Protokoll der Sitzung vom 23.09.2015

Kolleginnen und Kollegen, dass sich nun – jetzt komme ich zum Inhalt – auch die Regierungsfraktionen zwar spät, aber doch rechtzeitig gegen die Einführung der sogenannten oder beschränkten Bauvorlageberechtigung entschieden haben, das ist gut so, das freut uns.

(Rainer Albrecht, SPD: Da frag mal die Handwerker!)

Das sollte ja auch heute so beschlossen werden und ich hoffe nicht, dass das Handwerk Klage dagegen einreicht.

Das Verwerfen der ursprünglichen Absicht, auch Handwerksmeistern, Bautechnikern und Studienabsolventen einschlägiger Richtungen die Erstellung und das Einreichen von Bauvorlagen zu ermöglichen, hat natürlich handfeste Gründe. Es geht um die Sicherung von Qualität sowie um die Gewährleistung der Sicherheit des Verbraucherschutzes. Und ich sage erneut, auch wir wollen das Handwerk stärken,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

aber nicht zulasten der freien Berufe. Beide Berufsgruppen und auch die Techniker zeichnen verantwortlich für Planung, Vorbereitung und Realisierung von Bauwerken aller Art. Jede Berufsgruppe ist gleich wichtig und hat natürlich ihre besonderen Kompetenzen. Die Stärke liegt aber in der Zusammenarbeit. Die jeweiligen Kammern sollten in diesem Sinne aufeinander zugehen.

Kolleginnen und Kollegen, ich gehe auf die Änderungsanträge ein, die wir heute nochmals stellen. Wir stellen ja nicht alle, sondern wir meinen für uns die inhaltlich wichtigsten.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich schicke voraus, dass das nicht alle sind, die wir im Ausschuss gestellt haben. Darauf ist ja auch der Ausschussvorsitzende schon eingegangen.

Der erste Änderungsantrag betrifft die Begriffsbestimmungen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Nutzungseinheiten in Gebäuden, in denen mehr als acht Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung gepflegt und betreut wer- den, die in ihrer Selbstrettungsfähigkeit eingeschränkt sind, Sonderbaustatus erhalten. Laut Musterbauordnung 2012 ist die Schwelle zum Sonderbaustatus bereits bei Wohneinheiten mit mehr als sechs Personen je Nutzungseinheit erreicht. Es ist nicht zu verstehen, dass die Landesregierung deklariert, die Änderungen der Musterbauordnung in Landesrecht umsetzen zu wollen, und gerade in Sicherheitsfragen hier abweichen will. Ich sage, die Sicherheit von Personen, die in ihrer Selbstrettungsfähigkeit eingeschränkt sind, muss Vorrang vor wirtschaftlichen und vor allem auch vor anderen Belangen haben. Diese Ansicht vertritt auch der Arbeitskreis der Bauaufsichtsbehörden.

Das für Sonderbauten vorgeschriebene Baugenehmigungsverfahren, in dem die bauplanungs- und bauord

nungsrechtlichen Belange sowie unter anderem der Brandschutznachweis zu prüfen ist, schafft diese Sicherheit, und zwar für die Betreiberinnen und Betreiber als auch für die Bewohnerinnen und Bewohner. Zudem scheint es an Aufklärung zu fehlen. Der zusätzliche Verweis auf die eingeschränkte Selbstrettungsfähigkeit sagt doch eindeutig aus, dass nicht automatisch alle Wohngruppen, in denen mehr als sechs Personen mit Behinderung oder Pflegebedürftigkeit leben, Sonderbaustatus haben müssen.

Zum zweiten Änderungsantrag.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

Ich würde Sie herzlich bitten, mich stört das ungemein, wenn Sie hier vorn eine Dauerrede führen.

Ich komme jetzt zum zweiten Änderungsantrag. Der zweite Änderungsantrag betrifft Regelungen zu den Abständen. Künftig soll auf Abstandsflächen in Fällen, in denen die vorhandene umgebende Bebauung abweichende Abstände zulässt, verzichtet werden. So sieht es auch die Musterbauordnung vor. Wir fordern, diesen Vorschlag der Musterbauordnung nicht in die Landesbauordnung zu übernehmen. Aus Gründen des Nachbarschaftsschutzes sollten Abstandsregelungen weiterhin gelten.

Die Neuregelung hebelt den Grundsatz der Novellierung der Landesbauordnung von 2006 aus, wonach vor Außenwänden vor Gebäuden Abstandsflächen freizuhalten sind. Aber bereits in der Novelle 2006 wurden die Abstandsflächen reduziert und Möglichkeiten einer verdichteten Bebauung geschaffen. Noch weiter sollte das unserer Meinung nach nicht passieren, also auch nicht mehr ausgeweitet werden. Wir befürchten eine Zunahme von Nachbarschaftsstreitigkeiten, was letztlich das Bauen in unbeplanten Innenbereichen verzögern könnte, denn die Rechtsunsicherheit ist vorprogrammiert, wenn Bauherren und -planer aus ihrer subjektiven Sicht einschätzen, was ortsübliche Abstände sind. Es reicht aus unserer Sicht nicht aus, darauf hinzuweisen, dass eine Brandwand notwendig ist. Wenn die Hauswand nicht 2,50 Meter Mindestabstand zur Grundstücksgrenze einhält,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

dann darf die Wand zwar kein Fenster haben, aber sie verschattet das Nachbargrundstück. Grundsätzlich muss auch in Altbeständen weiter ein 3-Meter-Mindestabstand aus Gründen der Belichtung, der Belüftung oder auch der Distanzwahrung erhalten bleiben. Die Entscheidungskompetenz über geringere Abstände darf auch künftig nicht bei Bauherren und -planern, sondern ausschließlich bei der Behörde liegen.

Die berufsständigen Verbände der Vermesser warnen bereits, seitdem diese Regelung in der Musterbauordnung aufgenommen wurde, vor den Folgen. Sie befürchten neben der Rechtsunsicherheit auch eine schleichende Entwicklung von einer offenen zu einer geschlossenen Bauweise. Auch der Arbeitskreis der Bauaufsichtsbehörden schlägt vor, die bestehenden und vor allem auch die bewährten Regelungen beizubehalten.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Andere Bundesländer haben bei ihren Novellen der Landesbauordnung diesen Punkt der Musterbauordnung nicht

übernommen und das tun sie ja nicht grundlos. Auch Mecklenburg-Vorpommern sollte also auf diesen Punkt verzichten. Warum dieser Änderungsantrag im Ausschuss abgelehnt wurde, haben uns SPD und CDU nicht verraten. Sachliche Erwägungen gab es wohl nicht. Es reichte den Ausschussmitgliedern von CDU und SPD allein die Tatsache aus, dass wir LINKE diesen Antrag gestellt haben.

(Rainer Albrecht, SPD: Das ist doch Quatsch.)

Mit dem dritten Änderungsantrag sollen Grundsätze zur Gestaltung ergänzt werden. Künftig soll zusätzlich „zum“, und so heißt es wörtlich im Gesetzentwurf, „Verunstaltungsverbot“ ein Gebot der Förderung der Baukultur aufgenommen werden. Damit wollen wir die Initiative „Baukultur“ unterstützen und den gestalterischen Anspruch an alle baulichen Anlagen, für die die Landesbauordnung gilt, vor allem hervorheben. Die Anregung dazu kam von der Architektenkammer. Wir haben das sehr gern aufgenommen, sie wurde auch von den Bündnisgrünen aufgegriffen. Wieder hüllten sich die Ausschussmitglieder in Schweigen und begründeten nicht, warum sie diesem Antrag nicht oder diesem Vorschlag nicht folgen können.

(Rainer Albrecht, SPD: Das stimmt doch nicht.)

Das ist auch deshalb nicht zu verstehen, weil eine gute Baukultur identitätsstiftend ist und maßgeblich dazu beiträgt, dass sich Einheimische und Gäste hier wohlfühlen in unserem Land. Was Tourismus und Wirtschaft befördert, muss doch in die Landesbauordnung einfließen, zumal es auch nichts kostet.

Zum vierten Änderungsantrag: Der betrifft die Regelung der Barrierefreiheit. Wir wollen klarstellen, dass die Barrierefreiheit nicht nur für die Wohnungen selbst, sondern selbstverständlich auch für die Abstellräume gelten muss. Diese Klarstellung sieht der aktuelle Gesetzentwurf zur Änderung der Landesbauordnung in SchleswigHolstein vor. Zudem wollen wir verankern, dass als Wahllokale genutzte Räumlichkeiten barrierefrei sein müssen,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

damit sie für alle Menschen ohne Einschränkungen und ohne fremde Hilfe erreichbar und auch nutzbar sind.

