Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Barlen von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nichts relativieren von meinen Aussagen, die ich in den vorherigen Debatten getätigt habe. Das war also mein Ernst. Wenn man hier bestimmte Aussprachen zum Thema Versorgungsstruktur anzettelt, dann, finde ich, sollte man schon dazu stehen, dass andere Fraktionen ihre Meinung dazu kundtun.

(Vincent Kokert, CDU: Da quieken die aber mal laut rum dann, ne?! Selber austeilen und dann hinterher rumquaken!)

Mehr kann ich dazu nicht sagen.

(Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Die wesentlichen Dinge zur Situation in der Versorgungsregion Greifswald/Anklam/Wolgast sind im Laufe der Diskussion hier ausreichend dargestellt worden.

(Unruhe bei Vincent Kokert, CDU, und Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Ich fasse das noch mal kurz zusammen: Die an der Versorgung beteiligten Krankenhäuser in Wolgast und Anklam haben selber angezeigt, dass sich etwas in der Arbeitsteilung und in der Struktur ändern muss. Im Ergebnis dieses Prozesses zeichnet sich eine Struktur ab, die unseres Erachtens zu mehr Qualität sowohl in Wolgast als auch in Anklam führen wird und die aufgrund der Tatsache – darüber haben wir schon gesprochen –, dass es eben kein erratisches Sterben einzelner Disziplinen gibt, auch eine längerfristige Stärkung der Region insgesamt bedeutet. Ich kann wirklich nur dazu aufrufen oder dafür werben, auch mal den Blick auf die sich abzeichnenden Alternativen zu werfen, dann kann man möglicherweise eine solche Situation besser beurteilen.

Es wird anders, als das dargestellt wurde – die Ministerin ist auf die Bettenzahlen und auf die Relationen hier eingegangen –, nicht zu einer Unterversorgung kommen. Es wird jedoch – das ist so – natürlich zu einer veränderten Arbeitsteilung kommen.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch mal betonen, alle Planungsbeteiligten haben der jetzt hier in Rede

stehenden Lösung zugestimmt. Es handelt sich dabei ganz sicher nicht um eine populäre, aber es handelt sich vor dem Hintergrund der realen Gegebenheiten um eine gute Lösung für die Patientinnen und für die Patienten,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Auch notwendig.)

auch eine notwendige Lösung, weil wir dringend verhindern müssen, dass die Anbieter regionaler Gesundheitsversorgung in einen ruinösen Wettbewerb hineinlaufen. Von einem schrittweisen Wegbrechen einzelner Abteilungen profitiert am Ende nämlich niemand, kein Patient, kein Angehöriger, kein Beschäftigter.

(Bernd Schubert, CDU: Das haben wir immer gesagt.)

Zu beachten ist zudem, dass Anklam geografisch ja in der Tat so gelegen ist, dass die Erreichbarkeit für Geburtshilfe und für Kinderheilkunde für am Ende wesentlich mehr Menschen im Landkreis innerhalb der fachlich empfohlenen Standards ermöglicht wird. Das ist ein wichtiges Kriterium, zumindest für alle, die der Tatsache ins Auge blicken, dass sich alleine, wie gesagt, aus der Sicht der Träger nicht an beiden Standorten alles wird erhalten lassen.

Die Lösung, die nun bei den Planungsbeteiligten verhandelt worden ist, macht definitiv keine Aussage über oder bedeutet eine Abwertung von Beschäftigten der beiden Standorte, sagt nichts darüber aus, der eine hat irgendwie schlecht gearbeitet und wird deshalb nicht mehr mit dieser Aufgabe betraut sein, der andere hat das total gut gemacht und wird deshalb dort entsprechend stärker ausgestattet. Ich möchte das an dieser Stelle genauso wie in der Diskussion um die Krankhausstruktur insgesamt noch einmal betonen: Auch in Zukunft werden in der Versorgungsregion Vorpommern-Greifswald, aber auch in allen anderen Regionen unseres Landes alle Menschen und alle Arbeitskräfte gebraucht, die einen Versorgungsbeitrag leisten können. Bereitschaft muss allerdings dahin gehend bestehen, dass sich auch veränderte Arbeitsteilungen werden einstellen können.

