Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Was für ein zumindest vorläufiges Fazit ist zu ziehen, denn die Untersuchungen sind ja noch nicht abgeschlossen? Die Behörden, sowohl vor Ort als auch im Land, haben aus meiner Sicht hilflos und unsicher, einfach unprofessionell reagiert. Wer in welcher Situation was zu tun hat, scheint nicht klar zu sein. Ohne den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer hätte es vermutlich noch deutlich länger gedauert, bis das Leck entdeckt worden wäre. Ohne die Ehrenamtlichen wäre auch das Einsammeln der toten Fische nicht so schnell erledigt gewesen. Zumindest ist hier ein großes Dankeschön angebracht. Es ist gut, dass Sie das hier auch schon zum Ausdruck gebracht haben.

Die Antwort auf die Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte, hängt für mich eng zusammen damit, welche Auflagen bei der Genehmigung erteilt worden sind, ob die eingehalten wurden und wer das wann kontrolliert hat oder auch nicht. Darüber erwarten wir offen Auskunft.

Die Frage der Entschädigung an die Fischer und für meine Begriffe auch an den Naturpark beziehungsweise

die kleinen Unternehmer, wie „Abenteuer Flusslandschaft“, müssen ebenfalls auf die Tagesordnung. Die 3.000 Euro, die die Zuckerfabrik an die Binnenfischer gezahlt hat, scheinen mir ein sehr geringer Ausgleich zu sein.

Die Bioethanolanlage ist an sich eine gute Sache. Sie vervollständigt die Wertschöpfungskette als geschlossenen Kreislauf in der Produktion der Zuckerfabrik, wenn sie denn funktioniert. Auch wir wollen, dass die Zuckerfabrik in Anklam ein wichtiger und guter Arbeitsplatz bleibt. Das ist wichtig für die Anklamer und die Region. Das ist auch wichtig für die Zuckerrübenproduktion im Land und damit für die Diversifizierung der Ackerfrüchte. Unfälle beziehungsweise Havarien sind wahrscheinlich nie ganz auszuschließen, aber auf Notfälle muss man vorbereitet sein. Das war hier offensichtlich nicht der Fall. Daran muss gearbeitet werden, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Wir stimmen dem Antrag zu. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unmittelbar nach diesem Vorfall war der Geschäftsführer der Zuckerfabrik in der Anklamer Stadtvertretung, um dort Rede und Antwort zu stehen. Da wurde gefragt, woran das denn wohl gelegen haben könnte. Er sagte sinngemäß, er könne sich kaum vorstellen, dass das versehentlich geschehen sein könne, sondern er meinte, es sei schon ein aktives Handeln nötig, um diese Ventile und Flansche zu öffnen. Das heißt, es erschien die Möglichkeit der Sabotage, die dort auch geschehen sein kann.

Ich fragte ihn, ob da, wo es diese gefährlichen Gerätschaften gebe, mit denen man unter Umständen, wenn man irgendwelche Ventile aufdreht, die Peene vergiften kann, Überwachungskameras wären. Er sagte, Überwachungskameras, die gebe es zwar, aber nur auf dem Zaun nach draußen, sodass man sehen könne, wer in die Zuckerfabrik reinkäme. Aber über den gefährlichen Gerätschaften im Inneren, da, wo die Gefahr entstanden ist, gebe es keine Überwachungskameras, da gebe es nur Wachleute, die da ab und zu mal vorbeigehen und die dort offensichtlich auch nichts gemerkt haben an all den vielen Tagen, an denen diese Katastrophe so vor sich hin plätscherte. Er sagte, er wäre jetzt nach alldem bereit, da Überwachungskameras aufzubauen, das solle jetzt geschehen, aber das ist ja wohl erheblich zu spät.

Sowohl die Zuckerfabrik als auch die überwachenden Behörden, wer immer auch zuständig ist, Landräte, Minister schieben jetzt alle wieder die Zuständigkeiten hin und her: dass man diese Gefahrenlücke nicht gesehen hat, dass da gefährliche Gerätschaften sind, dass in diesem Zeitalter, wo überall Überwachungskameras hängen, keine Kameras da waren, aus denen man hätte sehen können, wer ist es gewesen, der sich daran zu schaffen gemacht hat, das ist ein ganz schweres Versäumnis.