(Heinz Müller, SPD: Ohne Fußmatten.)

SPD und CDU scheint es egal zu sein, ob die Wählerinnen und Wähler ihr Wahlrecht auch ausüben können, Ablehnungsgründe wurden in der Ausschusssitzung nicht vorgebracht.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Das ist nun mal so, Rainer, ja.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Er müsste mal das Wort ergreifen im Ausschuss.)

Mit dem fünften Änderungsantrag wollen wir den im Gesetzgebungsverfahren bisher nicht angefassten Paragrafen 59 ergänzen. Dieser regelt die Grundsätze im Hinblick auf Genehmigungspflicht und auch Genehmigungsfreiheit. Wir wollen erreichen, dass Bauherren verlangen können, dass überhaupt ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt wird und auch, dass mehr geprüft wird als vorgeschrieben. In anderen Bundesländern gibt es ein

solches Wahlrecht. Bauherren können statt der Bauanzeige ein Baugenehmigungsverfahren durchführen lassen. Die Bauherren können bestimmen, ob es ein vereinfachtes oder ein ordentliches Verfahren ist, bei dem alles geprüft wird. Damit können die Bauherren die Verantwortung wieder auf die Baugenehmigungsbehörde verlagern. Eine Baugenehmigung kostet, aber im Gegenzug können sich die Bauherren dann auch sicher sein, dass nicht im Nachhinein ein Baustopp oder gar eine Abrissverfügung kommt. Ein Wahlrecht gibt es bisher nicht und ist bisher auch nicht vorgesehen. Auch hier verrieten uns CDU und SPD im Ausschuss nicht, warum sie dieses Mehr an Verbraucherschutz nicht wollen.

Zum sechsten Antrag, unserem sechsten Änderungsantrag: Mit dem sechsten und letzten Änderungsantrag wollen wir erreichen, dass bei vereinfachten Baugenehmigungsverfahren auch wieder die Übereinstimmung mit den Vorschriften zur Barrierefreiheit zu prüfen ist. Was nützen im Endeffekt die mit dieser Novelle erreichten höheren Anforderungen an die Barrierefreiheit, wenn nicht überprüft wird, ob sie auch tatsächlich eingehalten werden? Wenn das Gebäude steht, ist es in aller Regel zu spät. Immer wieder bekomme ich zu hören, dass neu gebaute, öffentlich genutzte Gebäude nicht barrierefrei sind. Es wäre so viel leichter, bereits anhand der Planungsunterlagen die Einhaltung der Vorschriften zu prüfen. Das ist doch absurd, dass die Bearbeiterinnen und auch die Bearbeiter von Bauanträgen und Bauanzeigen zwar sehen, dass die Vorschriften nicht eingehalten werden, sie können aber nichts machen, weil es nicht zum Prüfumfang gehört. Also bitte ich Sie, noch mal darüber nachzudenken, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.

Ich werbe um Zustimmung zu all unseren Anträgen. Ich habe bisher auch noch keine sachlichen Gegenargumente gehört. Vielleicht erfahren wir ja hier heute in der Debatte, in der Parlamentsdebatte noch etwas darüber.

Die Fraktion DIE LINKE wird heute im Verfahren den von der Koalition eingebrachten Anträgen zustimmen. Wir halten sie für sinnvoll, stimmten ja auch schon im Vorfeld in einigen Fragen mit Ihnen überein. Meine Fraktion ist sachlichen und vernünftigen Argumenten gegenüber immer offen.

(Torsten Renz, CDU: So wie wir auch.)

Ich würde mir wünschen, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Albrecht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Liebe Regine Lück,

(Zurufe aus dem Plenum: Oh!)

ich möchte doch vorher noch auf deinen Vorwurf eingehen, dass die Änderungsanträge im Wirtschaftsausschuss nicht besprochen worden seien. Das ist nicht richtig. Wir haben in der vorletzten Wirtschaftsausschusswoche im Beisein der Vertreter des Wirtschaftsministeriums all eure Anträge besprochen und es wurde auch sachlich begrün

det, warum sie entbehrlich sind, zum Beispiel weil Wahllokale – ganz klar, das sind öffentliche Gebäude – ohnehin barrierefrei zu gestalten sind.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Deshalb ist dieser Antrag entbehrlich gewesen – nur als Beispiel mal zu nennen, um hier wieder Klarheit in die Diskussion zu bringen.