Protokoll der Sitzung vom 22.10.2015

Sehr geehrte Damen und Herren, in den Leitlinien zum „Energieland 2020“ bekennt sich die Landesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien als politischen Schwerpunkt der Regierungsarbeit. Durch die Optimierung der Eignungsgebiete für Windenergieanlagen sowie durch Repowering soll der Ausbau der langzeitlichen Windkraftpotenziale erheblich erweitert werden. Derzeit gibt es circa 199 Unternehmen mit circa 5.000 Beschäftigten in dieser Branche, welche direkt oder indirekt der Windkraftindustrie zugeordnet werden können. Über 1.662 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von über 2.500 Megawatt kennzeichnen die Erfolgsgeschichte der Windenergiebranche in unserem Bundesland. In den regionalen Raumentwicklungsprogrammen stehen seit den Jahren 2010 und 2011 108 Eignungsräume mit einer Fläche von circa 3.500 Hektar, das sind circa 0,6 Prozent der Landesfläche, für die Onshorewind- energieerzeugung zur Verfügung.

Wie Ihnen allen bekannt ist, werden aktuell die regionalen Raumordnungsprogramme in dem Kapitel Wind fortgeschrieben. Ziel ist es, weitere Windeignungsgebiete auszuweisen, um so der landespolitischen Zielstellung zum Ausbau der Windenergie gerecht zu werden. Hierfür wurden seitens des Energieministeriums Hinweise zur Festlegung von Eignungsgebieten bereits im Jahre 2012 herausgegeben, um genau eine einheitliche und rechtskonforme Ausweisung von zusätzlichen Eignungsgebieten im Land zu sichern.

Sehr geehrte Damen und Herren, trotz dieser Erfolgsgeschichte formiert sich erkennbarer Widerstand gegen die Neuausweisung weiterer Eignungsgebiete für Windkraftanlagen. So vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht von entsprechenden Bürgerinitiativen oder betroffenen Bürgern in Presse, Rundfunk oder auch bei persönlichen Gesprächen im Wahlkreis hören, die sich gegen die Errichtung von Windkraftanlagen oder die weitere Ausweisung von Eignungsgebieten aussprechen.

Ein weiteres Beispiel ist die Volksinitiative „Gegen unkontrollierten Ausbau der Windenergie“. Vor dem Hintergrund, dass in den zurückliegenden Jahren die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, aber auch die Kommunen kaum an dem Gewinn der Windkraftprojekte in

unserem Land beteiligt wurden, ist dieser Umstand in gewisser Weise verständlich. Wer lediglich Windparks ohne Wenn und Aber hinnehmen soll, von den Erlösen aber grundsätzlich ausgeschlossen bleibt, dem ist es nicht zu verdenken, dass er sich gegen die Ausweisung von Eignungsgebieten und die Errichtung von Windkraftanlagen wehrt.

Uns allen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den demokratischen Fraktionen in diesem Haus, ist doch unmissverständlich klar, dass der Akzeptanz für diese Anlagen in den jeweiligen Gemeinden und bei den Bürgern vor Ort zum Gelingen der Energiewende eine entscheidende Rolle zukommt. Deshalb hat die Landesregierung als erste Landesregierung bundesweit das vorliegende Gesetz erarbeitet, um eine Partizipation sowohl der Bürgerinnen und Bürger als auch der Gemeinden vor Ort an den Windkraftprojekten zu ermöglichen.

Mit dem vorliegenden Gesetz soll also Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden die Möglichkeit der Beteiligung gegeben werden. Hierzu sollen insbesondere das Landesplanungsgesetz und das Landesraumentwicklungsprogramm dahin gehend geändert werden, dass eine Beteiligungspflicht als verbindliches Ziel der Raumordnung festgeschrieben wird. Mit dem Gesetz sollen alle Investoren von Windkraftanlagen, die der Genehmigungspflicht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz unterliegen, verpflichtet werden, mindestens 20 Anteile des Windparks den Bürgerinnen und Bürgern sowie Kommunen im Umkreis von fünf Kilometern anzubieten.

