Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was erzählen Sie denn für einen Quatsch? – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja.)

Und da will ich Ihnen auch ganz offen sagen,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sie können uns vorwerfen, wir würden Langzeitarbeitslosigkeit kommunalisieren. Das können Sie alles tun.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Lenken Sie doch nicht von Ihrem Chaos ab! – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Also, Herr Müller, wissen Sie, wenn Sie von Sachkenntnis sprechen, wir haben die reinen Zahlen. Gucken Sie sie sich doch an!

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sachkenntnis fehlt Ihnen gänzlich, die fehlt Ihnen gänzlich.)

Sie waren doch lange genug Vorsitzender der Enquetekommission, Sie kennen doch die Zahlen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Fragen Sie doch mal nach den Ursachen!)

Und wenn wir uns an der Stelle die Zahlen bei den Kosten der Unterkunft angucken, dann können wir uns doch schlichtweg mal angucken, wer diejenigen sind, die die geringsten Beiträge bezahlen.

Ich will an der Stelle wie gesagt noch auf eines hinweisen: Herr Holter hat sinngemäß gesagt, wir haben eine zentralistisch geführte Bundesagentur, und kritisiert im Grunde genommen auch die Bundesagentur. Da stelle ich jetzt mal die Frage: Sie wollen nicht, dass die Kommunen das übernehmen. Sie wollen im Grunde genommen nicht, dass die Bundesagentur das in Eigenregie macht. Sie wollen im Grunde genommen eigentlich nur kritisieren, Sie haben keine Alternativlösung hier vorgestellt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Gott sei Dank blinkt jetzt die rote Lampe.)

Da muss ich Ihnen ganz offen sagen: Wer die BA kritisiert, wer die Kommunen kritisiert, der muss sich irgendwann die Frage stellen lassen, Herr Holter,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So einen grottigen Beitrag habe ich ja lange nicht mehr gehört. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

wann er selber mal einen Lösungsvorschlag macht. Aber das wollen Sie, glaube ich, gar nicht und das ist Ihr Hauptproblem.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Vielen Dank, Herr Schnur.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als in Ostvorpommern im Jahr 2004 die Entscheidung anstand, ob die Betreuung der sogenannten Langzeitarbeitslosen in der Hand einer Arbeitsgemeinschaft liegen sollte oder in der einer vom Landkreis zu gründenden Sozialagentur, hat die NPD im Kreistag für die Sozialagentur gestimmt und gegen eine Arbeitsgemeinschaft, nicht weil die NPD auch nur die geringste Sympathie hätte für Hartz IV.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Nein.)

Hartz IV ist das exakte Gegenteil von Artikel 1 Grundgesetz, wo es heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Sebastian Ratjen, FDP)

Hartz IV und eine soziale Politik verhalten sich zueinander wie Sozialismus zur Diakonie. Man könnte eine Hitliste der Hartz-IV-Gemeinheiten aufstellen. Um die Platzierungen würden sich streiten:

die Anrechnung von Kindergeld bei Hartz-IV-Empfängern, wohingegen selbst Millionäre diese staatliche Zuwendung einsacken dürfen

die sogenannte Erbenhaftung beim Arbeitslosengeld II dergestalt, dass die Erben eines Hartz-IVEmpfängers aus dem Nachlass der Sozialbehörde alle Leistungen ersetzen müssen, die in einem Zeitraum von zehn Jahren vor dem Erbfall angefallen sind; das läuft für die Hinterbliebenen auf eine kalte Enteignung und Enterbung hinaus

die Anrechnung von Hinzuverdientem in einem Maße, das die Betroffenen zu reinen Lohnsklaven degradiert

die faktische Enteignung, die sich aus dem sogenannten Schonvermögen ergibt

die Pflicht, sich überall hin, sogar ins Ausland zur Arbeit, zu jeder Arbeit verschicken zu lassen, und umgekehrt der Zwang, sich stets in Briefkastennähe aufhalten zu müssen, weil eine Einladung der Sozialbehörde zu einer weiteren dämlichen Bewerbungskursveranstaltung eintrudeln könnte, und so weiter, und so weiter

Das alles lässt sich aber noch verschlimmern, indem man es entsprechend chaotisch organisiert. Die lokalen Filialen der Bundesanstalt für Arbeit zu nehmen und sie mit den Kommunen zu den sogenannten Arbeitsgemeinschaften zusammenzuspannen, war von Anfang an eine Schnapsidee, zwei völlig unterschiedliche Strukturen, von denen jede ihre eigenen Vorstellungen hat und die den Boss spielen will gegenüber der anderen. Das lief auf Rivalität hinaus, auf nebeneinander und gegeneinander arbeiten und genauso ist es dann auch gekommen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht.)

Ich habe einen gewissen Einblick in die Arbeitsweise der Sozialagentur in Ostvorpommern und auch in die der Arbeitsgemeinschaften besonders in Uecker-Randow, aber auch in Demmin, Stralsund und Neustrelitz und habe von diesen Behörden eine Menge Bescheide gelesen. Rechtswidrige Entscheidungen gibt es auch in Ostvorpommern nicht zu knapp, aber lange nicht in dem Ausmaß wie in den Arbeitsgemeinschaften. Bei denen kommen Fehler vor, die so bei der Sozialagentur nicht zu beobachten sind, Fehler, die auf erhebliche interne Desorganisation schließen lassen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht.)

Man sieht förmlich, dass der Informationsfluss nicht funktioniert und die Linke nicht weiß, was die Rechte tut. Falsche Berechnungen oder nicht nachvollziehbare plötzliche Einstellungen oder Kürzungen von Leistungen ohne Begründungen kommen häufig vor, ebenso endlose Bearbeitungszeiten. Und was die Kosten der Unterkunft angeht, mag sein, dass die in Ostvorpommern insgesamt niedriger sind, aber Heizkostenanträge auf Nachzahlung werden in Ostvorpommern großzügiger und schneller bearbeitet als in Uecker-Randow.

