Die letzte Umfrage hat belegt, dass 93 Prozent – 93 Pro- zent! – der Deutschen der Meinung sind, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien wichtig beziehungsweise sehr wichtig ist. Und wenn man sich mal ansieht, wie die Akzeptanz ist von Erzeugungsanlagen von Energie, dann kann man deutlich erkennen, dass natürlich auch die Möglichkeiten der Beteiligung dazu geführt haben, dass die Akzeptanz für Erzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien deutlich höher ist als für Erzeugungsanlagen aus konventioneller Energie. Die Zahlen dazu werden niemanden überraschen. Bei der Frage nach der Akzeptanz von Atomkraftwerken in unmittelbarer Nähe finden sie gut beziehungsweise sehr gut 4 Prozent, Kohlekraftwerke 7 Prozent, Gaskraftwerke 25, Biogasanlagen 39, Windkraftanlagen 59 und Solarparks 77. Das hängt auch damit zusammen, dass die Erzeugung aus erneuerbaren Energien, wie gesagt, ganz andere Eigentums- und Beteiligungsmöglichkeiten eröffnet als die bisherige konventionelle Energieerzeugung.
Meine Damen und Herren, wie sieht es aber in Mecklenburg-Vorpommern aus? Wir haben im Gegensatz zu anderen Ländern, insbesondere zu westdeutschen Bundesländern, nur sehr wenige Bürgerenergieprojekte in Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere im Windbereich. Man kann auch sagen, es ist überschaubar. Es sind kommunale Windparks, die in den 90er-Jahren entstanden sind in Lübow beziehungsweise Ravensberg, oder aktuell Bürgerkommunalwindparks, die entstehen in Tarnow, Lüttow-Valluhn, Zachun, Bandenitz und Sülstorf sowie in Hagenbeck bei Ihlow, das Kommunalwindrad Elde in Zepkow, und jetzt entsteht die sich in Gründung befindliche Bürgerwindgenossenschaft Mecklenburgische Seenplatte, die demnächst ein Genossenschaftswindrad in Lütow betreiben wird. Viel mehr gibt es nicht.
Das ist sehr wenig, meine Damen und Herren, und das macht deutlich, im Gegensatz vielleicht zu anderen Bundesländern hat sich insbesondere in Mecklenburg-Vor- pommern das Prinzip der Freiwilligkeit eben nicht bewährt. Und wenn es sich nicht freiwillig bewährt hat, dann ist es wichtig, dass die Politik, die das Primat hat, hier aktiv wird, um eine gesetzliche Pflicht zur direkten finanziellen Beteiligung der wenigen, die an Windkraft mitverdienen, auch zu sichern. Wir brauchen also eine deutlich stärkere Beteiligung von Standardgemeinden als bisher, denn bisher bleibt natürlich die Möglichkeit, mit zu partizipieren über die Gewerbesteuer, über Ausgleichsmaßnahmen, über Wegenutzungsentgelte, ab und an vielleicht auch mal eine Spende, aber dann wars das schon. Und deshalb sind wir der Meinung, wir brauchen auch ein Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz für Mecklenburg-Vorpommern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vorredner haben es gesagt: Dieses Gesetz wird eine Herausforderung, wird vor allen Dingen eine Herausforderung nicht nur im parlamentarischen Verfahren, sondern auch in der Umsetzung. Es wird für alle Beteiligten eine Herausforderung, denn zum einen, wie gesagt, gibt es keine Erfahrungen, kein Vorbild für uns, in Deutschland zumindest nicht, für ein vergleichbares Gesetz. Es wird komplizierte Berechnungsgrundlagen und komplizierte rechtliche Rah- menbedingungen geben müssen und insbesondere die Kommunen werden vor schwierige Entscheidungen gestellt, weil kommunale Selbstverwaltung bedeutet natürlich, wenn man das Bündel der Möglichkeiten hat, sich zu beteiligen, letztendlich zu entscheiden.
Ich finde es sehr gut und sehr wichtig, dass in der Endkonsequenz die Kommune zu entscheiden hat, welche Form der Beteiligung sie eingeht. Das setzt aber auch voraus, dass die Kommunen dazu in der Lage und bereit sind, diese Entscheidungen letztendlich kompetent zu treffen. Und hier sehe ich großen Handlungsbedarf, auch landespolitisch, den Kommunen die entsprechende Unterstützung zu geben.