Nicht verhehlen möchte ich, dass die Landesregierung mit dem Gesetzentwurf absolutes Neuland betritt. Gerade aus diesem Grund wird der Gesetzentwurf sowohl von den betroffenen Verbänden, aber auch von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern vor Ort kritisch betrachtet. Nunmehr liegt es an uns, im Rahmen der Ausschussberatung und der Anhörung Bedenken und Kritikpunkte aufzugreifen, um eine konstruktive Lösung für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Kommunen in unserem Land an Windkraftprojekten sicherzustellen.

Da – und das ist auch schon angesprochen worden – grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung und letztendlich das Gesetz aus diesem Hohen Haus einer rechtlichen Überprüfung durch die Gerichtsbarkeit unterzogen wird, gilt es, im parlamentarischen Verfahren alle Interessen sorgfältig abzuwägen, um letztendlich ein Gesetz zu verabschieden, welches Bestand hat und genaue Rechtssicherheit für die beabsichtigte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden gewährleistet.

Deshalb, meine Damen und Herren, freue ich mich auf die vor uns liegenden Beratungen im Fachausschuss und im Parlament. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist bisher nicht abschließend beantwortet, ob die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland nach den bisher verlaufenden Ergebnissen der sogenannten Energiewende diese Energiewende

nach wie vor überhaupt noch so mitträgt wie nach dem großen Unfall, nachdem sie beschlossen worden ist, in Deutschland beschlossen wurde, aber in Japan der große Unfall zu beklagen war.

Das jetzt hier vorgelegte Gesetzeswerk, der Entwurf, hat eine ganze Menge an Schwachstellen aus der Sicht unserer Fraktion. Wir haben verschiedene Modelle der Beteiligung gehört und wir sind schon der Auffassung, dass hier der Versuch gemacht wird, aufgrund der immer größeren Ablehnung dieses Projektes Windkraft der Bürger vor Ort, dass hier so etwas wie Zustimmung gekauft werden soll. In einem kapitalistisch organisierten Land kann man mit Geld sehr viel heilen, Geld als Waffe, um ganz bestimmte Projekte letztendlich auch dann zu exekutieren. Wir haben das in Dänemark erlebt bei der Abstimmung um den Euro, wie man dann immer wieder mit Geld nachgebessert hat, und in anderen Bereichen der EU-Gesetzgebung, wo am Ende das Geld die Leute weichgeklopft hat.

Jetzt aber konkret zu den vorgeschlagenen Möglichkeiten der Beteiligung:

Die erste Möglichkeit wäre ja – das ist hier besprochen worden –, dass die Bürger in der Gemeinde direkt investieren können, dass sie sagen, darüber muss man ja reden dürfen, dass sie sagen, ich habe hier Summe x in meinem Sparstrumpf, ich kaufe wie auch immer geartete Anteile dieser Windkraftanlage.

Dann muss die Frage beantwortet werden: Was geschieht eigentlich, wenn die da wegziehen? Wenn die da Hurra schreien und sagen, jawohl, das wollen wir, das bringt Geld in die Kasse, und dann kommen die Windmühlen in großer Zahl, und anschließend sagen die dann, wir ziehen um, was geschieht dann mit deren Investment? Das ist eine riesengroße rechtliche Frage, denn dann kann man, auch wenn es attraktive Angebote gibt, feststellen, dass es Leute gibt, die gerade temporär sich in diesen Regionen niederlassen, um anschließend wieder wegzugehen, und der angestammten Bevölkerung das Problem hinterlassen. Darüber muss man reden.

Zweiter Punkt ist,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Lesen kann sehr erhellend sein. Das steht da drin.)

zweiter Punkt ist, wenn man hier diese Möglichkeit aufmacht, dann muss man auch die Frage beantworten: Warum sollen Bürger die Belastung von Windkrafträdern finanziell kompensiert bekommen durch die Möglichkeit der Beteiligung? Und Bürgern, die unmittelbar neben sich eine Biogasanlage mit einer Riesenkapazität haben, muss man schon sagen bei diesem Verkehrsterror der Mais- kutscherei durch Dörfer und so weiter – da gibt es einschlägige Beispiele, die sind Ihnen auch wahrscheinlich bekannt, Herr Minister –, warum sollen die nicht auf der Grundlage einer gesetzgebenden Grundlage dann auch Entschädigungen einklagen können, vielleicht sogar auf Grundlage des Grundgesetzes. Warum sollte das denn nicht auch geschehen bei Leuten, die in der Nähe von Flughäfen wohnen, die sagen, wir haben hier den Lärmterror den ganzen Tag, und jetzt gucken wir mal, was da juristisch zu machen ist?

