aus meiner Sicht ist das aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn nicht nur die europäischen Milchbauern möchten davon etwas abbekommen. Gleichzeitig mit der Milchkrise haben wir es momentan mit einem dramatischen Preisverfall auf dem Markt für Schweine- und Rindfleisch zu tun. Die europäischen Obst- und Gemüsebauern stecken ebenfalls in der Krise.
Auch sie sollen aus diesem 500-Millionen-Euro-Topf bedient werden. Man möge sich ausrechnen, was dann bei einem Milchbauern ankommt oder was für eine Milchkuh bezahlt werden kann. Auch das jetzt in der Presse veröffentlichte Angebot von Lidl, 5 Cent für Trinkmilch mehr zu zahlen ab 1. Oktober, ist meiner Meinung nach eine Mogelpackung,
denn wie groß ist der Trinkmilchanteil an der gesamten Milchproduktion? Und außerdem wird es in erster Linie dem Unternehmen Lidl nützen. Es ist eine Marketing- offensive, die hier gemacht wird.
Meine Damen und Herren, gleichzeitig mit dieser schwierigen wirtschaftlichen Lage steht die Landwirtschaft in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern häufig am
Pranger. Einige Tierschutz- und Umweltverbände sprechen von Turbo- oder Wegwerfkühen, mit denen die Bauern flächendeckend Milch produzieren. Allen anderen Zweigen der Tierhaltung werden häufig ebenfalls tierquälerische Produktionsverfahren vorgeworfen. Deutschlandweit wird eine stark emotionalisierte, häufig aber nicht sachgerechte Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft geführt.
Die Fraktion DIE LINKE und ich persönlich treten für eine Versachlichung dieser Debatte ein. Das bedeutet, dass Politik, Wissenschaft, Bauern, Verbraucherorganisationen sowie Umwelt- und Tierschutzverbände miteinander und nicht übereinander reden müssen. Das bedeutet aber auch, dass alle – ich unterstreiche das: alle! – Argumente gehört und zugelassen werden.
Die Perspektivkommission Mensch und Land unter Leitung von Professor Metelmann ist für mich genau der richtige Ort, genau das richtige Gremium, um zu einem Masterplan Land- und Ernährungswirtschaft für unser Land zu kommen. Diese meine eben geäußerte Meinung wiederhole ich heute sehr gerne, weil ich das schon oft getan habe. Allerdings wird die Perspektivkommission uns leider in der derzeitigen aktuellen Milchkrise nicht weiterhelfen können.
Ich verstehe Ihren Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, als einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte.
Hinter dem Feststellungsteil, der die herausragende Bedeutung der Milchviehhaltung in Deutschland betont und kurz die derzeitige Lage auf dem Milchmarkt beschreibt, können sich sicher alle demokratischen Faktionen dieses Hauses versammeln.
Das kann ich mir allerdings für Ihre Aufträge an die Landesregierung nicht vorstellen. Sie wollen, dass die Landesregierung den „Erhalt der bäuerlichen Milchviehhaltung“ mit verschiedenen Maßnahmen unterstützt. Da gilt es für mich zuallererst zu klären, was Sie unter „bäuerlicher Milchviehhaltung“ verstehen und an wen sich die Unterstützung des Landes richten soll. Wenn Sie damit meinen, dass Mecklenburg-Vorpommern nur noch familiengeführte Betriebe unterstützen soll, dann widerspreche ich Ihnen hier sofort.
Familiengeführte Betriebe, gleich welcher Größe, sind ein wichtiger Bestandteil der hiesigen Landwirtschaft. Das ist sicher völlig unbestritten, aber für meine Fraktion ist auch klar, dass Betriebe anderer Eigentumsformen – vor allem genossenschaftlich organisierte Betriebe, die ja auch Mehrfamilienbetriebe sind – ebenfalls Unterstützung in der derzeitigen Situation brauchen.
Es war darauf hingewiesen worden, dass heute an verschiedenen Stellen im Lande Frischmilch gekauft werden kann. Das will ich auch unterstreichen. Es ist vielleicht noch zu wenig. Hof Denissen war genannt worden, es war genannt worden die Agrargemeinschaft Holthusen hier vor den Toren von Schwerin, und ich kann noch dazu beitragen, ganz in der Nähe von Rostock, Broder
(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das kommt nicht bis zu uns in den Supermarkt. – Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)
Die in Punkt 1 Ihres Antrages genannten Einzelmaßnahmen finde ich durchaus unterstützenswert, allerdings muss auch hier von Ihnen geklärt werden, was Sie unter „Haltung robuster Rassen“ in Punkt 1.a) verstehen. Hier wiederhole ich mich auch gerne: Sind es Galloways, Salers oder ist es das Fleckvieh? Für meine Fraktion und für mich steht ein Zweinutzungsrind im Fokus.
Das einseitige Setzen auf immer höhere Milchleistungen bei der Züchtung, wie es von Ihnen beklagt wird, ist auch für uns nicht der richtige Weg.
Allerdings sieht die Realität in Mecklenburg-Vorpommern schon etwas anders aus. Der von der RinderAllianz beschrittene Weg mit dem einzigartigen Testherdenprogramm mit 60.000 Kühen – mit 60.000 Kühen! – und 85 Testherden in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sowie neuerdings auch in Sachsen-Anhalt sowie mehr als 2,7 Millionen Einzeltierdaten hat bereits zu einer Veränderung der Zuchtziele geführt, hin zu mehr Tiergesundheit, etwas geringerer Milchleistung, aber deutlich höherer Nutzungsdauer. Ab Frühjahr 2016 werden Kriterien für die Klauengesundheit verfügbar sein und in die Zuchtziele einfließen. Das wird auch auf diesem Gebiet zu einer Verbesserung führen.
Wer es wollte, konnte sich darüber auf der MeLa sowohl am Stand der Landesforschung als auch bei der RinderAllianz informieren. Ich hatte mit Frau Dr. Krüger von der RinderAllianz ein sehr langes Gespräch zu dieser Frage. Pauschale Kritik am diesjährigen Tier der MeLa, dem Deutschen Holsteinrind, war und ist dabei meiner Meinung nach nicht hilfreich.
Ich bitte alle, die sich um die Zukunft der Milchtierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern Sorgen machen, die vielen Verbesserungen wahrzunehmen, die es in den letzten beiden Jahrzehnten gegeben hat. Die heutige Situation ist in keiner Beziehung damit zu vergleichen, wie die Zustände vor und um 1990 herum waren. Es ist eine große Leistung der Landwirte, der Züchter, aber auch unserer Landwirtschaftsverwaltung. Dafür kann man nur
herzlichen Dank sagen. Es hat aber auch riesige Investitionen bedeutet, an denen viele Betriebe in der derzeitigen Situation verzweifeln können. Und hier müssen wir für die Liquidität sorgen.
Der zweite Punkt Ihres Antrages ist für meine Fraktion weniger problematisch, wenn wir an dieser Stelle auch zur Kenntnis nehmen sollten, dass hier schon viel in unserem Lande passiert ist. Aber natürlich könnte auch aus unserer Sicht noch mehr getan werden, wenn es um die Stärkung der Marktmacht der Erzeuger unserer Milch geht. Grundvoraussetzung ist allerdings – und das sage ich nicht zum ersten Mal –, dass die Milcherzeuger selbst erst einmal Einigkeit erzielen müssen. Es hilft nicht viel, wenn alle auf Teufel komm raus ihre Kühe melken und dann vom Nachbarn erwarten,
und dann vom Nachbarn erwarten, dass er weniger produziert. Es hilft ebenso wenig, dass sich ökologische Milchproduktion und konventionelle Produktion gegeneinanderstellen. Es hilft auch nichts, wenn man keine Erzeugergemeinschaften nennenswerten Ausmaßes auf die Reihe bekommt.
Den Punkt 3 Ihres Antrages, der sich für eine Veränderung der Zuchtziele ausspricht, kann man natürlich befürworten, ich habe an anderer Stelle dazu schon Stellung genommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber selbst wenn alle Punkte Ihres Antrages umgehend erfüllt würden, selbst wenn der Trend zu mehr regionalen Produkten geradezu explodieren würde, selbst wenn kleine und regionale Molkereien aus dem Boden schießen würden – was ich mir überhaupt nicht vorstellen kann –, wird sich die Situation für unsere Milchbauern nicht schlagartig verändern.
