Protokoll der Sitzung vom 25.09.2015

Wir sind also in einer Situation gewesen, Herr Kollege Jaeger, wo wir genau wussten, wir müssen uns möglicherweise auf dieses Worst-Case-Szenario einstellen als tatsächlich schlimmstem Fall, deswegen ist es ja auch ein Worst Case. Wir wissen nicht, wie sich das überhaupt entwickelt, aber wir wissen ganz genau, dass die Verbindlichkeiten, die wir in diesem Land aufgrund der bestehenden Verträge haben, sich eben nicht daran stören, ob der Bund sagt, wir geben ein paar Millionen Euro mehr ins Land hinein oder in die Bundesebene hinein oder nicht.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Hat er sich auf den Worst Case eingestellt?)

Das heißt …

Diese 90 Millionen oder die Aussage dazu hat sich auf das Worst-Case-Szenario bezogen. Das Ansparen der Haushaltsreste – und das hat der Minister eben versucht, deutlich zu machen, und ich versuche es jetzt auch noch mal, deutlich zu machen – ist die Vorsorge dafür gewesen, dass wir im Endeffekt ja gar nicht wissen konnten, mit welchen Mitteln wir in der Zukunft ausgestattet werden.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Hat sich diese Situation geklärt?)

Dazu komme ich jetzt.

Herr Kollege Jaeger, seit gestern Abend oder heute früh – je nachdem, wann die Information zur Verfügung stand – hat sich ein Punkt geändert: Wir wissen – ich habe es heute Morgen, gestatten Sie mir das, noch nicht für die Folgejahre durchgerechnet –, aber wir wissen, dass wir jetzt, und mit „wir“ meine ich die Länder in Gänze, mit 8 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln rechnen können – „rechnen können“ deswegen, weil es die entsprechenden Haushaltsbeschlüsse dafür noch nicht gibt auf Bundesebene – und dass wir anstatt der von allen Bundesländern und dem Bundesverkehrsminister in Kiel auf der Verkehrsministerkonferenz für erforderlich gehaltenen zweiprozentigen Dynamisierung und – das muss man nämlich auch wissen – der vollen Kostentragung der Trassen- und Stationspreise durch den Bund tatsächlich nur mit 1,8 Prozent rechnen können.

Wir sind also in der Situation, dass wir besser dran sind, als bei dem, was das Bundesfinanzministerium und das Bundesverkehrsministerium in der Vergangenheit angeboten haben, aber wir sind deutlich hinter dem, was alle Bundesländer – und das bitte ich zu berücksichtigen: alle Bundesländer, egal, welcher parteipolitischen Couleur ihre Führung war und welcher Partei ihr Verkehrsminister angehört hat – für zwingend erforderlich gehalten haben.

Der Minister hat es ja auch noch mal deutlich gemacht: Wir wären, wenn wir einfach nur die Verträge, die in

Gänze in den letzten Jahren bestanden hätten, fortschreiben würden, mit Kostensteigerungen, mit dem Wunsch nach Effizienzsteigerung und auch mit dem Wunsch nach Barrierefreiheit wahrscheinlich nicht mal mit dem Geld zurechtgekommen, das die Verkehrsministerkonferenz gefordert hat. Wir müssen vor dem Hintergrund ganz genau sagen: Wir werden mit diesen Regionalisierungsmitteln auch weiterhin gucken müssen, wo wir tatsächlich ein nachhaltiges Verkehrsangebot in diesem Land aufrechterhalten können.

Und ich glaube nicht mal, dass das ein Dissens zwischen Ihnen und mir ist. Ich glaube auch, dass Sie und Ihre Fraktion – und das ist der Unterschied zu der Rede von Frau Kollegin Schwenke –, dass Sie und Ihre Fraktion nicht auf dem Standpunkt stehen, wir hauen das Geld jetzt einfach mal raus, egal, ob es sinnvoll ist oder nicht. Aber wir werden ganz genau schauen müssen, welches Verkehrsangebot von welchem Aufgabenträger wie weiter finanziert werden kann.

Sehr geehrte Frau Kollegin Schwenke, ich kann das ja verstehen, dass man, wenn man hier vorne steht und über dieses Thema redet, sehr schnell dahinkommt, sich in Allgemeinplätzen zu verlieren oder tatsächlich allen alles versprechen zu wollen, aber, Frau Kollegin Schwenke, sich hier hinzustellen und zu sagen „Zug in M-V ist out“, das ist ja wohl wirklich nur noch kurz über der Grasnarbe.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das ist eine Zuspitzung.)

