Protokoll der Sitzung vom 09.06.2010

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Auf Drucksache 5/3520 liegen Ihnen die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf der Landesregierung und mein sehr ausführlicher Bericht über die Beratung im Ausschuss vor. Wir empfehlen Ihnen mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen, den Gesetzentwurf mit einer kleinen, aber feinen Änderung und im Übrigen unverändert anzunehmen.

Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nachbarschaft ist bekanntlich ein ganz eigenes Verhältnis. Man ist sich einerseits so nah, dass man andererseits aber auf Abstand achtet. Der amerikanische Staatsmann Benja

min Franklin brachte es, wie ich finde, auf den Punkt. Ich zitiere: „Liebe deinen Nachbarn, aber reiße nicht deine Hecke nieder.“ Ende des Zitats.

Nun, es ist gerade die Hecke, die häufig unsere Gerichte beschäftigt: ihre Höhe, der Wuchs, der Schattenwurf et cetera. Wir gehören zu den Bundesländern, die keine ausdrückliche gesetzliche Regelung des Nachbarrechts in einem Gesetz haben. Wir haben kein sogenanntes Nachbarrechtsgesetz und das soll auch so bleiben. Aber wenn wir der vor uns liegenden Beschlussempfehlung folgen, bekommen wir die gesetzliche Verpflichtung der Nachbarn, zunächst vor einer Schiedsstelle zu versuchen, sich gütlich zu einigen. Erst wenn dieser Versuch scheitert, wird der Gang zum Gericht zulässig.

Kurz zum Hintergrund: Durch Paragraf 15a des Gesetzes zur Einführung der Zivilprozessordnung haben wir schon längere Zeit die Möglichkeit in unserem Land, eine Klage vor Gericht davon abhängig zu machen, dass vorher versucht wird, die Streitigkeit vor einer Gütestelle einvernehmlich beizulegen. Diese Möglichkeit wollen wir nutzen und mit der Änderung des Landes-Schiedsstellengesetzes die Streitkultur, die wir meinen, in Mecklenburg-Vorpommern verändern. Die streitenden Parteien sollen zueinander geführt werden. Es soll möglichst eine gütliche Einigung erzielt werden. Gerade bei Streitigkeiten, die durch eine besondere Nähe der streitenden Personen gekennzeichnet sind, ist eine gütliche Streitbeteiligung oft für alle Beteiligten zufriedenstellender als ein Richterspruch. Denn Sie wissen es, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Richtersprüche führen allzu häufig wieder dazu, dass weitere Streitigkeiten ausgefochten werden. Und da ein besonderes Näheverhältnis gerade bei Nachbarschaftsrechtsstreitigkeiten und bei Streitigkeiten aufgrund von Ehrverletzungen vorliegt, soll sich das durch die Gesetzesänderung eingeführte obligatorische Streitschlichtungsverfahren hierauf beschränken.

Dieser Gesetzentwurf wurde erstmals hier im Plenum am 18. November des letzten Jahres beraten und federführend an den Europa- und Rechtsausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss überwiesen. Im Rahmen der Beratung haben wir, wie ich finde, eine sehr bemerkenswerte öffentliche Anhörung durchgeführt, in der Vertreter aus der Praxis zu Wort kamen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist wohl wahr. Und die haben uns Änderungsbedarfe gesagt, ne, ja?!)

Dazu komme ich ja gleich noch, Frau Borchardt.

Die angehörten Sachverständigen haben den Gesetzentwurf begrüßt, jedoch auch, Frau Kollegin Borchardt, Anregungen zur Änderung des Gesetzentwurfes an der einen oder anderen Stelle gegeben. Die Änderung, die wir heute empfehlen,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Eine Änderung!)

beruht auf dem Ergebnis dieser Anhörung.

Die Fraktion DIE LINKE hat eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht, von denen der Ausschuss die hier vorliegende Änderung einvernehmlich angenommen hat. Durch diese Änderung soll gerade für den Bereich des Nachbarrechts deutlich gemacht werden, dass bei sämtlichen Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht und damit auch bei daraus folgenden Zahlungsansprüchen vor Erhebung der Klage eine außergerichtliche

Streitschlichtung zu versuchen ist. Damit berücksichtigen wir auch, das finde ich ganz wichtig und bemerkenswert, die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Der mitberatende Innenausschuss hat für seinen Zuständigkeitsbereich bereits einstimmig, bei Abwesenheit der Fraktion der FDP und der NPD, die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfes empfohlen.