Meine Damen und Herren, so weit zur Entscheidung zur Konzentration von Gynäkologie, Pädiatrie und Geburtshilfe in Anklam. Ich möchte mir noch einige Anmerkungen zur grundsätzlichen Entwicklung der Geburtshilfe in Mecklenburg-Vorpommern erlauben, denn über die reden wir natürlich auch in erheblichem Maße, wenn wir über die Frage der Konzentration sprechen. In Anbetracht der in der Tat nicht ganz einfachen Gesamtsituation

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nett gesagt.)

hinsichtlich der Geburtshilfe und der Arbeit von Hebammen in unserem Land freue ich mich sehr darüber, dass Frau Ministerin Hesse im Sozialministerium im Rahmen der konzertierten Aktion die Arbeitsgemeinschaft, die Arbeitsgruppe „Guter Start ins Leben“ einberufen hat. In dieser AG „Guter Start ins Leben“ wird unter Beteiligung der Hebammen im Land und unter Beteiligung engagierter Initiativen auf Augenhöhe über die Situation und die notwendigen Maßnahmen beraten werden. Dabei wird es insgesamt um eine gute arbeitsteilige und wertschätzende Kooperation von Frauen- und Kinderärzten, von frühen Hilfen und natürlich von denen im Lande tätigen

Hebammen und Familienhebammen gehen, die Kindern und deren Eltern ein sprichwörtlich gutes und gesundes Leben in unserem Bundesland ermöglichen.

Wiederholt haben wir uns hier im Landtag und wiederholt haben sich dankenswerterweise auch unsere Ministerin und die Landesregierung insgesamt auf Bundesebene für die Interessen der Geburtshilfe und der Hebammen in Mecklenburg-Vorpommern starkgemacht. Dort, wo möglich, sind auf Bundesebene zwischenzeitlich tatsächlich unterstützende Maßnahmen für die Hebammen und für die Geburtshilfe eingeführt worden, wovon auch unser Bundesland profitiert – das, finde ich, gehört auch in diese Diskussion zur Hebammenversorgung und zur Geburtshilfe –,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

der Ausgleich von Prämiensteigerungen beispielsweise und die festgeschriebene Berücksichtigung derselben bei der Vergütungsfestlegung durch die Kassen.

Eine weitere wesentliche Hilfe für die flächendeckende Versorgung mit Hebammen ist der am 1. Juli in Kraft getretene Sicherstellungszuschlag zum Vergütungsausgleich bei zu geringen Geburtenzahlen. Und das geben wir zu: Alle diese Maßnahmen waren auch auf Bundesebene durchaus mal eine schwere Geburt.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hm!)

Sie sind durch die Fachöffentlichkeit aber als Initiativen der Regierungskoalition letzten Endes immer begrüßt worden und das ist auch ein Zeichen dafür, dass die SPD und die CDU in den jeweiligen Koalitionskonstellationen dazu stehen und dass die Vereinbarungen zur Unterstützung der Hebammen und der Geburtshilfe insgesamt eingehalten werden, auch hier in Mecklenburg-Vorpom- mern und in Berlin.

Was sich zeigen muss – und da ist in der Tat auch ein Stück weit Skepsis oder nur verhaltener Optimismus angebracht –, ist, ob sich diese Regelungen,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tja.)

die ja am Ende von der Selbstverwaltung umgesetzt werden, tatsächlich langfristig in Richtung stabiler Rahmenbedingungen auswirken.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist alles nicht so erfreulich, ne?!)

