Aktuell geht es um zwei Textstellen. Die erste lautet, ich zitiere: „Wir werden eine Arbeitsgruppe bilden, die im Hinblick auf die Enteignungen in der SBZ von 1945 bis 1949 prüfen soll, ob es noch Möglichkeiten gibt, Grundstücke, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, den Betroffenen zum bevorzugten Erwerb anzubieten.“ Zitatende.
Das zweite Zitat: „Wir setzen Verbesserungen beim Flächenerwerbsänderungsgesetz im Sinne der Alteigentümer durch.“ Zitatende.
Bevor ich zur Tragweite und den wahrscheinlichen Konsequenzen dieser Formulierungen komme, sei mir eine kurze historische Betrachtung der Bodenreform erlaubt. Der Konsens der alliierten Siegermächte zur Ausrottung des Hitlerfaschismus, zur Bestrafung der Schuldigen an Kriegs- und Nazi-Verbrechen und zur Sicherung eines demokratischen Entwicklungsweges im Nachkriegsdeutschland schloss eine Bodenreform in allen Besatzungszonen Deutschlands ein.
In Mecklenburg-Vorpommern wurden auf der Rechtsgrundlage der vom Präsidium der Landesverwaltung erlassenen Verordnung Nummer 19 über die Bodenreform unter anderem 2.199 Betriebe über 100 Hektar entschädigungslos enteignet. Angesichts Hunderttausender Flüchtlinge
54 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche wurden umverteilt. Insgesamt empfingen 114.519 Familien Land aus der Bodenreform.
(Michael Andrejewski, NPD: Ja, das wurde ihnen gleich wieder weggenommen. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
Das entsprach etwa einem Fünftel der damaligen Bevölkerung. Wer mehr dazu wissen will, dem empfehle ich meine Quelle, nämlich das „LEXIKON MecklenburgVorpommern“, die Seiten 78 bis 80.
Natürlich weiß ich, dass die Bodenreform damals wie heute unterschiedlich bewertet wird. Aber fest steht, dass 1989/1990 in der Noch-DDR ein breiter politischer und gesellschaftlicher Konsens hinsichtlich der Unantastbarkeit der Bodenreform bestand.
Die Modrow-Regierung stützte sich auf den erklärten Willen aller am Runden Tisch versammelten politischen Kräfte. Die Regierung de Maizière hielt an der Nichtrückgängigmachung der Bodenreform fest. Auch die Regierung Kohl akzeptierte das. So fand der Grundsatz, dass Enteignungen auf besatzungsrechtlicher beziehungsweise besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen sind, Eingang in den Einigungsvertrag.
Allerdings gab schon damals eine Minderheit von CDU-, CSU- und FDP-Abgeordneten zu erkennen, dass sie sich mit den Grundsätzen nicht abfinden will, und verlangte, dass nicht nur Geldzahlungen, sondern auch Vorkaufsrechte, Rückgaben zum Beispiel an Grund und Boden, einzufordern sind.
Erstens. Hinter der Ankündigung der Prüfung von Möglichkeiten, Grundstücke, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, den Betroffenen zum bevorzugten Erwerb anzubieten, verbirgt sich insbesondere die Absicht der FDP, ihren Bundesparteitagsbeschluss durchzusetzen, wonach die sogenannten politisch Verfolgten ihr Eigentum für 25 Prozent des Wertes zurückerwerben sollen.
Dazu und für weitere noch nicht näher genannte Vorhaben soll das EALG novelliert werden. Die Novellierung des EALG ist das Instrument für eine schleichende Restauration der alten Eigentumsverhältnisse. Prominente und kompetente Politiker wie Lothar de Maizière oder Horst Telschig haben sich zu Wort gemeldet und davor gewarnt, die anerkannten Ergebnisse eines historischen Prozesses, der auch international anerkannt ist, anzutasten. Wir haben auch den Protest unseres Agrarministers Dr. Backhaus vernommen, der sich ebenfalls gegen die Antastung historischer Tatsachen wendet.