Es ist richtig und wichtig, wie es zumindest im Stellenplan des Landeshaushalts vorgesehen ist, im Einzelplan 15, im Energieministerium, mindestens eine Planstelle zur praktischen Umsetzung des Gesetzes, wenn es um regulative Fragen geht. Ich finde es aber genauso richtig und wichtig, dass in der zu gründenden Landesenergieagentur die entsprechenden Kompetenzen vorhanden sind, um dem notwendigen Beratungsbedarf vor Ort letztendlich zu entsprechen. Sicherlich wird der Städte- und Gemeindetag entsprechend seinen Möglichkeiten hier ebenfalls helfen. Ich sehe aber die Verwaltung, sowohl die Kreisverwaltung als auch Amtsverwaltung zukünftig noch stärker in der Verantwortung, hier begleitend und konstruktiv beratend zu wirken und nicht unnötigerweise möglicherweise noch zu behindern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Minister hat es angekündigt: Es erwarten uns spannende parlamentarische Verfahren. Das ist so. Ich glaube, die heutige Debatte hat gezeigt, dass es hier mit hoher Wahrscheinlichkeit wirklich so sein wird, wie es ja auch schon das sogenannte Struck’sche Gesetz deutlich macht: Kein Gesetz verlässt den Landtag so, wie praktisch dieses Gesetz den Landtag erreicht. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für dieses Gesetz der Fall sein.
Zum Beratungsverfahren kann ich Ihnen so weit schon mal Folgendes mitteilen: Es gibt im Energieausschuss, der diesen Gesetzentwurf federführend beraten wird, bereits eine Verabredung zum Verfahren. Wir werden also im März abschließend im Energieausschuss beraten, um – das ist das Ziel – im April, gegebenenfalls am 20. April dann in Zweiter Lesung das Gesetz hier im Landtag zu beschließen.
Wichtig ist in dem Zusammenhang die Anhörung und da kann ich schon mal langfristig vorinformieren. Ich bin sicher, dass die öffentliche Anhörung zu diesem Thema ein sehr großes Interesse finden wird. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird diese Anhörung stattfinden am 20. Januar. Wir haben selbstverständlich auch schon den Plenarsaal angemeldet, weil wir davon ausgehen, dass dieses Gesetz in der öffentlichen Anhörung ein großes Interesse finden wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte namens der Koalitionsfraktionen die Überweisung des Gesetzentwurfes beantragen, federführend in den Energieausschuss, mitberatend in den Innen-, Finanz- und Wirtschaftsausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Ältestenrat schlägt vor – wir haben es gehört, Herr Borchert macht es auch –, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 6/4568 zur federführenden Beratung an den Energieausschuss sowie zur Mitberatung an den Innenausschuss, an den Finanzausschuss sowie an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD, bei einer Gegenstimme aus der Fraktion der NPD angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Konsequenzen aus dem Forschungsbericht „Aspekte der Armut in Mecklenburg-Vorpommern“ ziehen, Drucksache 6/4585.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Konsequenzen aus dem Forschungs- bericht „Aspekte der Armut in Mecklenburg-Vorpommern“ ziehen – Drucksache 6/4585 –
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben Ihnen den Antrag „Konsequenzen aus dem Forschungsbericht ‚Aspekte der Armut in Mecklenburg-Vorpommern‘ ziehen“ vorgelegt. Und bevor ich diesen Antrag im Detail begründe, möchte ich unbedingt sagen, dass wir die Leistungen der Wohlfahrtsverbände hoch würdigen möchten und dass es uns ein Bedürfnis ist, gerade angesichts des Engagements für Flüchtlinge in diesem Land und für Menschen in Not die großartige Arbeit der Wohlfahrtsverbände an dieser Stelle zu loben und uns recht herzlich dafür zu bedanken.