Wir wissen …

Das ist nicht mal mehr eine Zuspitzung – ich hätte beinahe gesagt, eine Zugspitzung –, das ist nicht mal mehr eine Zuspitzung, das ist nur noch blanker Populismus, weil das Einzige, was Sie damit deutlich machen, ist, den Leuten in den unterschiedlichen Regionen dieses Landes die Angst einimpfen zu wollen, dass es bei ihnen vor Ort keinen öffentlichen Nahverkehr geben wird, auch nicht als SPNV. Und das ist weiß Gott in diesem Land nicht der Fall. Herr Kollege Butzki hat auch schon darauf hingewiesen.

Wenn Sie dann auf der anderen Seite sagen, na gut, wenn die Bundesmittel nicht reichen – und Frau Kollegin Schwenke, fairerweise muss ich das zugeben, Sie haben ja erklärt, dass auch nach Ihren eigenen Ausführungen die vorgesehene Dynamisierungsrate, also jetzt vorgesehene Dynamisierungsrate, nicht ausreichen wird, um die tatsächlichen Kostensteigerungen aufzufangen –,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja.)

wenn Sie als Halbsatz formulieren, dass selbst Sie davon ausgehen, dass das, was das Land in den Jahren dann in der Folge mehr bekommen wird, nicht die hier stattfindenden Kostensteigerungen auffängt, dann gibt es tatsächlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder man macht ernsthafte nachhaltige Politik und sagt, so, wie der Minister das dargelegt hat, wir gucken, wie wir mit dem zur Verfügung stehenden Geld umgehen können, oder aber – und dann komme ich zu Ihnen – Sie sagen, wir hauen da Landesmittel rein.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja.)

Das ist erst mal eine durchaus legitime Aussage. Nur, Frau Kollegin Schwenke, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, ich will da Landesmittel reintun,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Hatten wir ja schon mal.)

weil das aus Ihrer Sicht ein Schwerpunkt der Landespolitik ist, dann müssen Sie auch genau sagen, an welcher Stelle Sie diese Landesmittel streichen wollen. Das ist das, was ich von Ihnen erwarte. Machen Sie im Rahmen der Haushaltsdebatte einen Antrag auf Erhöhung oder auf einen Zuschuss der Landesmittel zu den Regionalisierungsmitteln, die der Bund zur Verfügung stellt, meinetwegen 20 Millionen, das ist ein runder Betrag, damit kann man was anfangen!

(Regine Lück, DIE LINKE: Das hätten Sie auch als Koalitionsfraktion machen können.)

Aber sagen Sie bitte, wo das Geld herkommt!

Dann haben Sie nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie streichen es irgendwo – Sie werden es sicherlich nicht bei den Personalausgaben auf einmal streichen können, also müssen Sie es irgendwo bei den Leistungen, die dieses Land erbringt, tatsächlich streichen –, oder aber Sie sagen, das ist mir eigentlich ganz egal, ich gehe in die Neuverschuldung rein oder ich tilge nicht die bestehenden Schulden. Aber wenn Sie das machen, belasten Sie mit dieser Aussage und mit dieser Politik die Zukunft dieses Landes und die Menschen in diesem Land, weil sie diese Rechnung irgendwann bezahlen müssen. Das muss man den Menschen dann auch offen sagen. Alles andere, Frau Kollegin, ist unredlich. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Wir haben ja noch eine Anhörung. Da werden Sie unsere Anträge bekommen.)

Vielen Dank, Herr Schulte.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Jaeger für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will es mal deutlich sagen: Der Kollege Schulte ist derjenige, den ich, wenn ich mal mit der Bahn fahre, dort regelmäßig sehe. Das finde ich wirklich toll. Das ist also jemand, der das real wahrnimmt und der deswegen auch für den Bahnverkehr steht.

(Beifall Thomas Krüger, SPD)

Da müsste ich mehr tun, das kann ich auch hier bekennen, das will ich ganz deutlich sagen. Ich habe aber andere Termine, das ist ein anderes Problem.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Von Unternehmer zu Unternehmer sage ich es jetzt mal so: Wenn man sich für eine Sache einsetzt, die einem als Unternehmer wichtig ist, dann geht man ins Risiko. Wenn man sagt, es ist eigentlich zweite Wahl, das ist ein Projekt, sorry, das brauche ich nicht, dann rechne ich das mal richtig schön konservativ und sage, es gibt gute Gründe, die Finger davon zu lassen. So machen das Unternehmer, und deswegen funktioniert Wirtschaft, weil man Prioritäten setzt. Das ist das Problem.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Wenn ich den Ausführungen folge und sehe, wohin sich die Mittel entwickeln, dann ist das tatsächlich so, dass wir die Verträge ordentlich abarbeiten und das Projekt ordentlich beenden. Wir haben dann irgendwann die großen Bahnlinien von Rostock nach Berlin und dann einmal rüber von Schwerin nach Greifswald in Richtung Usedom, noch auf der Usedomer Bäderbahn, aber beim Rest müssen wir gucken. So sieht es aus mit den Mitteln.