Zweitens. Die vorgesehene Novellierung des gerade erst beschlossenen Flächenerwerbsänderungsgesetzes im Sinne der Alteigentümer ist zumindest keine Überraschung. Hintergrund ist, dass die CDU/CSU in der Großen Koalition mit einer Stichtagsregelung, den Erwerbsumfang von BVVG-Flächen nach dem EALG zu einem Preis zum Stichtag 01.01.2004 zu berechnen, scheiterte. Die SPD ließ sich dafür nicht einspannen. Nun soll nachgeholt werden, was in der Großen Koalition nicht möglich war. Das heißt, der vergünstigte Erwerbsumfang für Alteigentümer würde unabhängig von der aktuellen Preisentwicklung auf dem Bodenmarkt und von der Fertigstellung der Ausgleichsleistungsbescheide festgestellt werden. Argumentiert wird dabei, dass damit dem Anstieg der Bodenpreise Rechnung getragen wird und den Alteigentümern Erwerbsmöglichkeiten in ursprünglichem Umfang gesichert werden. Bislang galt das Konzept eines einheitlichen Preises für die Pächter und die Alteigentümer. Immerhin haben viele ostdeutsche Pächter in den letzten Jahren ihre Flächen nach dem Flächenerwerbsprogramm bereits zu erheblich gestiegenen Preisen gekauft.
Meine Damen und Herren, der Landtag hat sich in der Vergangenheit intensiv mit den Ergebnissen der Bodenreform befasst und ist zur parteiübergreifenden Auffassung gegen die Angriffe auf die Ergebnisse der Bodenreform gekommen. Erinnert sei an einen gemeinsamen Antrag von SPD, CDU und PDS auf Drucksache 2/1832 aus dem Jahre 1996 mit dem Titel „Entschließung gegen neuerliche Versuche zur Aufhebung der Bodenreform“.
Dieser Antrag gibt die gemeinsame Auffassung wieder, im Interesse der Entwicklung der Landwirtschaft und der Menschen im ländlichen Raum allen Bestrebungen der Interessenvertreter der Alteigentümer mit Nachdruck entgegenzutreten.
Ich hebe noch einmal hervor, dass diesen oben genannten Antrag auch die CDU in Mecklenburg-Vorpommern unterschrieben hat. Andere Anträge dieser Zeit bekräftigen den Willen des Landtages, dass an Gesetzen, die den Interessenausgleich zwischen Alteigentümern, Wieder- und Neueinrichtern sowie von LPG-Nachfolgeunternehmen regeln, nicht zu rütteln sei.
Unser Antrag setzt die vom Landtag seit Gründung verfolgte Linie der Anerkennung und Verteidigung der Ergebnisse der Bodenreform fort. Wir wollen, dass die aus der Bodenreform resultierenden Grundlagen für die landwirtschaftlichen Betriebe und die dem Land übertragenen Flächen nicht angetastet werden. Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch für Rechtsfrieden die Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in unserem Lande auf der Grundlage der
Anerkennung der im Einigungsvertrag anerkannten Rechtmäßigkeit der Ergebnisse der Bodenreform sind, dann stimmen Sie unserem Antrag zu. – Danke sehr.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Ums Wort gebeten hat zunächst der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Backhaus.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wenn man die letzten Stunden und den Geist von Meseberg aufnehmen sollte
(Torsten Koplin, DIE LINKE: Der Geist von Meseberg?! – Irene Müller, DIE LINKE: Fliegt er wie ein weißes Täubchen über uns? – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)
und wenn man dann den Spruch des Bundesaußenministers zur Kenntnis genommen hat, dass es ja innerhalb der Koalitionsverhandlungen zur Gründlichkeit vor Schnelligkeit Aussagen geben sollte, dann muss ich ganz offen und ehrlich gestehen, Herr Roolf, ich bin maßlos enttäuscht.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Ich auch. – Raimund Frank Borrmann, NPD: Sie haben sich täuschen lassen.)
Und die Sprüche, die Sie oder, Entschuldigung, das, was Sie nachher hoffentlich sagen werden, da gehe ich ganz bewusst an dieser Stelle auch auf die CDU ein. Wer sich erinnert, 1998 gab es ein Wahlkampfplakat: „Die Bodenreform ist sicher“.