Bei uns im Europa- und Rechtsausschuss wird die Beschlussempfehlung von der Koalitionsmehrheit getragen. Die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion der FDP haben sich enthalten. Die NPD hat dagegengestimmt.

Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, den Mitgliedern des Europa- und Rechtsausschusses für die konstruktive Zusammenarbeit zu danken. Ebenfalls möchte ich im Namen des Europa- und Rechtsausschusses bei allen Sachverständigen für ihre mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen sehr herzlich Danke sagen.

Ich bitte Sie im Namen der Mehrheit des Ausschusses, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Beschlussempfehlung zu folgen und den Gesetzentwurf der Landesregierung mit der eben dargestellten Änderung anzunehmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Herr Müller.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Justizministerin. Sie wird vertreten durch den Innenminister Herrn Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Hinter dieser neutralen Gesetzesüberschrift verbirgt sich nichts anderes als die Einführung der obligatorischen vorgerichtlichen Streitschlichtung. Der Zugang zum Gericht soll in bestimmten zivilrechtlichen Streitfällen von der Durchführung eines obligatorischen vorgerichtlichen Güteverfahrens abhängig gemacht werden. Obligatorische Streitschlichtung ist genauer gesagt der obligatorische Versuch einer vorgerichtlichen Streitschlichtung.

Konkret bedeutet das, wenn Grundstücksnachbarn streiten, muss derjenige, der das Gericht anruft, zunächst versuchen, das Problem mit seinem Gegner einvernehmlich zu regeln, indem er dazu eine Gütestelle anruft. Dasselbe gilt, wenn Ansprüche wegen einer Ehrverletzung erhoben werden, die im privaten Umfeld begangen wurde. Bei dieser Art von Streitigkeit stehen die Streitparteien sich häufig räumlich und auch persönlich nahe. Sie müssen auch in Zukunft weiterhin nebeneinander leben und miteinander auskommen. Deshalb lohnt sich gerade hier das Bemühen um eine einvernehmliche Regelung, den Konflikt auf Dauer beizulegen.

Die Schiedsstellen in den Gemeinden sind bereits die traditionellen und bewährten Anlaufpunkte bei der außergerichtlichen Suche nach Rechtsfrieden im räumlichen Nahbereich. Deshalb soll sich auch bei der obligatorischen Streitschlichtung die tragende Rolle als Gütestelle widerspiegeln. Die damit verbundene Änderung des Landes-Schiedsstellengesetzes, das zukünftig

Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetz heißen soll, enthält die dazu erforderlichen Verfahrensregeln.

In den betroffenen Fachkreisen war der Gesetzentwurf der Landesregierung bereits allseits wohlwollend aufgenommen worden. Der federführende Europa- und Rechtsausschuss hat darüber hinaus eine Reihe von Sachverständigen angehört, die über eine breite Erfahrung mit der freiwilligen Streitschlichtung auch im Rahmen der sogenannten Mediation verfügen. Dabei wurden durchaus unterschiedliche Auffassungen, insbesondere zu folgenden Fragen, vertreten:

Sollen die Gütestellen die Möglichkeit zur Verhängung eines Ordnungsgelds haben, wenn die gegnerische Streitpartei zu der Güteverhandlung einfach nicht erscheint? Vor allem die in der gerichtlichen Mediation erfahrenen Praktiker haben hier das Element der Freiwilligkeit bei der Streitschlichtung betont. Dieses stehe dem mit der Androhung und Verhängung von Ordnungsgeld verbundenen Zwang zur Teilnahme entgegen. Die Landesregierung teilt diese Einschätzung.

Gegen die Verhängung eines Ordnungsgelds sprechen auch schon grundsätzlich systematische Erwägungen, also eine zwingende Voraussetzung des gerichtlichen Verfahrens: Muss das obligatorische Schlichtungsverfahren mit den im Zivilprozess geltenden Grundprinzipien in Einklang stehen? Das persönliche Erscheinen einer Partei kann zwar auch dort angeordnet, jedoch eben nicht erzwungen werden.