Wie gesagt, meine Damen und Herren, bedarf es in unserem Bundesland – ich kürze das mal ein bisschen ab – weiterhin einer flächendeckenden geburtshilflichen Versorgung. Damit meinen wir einen auch in der Fläche zugänglichen Versorgungsmix aus geburtshilflichen Leistungen, die normale klinische Entbindung, ambulante teilstationäre Angebote, wie zum Beispiel Geburtshäuser, und für den Fall der Fälle natürlich auch die hoch spezialisierte pädiatrische Hochleistungsmedizin.

In dem Zusammenhang gucken wir uns natürlich die Kennzahlen der einzelnen Anbieter an. In der Tat erwarten wir auch, dass in Anklam einiges unternommen wird, um die hohe Sectiorate, also die Kaiserschnittrate wieder zu senken. Um diesen Anspruch, also diesen Versor

gungsmix insgesamt realisieren zu können, müssen neben den Kliniken, den Frauen- und Kinderärzten eben auch die Hebammen ganz fest in das regionale Versorgungsnetzwerk eingebunden werden.

Um das zu erreichen, meine Damen und Herren, auch für die Versorgungsregion Vorpommern-Greifswald, bedarf es einiger Anstrengungen mehr, als einfach nur zu sagen, wir müssen an diesem einen Standort festhalten. Deshalb sind wir der Auffassung, der vorliegende Antrag greift hier deutlich zu kurz, und deshalb werden wir den Antrag ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Köster von der NPD-Fraktion.

(Der Abgeordnete Stefan Köster spricht bei abgeschaltetem Mikrofon. – Minister Dr. Till Backhaus: Mikrofon! – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Regine!)

… in Wolgast macht deutlich, dass die Landesregierung nur noch eine Politik des langsamen Sterbens des ländlichen Raumes verfolgt.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Insofern verdient die Aktion der Ärzte der Kinderstation des Kreiskrankenhauses Wolgast – die Ärzte haben 5.000 an das Sozialministerium adressierte Postkarten drucken lassen,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

mit denen die Bürger ihrem Unmut über die Politik der Landesregierung im Allgemeinen und die geplante Schließung der Abteilungen Gynäkologie, Geburtshilfe sowie der Kinderstation in Wolgast Ausdruck verleihen können – große Anerkennung.

Die Bürger in unserer Heimat haben zu Recht einen Anspruch auf wohnortnahe medizinische Versorgung. Die Bürger zahlen mehr als ausreichende Krankenkassenbeiträge und Steuern, sodass die Aufrechterhaltung der wohnortnahen medizinischen Versorgung nicht nur eine berechtigte Forderung der Bürger sowie der im Gesundheitswesen Beschäftigten ist, sondern sich daraus auch eine Pflicht zum Handeln für die Politik ableitet.

Doch anstatt sich um die Bedürfnisse des eigenen Volkes zu kümmern, sind Sie einer Willkommenskultur für Fremde verfallen,

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

die die Interessen des eigenen Volkes verrät und folglich auch einen offensichtlichen Verfassungsbruch darstellt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das müssen Sie jetzt noch mal irgendwie unterbringen hier.)

Es kann aber nicht sein, wie Herr Dr. Crusius von der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern richtigerweise feststellt,

(Julian Barlen, SPD: Halten Sie bei jedem Antrag dieselbe Rede? – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

dass in der Fläche die Bürgerinnen und Bürger schlechter versorgt werden als in den Kerngebieten von Mecklenburg-Vorpommern.

Es ist grundsätzlich unabdingbar, die Krankenhausstruktur in Mecklenburg-Vorpommern zu erhalten und weitere Standorte nicht als politisch überflüssig anzusehen. Die Versorgung der Bevölkerung mit zuwendungsorientierter Medizin ist auch nach Ansicht des Ärztekammerpräsidenten in Mecklenburg-Vorpommern schlechter geworden, da weder im pflegerischen noch im sozialen und ärztlichen Bereich ausreichend Zeit für die psychische, mentale und persönliche Betreuung der Patienten vorhanden ist. Es geht nur um Optimierung und nicht um zuwendungsorientierte Medizin.