Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Geht doch!)

Seit 25 Jahren ist Mecklenburg-Vorpommern endlich in der Spur, mit diesem Gesetzentwurf und der Entschließung eine Ungerechtigkeit und eine Ungleichbehandlung von Kindern und Jugendlichen im Bereich der Schüler- beförderung zu beseitigen. Bis heute war es nämlich nicht egal, ob ein Kind in Nordwestmecklenburg oder in Rostock zur Schule ging. Es wurde mit zweierlei Maß gemessen: Die einen haben ihre örtlich zuständige Schule, die anderen nicht. Die einen haben eine kostenlose Schülerbeförderung, die anderen nicht. Die einen haben eine Festlegung, ab welcher Entfernung sie unentgeltlich befördert werden, die anderen nicht.

Das alles ist nicht nur ungerecht und ungleich, es ist auch verfassungswidrig, und zwar seit Jahrzehnten, denn seit 25 Jahren werden Kreise und kreisfreie Städte weder vergleichbar noch gleich behandelt. Die Regierung bewegte sich bereits 1996 in die richtige Richtung, denn der damalige Entwurf des Schulgesetzes sah vor, dass nicht nur die Kreise, sondern auch die kreisfreien Städte Träger der Schülerbeförderung sein sollten, aber diese Bewegung stoppte. Man erkannte – dies ist der Begründung der Gesetzesnovelle von 1996 zu entnehmen –, dass es eben nicht gerechtfertigt ist, nur in den Kreisen, nicht aber in den kreisfreien Städten eine Schülerbeförderung vorzusehen.

So sollte bereits in den 90ern Gerechtigkeit hergestellt werden. Diese tauschte man aber gegen weiteres verfassungswidriges Handeln ein, weil Gerechtigkeit auch manchmal Geld kostet. Deshalb kassierte der Finanzausschuss den Gesetzentwurf – lieber verfassungswidrig als eine Belastung des Landeshaushaltes. Die Landesregierung entschied sich, die finanzielle Last lieber den Eltern aufs Auge zu drücken. Die Schulbusse fuhren um die kreisfreien Städte herum und die Schweriner, Neubrandenburger und Rostocker Kinder gucken durch diese rechtswidrige Entscheidung bis heute in die Röhre.

(Marc Reinhardt, CDU: Nö, die Neubrandenburger nicht mehr! – Andreas Butzki, SPD: Das habt ihr geregelt.)

Denn bis heute ist es so, dass es in den kreisfreien Städten nicht entscheidend ist, wie weit ein Kind von der Schule entfernt wohnt – außer in Neubrandenburg –,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

dass es ist nicht entscheidend ist, wie lange ein Schulweg dauert, und dass es eben keine Rolle spielt, ob der Schulweg sicher ist oder nicht.

Entscheidend war bis heute lediglich – außer in Neubrandenburg –, dass das Kind in der Stadt wohnt und nicht auf dem Land, egal wie weit, egal wie gefährlich, egal wie lang der Schulweg ist. Man versuchte, diesen Widersinn damit zu rechtfertigen, dass die Kinder in Städten, in denen mehrere Schulen des gleichen Bildungsgangs vorhanden sind, die Schulwahlfreiheit hätten und somit nicht an örtlich zuständige Schulen gebunden sind. Diese Irrfahrt geht heute ihrem Ende entgegen, die Entschließung sowie die Gesetzesänderung nehmen endlich Fahrt auf und die Schulwahlfreiheit an Mehrfachstandorten im Grundschulbereich bleibt sogar erhalten.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ist bei der Schülerbeförderung ausgestiegen. Sie legte dem Bildungsausschuss einen Änderungsantrag vor,

(Egbert Liskow, CDU: Wie immer!)

der genau diese bestehende Ungerechtigkeit beibehalten soll. Die GRÜNEN wollen, dass die kreisfreien Städte keine Einzugsbereiche bilden müssen und damit die Verfassungswidrigkeit aufrechterhalten bleibt,

(Zuruf vonseiten der Fraktion der SPD: Das geht ja nun gar nicht.)

