Protokoll der Sitzung vom 23.09.2015

Deshalb ist dieser Antrag entbehrlich gewesen – nur als Beispiel mal zu nennen, um hier wieder Klarheit in die Diskussion zu bringen.

(Beifall Andreas Butzki, SPD – Zuruf aus dem Plenum: So ist es.)

Meine Damen und Herren Abgeordnete, mit dem vorliegenden Entwurf des Gesetzes zur Änderung der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern und der heutigen Zweiten Lesung wird dem Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen von SPD und CDU Rechnung getragen. Ziel der Novellierung ist es, die Änderung der Musterbauordnung, wie diese am 21. September 2012 von der Bauministerkonferenz verabschiedet worden ist, in Landesrecht umzusetzen.

In diesem Zusammenhang werden die Rahmenbedingungen für Maßnahmen des Klimaschutzes und der Nutzung erneuerbarer Energien nochmals verbessert, der Minister hat schon darauf hingewiesen. Aber auch die Belange von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen werden stärker berücksichtigt und sinnvolle Verfahrenserleichterungen sind ebenfalls in die Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern aufgenommen. Aufgrund der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten ist schließlich eine Änderung der bauproduktrechtlichen Regelungen in der Landesbauordnung erforderlich.

Weiter trägt der Gesetzentwurf zur Vereinheitlichung des Bauordnungsrechts im Bundesgebiet bei. Einerseits lässt der Gesetzentwurf eine Verringerung des Verwaltungsaufwandes der unteren Bauaufsichtsbehörden durch die Ausweitung des Kataloges der verfahrensfreien Vorhaben sowie die Reduzierung des Prüfaufwandes materieller Vorschriften erwarten, andererseits entsteht aber auch zusätzlicher Prüfaufwand aufgrund der neuen Regelungen, der Vorschrift zum barrierefreien Bauen. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass für die neu in die Landesbauordnung aufgenommenen Vorschriften für besondere Wohnformen für Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf finanzielle Mehraufwendungen nicht auszuschließen sind. Diese sind jedoch vom konkreten Bauvorhaben abhängig.

Meine Damen und Herren, auf folgende Regelungsschwerpunkte im vorliegenden Gesetzentwurf möchte ich ausdrücklich hinweisen:

die Schaffung eines neuen Sonderbautatbestandes

für besondere Wohnformen,

die Harmonisierung des Abstandsflächenrechts mit

dem Bauplanungsrecht,

die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Er

leichterung bei Maßnahmen des Klimaschutzes und der Energieeinsparung sowie beim Einsatz erneuerbarer Energien,

die Anpassung des Bauproduktenrechts an die EU

Bauproduktenverordnung,

die Ausweitung der Pflicht zur Schaffung von Abstell

räumen für Kinderwagen, Fahrräder und Mobilitätshilfen für gemischt genutzte Gebäude, wie zum Beispiel Häuser mit Wohnungen und Ladengeschäften,

die Anpassung der Regelung über das barrierefreie

Bauen an die Regelung der Musterbauordnung,

die Erweiterung der Verfahrensfreistellungstatbestän

die Schaffung einer Rechtsgrundlage, die die Bauauf

sichtsbehörden ermächtigt, den für die Schwarzarbeit zuständigen öffentlichen Stellen und die Lage des Baugrundstückes mitzuteilen,

und abschließend die Neuaufnahme der kleinen be

ziehungsweise eingeschränkten Bauvorlageberechtigung im Paragrafen 65.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat nach seiner Ersten Lesung am 22. April 2015 diesen Gesetzentwurf auf Drucksache 6/3830 zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss und zur Mitberatung an den Agrar-, Energie- und Sozialausschuss überwiesen.

Der Wirtschaftsausschuss hat bereits in seiner Sitzung am 9. April mehrheitlich beschlossen, zu dem vorliegenden Gesetzentwurf eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Diese öffentliche Anhörung führte der Wirtschaftsausschuss am 21. Mai 2015 hier im Plenarsaal durch. Von den neun eingeladenen Sachverständigen haben acht Sachverständige diese Einladung angenommen. Im Vorfeld der Anhörung wurde den Sachverständigen ein Fragenkatalog mit 38 Fragen mit der Bitte zugesandt, dieses schriftlich, soweit möglich, zu beantworten. Unaufgefordert Stellung genommen haben vier weitere Sachverständige. Alle Stellungnahmen liegen Ihnen auf der Drucksache zum Nachlesen vor.

