Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

Es handelt sich bei dem verniedlichten Begriff „Bodenreform von 1945 bis 1949“ nicht um eine Reform im klassischen Sinne, sondern um einen unter Gewaltanwendung durchgeführten Raub von Privateigentum und Vertreibung. Und die Bundesrepublik Deutschland unter Bundeskanzler Helmut Kohl hat,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

wie wir heute wissen, die Öffentlichkeit belogen mit der Behauptung, die Sowjets hätten als Voraussetzung einer Wiedervereinigung die Beibehaltung der sogenannten Bodenreform verlangt.

Meine Damen und Herren, es ist längst überfällig, das geraubte Privateigentum den ursprünglichen Eigentümern zurückzugeben.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Es muss der Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland sich als Hehler betätigt, ein Ende bereitet werden! Die Motivation, dass die PDS-Kommunisten, heute LINKE, davor zurückscheuen, ist allzu verständlich, hat sie doch ein ganz anderes Eigentumsverständnis. „Junkerland in Bauernhand“, mit diesen Hassparolen wurden nicht selten Bauern in den Jahren von 1945 bis 1949 auch als Nazis und Kriegsverbrecher denunziert und dann ging das mit der Enteignung ganz schnell. Die Begründung lautete: Betriebe mit 500 oder 1.000 Hektar Größe seien ein Verbrechen an der Arbeiterklasse. Später waren dann schon Betriebs größen über 100 Hektar ein Verbrechen. Und es sind bis heute geradezu diese Betriebsgrößen, meine Damen und Herren,

die die Kommunisten nachher selber schafften, die sie Kolchosen oder LPG nannten.

(Michael Andrejewski, NPD: Um sie dann privatisieren zu können. – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Heute begegnet man diesen agrarindustriellen Einheiten unter dem Kapitalismus angepassten Namen „Agrarindustrie GmbH“.

(Irene Müller, DIE LINKE: Was ist denn das für ein Ausdruck?)

Meine Damen und Herren, meine Fraktion unterstützt in diesem Falle ausdrücklich die Bestrebungen der neuen Bundesregierung nach Verbesserung für die Alteigentümer beim Erwerb von ehemals sogenannten volkseigenen Flächen. Wir werten daher den Antrag der LINKEN als Versuch, schreiendes Unrecht fortzuschreiben, ab. An Geraubtem kann man kein Eigentum erwerben. Es ist nichts endgültig geregelt, was nicht gerecht geregelt ist. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 5. November dieses Jahres hat sich der Fraktionsvorstand meiner Fraktion mit dem geschäftsführenden Vorstand des Bauernverbandes in Mecklenburg-Vorpommern getroffen. Präsident Tietböhl hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass in dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP genau die heute mehrfach zitierten Passagen enthalten sind, und dass diese Passagen, Herr von Storch, genau die Unruhe unter der Landbevölkerung, die heute die Flächen bewirtschaftet, hervorrufen und nicht das,

(Michael Andrejewski, NPD: Unter den ehemaligen LPG-Bonzen. – Zurufe von Regine Lück, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

was wir heute mit unserem Antrag hier bezwecken. Wir wollten, um das zu sagen, weil ich das erst versprochen habe, mit unserem Antrag in diesem Fall nicht einen Keil zwischen die Koalitionäre treiben. Wir wollten einen demokratischen Konsens hier erzeugen, damit sich der Landtag Mecklenburg-Vorpommern noch mal eindeutig zu den Ergebnissen der Bodenreform bekennt,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Birgit Schwebs, DIE LINKE: Die waren schon mal da. Den gab es schon mal.)

wie das auch Minister Backhaus hier in seiner Rede zum Ausdruck gebracht hat. Da gibt es überhaupt keinen Dissens und kein Vertun. Und wenn Sie …

(Michael Roolf, FDP: Und was ist mit der Entschuldigung bei den Opfern? Was ist mit Entschuldigung? – Udo Pastörs, NPD: Das reicht nicht, die Entschuldigung, Herr Roolf.)

Herr Roolf, ich staune schon, wie Sie heute hier aufgetreten sind. Wenn das liberale Politik ist, dann schäme ich mich dafür, dass ich Sie kenne.

(allgemeine Unruhe – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Das will ich hier deutlich sagen.

(Udo Pastörs, NPD: Oh!)

Und dann schauen Sie sich mal das an, was Ihr Landesvorsitzender, der Bundestagsabgeordnete Ahrendt, gesagt hat.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Er hat gesagt, dass an der Bodenreform nicht gerüttelt wird, Sie aber heute in Ihrer Rede hier genau diese Tür für die Revision der Bodenreform aufgemacht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Nur so ist das zu werten.