und das, obwohl die Fraktion selbst einen Gesetzentwurf einbrachte und einen Antrag stellte, der ursprünglich genau diese Ungerechtigkeit beseitigen sollte. Denn 2013 beantragten die GRÜNEN, dass der Paragraf 113, der die Kosten der Schülerbeförderung regelt, so geändert wird, dass auch die kreisfreien Städte Träger der Schülerbeförderung sein sollten. Allerdings sah ihr Gesetzentwurf nicht vor, dass in den größeren Städten Einzugsbereiche gebildet werden sollten, obwohl dies zwingend erforderlich gewesen wäre. Nichtsdestotrotz waren die GRÜNEN ursprünglich auf dem richtigen Weg. Nun befinden sie sich aber nicht nur in einer Einbahnstraße, sondern in einer Sackgasse.

Der Antrag der GRÜNEN ähnelt der Begründung, die bereits 1996 das richtige Vorhaben zum Scheitern brachte. Auch für sie ist es nachweislich nicht zu vertreten, dass die Herstellung von Gerechtigkeit Geld kostet, und deshalb soll nach Ansicht der GRÜNEN lieber die Ungerechtigkeit bestehen bleiben, denn in der Begründung Ihres Änderungsantrages führen die GRÜNEN aus, ich zitiere: „Nach Angaben des Städte- und Gemeindetages war es in der Praxis bisher so, dass die Landkreise für Mehrfachstandorte und insbesondere für die großen kreisangehörigen Städte keine schulspezifischen Einzugsbereiche festgelegt haben und damit für alle Schulen der Einzugsbereich immer das Gebiet des Schulträgers war. Genauso ist man bisher auch in den kreisfreien Städten verfahren. Diese Praxis hat sich aus Sicht des Städte- und Gemeindetages bewährt und sollte auch künftig möglich sein. Ansonsten“ – und jetzt wird es spannend – „würden immense verwaltungstechnische Probleme und zudem auch Kosten entstehen, die im Rahmen des Konnexitätsprinzips auszugleichen wären“, Ende des Zitats.

Nein, es kann eben nicht so bleiben, wie es ist, denn das ist verfassungswidrig. Nein, es kann eben nicht das gesamte Stadtgebiet der Einzugsbereich sein, denn das ist eine Ungleichbehandlung gegenüber den Kreisen. Und ja, es kostet Geld. Dies endlich einzusehen und den

kreisfreien Städten die dafür notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, ist doch gerade die entscheidende Änderung, die diese Ungerechtigkeiten nicht nur formal, sondern auch finanziell beendet. Und ja, meine Fraktion will verfassungskonforme Regelungen und meine Fraktion will finanzielle Mittel für die Schülerbeförderung in den kreisfreien Städten, damit eben nicht mehr entscheidend ist, ob ein Kind auf dem Dorf oder in der Stadt wohnt, sondern damit endlich entscheidend ist, wie weit ein Kind von der Schule entfernt wohnt, um kostenlos an der Schülerbeförderung teilzunehmen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und ja, genau deshalb sind wir mit auf dem Weg und tragen diese Schulgesetzänderung mit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Jochen Schulte, SPD: Sehr gut.)

Vielen Dank, Frau Oldenburg.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Reinhardt für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch meine zwei Vorredner ist das Wesentliche schon umrissen worden. Ich möchte mich zunächst der Meinung von Herrn Butzki anschließen, nämlich dass ich mich durch die Äußerungen der Ausschussvorsitzenden auch nicht wirklich als Abgeordneter vertreten fühle. Ich finde, Wertungen und tendenziöse Berichterstattungen stehen uns als Ausschussvorsitzende nicht zu.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Da sollten wir vielleicht zusammen mit dem Präsidium mal überlegen, wie wir das in Zukunft ausschließen können.

Ansonsten geht es in dem Gesetz, das wir machen – es ist, glaube ich, eines der ersten Gesetze, das wir erlassen, damit sich nichts ändert, Frau Oldenburg hat das ja beschrieben –, um Rechtssicherheit in den Städten mit Mehrfachstandorten von Grundschulen, damit hier die Schulwahlfreiheit erhalten bleiben kann. Das ist der Kern des Gesetzes. Ich glaube, es ist auch gut und richtig, dass wir das heute so verabschieden.