Darüber hinaus – jetzt komme ich zu unserem Antrag – bereichert eine Reihe von Vereinen und Verbänden die Sozialpolitik mit besonderen Beiträgen. Ich denke zum Beispiel an die Diakonie, die eine Veranstaltungsreihe aufgemacht hat zum Thema „Teilhabe im Wandel“ und insbesondere auf eine Verbesserung im Bereich der Anwendung des Sozialgesetzbuches XII hinarbeitet. Ich denke an die Paritäter, die Vorschläge zur Struktur der Beratungslandschaft unterbreiten. Ich denke an die Caritas, die es uns ermöglicht hat, Hospitationen der sozialen Arbeit durchzuführen. Einige von Ihnen haben dieses Angebot bestimmt auch angenommen. Das ist aus meiner Sicht Politikberatung vom Feinsten.
Wir haben – damit bin ich jetzt ganz konkret bei dem Antrag –, wir haben von der AWO einen Forschungsbericht „Aspekte der Armut“ vorgelegt bekommen. Dieser Forschungsbericht hat den Anspruch, dazu beizutragen, wie es im Vorwort heißt, „dass Armut als eine zentrale Herausforderung von Gesellschaft und Politik verstanden wird“. Das ist ein wichtiger Anspruch und es ist ein völlig legitimer Anspruch, denn es gibt viele gute und ernsthafte Gründe, Armut als eine zentrale Herausforderung zu begreifen.
Ich möchte darauf verweisen, dass die Armutsquote – der Paritäter hatte auch darauf hingewiesen und auch in diesem Forschungsbericht findet sich der Hinweis darauf –, gemessen am Bundesdurchschnitt, 23,6 Prozent beträgt. Ich möchte als Argument den Hinweis anführen – wie es sich auch im Forschungsbericht wiederfindet –, dass mehr als die Hälfte, also 52,4 Prozent der Menschen, die in diesem Land im Hartz-IV-Bezug leben, diese Leistungen bereits mehr als vier Jahre erhält. Ich möchte an dieser Stelle als einen weiteren Grund erwähnen, dass voraussichtlich – so heißt es im Forschungsbericht – in den nächsten 15 Jahren jede vierte Seniorin beziehungsweise jeder vierter Senior in Altersarmut leben könnte. Und, gerade weil wir junge Zuhörerinnen und Zuhörer haben, Kinderarmut oder auch die Armut unter jungen Erwachsenen ist auf 19,2 Prozent gestiegen, sie war seit 2006 noch nie so hoch.
Diese Fakten müssen uns umtreiben und ich gehe davon aus, dass sie uns auch umtreiben. Armutsbekämpfung und Armutsvermeidung müssen Schwerpunkte unserer Arbeit sein. Der Forschungsbericht der AWO erweitert also das Instrumentarium, Armutsbekämpfung auch praktisch anzugehen. Insofern gebe ich zu, dass ich erwartet hatte, dass der AWO-Forschungsbericht seitens des Sozialministeriums in irgendeiner Form Erwähnung findet, zum Beispiel in einer Pressemitteilung.
In einer Pressemitteilung von September/Oktober war nichts zu finden. Lediglich am 24.08. war wortreich geschimpft worden auf eine Studie von Bertelsmann, die sich mit frühkindlicher Bildung und Erziehung beschäftigt. Also ich vermisse schmerzlich an dieser Stelle eine Würdigung,
Ja, Herr Heydorn, weil das ganz klar ist: Indem ich reflektiere und würdige, gehe ich doch darauf ein und sage, das ist etwas, was wichtig ist für die Sozialpolitik in diesem Land.
Das haben wir schon erwartet. Und das ist umso bedauerlicher, als dass der Forschungsbericht ausgesprochen wichtige und zum Teil auch neuartige Erkenntnisse offeriert.
Das will ich gern darlegen, Herr Heydorn. Ich merke schon, Sie haben ein ganz gesteigertes Interesse daran,
Aber ich sage Ihnen – weil Sie diese über 304 Seiten oder 14 Seiten auch gelesen haben – nichts Neues.