(Dr. Till Backhaus, SPD: So sind die Liberalen heute. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Und wenn Sie heute hier die Enteignung von Kriegsverbrechern oder von Nazigrößen als Unrecht bezeichnen, dann muss ich Sie wirklich fragen, welches historisches und politisches Verständnis Sie haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und das, glaube ich, kann so nicht sein. Das will ich hier auch nicht im Raum stehen lassen.

(Michael Roolf, FDP: Das habe ich aber so gar nicht gesagt. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich bin Herrn Minister Till Backhaus sehr dankbar für die Rede, die er hier gehalten hat, weil ich gespürt habe, wie auch Professor Fritz Tack das gemacht hat, dass es hier eine Einigkeit in den Fragen der Ergebnisse der Bodenreform gibt. Man kann zu den einzelnen Maßnahmen unterschiedlicher Auffassung sein. Das ist hier von verschiedenen Rednern dargestellt worden.

(Toralf Schnur, FDP: Darum geht es heute nicht.)

Darum geht es heute aber nicht. Es geht darum, dass mit dem Prüfauftrag, mit der Bildung dieser Arbeitsgruppe, an den Ergebnissen der Bodenreform gerüttelt werden soll.

Und weil schon kurze historische Exkurse hier gemacht wurden, will ich auch einen tun: Es gab noch 1989/1990 in der damaligen Noch-DDR einen breiten gesellschaftlichen Konsens hinsichtlich der Unantastbarkeit der Bodenreform. Und die Modrow-Regierung unternahm hier keinen Alleingang. Was hier als Lüge bezeichnet wurde, das weise ich übrigens im Namen der Demokraten zurück.

(Udo Pastörs, NPD: Sie können sich in diesem Fall nicht zum Sprecher aller Fraktionen machen, Herr Holter.)

Die Kohl-Regierung hat in dieser Frage nicht gelogen. Es war die Forderung der Sowjetunion, dass die Bodenreform nicht angetastet wird. Das war die Bedingung für die Zustimmung, dass die Deutsche Einheit vollzogen werden konnte.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Udo Pastörs, NPD: Das ist falsch. – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Raimund Frank Borrmann, NPD)

Doch! Lesen Sie nach bei Teltschik und bei anderen!

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Und es ging darum, dass die Bodenreform gesichert werden sollte, und dass das Bodenreformland, das 45 Jahre Existenzgrundlage Hunderttausender war, auch unter den marktwirtschaftlichen Verhältnissen Bestand hat, dass die ostdeutschen Eigentümer und Nutzer in gesicherten wirtschaftlichen Eigentumsverhältnissen natürlich arbeiten können.

(Udo Pastörs, NPD: Die wollen das linke Bonzentum festschreiben, sodass das Land in den Händen bleibt, wo es bis 1989 war.)

Das war 1989/1990. 1990, am 18. März nach der Volkskammerwahl, gab es hierzu auch den breiten Konsens. Herr von Storch hatte ja bereits die Gemeinsame Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 zitiert. Und hier ist eben festgelegt, ich darf das zitieren: „Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß.“

Genau das hat Frau Schildt ja noch mal dargestellt mit dem EALG, wie also diese Regelung tatsächlich getroffen wurde. Und dass diese Erklärung eingeflossen ist in den Einigungsvertrag, haben Redner hier bereits deutlich gemacht.

Aber auch bei der Debatte im damaligen Bundestag am 20. September 1990 erklärte eine Minderheit von 67 Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, dass sie dem Vertrag, um die Wiedervereinigung nicht zu gefährden, zustimme, jedoch müsse ein – Zitat – „gesamtdeutsches Parlament in Artikel 143 Absatz 3 des Grundgesetzes aufheben, da dieser nicht mit dem Artikel 14 des Grundgesetzes vereinbar ist.“ Zitatende. Also den Artikel, der den Bestand der Bodenreform verfassungsmäßig garantiert. Auch 32 FDP-Abgeordnete verhielten sich ebenso und erklärten, dass Ausgleichsleistungen, wiederum Zitat, „nach unserer Überzeugung nicht nur Geldzahlungen, sondern auch Vorkaufsrechtrückgaben an und von Grund und Boden und anderen Gegenständen, wo immer das technisch möglich ist“ – Zitatende – möglich sind.

Genau hier setzt der Koalitionsvertrag zwischen FDP, CDU und CSU auf Bundesebene wieder an. Ich bin der Überzeugung, wir sind der Überzeugung als LINKE, dass genau dieser Ansatz der falsche ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Dieser Prüfauftrag, der in dem Koalitionsvertrag aufgenommen ist, überhaupt diese Arbeitsgruppe zu schaffen,

das kann einfach nicht sein. Und Sie haben Ihren Geist eben noch mal deutlich gemacht.