Das sind alles in erster Linie Rechtsfragen, wo wir uns nicht anmaßen und ich mir ganz bestimmt nicht anmaße,

da ich kein Jurist bin, hier zu sagen, das geht oder geht nicht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie sind doch sonst so klug.)

Ich muss Ihnen sagen, das Ganze hat einen wirklich faden Beigeschmack, wenn man sieht, dass wir im Moment – und das sind die Realitäten für alle Bürger im Land, besonders für die privaten Haushalte – in Deutschland exakt ungefähr hundert Prozent mehr zahlen für die Kilowattstunde Strom als die Engländer.

Die zweite Sache ist, das ist auch ein Faktum, das man nicht wegreden kann, und das ist das Ergebnis der sogenannten Energiewende, dass die Großindustrie immer weniger Direktinvestitionen aus ihrer Wertschöpfung hier in Deutschland reinvestiert. Das ist rückläufig und dramatisch, wenn ich den Zahlen Glauben schenken kann, die wir hierzu geliefert bekommen. Da spricht man zum Beispiel schon auf hoher Ebene von der Gefahr einer De- industrialisierung im Bereich der energieintensiven Produktion. Das sind wahnsinnige Probleme, die da auftauchen. Stichwort ist „Aluminiumindustrie“ als prägnantes Beispiel, was passieren kann,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die sind von allen Abgaben befreit und profitieren davon.)

wenn man hier in dem Maße ideologisch aufgeheizt eine Energiewende durchdrücken will und jetzt versucht, mit Beteiligungen vor Ort die Leute regelrecht zu kaufen und Begehrlichkeiten zu wecken. Und wer die Situation, die finanzielle Situation unserer Gemeinden kennt, der weiß, dass sie natürlich in der Gemeindevertretung auch oft gegen den Bürgerwillen zugreifen müssen, weil ihnen das Wasser bis zum Halse steht, weil sie da dann einen Rettungsanker sehen.

Dies wäre vielleicht interessant für Schwerin: Wenn man hier die Parkgebühren verdoppelt, das bringt nicht viel, aber vielleicht machen wir hier so 2.000 Windmühlen drum herum, um es mal ein klein bisschen polemisch zu formulieren. Mal gucken, was dann passiert, und das wird dann da beschlossen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ein klein bisschen polemisch, polemischer geht es nicht mehr!)

Die Leute in der Stadt gucken dann in ihrer Umgebung auf diese Wahnsinnsprojekte, die am Ende nur deswegen gebaut werden können, weil sie hoch subventioniert vom Staat aufgebaut werden. Das trägt sich nicht aus sich heraus.

Also Ihre Energiewende wird nur dann Erfolg haben, wenn sie am Ende so konkurrenzfähig ist – Beteiligung hin, Beteiligung her –, dass sie auch aus sich selbst lebensfähig ist, wirtschaftlich ist.

Noch ein Wort zu Herrn Jaeger, weil er gerade dazwischenrief, die sind ja befreit, die haben Sonderkonditionen. Das ist eben das Problem, dass wir eine Menge riesiger großer Industriekomplexe haben, die bevorzugt ausgenommen sind.

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die werden eben nicht zur Kasse gebeten. Und wenn Sie unsere moderne Industrie in Torgelow sehen, die Gießerei dort, da will ich Ihnen sagen, da sagt der Geschäftsführer: Wir haben das gemacht, was uns sehr schwergefallen ist, indem wir im Bereich der Energiekosten uns richtig ins Zeug gelegt haben. Das hat Millionen gekostet. Das hat dazu geführt, dass wir eben nicht mehr bevorzugt mit Billigstrom versorgt werden. Auch das ist in sich problematisch, darüber muss man reden. Und das können Sie nicht so mit „Ja, keine Ahnung, Herr Pastörs.“ vom Tisch wischen. Das ist eben das tiefe Problem, dass es hier im Energiebereich vorne und hinten nicht zusammenpasst.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ohne Zuarbeit zur Windenergie wären die überhaupt nicht mehr da.)