Meine geschätzte Kollegin Dr. Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der LINKEN, erklärte am 01.09.2015 anlässlich einer Demonstration der Milchbäuerinnen und -bauern in München, die kostendeckende Erzeugerpreise für ihre Milch forderten, ich zitiere: „Was wir jetzt brauchen ist eine Soforthilfe“
„Wir müssen die Betriebe unterstützen, die freiwillig Milch vom Markt nehmen. Vielen Betrieben steht das Wasser bis zum Hals. Gerade die Betriebe, die investiert haben, befinden sich nun in einer extrem riskanten Situation, denn die Schulden drücken … Wir müssen aus diesem falschen System aussteigen. Eine auf den EU-Bedarf orientierte Milchproduktion wird gebraucht. Das geht nicht ohne eine Steuerung der Milchmenge, auch wenn Agrarminister Schmidt das vehement ablehnt. Massenproduktion ist keine Lösung, sondern das Problem. Die Erfahrungen mit der abgeschafften Milchquote zeigen,
dass ein solches System anfällig ist. Daher sollte es nicht wie die damalige Quote staatlich verkündet, sondern zwischen den Marktakteuren verbindlich vereinbart werden. Wenn Erzeuger, Verarbeiter, Molkereien, Handel und Verbraucher an einem Tisch sitzen würden, dann könnte nach dem realen Bedarf produziert werden. Steigende und letztlich kostendeckende Preise wären die Folge. Aus aktueller Sicht wären das 40 bis 50 Cent pro Liter. Die regionale Vermarktung und Verarbeitung zum Wohle der ländlichen Räume ist dabei zu stärken.“
Und weiter: „Diese Krise, bereits die dritte in sechs Jahren, ist hausgemacht. Der Milchmarkt wird liberalisiert, die Milchproduktion immer weiter gesteigert und die Agrarpolitik auf den Export ausgerichtet. Die Marktmacht des Handels und der Molkereien wird nicht begrenzt, und der Bodenmarkt bleibt für Spekulanten geöffnet. Das ist der falsche Weg.“ Ende des Zitates. Ich habe dem nichts Besonderes hinzuzufügen.
Meine Fraktion wird sich zum vorliegenden Antrag enthalten, der nur an einigen Symptomen der Milchkrise herumdoktert, keine Kritik am europäischen System Milch übt und den für uns extrem wichtigen Aspekt des Arbeitens und Lebens auf dem Lande gar nicht berücksichtigt. Das sind die sozialen Fragen der Milchkrise, die auch mit beachtet werden müssen.
Es sei noch einmal betont, die Fraktion DIE LINKE will mehr Tierhaltung, wir wollen regionale Kreisläufe und wir wollen eine regionale Wertschöpfung. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit mit dem Hinweis: Kaufen Sie regionale Milchprodukte in größerem Umfang! – Danke schön.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Heiterkeit bei Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder, der von uns auf der MeLa war – und da waren ja eine ganze Reihe von Abgeordneten –, jeder, der da durch die Gänge marschiert ist und sich mit dem einen oder anderen Landwirt unterhalten hat, ist am Thema Milch gar nicht vorbeigekommen. Die Situation, so, wie sie in den Betrieben ist, drückt, macht die Bauern sehr betroffen und zehrt am Ende auch an der Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe und der Inhaber. Das ist eine schlimme Situation und hier ist ja auch schon gesagt worden, dass es nicht nur die Milch betrifft, sondern dass es auch bei den Fleischpreisen, insbesondere beim Schwein, sehr bedenklich ist.
Natürlich, in jedem Gespräch, das wir dort hatten, wird die Frage gestellt: Was kann man tun? Was können wir machen? Wie kann die Situation verbessert werden? Wenn man sich der Frage nähert, dann muss man die Fragen stellen: Wie entwickelt sich denn der Milchpreis? Aus welchen Komponenten setzt er sich zusammen? Wo wird er gemacht? Wie passiert das Ganze?
Und wenn man sich mit dieser Frage beschäftigt, kommt man irgendwann darauf, dass der Milchpreis ein globaler Milchmarktpreis ist. Wer das nicht glaubt – da höre ich schon wieder Stöhnen und sehe Kopfschütteln –,