Die Verhängung von Ordnungsgeld wegen Nichterscheinens beim obligatorischen Schlichtungsversuch stünde im Widerspruch zu dem nachfolgend gerichtlichen Verfahren, in dem das gleiche Verhalten der Partei dann straflos bleibt. Dort zieht das Nichterscheinen lediglich prozessuale Konsequenzen, nämlich den Erlass eines Versäumnisurteils nach sich. Nicht zuletzt würde das aufwendige Verfahren, das mit der Verhängung eines Ordnungsgelds verbunden ist, die Schiedsstelle und das Gericht unnötig belasten. Im Gesetzentwurf wurde halt bewusst auf Zwangsmittel bei Nichterscheinen verzichtet.

Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. Ich bedanke mich hier im Namen der Kollegin ganz herzlich beim Ausschuss für die intensive Beratung und wünsche, dass das Gesetz auf dem entsprechenden Weg jetzt auch umgesetzt werden kann. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun, nach fast sieben Monaten Beratungszeit liegt uns die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zur Änderung des LandesSchiedsstellengesetzes vor – eine ziemlich lange Beratungszeit, wie ich meine, wenn man davon ausgeht, dass sich alle darüber einig waren, das obligatorische Schiedsverfahren in unserem Land einzuführen. Den Koalitionsfraktionen war es offensichtlich im Gegensatz zu Frau Justizministerin vielleicht doch nicht ein so besonderes Anliegen, die Streitkultur in unserem Land zu verändern.

Das stellte sich leider auch in der Beratung zum vorliegenden Gesetzentwurf heraus, die ich persönlich als eher peinlich empfand. Nach einer aus unserer Sicht sehr sachlichen Anhörung

(Detlef Müller, SPD: Sehr richtig.)

mit verschiedenen Vertretern gab es offensichtlich bei den Koalitionsfraktionen keinen Änderungsbedarf. Als meine Fraktion Änderungsanträge vorlegte, gab es offensichtlich zwischen SPD und CDU keine Abstimmung mit der zuständigen Justizministerin.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Hört, hört!)

Das war aus unserer Sicht die Krönung in diesem gesamten Verfahren. Deutlich wurde das, als die einzelnen Anträge abgestimmt werden sollten, als die Vertreterin des Justizministeriums zum Ausdruck brachte, dass sie sich die eine oder andere Änderung durchaus vorstellen könnte, sie sei sinnvoll. So sind wir uns zwar einig darüber, dass wir eine andere Streitkultur wollen, aber nicht darüber, wie denn diese konkret ausgestaltet werden soll. So meinen wir, dass es für die Praxis wirklich wichtig gewesen wäre, wenn wir in Paragraf 34b klargestellt hätten, wie sich das Verhältnis zu Paragraf 15 Landes-Schiedsstellengesetz darstellt. Oder anders gesagt, es ist immer noch die Frage offen, ob in Paragraf 34b ein zusätzlicher Gerichtsstand zu Paragraf 15 Landes-Schiedsstellengesetz begründet oder ein ausschließlicher Gerichtsstand dargestellt werden muss.

Einen entsprechenden Änderungsantrag hatten wir gestellt, das Justizministerium stimmte uns in dieser Frage zu, sprach sich also für unseren Änderungsvorschlag aus. Allerdings wurde die Beratung an der Stelle dann durch die Koalitionsfraktionen unterbrochen und wir haben die Endabstimmung verschoben.

Nun sind wir als Fraktion DIE LINKE davon ausgegangen, dass die Koalitionsfraktionen auch unter Einbeziehung des Justizministeriums und unter der Maßgabe, dass das Justizministerium sehr wohl einigen Anträgen der Fraktion DIE LINKE sehr positiv gegenüberstand, einigen Vorschlägen folgt und wir unter dem Strich mehr Entscheidungen in Richtung Änderungsanträge der LINKEN erhalten hätten, aber leider war das nicht der Fall. Es war nicht der Fall unter Berücksichtigung dessen, dass es sachliche Fragen oder Gegensätze dazu gab, sondern wenn man sich die gesamte Expertenanhörung mal vorgenommen hätte, waren genau die Fragen durch die Experten angesprochen worden und wurden angeregt zu verändern. Nein, es war wohl eher der Sachstand, dass die Änderungsanträge von der Fraktion DIE LINKE kamen und schon allein deshalb nicht angenommen werden konnten.

