer einmaligen und vielfältigen Kulturlandschaft auf einem breiten und sicheren Fundament. Für deren Erhalt setzen sich die Menschen in unserem Lande und Institutionen sowie die Künstler selbst tagtäglich ein. Die Politik, im Besonderen auch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und der Haushaltsgesetzgeber, schaffen die Rahmenbedingungen auch finanzieller Art für den Erhalt und die Entwicklung dieser vielfältigen Kulturlandschaft. Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, die Kulturverantwortung der Kommunen, zusätzlich die Praxis des Bundes ermöglichen nach meiner Auffassung eine föderale Förderstruktur für Kunst und Kultur in Mecklenburg-Vorpommern.
Geprägt wird die Kultur in ihrer Umsetzung von Kulturschaffenden, von öffentlichen und privaten Institutionen, vom ehrenamtlichen Engagement, von Kirchen und Religionsgemeinschaften, von Vereinen, Verbänden und Interessengruppen. Hieran ist zu erkennen, dass die Landesregierung als Ganzes den kulturellen Aufgaben eine außerordentlich hohe Bedeutung beimisst und eine neue Gewichtung, wie im Antrag der Fraktion DIE LINKE gefordert, ein irreführendes Signal wäre.
Die aktuellen Haushaltsberatungen im Landtag, im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zeigen, dass ausgehend vom Entwurf der Landesregierung das Parlament keine Kürzungen im Kulturbereich vornehmen wird. Auch in den vergangenen Jahren sind keine Absenkungen vorgenommen worden. Wir verfolgten und verfolgen trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise zu keinem Zeitpunkt einen Ansatz, der Kürzungen im Bereich der Kultur- und Kunstförderung Mecklenburg-Vorpommerns vorsieht.
Wie in den vergangenen Jahren erfolgt, so wird in den nächsten beiden Haushaltsjahren bei der Gewichtung der Vergabe der Kulturfördermittel einerseits die Förderung der kulturellen Vielfalt, die aktive Kulturarbeit und andererseits die kulturelle Spitzenförderung des Landes beachtet werden.
In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD aus dem Jahre 2006 wird im Abschnitt Kultur, Punkt 194, die Schwerpunktsetzung der Kulturförderung festgeschrieben. Das sind die Bereiche Kinder- und Jugendkultur, insofern Musikschulen, Kinder- und Jugendkunstschulen und Kinderbibliotheken, die Stärkung der Demokratie sowie die Pflege der internationalen Beziehungen insbesondere im Ostseeraum sowie zu unseren Partnerregionen. Weitere Schwerpunktsetzungen, könnte ich noch hinzufügen, sind zum Beispiel die niederdeutsche Sprache, kulturelle Markenzeichen wie Musikland oder Wege zur Backsteingotik, Kulturerbe im ländlichen Raum, die sogenannten kulturellen Leuchttürme, die im Blaubuch der Bundesrepublik aufgenommen wurden, die Theater- und Orchesterlandschaft sowie das wachsende ehrenamtliche Engagement.
Die Nöte der kommunalen Haushalte sind bekannt. Es handelt sich bei der Kulturförderung um eine freiwil
lige Aufgabe. Wenn eine Kommune ihren Haushalt nicht ausgleichen kann und in dieser Notsituation entscheidet, eine Gemeindestraße neu zu teeren und dafür eine Gemeindebibliothek zu schließen, so ist dies eine Priorität, die zu überdenken ist. Eine Infrastruktur beinhaltet neben Verkehrswegen Kultur- und Bildungswege.
Allerdings wäre es ein Fehler, Kulturpolitik auf finanzielle Aspekte zu reduzieren, wie das DIE LINKE jetzt vorschlägt. Bei allen kulturellen Gütern sind immer beide Aspekte zu beachten. Sie sind einerseits Träger von Ideen und Wertvorstellungen und sie sind andererseits wirtschaftliche Güter, die auf Märkten gehandelt werden.