Meine Damen und Herren, da der Wirtschaftsausschussvorsitzende, Herr Eifler, bereits inhaltlich auf die öffentliche Anhörung eingegangen ist, erspare ich mir hier an dieser Stelle eine Wiederholung.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Danke schön.)

Deshalb beschränke ich mich auf einige wesentliche Anregungen, lieber Georg, Johann-Georg, Entschuldigung.

So wurde unter anderem von der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern gefordert, die Regelung zum Abstandsflächenrecht nach Paragraf 6 Landesbauordnung noch einmal zu überdenken und die Übernahme dieser Regelung aus der Mustersatzung nicht beziehungsweise nur teilweise umzusetzen. Hier möchte ich darauf hinweisen, dass das Gesetz nicht alle Problemfälle regeln kann. Vielmehr muss der Ermessensspielraum der Verwaltungsbehörde zur Sicherung der öffentlichrechtlichen Bauvorschriften und des Begehrens des Antragstellers eingesetzt werden.

Eine weitere Forderung eines Sachverständigen zielte auf die uneingeschränkte Barrierefreiheit im Wohnungs

bau inklusive aller Nebenanlagen sowie Abstellräume ab. Diese Forderung wurde aber schon zwischen den Sachverständigen kontrovers diskutiert, denn je mehr die Forderung nach Umsetzung immer höherer Standards bei der Schaffung von Wohnraum, desto höher gestalten sich die Baukosten und diese schlagen sich dann in der Miete nieder.

Der Paragraf 48 Absatz 2 Satz 1 hat sich im Hinblick auf die Anforderung an Abstellräume mit der Definition „leicht erreichbar“ und „gut zugänglich“ bewährt. Ebenfalls kontrovers wurde die Regelung zum Schwellenwert – das heißt, ab wie viel zu betreuende Personen gilt der Sonderbaustatus – diskutiert. Abweichend von der Musterbauordnung ist in Paragraf 2 Absatz 4 der Schwellenwert von acht Personen festgelegt. Diese neue Festlegung kann und muss auch aus wirtschaftlicher Betrachtung befolgt werden.

Eine weitere, aber nicht neue Forderung war die Stärkung der Initiative zur Baukultur. Der gestalterische Anspruch an bauliche Anlagen im Geltungsbereich der Landesbauordnung sollte hervorgehoben werden. Diesem Ansinnen ist bereits im Gesetzgebungsverfahren 2006 nicht entsprochen worden, da die Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern ein Gesetz zur Abwehr von Gefahren, die von baulichen Anlagen ausgehen oder auf sie einwirken können, ist. Aspekte der Baukultur fallen hier nicht darunter.

Meine Damen und Herren, zu den energierelevanten Themen und Änderungen wird mein Fraktionskollege Rudolf Borchert sprechen. Weitere Themen konnten aufgrund des Zeitrahmens nur andeutungsweise angesprochen werden, da die Thematik zur Neuaufnahme der kleinen Bauvorlageberechtigung im Paragrafen 65 einen sehr breiten Raum einnahm. Die Handwerkskammern Mecklenburg-Vorpommerns sowie der Bauverband Mecklenburg-Vorpommern und kürzlich auch der Bundesverband der Techniker e. V. begrüßten ausdrücklich die Neuaufnahme der kleinen Bauvorlageberechtigung in dem Entwurf der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommerns. Die Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommerns, die anzuhörenden Architekturbüros sowie die Ingenieurkammer hingegen lehnen die kleine Bauvorlageberechtigung in Gänze ab.

Aber worum geht es inhaltlich? In der Mehrzahl der Landesbauordnungen in der Bundesrepublik sind Meister des Bau-, des Maurer-, Betonbau- und des Zimmerhandwerks sowie staatlich geprüfte Techniker der Fachrichtung Bautechnik mit Schwerpunkt Hochbau eingeschränkt bauvorlageberechtigt. Mit dem neu gefassten Paragrafen 65 wird einer langjährigen Forderung der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern in Mecklenburg-Vorpommern, des Bauverbandes sowie des Metallgewerbeverbandes Mecklenburg-Vorpommern nach einer eingeschränkten Bauvorlage entsprochen.