Das halten wir, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, für sehr bedenklich, denn wenn man sich darüber einig ist, dass man eine andere Streitkultur im Land Mecklenburg-Vorpommern haben will, wenn man sich darüber einig ist, dass man ein solches obligatorisches Schiedsstellenverfahren einrichten will, ist es, glaube ich, bei einer Änderung eines Gesetzentwurfes egal, außer von der Bank hier an der Fensterseite, von wem Änderungsanträge sind, wenn die Experten sich dazu verhalten hätten.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf und die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses liegen nun vor. Es ist bedauerlich, dass die Koalition nicht bereit war, zum Beispiel auch beim Para

grafen 34c Absatz 1 den Fristbeginn zu präzisieren. Es bleibt unklar, ab wann denn nun die Frist von drei Monaten beginnt. An dieser Stelle hätte man rein rechtstechnisch sauberer arbeiten können und aus unserer Sicht auch müssen.

Im Zuge der Debatte, insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit der Erhebung von einem Ordnungsgeld, wurde deutlich, dass man natürlich der einen oder anderen Meinung sein kann. Natürlich kann man gegen das Ordnungsgeld argumentieren, indem man darin einen Widerspruch sieht zum Gedanken der friedlichen Streitbeilegung und dass deshalb das strikte Freiwilligkeitsprinzip herrschen sollte. Auf der anderen Seite hätte die Möglichkeit von Ordnungsgeld aber die Folge, dass der Druck auf die Betroffenen zum Erscheinen vor den Schiedsstellen höher gewesen wäre. Das würde aus unserer Sicht zu einer deutlichen Entlastung der Gerichte beitragen.

Ich befürchte, dass aufgrund des Fehlens der Möglichkeit von Ordnungsgeld gerade diese Zielstellung nicht erfüllt sein kann, nämlich die Entlastung der Gerichte, und wir deshalb auch nicht zu einer raschen, kostengüns tigen und für beide Seiten einvernehmlichen Konfliktlösung kommen werden. Auch deshalb hätten wir uns weiter gewünscht, wenn wir die von uns vorgeschlagene Evaluationsklausel mit in dieses Gesetz geschrieben hätten. So hätten wir 2013 aufgrund des Berichtes der Landesregierung schauen können, wie sich das Gesetz insgesamt bewährt hat.

Meine Damen und Herren, vor gut zwei Jahren hat meine Fraktion einen Gesetzentwurf zur obligatorischen Streitschlichtung in Erster Lesung eingebracht. Dieser wurde nicht einmal in die zuständigen Ausschüsse überwiesen, weil, ja, weil Sie wieder einmal schon da waren. Auf Ihren Entwurf für eine rechtliche Regelung mussten wir – und damit auch die ehrenamtlich engagierten Schiedsfrauen und Schiedsmänner – gut eineinhalb Jahre warten. Verlorene Zeit, kann ich da nur sagen. Wir sind auch fest davon überzeugt, dass uns gemeinsam unter Berücksichtigung der Hinweise in der Anhörung ein besseres, praktikableres Gesetz gelingen hätte können. Und Sie können sich darauf verlassen, dass wir im Blick behalten werden, wie sich dieses Gesetz nun in der Praxis bewähren wird.

Weil wir aber den Ansatz nach wie vor für richtig halten, weil wir wollen, dass in Mecklenburg-Vorpommern endlich mit einer Veränderung der Streitkultur begonnen wird, stimmen wir der Beschlussempfehlung zu. Ich wünsche den Schiedsfrauen und Schiedsmännern unseres Landes viel Erfolg auf der Basis dieses Gesetzes und uns auch gemeinsam eine kritische Begleitung. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Borchardt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dankert von der Fraktion der SPD.