Wie auch immer das kommen mag, in Ostvorpommern funktioniert die Sozialagentur besser als die Arbeitsgemeinschaft etwa in Uecker-Randow, aber auch in anderen Kreisen. Komischerweise funktioniert in Uecker-Randow nur eins reibungslos, und das ist der sogenannte Sozialermittlungsdienst, dessen Mitarbeiter in noblen Karossen durch die Gegend fahren, um in einer Weise erwerbslose Bürger zu bespitzeln, dass die Stasi blass vor Neid werden würde, wenn sie das noch erleben könnte. Sonst funktioniert dort nichts.

Arbeitsgemeinschaften stellen eine Strafverschärfung für Hartz-IV-Empfänger dar. Zum Unsozialen kommt noch das Chaos. Wie man solche Regelungen beschließen kann, das kann kein vernünftiger Mensch begreifen. Dass es so etwas wie eine verfassungswidrige Mischverwaltung gibt, hätte selbst den Pfuschern aus der rotgrünen Schröder-Fischer-Bundesregierung klar gewesen sein müssen, und dass das, was sie vorhatten, sich zumindest in einer verdammt gefährlichen Nähe zur Verfassungswidrigkeit befand. Aber das scheint heutzutage beim Gesetzemachen nicht mehr zu interessieren.

Schröder hat mal gesagt, zum Regieren brauche er nicht mehr als „Bild“, „Bild am Sonntag“ und die Glotze, und genauso wurde das SGB II zusammengebastelt. Man wollte ein paar tolle Glamourmedientermine, wo Herr Hartz seine Verheißungen in die Mikrofone sprach und Schröder sich in Szene setzen konnte, und das war es dann – zukünftige Auswirkungen uninteressant. Hartz wollen sie heute auch nicht mehr kennen nach all seinen Affären. Später kam dann zu Schröders Glück noch die Flut an der Elbe, die noch geilere Medientermine lieferte,

(Udo Pastörs, NPD: Tja.)

nämlich ihn in Gummistiefeln auf dem Deich. Jetzt ist Schröder Gott sei Dank weg, aber die verfassungswidrige Mischverwaltung aus seiner Ära ist immer noch da. Es besteht jetzt die Gefahr, dass bei der Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein noch größeres Chaos angerichtet wird. Die Betreuung der Langzeitarbeitslosen muss in eine Hand gelangen, und

zwar nicht nur die Betreuung, sondern auch die Leistungen, und zwar möglichst in die Hand der Kommunen unter Ausschaltung der Bundesagentur. Das Optionsmodell ist das bedeutend kleinere Übel, solange Hartz IV da ist, was wir sehr bedauern. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst darauf aufmerksam machen, dass meine Fraktion sehr zufrieden damit ist, dass wir dieses Thema gemeinsam mit unserem Koalitionspartner verfolgen und betreiben, dass wir uns hier einig sind und geschlossen versuchen, das bestehende System zu erhalten.

Ich will zunächst auf Folgendes aufmerksam machen: Zu Hartz IV ist ja inhaltlich heute schon einiges gesagt worden. Hartz IV ist aber auch auf den Weg gebracht worden, um die örtlichen Sozialhilfeträger insgesamt um 2,5 Millionen Euro zu entlasten. Das war Ziel, im Rahmen der Gemeindefinanzreform hier zu Entlastungen zu kommen. Die Frage ist natürlich: Wenn wir das jetzt alles wieder durcheinanderkegeln, wie sieht das denn aus mit diesen Entlastungseffekten? Was kommt letztendlich dann bei den Kommunen noch an?

Und so lässt sich das ja weiter fortsetzen. In den Arbeitsgemeinschaften arbeiten heute Leute der Arbeitsagentur genauso wie Leute der kommunalen Ebene. Die Leute der kommunalen Ebene werden zum größten Teil aus Bundesmitteln finanziert. Was passiert, wenn das Ganze auseinandergezogen wird? Die Bundesagentur hat, soweit ich darüber informiert bin, die Möglichkeit, die Leute, die sie braucht, weiterzubeschäftigen. Der Rest fällt zurück an die Kommunen, somit auch die Personalkosten, die damit verbunden sind. In Schwerin sind 70 oder 80 Leute zur Arbeitsgemeinschaft hinübergegangen. Wie viele werden davon noch gebraucht und wie viele fallen zurück?

Herr Seidel hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, also in diesem Fall Hilfe zum Lebensunterhalt, sinnvoll gewesen ist. Dem will ich mich anschließen. Aber eins muss man ja mal klarmachen: Die Optionskommunen, wie sie hier von bestimmten Leuten gefordert werden, die sind damit auch vom Tisch. Die sind damit auch vom Tisch. Wenn dieses Gesetz so umgesetzt werden wird, wie wir es hier gehört haben, wird es keine Optionskommunen geben.

Und ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns über eines einig: Der Kollege von der FDP hat hier zur Sache nicht gesprochen, der hat das Thema nicht gestreift. Und von Sachkenntnis war er nicht betroffen, denn die Optionskommunen, das muss man ja auch sehen, nehmen heute Aufgaben sowohl der kommunalen Ebene als auch der Bundesebene wahr,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

was das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt hat. Das heißt auch, was in den Optionskommunen heute passiert, ist einfach verfassungswidrig und kann so nicht fortgesetzt werden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das weiß er aber nicht.)

Das muss man dem sehr geehrten Herrn Schnur an der Stelle mal sagen. Und dann muss man ihm die Frage stellen: