Protokoll der Sitzung vom 18.12.2015

(Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Ich will Ihnen durchaus recht geben, dass es in den letzten Wochen von Städten, Ämtern und Gemeinden Resolutionen zu einer angemessenen Finanzausschüttung der Kommunen gegeben hat. Natürlich muss die Opposition das aufgreifen. Von daher haben wir als Landesregierung die Gelegenheit, zu diesem Thema noch einmal Stellung

zu nehmen. Denn wichtig ist, dass man einen kommunalen Finanzausgleich intensiv angeht und ihn solide vorbereitet. Herr Saalfeld, man kann sich auch um Kopf und Kragen reden, wenn man es nicht solide angeht. Ein bisschen Vorsicht und ein bisschen Demut zu diesem Thema sind, denke ich, durchaus angebracht.

Meine Damen und Herren, beim kommunalen Finanzausgleich unterliegt die Landesregierung einem Überprüfungs- und Anpassungsgebot. Mit anderen Worten: Wir gucken uns regelmäßig an, ob das Finanzausgleichsgesetz noch passt, und nehmen, wenn nötig, entsprechende Änderungen vor. Im Jahr 2002 haben wir die Finanzierungsverteilung auf der Basis des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes im Finanzausgleichsgesetz eingeführt und seitdem wurde sie regelmäßig auf ihre Angemessenheit überprüft, und zwar in den Jahren 2005, 2009, 2011, 2013 und 2015. Die Angemessenheit ermitteln wir mit einem transparenten Verfahren, auch wenn es für den Laien nicht sofort verständlich ist, und bedienen uns vor allen Dingen öffentlich zugänglicher Zahlen. Diese Nachvollziehbarkeit ist für die gesamte Debatte sehr wichtig. Jeder kann die Berechnungen selbst durchführen und überprüfen. Das schafft Akzeptanz und Rechtssicherheit.

Nun steht die Forderung im Raum, von diesem transparenten, nachvollziehbaren und wissenschaftlichen Verfahren abzuweichen. Der Anteil an Steuern und Zuweisungen, den die Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich erhalten, soll pauschal angehoben werden. Das ist zwar aus Sicht der Kommunen nachvollziehbar, es gibt schließlich keine Gemeinde auf dieser Welt und damit auch nicht in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpom- mern, die nicht mehr Geld benötigt.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Stimmt.)

Aber würden wir dieser Forderung nachgeben, würden wir uns auch angreifbar machen, denn letztlich wäre das Willkür. Es bedarf schon einer fundierten, begründeten und für die Anpassung wichtigen transparenten Vorgehensweise. Und daran mangelt es in Ihrer Resolution und vor allen Dingen in Ihrem vorliegenden Antrag. Ich werde das im Einzelnen noch erläutern.

Meine Damen und Herren, zunächst möchte ich ganz klar sagen, die Haushalte der Kommunen und der Haushalt des Landes entwickeln sich nicht auseinander. Wie bereits erwähnt, haben wir in diesem Jahr untersucht, ob und wie die Beteiligungsquote anzupassen ist. Diese Überprüfung haben wir jeweils auch für die Aufstellung im Doppelhaushalt auf der Basis des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes gemäß Paragraf 7 Absatz 3 Finanzausgleichsgesetz und damit logischerweise für die Jahre 2016 und 2017 durchgeführt. Das Ergebnis ist eindeutig: Es besteht zurzeit keine Notwendigkeit, die Beteiligungsquote der Kommunen anzupassen.