Damit soll den Meistern des Maurer- und Betonhandwerks, des Zimmerhandwerks und eingeschränkt auch den Meistern des Metallbauhandwerks in der Fachrichtung Konstruktionstechnik und Personen, die diesen handwerkrechtlich gleichgestellt sind, die Möglichkeit eingeräumt werden, als Entwurfsverfasser für einen bestimmten Katalog von baulichen Anlagen tätig zu werden. Diese Regelung soll auch zur Stärkung des Handwerks und des Handwerksberufes beitragen. Auch sollen staatlich geprüfte Techniker der Fachrichtung Bautechnik mit Schwer

punkt Hochbau bauvorlageberechtigt werden. Durch eine noch zu erlassende Rechtsvorschrift sollten dann die Details festgelegt werden.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, aber gerade da liegt der Teufel im Detail. Deshalb wurde, wie erwartet, in der Anhörung das Für und Wider mit vielen Argumenten, konkreten Hinweisen, Anregungen, Bedenken und Auswirkungen, welche mit der Neuaufnahme der kleinen Bauvorlageberechtigung verbunden sind, durch die Sachverständigen vorgetragen. Bereits im Vorfeld zur Anhörung wurde den Abgeordneten die Ablehnung vonseiten der Ingenieure und Architekten durch einen umfassenden Schriftverkehr ausdrücklich dargelegt. Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass alle dafür und dagegen vorgetragenen Stellungnahmen durchaus nachvollziehbar sind.

Der Wirtschaftsausschuss hat sich abschließend am 10. September mit den Änderungen zum Gesetz der Landesbauordnung beschäftigt. In Abwägung aller eingegangenen Stellungnahmen haben sich alle demokratischen Fraktionen – auf Initiative der CDU-Fraktion – darauf verständigt, die kleine Bauvorlageberechtigung wieder aus dem Gesetz zu nehmen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Na toll, Herr Albrecht, das zu würdigen!)

Ausschlaggebend war hier der möglicherweise fehlende Versicherungsschutz und somit der fehlende Verbraucherschutz. Ich persönlich habe hierzu eine abweichende Auffassung und werde mich bei diesem Abstimmungspunkt enthalten, dem Gesetz aber zustimmen, wie es die SPD-Fraktion ebenfalls tun wird. – Danke, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesbauordnung ist, glaube ich, eine der wirklich wesentlichen Dinge für viele Menschen in diesem Land, die von dieser Landesbauordnung in unterschiedlichster Weise betroffen sind.

Es hat eine interessante Entwicklung gegeben bei der Beratung zur Landesbauordnung, in mehrfacher Hinsicht. Sie ist auch wirklich – ich will jetzt nicht Sternstunde des Parlamentarismus sagen, das kann man nun auch nicht sagen – auf jeden Fall deutlich verändert worden. Normalerweise geht alles, was die Regierung ins Parlament hineinbringt, in der Regel ein Stück weit so raus,

(Zurufe von Rainer Albrecht, SPD, und Wolfgang Waldmüller, CDU)

wie es ins Parlament hineingeht. Das ist hier anders gelaufen. Da will ich Ihnen deutlich sagen, auch der Regierungskoalition, es hat eine ordentliche Expertenanhörung gegeben. Es gab eine andere Meinung und deswegen gibt es jetzt einen anderen Entwurf, und zwar genau bei dem Thema, was von allen angesprochen wurde, der kleinen Bauvorlageberechtigung. Wir haben uns auch mit den anderen demokratischen Fraktionen dafür eingesetzt, die kleine Bauvorlageberechtigung zu streichen und damit

tatsächlich die Architekten in diesem Land ein Stück weit zu bevorzugen. Das muss man ganz deutlich sagen.

In Richtung der Handwerkskammer ist es ein deutliches Signal – wir haben ja auch immer wieder über die Deregulierung im Handwerk gesprochen – und zum Schutz des Handwerks ist immer wieder das Thema „Sicherung von Qualität und Verbraucherschutz“ angeführt worden. Genau dieses Argument haben wir jetzt beim Schutz der Architekten und haben gesagt, wir werden auch in den Verwaltungen weniger Arbeit haben, wenn die Vorlagen fachlich höherwertig sind und nicht so stark nachgearbeitet werden muss.

Das waren unter dem Strich für uns die Gründe, die kleine Bauvorlageberechtigung abzulehnen. Das hat dann auch eine große Mehrheit gefunden, offensichtlich dank der CDU, die im Hintergrund etwas Druck gemacht hat. So ist das gekommen.