Das Hauptproblem ist, dass die Anklamer Bevölkerung vollkommen im Unklaren gelassen wurde über das Risi

kopotenzial der Zuckerfabrik, sowohl von der Zuckerfabrik als auch von den zuständigen Behörden. An so einer Zuckerfabrik, denkt man sich als Laie, was soll daran schon gefährlich sein? Eine chemische Fabrik, wenn die in Anklam stünde, ja, dann weiß ich, da ist ein Risiko, AKW erst recht. Aber „Zuckerfabrik“ klingt harmlos. Da wird Zucker gemacht aus Zuckerrüben. Was soll da schon geschehen? Dabei lief schon seit Ende März ein Ermittlungsverfahren, wie schon gesagt wurde, wegen der ungenehmigten Anlage von Klärteichen, in denen hoch belastete Abwässer zwischengelagert worden sein sollen. Darüber hätte man die Öffentlichkeit ja mal informieren können – natürlich unter Beachtung der Unschuldsvermutung, das ist klar.

Aber so ein Ermittlungsverfahren ist auch eine Nachricht. Das wird nicht einfach so ohne Anlass gestartet, sondern dazu brauche ich einen Anfangsverdacht. Darüber hätte man schon was lesen können, es besteht dort Anfangsverdacht, da läuft ein Ermittlungsverfahren.

Ein weiteres Ermittlungsverfahren lief wegen des Verdachts der Einführung von Abfallprodukten aus der Verarbeitung von Bleicherden. Ein Lkw, der falsch deklarierte Stoffe an Bord gehabt haben soll, soll vom Bundesamt für Güterverkehr gestoppt worden sein. Das ist ein heftiger Vorwurf. Man hätte auch gerne mal gewusst, dass so ein Vorwurf überhaupt in der Welt ist. Das alles erinnert in der Tat so ein bisschen an den aktuellen VW-Skandal, nur im Kleinformat.

Dass der Zuckerfabrik dieses Gefahrenpotenzial innewohnte, die Peene in dieser Weise zu vergiften und so viele Fische zu töten, das war für die meisten eine riesige Überraschung. Da kann man froh sein, dass es ein paar Bio-Grüne waren, die das entdeckt haben. Da haben sie einmal in ihrem Leben was Vernünftiges gemacht. Es bleibt auch schleierhaft, was die zuständigen Kontrollbehörden die ganze Zeit getrieben haben.

Von der Politik sind nur Verharmlosungen zu hören. Herr Backhaus erklärt – das war ein schön absurdes Bild, da hätte man meinen können, man sieht die „heute-show“ –, eine Peene voller toter Fische sei keine Katastrophe, denn in irgendeiner Verordnung stünde, von einer Umweltkatastrophe könne nur gesprochen werden, wenn mehr als ein Landkreis betroffen sei. Das heißt, sollte Polen ein AKW bauen und es kommt zu einem Störfall, in dessen Verlauf Vorpommern-Greifswald radioaktiv verseucht wird, dann ist das keine Umweltkatastrophe, wenn sich nicht irgendein Biotop in die Mecklenburger Seenplatte oder nach Vorpommern-Rügen verirrt. Ich stelle mir so ein Bild vor, wo Herr Backhaus im ABC-Schutzanzug vor der Kamera steht,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

ihm gegenüber ist ein Reporter vom „Nordmagazin“, auch im ABC-Schutzanzug, und Herr Backhaus sagt: Katastrophe? Schauen Sie mal in die Verordnung, da steht, das ist keine Katastrophe, denn nur der Landkreis Vorpommern-Greifswald ist betroffen, und hinter ihm fallen die toten Vögel vom Himmel, aber das ist egal.

(Udo Pastörs, NPD: Keine Katastrophe!)