Dann gibt es zwei weitere Probleme. Das eine ist das Problem der Schülerbeförderung. Hier können wir – der Innenminister ist gar nicht da – der Kreisgebietsreform auch mal etwas Gutes abgewinnen.

(Jochen Schulte, SPD: Nicht nur da.)

„Nicht nur da“, sagt Herr Schulte. Das stimmt.

In vier Städten wurde dieses Problem bereits durch die Einkreisung gelöst und wir bezahlen dort die Schülerbeförderung. Es stimmt aber, dass dies in den beiden verbleibenden kreisfreien Städten Schwerin und Rostock noch nicht gelöst ist. Hierzu brauchen wir aber auch die entsprechenden Daten. Es ist wichtig zu wissen, welcher Schüler je nachdem zwei Kilometer oder vier Kilometer von seiner Schule entfernt ist. Wenn diese Daten vorlie

gen, sind auch wir als CDU-Fraktion dazu bereit, dieses Problem – zurzeit kann man es als Ungleichbehandlung darstellen – nach vielen Jahren endlich zu beseitigen.

Und zum Schluss geht es noch um den Schullastenausgleich. Wenn Kreise Träger einer Gesamtschule sind und die Gemeinden sich an geschlossene Verträge nicht mehr halten oder es gar keine geschlossenen Verträge mehr gibt und der Schullastenausgleich quasi über die Kreisumlage bezahlt wird, dann ist das auch eine Ungerechtigkeit gegenüber anderen Städten, die ihre Schulen selbst in Trägerschaft haben. Das wollen wir mit einer weiteren Gesetzesänderung ändern, ob im Schulgesetz oder im Finanzausgleich. Meine Fraktion und ich glauben, dass es im Finanzausgleich nicht möglich ist und hier eine weitere Schulgesetzänderung notwendig ist. Insofern werden wir sehen, was die Prüfung bringt.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Ansonsten bitte ich um Zustimmung zur Änderung des Schulgesetzes und zu unserer Entschließung, damit wir gemeinsam – auch mit der LINKEN – auf dem Weg voranschreiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Vielen Dank, Herr Reinhardt.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Berger für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Dass Sie sich noch nach vorne trauen nach der Kritik?!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN muss den gemeinsamen Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE ablehnen, weil er sichtlich gegen die Landesverfassung – genauer gegen Artikel 72 – verstößt. Auch wenn sich hier einmal mehr die neue ganz Große Koalition zusammengetan hat – wir können einem solchen Vorhaben nicht zustimmen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nur kein Neid! – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Da stehen Sie mutterseelenallein da.)

Und warum ausgerechnet die Fraktion DIE LINKE ihrer eigenen Schweriner Oberbürgermeisterin in den Rücken fällt und ihr eine absolut sinnlose zusätzliche Verwaltungsbürokratie aufbürdet, das bleibt wohl ganz allein ihr Geheimnis.

(Zurufe von Andreas Butzki, SPD, und Egbert Liskow, CDU)

Frau Oldenburg, es ist ein ganz schön starkes Stück, wenn Sie mir vorwerfen, die GRÜNEN seien gegen die Ausweitung der Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ich habe nur Ihre Begründung zitiert. Ich habe nur die Begründung Ihres Änderungsantrages zitiert. – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Erstens taucht im aktuellen Gesetzentwurf das Wort „Schülerbeförderung“ kein einziges Mal auf. Zum Zweiten – das haben Sie ja auch gesagt –, wir haben vor zwei Jahren schon einmal genau dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja, aber vergessen, den Paragrafen zu ändern. – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Zum Dritten sind Schuleinzugsbereiche eben keine Verfassungsvoraussetzung für eine kostenlose Schülerbeförderung. Wir wollen die Schülerbeförderung – das ist einfach ein inhaltlicher Dissens, den wir haben –

(Marc Reinhardt, CDU: Nicht nur den!)

eben nicht nur zur örtlich zuständigen Schule, sondern auch zu anderen Schulen,

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

wenn die Fahrtwegstrecke ungefähr gleich lang ist.