Zum Schluss: Warum denken Sie nicht revolutionär und sagen, wir produzieren hier eine unglaubliche Menge Energie und versuchen mal, produzierendes Gewerbe, Industrie, hier oben nach Norden zu holen, um nicht die gigantischen Kosten auch noch am Hals zu haben, diese gewaltige Energie nach Süden zu transportieren? Was spricht dagegen, sich in Mecklenburg-Vorpommern einmal Gedanken darüber zu machen, anspruchsvolle Arbeitsplätze, moderne Arbeitsplätze herzuholen mit Industrie, mindestens einen großen Konzern vielleicht hier langfristig sich ansiedeln zu lassen, mit Blick auf die einfache Versorgung mit erneuerbaren Energien?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden der Überweisung Ihres Gesetzes in die Ausschüsse natürlich zustimmen. Und mal sehen, wie der Lobbyist und Großverdiener der GRÜNEN, der Herr Jaeger, sich hier positionieren wird,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt sind Sie wieder ganz lustig.)

wenn es um die Nagelprobe geht, dass man den Leuten, die da Investments haben, wirklich Geld abnehmen soll zugunsten von Gemeinden oder Einzelpersonen in der Kommune. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Borchert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mecklenburg-Vorpommern ist das Land der erneuerbaren Energien, ist Vorreiter der Energiewende in Deutschland.

(Peter Ritter, DIE LINKE: He!)

Insbesondere im Bereich Strom sind wir im Jahr 2014 Stromexportland

(Udo Pastörs, NPD: Toll!)

und haben im letzten Jahr mehr Strom aus erneuerbaren Energien exportiert als selbst verbraucht, liegen bei 112 Prozent. Das ist die Spitzenposition. Aber, meine Damen und Herren, Energiewende heißt nicht nur die Umstellung der fossilen Energieträger auf erneuerbare, sondern Energiewende heißt vor allen Dingen auch die

Umstellung des bisherigen zentralen Energiesystems auf das dezentrale. Und dieser Paradigmenwechsel eröffnet Chancen für die Demokratisierung, Chancen für Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Chancen für die Teilhabe von Kommunen und natürlich von regionaler Wertschöpfung. Diese Chancen werden deutschlandweit genutzt, seien es Energiegenossenschaften, seien es Einzeleigentümer, seien es kommunale oder auch andere kommunale Energiegesellschaften. Sie sind die Treiber der Energiewende in Deutschland und haben somit auch dazu beigetragen im Windsektor, dass die Akzeptanz für die erneuerbaren Energien in Deutschland nach wie vor sehr hoch ist, Herr Pastörs.

Die letzte Umfrage hat belegt, dass 93 Prozent – 93 Pro- zent! – der Deutschen der Meinung sind, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien wichtig beziehungsweise sehr wichtig ist. Und wenn man sich mal ansieht, wie die Akzeptanz ist von Erzeugungsanlagen von Energie, dann kann man deutlich erkennen, dass natürlich auch die Möglichkeiten der Beteiligung dazu geführt haben, dass die Akzeptanz für Erzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien deutlich höher ist als für Erzeugungsanlagen aus konventioneller Energie. Die Zahlen dazu werden niemanden überraschen. Bei der Frage nach der Akzeptanz von Atomkraftwerken in unmittelbarer Nähe finden sie gut beziehungsweise sehr gut 4 Prozent, Kohlekraftwerke 7 Prozent, Gaskraftwerke 25, Biogasanlagen 39, Windkraftanlagen 59 und Solarparks 77. Das hängt auch damit zusammen, dass die Erzeugung aus erneuerbaren Energien, wie gesagt, ganz andere Eigentums- und Beteiligungsmöglichkeiten eröffnet als die bisherige konventionelle Energieerzeugung.