Also da kann man sich wirklich nur an den Kopf fassen. Man sollte vielleicht mal in die Realität sehen und nicht in

irgendwelche Verordnungen, dann braucht man sich über gar nichts zu wundern.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Natürlich ist die Zuckerfabrik wichtig für Anklam. Sie ist nach dem Landkreis der zweitgrößte Arbeitgeber. Aber das heißt natürlich nicht, dass sie die Lizenz hat, hier alle möglichen Umweltkatastrophen anzurichten. Das Hauptproblem ist nicht, dass man jetzt sagt, die Zuckerfabrik soll dichtgemacht werden, natürlich nicht, aber sie wird unzureichend überwacht.

Gestern habe ich zufällig in eine Talkshow reingezappt, in der es um den VW-Skandal ging. Da war ein Experte für Abgasmessungen. Der sagte, das Hauptproblem ist, dass der Staat nicht mehr kontrolliert. Er sagte: Mein Staat, von dem erwarte ich, dass er die Industrie kontrolliert, weil die Industrie potenziell gefährliche Unternehmungen macht. Aber der Staat kontrolliert nicht mal. Er hat sogar Mecklenburg-Vorpommern erwähnt und gesagt, in Abgassachen wäre jetzt der Einzige, der da überhaupt noch kontrolliert habe, nicht mehr im Amt. So, und das ist das Problem. Der Staat muss wieder mehr kontrollieren

(Udo Pastörs, NPD: Er hat die Kontrolle verloren.)

oder er muss die Zuckerfabrik verstaatlichen, aber weg darf sie natürlich nicht. – Ich danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Oh, Frau Feike habe ich vergessen, Entschuldigung, ich habe Frau Feike vergessen – nicht mit Absicht. Frau Feike, Sie haben das Wort. Das war wirklich nicht mit Absicht.

(Udo Pastörs, NPD: Na?!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Sehr geehrte Frau Dr. Karlowski, ich bin doch sehr erstaunt, dass Sie diesen Antrag nicht zurückgezogen haben, sondern ihn sozusagen noch neu formuliert haben, denn ich finde, dass zu diesem Zeitpunkt eigentlich alles gesagt wurde. Für mich ist ganz klar in der Einbringung zum Ausdruck gekommen, dass Sie ganz genau wissen, wie die Havarie ablief,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das wäre ja schön, wenn ich das wüsste. – Michael Andrejewski, NPD: Über die Ursache weiß man doch nichts.)

wie die ganzen Umstände waren, wie groß die Umweltkatastrophe war,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das war keine Katastrophe! – Zuruf aus dem Plenum: Da enttäuschen Sie mich.)

wie groß die Umweltschäden gewesen sind, …

Für Sie war es ja eine Umweltkatastrophe.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja, immer schön vorsichtig sein!)

… wie welche Auswirkungen gekommen sind,

(Udo Pastörs, NPD: Für die Fische, für das Wasser.)

auch, dass sich die Zuckerfabrik entschuldigt hat, auch, dass sie gesagt hat, dass sie wüssten, dass sie diesen Schaden verursacht haben. Daher stellt sich für mich die Frage: Ist es Populismus

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

oder wollen Sie ernsthaft an diese Sache herangehen? Wollen Sie ernsthaft die Aufklärung haben? Weil ich sehe immer noch dieses Bild. Ich war gestern wieder in Anklam in meinem Büro, da sehe ich immer noch das Bild vom „Nordkurier“, wo Sie mit diesem einen Fisch in der Hand am Bach stehen. Ich weiß nicht, ob dieses Bild ein Original ist oder ob es wirklich, ich sage mal, in dieser Situation entstanden ist. Ich muss Ihnen sagen, das verbreitet Angst.

(Udo Pastörs, NPD: Der tote Fisch verbreitet Angst?!)

Ich glaube auch,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Die toten Fische verbreiten Angst.)

dass wir eine Verantwortung haben.

(Udo Pastörs, NPD: Die Behandlung so einer Industrieanlage, die verbreitet Angst, Frau Feike. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Also wenn wir nach dem BImSch-Verfahren gehen, dann ist es eine Industrieanlage, und das wissen Sie auch, Herr Pastörs.

(Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)