Protokoll der Sitzung vom 09.06.2010

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 5/3519 –

Änderungsantrag des Abgeordneten Peter Ritter, Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/3539 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Innenausschusses Herr Dr. Gottfried Timm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen liegen die Beschluss empfehlung und der Bericht des Innenaus

schusses zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuorganisation der Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern vor. Der Landtag hatte den Gesetzentwurf in seiner 79. Sitzung am 21. Oktober 2009 in Erster Lesung beraten und zur weiteren Beratung federführend an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss überwiesen.

Im Rahmen der Beratungen im Innenausschuss hat zu dem Gesetzentwurf am 14. Januar dieses Jahres eine öffentliche Anhörung stattgefunden, an der die Gewerkschaft der Polizei, die Deutsche Polizeigewerkschaft, der Bund Deutscher Kriminalbeamter, der Hauptpersonalrat der Polizei sowie der Personalrat der Polizeidirektion Anklam teilgenommen und die Möglichkeit genutzt haben, ihre Stellungnahme zur Novelle des Polizeiorganisationsgesetzes vorzutragen.

Die angehörten Sachverständigen haben dem Gesetzentwurf nicht uneingeschränkt zugestimmt. Festgestellt wurde, dass nicht nur die weltweiten Veränderungen, sondern auch die Personalentwicklung in der Polizei sich den geänderten Wirklichkeiten und den praktischen Bedürfnissen anzupassen haben. Dabei solle auf der einen Seite die Bürgernähe erhöht werden, die Landespolizei aber auch einen erheblichen Anteil an der Haushaltskonsolidierung im Personalbereich leisten. Dieser Spagat ist nach Ansicht der Interessenvertretungen nur dann möglich, wenn vorhandene Aufbaustrukturen und innere Betriebsabläufe untersucht und Sparpotenziale erkannt und dann vernünftige Entscheidungen getroffen werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Weder das eine noch das andere.)

Kritisch wurden auch die Standortentscheidungen für die Polizeipräsidien im Gesetzentwurf hinterfragt, Herr Ritter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig, Herr Timm.)

In den umfangreichen konstruktiven Ausschussberatungen, für die ich mich bei allen Beteiligten bedanken möchte, wurde von den Kollegen im Innenausschuss deutlich gemacht, dass die jeweiligen finanziellen Folgen einer Standortentscheidung bekannt sein müssen, bevor sie getroffen wird. Dagegen wurde vom Innenministerium ins Feld geführt, dass Grundlage für die Standortentscheidungen fachliche Erwägungen gewesen sind und diese durchaus auch in begründeten Einzelfällen Folgekosten auslösen können. Die Aufgabe des Ausschusses sei nun die, zwischen den fachlichen Erwägungen einerseits und den Mehrkosten andererseits abzuwägen, auch wenn die finanziellen Folgen nicht hundertprozentig abgeschätzt werden können.

Erörtert wurde auch, ob durch die Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes, also durch die Änderung der Polizeiorganisation in der Folge die Einsatzbereitschaft der Polizei erhöht oder geschwächt wird.

Der Innenausschuss hat, um Informationen zu den Kostenfolgen der Standortentscheidungen zu erhalten, den Betrieb für Bau und Liegenschaften MecklenburgVorpommern als nachgeordnete Behörde des Verkehrsministeriums gebeten, zu Fragen der notwendigen Investitionen, Umbaumaßnahmen sowie zu den baulichen und technischen Zuständen der Liegenschaften Stellung zu nehmen. Die Informationen des Verkehrsministeriums und des Innenministeriums wurden zugrunde gelegt, um dann eine Entscheidung zu treffen.

Das Innenministerium hat deutlich gemacht, dass das Ziel der Neuorganisation der Erhalt aller Polizeistandorte in Mecklenburg-Vorpommern ist. Durch den Verbleib aller 37 Polizeireviere sei die Präsenz in der Fläche gewährleistet. Zur Gewährleistung der Sicherheitsaufgaben der Polizei im östlichen Landesteil sei der Sitz des Polizeipräsidiums in Neubrandenburg nach Abwägung aller fachlichen Aspekte zwingend erforderlich. Der Änderungsantrag des Abgeordneten Ritter, Herr Ritter, Anklam als Sitz eines Polizeipräsidiums vorzusehen, wurde umfassend erörtert, konnte dann aber im Ausschuss keine Mehrheit finden.

Neben mehreren redaktionellen Änderungen wurde mit dem Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU vorgeschlagen und dann auch beschlossen, dass der Inspekteur der Landespolizei, der die Dienst- und Fachaufsicht über die Polizeipräsidien innehat und damit der ranghöchste Polizeivollzugsbeamte in MecklenburgVorpommern ist, im Rahmen einer funktionsgerechten Besoldung die Besoldungsgruppe B 4 erhält.

Darüber hinaus wurde beantragt, das Inkrafttreten des Gesetzes aufgrund bevorstehender Einsatzlagen zu verschieben. Als weiterer Grund für die Verschiebung des Inkrafttretens wurde die Umsetzung von baulichen Vorkehrungen in den Einsatzstellen aufgeführt.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 95. Sitzung am 27. Mai dieses Jahres abschließend beraten und ihm mit den von mir eben skizzierten Änderungen zugestimmt.

Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen im Ergebnis – mehrheitlich nach der Abstimmung im Innenausschuss –, den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuorganisation der Landespolizei mit den Änderungen, die Ihnen auf der Drucksache 5/3519 vorliegen, anzunehmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Vorsitzender.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Herr Peter Ritter für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn mir danach ist, ein Märchen zu lesen, dann greife ich gern zu den Werken der Gebrüder Grimm oder von Hans Christian Andersen.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Oder die Landtagsprotokolle. – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Oder ich nehme mir einfach eine Broschüre der CDULandtagsfraktion, etwa die mit dem verheißungsvollen Titel „Polizeireform – bessere Präsenz in der Fläche“. Dieses Märchen habe ich in der letzten Zeit des Öfteren gelesen und auch gehört.