Kultur und Wirtschaft galten in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern lange als unvereinbarer Gegensatz. Längst ist aber ins Bewusstsein gekommen, dass Kultur eine Zukunftsbranche ist, die Arbeitsplätze schafft und in der Wertschöpfungskette weit vorne steht. Das Land Mecklenburg-Vorpommern handelt nach diesem Grundsatz. Bereits in der erwähnten Koalitionsvereinbarung wurde festgeschrieben, dass Kultur als Querschnittsaufgabe zu verstehen ist. Dennoch darf die Landesregierung nicht in die kommunale Selbstständigkeit und das Finanzausgleichsgesetz eingreifen. Das Land kann den Kommunen nicht vorschreiben, Kunst und Kultur ähnlich wie die Förderung von Produktionsunternehmen in den Landkreisen und kreisfreien Städten zu fördern. Änderungen im Finanzausgleichsgesetz bedeuten ein gesondertes Entscheidungsverfahren.
Die Kulturförderung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist bereits jetzt von einer großen Vielfalt gekennzeichnet, welche insbesondere unter den Kriterien landesweiter Bedeutung und Qualität der Angebote gesehen wird. Die Landtagsfraktionen selbst haben im Rahmen der Kulturprojektförderung die Schwerpunkte gesetzt: Musikschulen, Jugendkunstschulen, Bibliotheken sowie den Förderbereich Film und Medien. Die Landesregierung und hier auch insbesondere das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur haben in der Vergangenheit und jetzt in den Haushaltsverhandlungen die Förderung kultureller Aufgaben bereits vor Kürzungen geschützt. Die Verantwortung der Landkreise und Kommunen bezüglich der Förderung von Kunst und Kultur ist gestiegen, eine solide Finanzausstattung der Landkreise und Kommunen ist selbstverständlich Voraussetzung, um diese Ziele zu erreichen.
Das im Antrag der Fraktion DIE LINKE formulierte Ziel, Zitat, „durch Selbstbindung des Landes, der Landkreise und Kommunen“, Zitatende, zu verhindern, dass Kulturfördermittel zu „Manövriermasse“ für Einsparungen werden, kann so nicht angenommen werden. Kultur ist eine freiwillige Aufgabe. Lediglich Sachsen hat die Ausgestaltung der Kulturpflege zur kommunalen Pflichtaufgabe erhoben. Hier ist jedoch zu beachten, dass das Sächsische Kulturraumgesetz nicht ein Steuerungsmodell des Landes ist, sondern die Entscheidung über die regionale Kulturförderung von denen in Kultur räumen zusammengeschlossenen Kommunen eigenständig getroffen wird. Diese Eigenständigkeit von Landkreisen und Kommunen ist oberstes Gebot in einer demokratischen, föderalen Kulturförderpolitik.
Zusammenfassend möchte ich für die Landesregierung betonen, dass dem Kulturbereich in seiner weiten, auch in seiner europäischen Definition schon jetzt eine besondere Bedeutung und Aufmerksamkeit im Rahmen des Handelns der Regierung und im Speziellen des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur zukommt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Kultur, lateinisch cultus, von colere – pflegen, bebauen, verehren –, ursprünglich hat das Wort wohl im Agrarbereich seinen Sitz. Im Leben, Pflegen, Bebauen und Verehren praktizierte die frühere Menschheit wohl am augenscheinlichsten am, im und um den eigenen Acker.
Pflegen, bebauen, verehren muss man ihn. Er ist Lebensgrundlage. Bis heute schwingt dies in dem modernen landwirtschaftlichen Begriff „Agrikultur“ mit. Wer eine gute Ernte haben will, muss eine entsprechende Haltung an den Tag legen: pflegen, bebauen, verehren. Kultur ist von seinem Ursprung her also weniger ein gesellschaftlicher Bereich, sondern vielmehr eine Haltung, eine Lebenshaltung, ja, eine Lebenserhaltung.
Auch in dem Antrag der LINKEN auf Drucksache 5/2925 schwimmt etwas von diesem Ursprung mit. Da ist von Kultur die Rede als Grundlage, Durchdringung, Integration. Er ist in diesen Passagen sehr nahe am Ursprung dieses Wortes. Aber dann kommt es anders. Es erfolgt eine Reduzierung auf finanzielle Fragestellungen. Es wird erörtert, dass die Finanzkrise mit ihren Folgen die Weiterexistenz von Kultur infrage stellt. So gesellschaftsdurchdringend scheint die Kultur nach Auffassung der LINKEN also nicht zu sein, dass sie eine, wenn auch selbst verschuldete Wirtschaftskrise verkraftet. Der Kulturbegriff der LINKEN wird in diesem Antrag finanzpolitisch reduziert und das entlarvt die Zielrichtung dieses Antrages.