Sie würden als Minister jedem Kommunalpolitiker sagen, wenn ihr von mir Geld für eine Aufgabe kriegt und ihr habt das Geld nicht ausgegeben, kommt aber dann bei mir an und sagt, ihr braucht für die Zukunft mehr, kriegt ihr die glasklare Antwort, sorry, das könnt ihr vergessen, wenn euch das Thema nicht wichtig ist, weil ihr alle möglichen Risiken seht, und ihr habt das Geld nicht ausgegeben, das ich euch gegeben habe, dann kriegt ihr vor allen Dingen zukünftig von mir kein Geld, das ist doch logisch, ihr braucht ja offensichtlich nicht so viel.

Wer die Bahn will, und da müssten wir uns einig sein, wegen der Verkehrswende brauchen wir die Bahn. Wir haben tolle Ideen gehört zur Südbahn, was Elektrifizierung angeht, wie man über diese Elektrifizierung auch anderen Strom über die Netze der Bahn transportieren könnte. Ich war gerade in Hagenow, das will ich noch mal als Beispiel anbringen, aber ich habe leider nicht viel Zeit. Im Bahnhof Hagenow kümmert sich gerade ein Ehepaar aus Berlin darum, diesen Riesenbahnhof wieder in Ordnung zu bringen. Übrigens glaube ich, dass sie keine Fördermittel dafür gekriegt haben. Sie versuchen, das über einen Gaststättenbetrieb zu lösen. Ich wünsche ihnen da viel Glück.

(Zurufe von Jochen Schulte, SPD, und Torsten Renz, CDU)

Während wir dort gestanden haben, war der Bahnsteig draußen voll. Und ich dachte, Mensch, was ist denn hier los, so viele Leute in Hagenow Land.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Nee, das waren Flüchtlinge. Das waren Flüchtlinge, die von Hagenow in Richtung Schwerin fahren wollten. Und genau das ist ein Thema für viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zurzeit im Land, die natürlich sehen, dass das auch eine Chance ist für unser Land, dass wir nicht bei den sechs bis zwölf Leuten pro Zug der Südbahn bleiben werden, sondern dass es Menschen in unserem Land gibt, die viel dringender auf einen Zug angewiesen sein werden, weil sie eben kein Auto haben. Diese Chancen würde ich gerne nutzen und sehen.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Mein Wunsch wäre, dass wir, wenn wir uns konservativ und kaufmännisch klug auf eine ganz schwierige Situation vorbereitet haben und sehen, sie ist so nicht eingetreten, uns verständigen und sagen, wir gucken uns mit einem gemeinsamen Gutachten an, wie denn die Potenziale einer Südbahn wären, die ordentlich und attraktiv ausgebaut wird. Und wenn wir uns danach in die Augen gucken und sagen, sorry, die Potenziale sind nicht da, dann bin ich überzeugt, wir lassen die Finger davon. Aber wenn wir sehen, es gibt die Möglichkeit, …

(Jochen Schulte, SPD: Davon bin ich nicht überzeugt.)

Wir können uns doch auf Gutachter einigen.

… es gibt die Möglichkeit für die Strecken, es gibt das Potenzial von Kunden, die damit fahren würden, wenn das Ganze attraktiv ist, und wir kriegen die Bahnhöfe in Ordnung gebracht und so weiter, dann wäre es ein Vorzeigeprojekt, das eine Ausstrahlung in das ganze Land beim Thema Bahnverkehr hätte, und die brauchen wir dringend. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Jaeger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Eifler für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme noch einmal auf den Titel der heutigen Tagesordnung zurück: „Verwendung von Regionalisierungsmitteln in Mecklenburg-Vorpommern“ – die Aussprache auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Als ich diesen Tagesordnungspunkt bekam und die Anträge ausgetauscht wurden, lag meine Vermutung nahe, dass doch wieder die Debatte um die Südbahn aufgemacht wird. Denn die Verwendung der Regionalisierungsmittel ist sehr umfassend und sehr deutlich von der Landesregierung vorgetragen worden. Die Vermutung hat sich eben bestätigt, dass es – hinter dem Titel versteckt – um die Debatte zur Südbahn geht, zu der wir in dem Haus schon allumfänglich diskutiert und beraten haben. Ich will auch noch mal darauf eingehen, weil nämlich der Eindruck entsteht, dass da etwas ersatzlos gestrichen worden ist.