So fächert er in der Auseinandersetzung das Phänomen „Einkommensarmut“ – wir haben hier oft darüber gestritten, letztmalig, Frau Friemann-Jennert, mit harten Bandagen im April dieses Jahres – auf in verschiedene Betrachtungsebenen und weist darauf hin, dass, wenn man als Vergleichsmaßstab den Bundesdurchschnitt wählt – ich hatte das gesagt, 23,6 Prozent der Menschen gelten hier in diesem Land als arm –, wenn man nur das Land als Maßstab nimmt, wären es 13,5 Prozent.
Der Forschungsbericht verlangt aber auch und völlig zu Recht, es nicht bei einer Betrachtung der Einkommensarmut zu belassen.
Vergleichsmaßstäbe, sagt der Forschungsbericht, sind präzise zu bestimmen. Insofern lehnt er eine Beschränkung des Themas ab. Zugleich – und das ist das Wichtige – bezieht er sich auf eine Komplexität von Armut: Armut geht mit sozialer Isolation einher. Ich fand es schon sehr anregend, dass es im Forschungsbericht den Hinweis gab, dass ein Engagement des Landes im Breitbandausbau durchaus ein Aspekt ist, Armutsbekämpfung anzugehen. Denn im Forschungsbericht wird darauf hingewiesen, dass sich soziale Isolation eben auch dadurch zeigt, dass Menschen abgekoppelt sind, wenn sie im ländlichsten Raum leben – abgekoppelt von entsprechender Nutzung moderner Medien und von sozialen Kontakten –, und dass sie, was ebenso wichtig ist, notwendige Informationen nicht erlangen können oder nicht in dem Umfang erlangen können.
Armut und Perspektivlosigkeit gehen mit gesundheitlichen Risiken und psychischen Problemen einher, heißt es im Forschungsbericht. Daraus ergibt sich wiederum auch der Bezug zu Konsequenzen für die Bedarfslage in der medizinischen Versorgung, etwas, was uns mit Blick auf die Zukunft, Herr Heydorn, in der Enquetekommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ sehr umtreibt. Dieser Aspekt hat auch Konsequenzen für den Bedarf an Begegnungsstätten und Betreuungsstätten, also an Möglichkeiten der Kommunikation und des Austauschs.
Der Forschungsbericht untersucht in verdienstvoller Weise Aspekte der Armut und der regionalen und demografischen Zusammenhänge. Das finde ich sehr bemerkenswert. Er differenziert zum einen arme Regionen, also dort, wo viele Menschen in Armut leben, und Regionen, wo fast alle sozialen Gruppen in ihrem Wohlstand beeinträchtigt sind, also wo es Armut in doppelter Hinsicht gibt.
Sehr geehrte Damen und Herren, von besonderer Bedeutung für uns als Landespolitikerinnen und Landespolitiker sind die politischen Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen, die in dem Forschungsbericht auch formuliert sind. Diese will ich kurz skizzieren:
Zum einen, die Empfehlung, zu einer kontinuierlichen und im Zweijahresrhythmus zu erstellenden Sozialberichterstattung zu kommen. Das wird uns empfohlen. Es ist an uns, daraus Konsequenzen zu ziehen. Es ist aber auch an der Landesregierung, daraus Konsequenzen zu ziehen.
Für alle weiteren Punkte trifft das auch zu, zum Beispiel, zweitens, auf eine Verbesserung der Einkommenssituation einschließlich – und das halte ich für bemerkenswert – einer regelmäßigen Anhebung der Mindestlöhne hinzuwirken.
Drittens, durch inklusive Strategien die bestehende gegenseitige Abschottung von Arbeitsmärkten und Hilfsprogrammen aufzubrechen, um so die Entwicklungsbedingungen für, wie es die AWO nennt, Human-, Sozial- und Kulturkapital zu verbessern.
Ein vierter Punkt, der uns an die Hand gegeben wird, ist, im Wege eines sozialen Arbeitsmarktes Fördermaßnahmen für Geringqualifizierte zu forcieren.
Dann, gezielt die Alleinerziehenden zu unterstützen. Das ist ein Thema, das wir schon mehrfach behandelt haben. Wir müssen es wirklich und noch konsequenter angehen.
Sechster Punkt, durch verbesserte Hilfeangebote, insbesondere die Förderung von Ehrenamtsstrukturen, soziale Teilhabe auszubauen und zu erhalten.