(Harry Glawe, CDU: Und geträumt wahrscheinlich.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Märchen gehen bekanntlich am Ende gut aus. Bei der Polizeireform des CDU-Innenministers jedoch, bin ich mir sicher, wird es ein böses Erwachen geben.

(Michael Andrejewski, NPD: Nicht nur da.)

Sehr geehrter Herr Innenminister, ich möchte vorab zugestehen, dass Sie es nicht einfach haben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Auch DIE LINKE kennt die Probleme. Deswegen stellen wir uns auch nicht einfach hin und fordern mehr Standorte und mehr Polizistinnen und Polizisten.

Ich erinnere mich noch gut an die Debatten zum Personalentwicklungskonzept unserer Landespolizei aus dem Jahr 2001, welches ich mit zu verantworten habe. Wir haben damals unsere Alternativen und unsere Vorstellungen zur Diskussion gestellt, konnten uns mit unserem Koalitionspartner nicht einigen und wurden dafür von CDU oder von den Gewerkschaften auf das Heftigste kritisiert, auch von Ihnen, Herr Innenminister, in Ihrer damaligen Funktion als Generalsekretär der Landes-CDU.

Die CDU jedenfalls hat im Wahlkampf 2006 schöne Broschüren gedruckt: Wenn die CDU endlich regiere, werde alles besser mit der Polizei, bei der Polizei solle nicht eingespart werden – so die Botschaft des Märchens.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Was ist dann aber tatsächlich passiert? Zunächst hat der CDU-Innenminister über die Vereinbarungen im alten Personalentwicklungskonzept hinaus neuen Streichungen bei der Polizei zugestimmt. Zu den noch zu erbringenden 168 Stellen nach dem alten Konzept kommen jetzt noch bis zum Jahr 2015 200 weitere nach dem neuen Konzept hinzu. Zwischendurch hat der Innenminister schnell dafür gesorgt, dass die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Mecklenburg-Vorpommern im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern erst zwei Jahre später in Pension gehen dürfen. Die Polizei in unserem Land wird damit zwar nicht jünger, aber dafür, sagen wir einmal, routinierter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die CDU ihre eigenen großspurigen Wahlversprechen selbst kassiert hat, hat sie natürlich auch gemerkt. Also versucht sie zweifelhaft, die Polizeireform als ein wichtiges Projekt der Landesregierung zur Stärkung der Polizei in der Fläche darzustellen. Herausgekommen ist ein unausgegorener Gesetzentwurf.

Spätestens heute kann ich getrost feststellen, der Innenminister hat die Polizeireform vergeigt:

vergeigt nicht wegen der für das Innenministerium peinlich vielen rechtsförmlichen und redaktionellen Fehler im Gesetzentwurf

vergeigt, weil Landesbehörden neu strukturiert werden sollen, ohne dass entschieden ist, was mit den nachgerichteten Einrichtungen, vor allen Dingen mit den betroffenen Polizistinnen und Polizisten passieren soll

vergeigt, weil entgegen der Gesetzesbegründung keine hinreichende wirtschaftliche Betrachtung der Auswirkungen der Reform vorgenommen wurde

Dies führte selbst beim Koalitionspartner zeitweilig zu heftigem Kopfschütteln. Der Betrieb für Bau und Liegenschaften wurde zunächst gar nicht mit einer Prüfung beauftragt. Hektisch wurden dann vage

Berechnungen nachgereicht, was nicht passt, wurde passend gemacht.

vergeigt, weil die Polizeigewerkschaften unzureichend einbezogen wurden

vergeigt, weil der Innenminister meinte, die Ergebnisse der Verwaltungsreform nicht abwarten zu müssen

Nun kann es gut möglich sein, dass künftige Kreissitze und Sitze der Polizeiinspektionen auseinanderfallen.

vergeigt, weil der Innenminister kraft seines Amtes den Präsidiumssitz Neubrandenburg durchgesetzt hat – entgegen der Auffassung vieler Experten, entgegen der Auffassung seines Koalitionspartners SPD, auch seines Amtsvorgängers Dr. Gottfried Timm und auch des innenpolitischen Sprechers Heinz Müller

Ich erinnere mich an entsprechende Zeitungsmeldungen.

vergeigt, weil das Innenministerium mit falschen Zahlen operierte

und vergeigt deswegen, weil eine Reform im Dialog, wie sonst immer gern vom Innenminister gepriesen, schon bei der Erarbeitung des Entwurfs offenkundig nicht stattgefunden hat

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil die CDU durch den vereinbarten Personalabbau und auch durch die Straffung der Führungsstrukturen, gegen die im Wesentlichen nichts einzuwenden ist, logischerweise keine bessere Flächenpräsenz der Polizei erreichen kann, werden einfach bewährte Strukturen aufgelöst. Die sogenannten Einsatzzüge besondere Lagen, die neben der Bereitschaftspolizei als Unterstützungskräfte der örtlichen Polizeidienststellen eingesetzt werden, gibt es nach dem Willen des CDU-Innenministers und der Koalition zukünftig nicht mehr. Sie werden auf die Hauptreviere aufgeteilt. So wird über den tatsächlichen weiteren Personalabbau vor Ort einfach hinweggetäuscht. Dass dabei nach Einschätzungen von Fachleuten die Einsatzfähigkeit unserer Landespolizei insbesondere bei Großeinsätzen deutlich gefährdet wird, wird billigend in Kauf genommen.