Weil Kultur gut ist, ist der, der haushalterisch auf die Finanzkrise reagiert und damit auch am Kulturetat nicht vorbeikommt, schlecht. Der zu Anfang des Antrages explizierte Kulturbegriff ist letztlich nur Instrument zur Attacke. Eine solche Instrumentalisierung wirft die Frage auf, ob man der LINKEN ihre Kulturrhetorik überhaupt abnehmen kann.
Es folgt ein zweiter, unvermittelter Bruch im Antrag. Er bezieht sich auf Ergebnisse der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“. Er zitiert von Seite 140 einen Satz, der die Ausgewogenheit von kultureller Vielfalt und kultureller Spitzenförderung anmahnt. Es ist nicht ersichtlich und bleibt ein Geheimnis der Autoren, warum gerade diese Passage herausgegriffen wird. Hier gleitet der Antrag an der kulturpolitischen Praxis unseres Landes geradezu ab. Der Förderhorizont unseres Landes ist einerseits Spitzenförderung. Er reicht von den Festspielen M-V und der HMT, von Museen wie dem Ozeaneum, dem Pommerschen Landesmuseum bis zur Barlach-Stiftung. Dort, aber nicht nur dort können wir uns weltweit jedem Vergleich stellen.
In unserem Land gibt es Hochkultur. Im Doppelhaushalt sind Mittel eingestellt für ein norddeutsches Theatertreffen, für den Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ in Brandenburg, Neustrelitz. Das sind doch wohl
auch kulturelle Spitzenereignisse. Der Förderrahmen des Landes hat jedoch auch die Breite des Landes im Blick, angefangen bei Musikschulen, die im Übrigen neben ihrer breiten Arbeit oder, soll ich es besser sagen, auch aufgrund ihrer breiten Arbeit auch Spitzenleistungen hervorbringen, über kleinere und mittlere Museen, Bibliotheken bis hin zu einer Vielzahl von Projekten in allen Bereichen der kulturellen Arbeit.
Sie, meine Damen und Herren von den LINKEN, tragen Eulen nach Athen, wenn Sie Spitzenförderung und Breitenarbeit anmahnen.
Höchst merkwürdig – und damit komme ich zu finanziellen Aspekten dieses Antrages – werden jedoch Ihre Vorstellungen von Kulturpolitik, wenn man sich die Grundlage betrachtet, auf der Sie Ihr kulturelles Haus errichten wollen. Im Doppelhaushalt 2010/2011 fordern Sie Aufstockungen für Musikschulen von 500.000 Euro, als Deckung ein schlapper Hinweis auf den Einzelplan 11, für Bibliotheken von 280.000 Euro, Hinweis auf den Einzelplan 11, für öffentliche und nicht öffentliche Träger der Kulturarbeit 500.000 Euro mehr, Deckungsvorschlag:
anderweitige Deckung durch den Finanzausschuss. Für Theater und Orchester fordern Sie 900.000 Euro und haben das Kreuz zu sagen, wir sollten geeignete Deckung suchen.
Aber das setzt Sie auch in ein bezeichnendes Licht. Sie reden schön von Kultur, betonen die Wichtigkeit, sind aber mit Ihren Lösungsvorschlägen im Bildungsausschuss meilenweit von der Wirklichkeit entfernt. Ich konstatiere akuten Realitätsverlust. Nicht einmal andere Oppositionsparteien unterstützten diesen Weg. Im Bildungsausschuss gab es nur eine einzige einsame Stimme für solche Vorschläge, denn Herr Koplin war nicht anwesend. Er hielt es nicht für notwendig, an dieser wichtigen Sitzung teilzunehmen,
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Fragen Sie mal, wie oft Sie hier nicht sind. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
was ihn im Übrigen nicht davon abhielt, unmittelbar nach der Ausschusssitzung eine Pressemitteilung über die ach so gut gemeinten Vorschläge der LINKEN zu verbreiten.
(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Guten Morgen, guten Morgen, Herr Körner! – Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist aber auch gut so, dass er es gemacht hat. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)