Die Prüfung der Beteiligungsquote bestand aus zwei Teilen. Zum einen haben wir die Aufgaben- und Ausgabenentwicklung der Jahre 2010 bis 2012 und zum anderen die Entwicklung der ausgewählten Finanzkennziffern der Jahre 2010 bis 2013 untersucht. Wir stellten fest, die Nettoausgaben von Land und Kommunen entwickeln sich gleichgerichtet, sodass hieraus kein Anpassungserfordernis abzuleiten ist. Im zugrunde liegenden Überprüfungszeitraum von 2010 bis 2012 erhöhten sich die verbleibenden Nettoausgaben beim Land um 5 Prozent und bei den Kommunen um 5,2 Prozent. Die Differenz beider

Steigerungsraten beträgt damit lediglich 0,2 Prozentpunkte. Herr Saalfeld, hören Sie zu! Im Zeitraum des vorherigen Prüfberichtes von 2008 bis 2010 lag die Steigerung der verbleibenden Nettoausgaben beim Land bei 1,6 Prozent und bei den Kommunen bei 1,5 Prozent. Die Entwicklungstendenz ist also über mehrere Jahre hinweg gleichgerichtet. Das sollte man auch mal zur Kenntnis nehmen, und ich bitte, dass die GRÜNEN ein bisschen darüber nachdenken.

Ergänzend ist festzustellen, dass es im Überprüfungszeitraum keine wesentlichen Veränderungen in der Aufgabenbelastung von Land und Kommunen gab. Darüber hinaus haben wir auch die Finanzierungskennziffern „Finanzierungsaldo“, „Deckungsquote“ und „Schuldenstand“ für die Prüfung herangezogen. Diese Kennziffern ermöglichen eine zusätzliche Bewertung der Entwicklung der Haushalte. Aber auch hier ergibt sich kein Anpassungserfordernis. Zwar stellt sich die Entwicklung des Finanzierungssaldos und auch der Deckungsquote beim Land etwas günstiger dar als bei den Kommunen, allerdings weist das Land noch immer eine weitaus höhere Pro-Kopf-Verschuldung auf als die Kommunen. Zudem sind die Schulden des Landes im Zeitraum von 2008 bis 2013 weniger stark gesunken als bei den Kommunen. Das alles gehört zu einer umfassenden und ehrlichen Analyse dazu.

Es reicht nicht aus zu sagen, das Land fährt Überschüsse ein und die Kommunen haben immer mehr Aufgaben. Das mag schöne Schlagzeilen geben, hält aber einer transparenten, nachvollziehbaren und wissenschaftlichen Aufarbeitung nicht stand. Deswegen ist dieser Satz für die GRÜNEN ja auch so interessant. Das Ergebnis ist in jedem Fall klar: Die Forderung nach der Anhebung der Beteiligungsquote über die derzeitigen 33,99 Prozent hinaus ist unbegründet und daher abzulehnen. Im Übrigen kann jeder, der es möchte, sämtliche Einzelheiten im Prüfbericht im Haushaltsbegleitgesetz nachlesen.

Meine Damen und Herren, in ihrem Antrag weisen die GRÜNEN auch auf die Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes zum Jahr 2018 sowie auf die Novelle des zugrunde liegenden Gutachtens hin. Die von ihnen gewählte Formulierung offenbart jedoch wieder einmal ein Faible für unsauberes Arbeiten und spricht auch teilweise für Unwissenheit. Das Gutachten wird natürlich vollumfassend sein und alle Bereiche abdecken. Dazu gehört auch die angemessene Finanzausstattung. Aber Sie, liebe Kollegen von den GRÜNEN, suggerieren in Ihrem Antrag, dass wir bis dahin rumsitzen und abwarten. Sie sprechen davon, dass das Problem vertagt wird. Wir brauchen die Zeit, um insgesamt ein neues FAG vorzubereiten. Aber fest steht, wir vertagen nicht, sondern wir bringen auch während der letzten Haushaltsaufstellungen die Dinge auf den Punkt. Sie sind transparent, nachvollziehbar und halten einer wissenschaftlichen Überprüfung stand. Nächstes Jahr kommt das Gutachten und wir sind darauf eingestellt, heiße Diskussionen zu führen. Schließlich geht es darum, eine aufgabengerechte Verteilung der Mittel zwischen den Kommunen zu definieren. Wer dann alles mitdiskutieren wird, das werden wir erleben.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich ein paar Fakten zur Finanzsituation der Kommunen ergänzen. Die Steuereinnahmen der Kommunen sind zuletzt wieder gestiegen, nämlich um 17 Millionen. Die Schlüsselzuweisungen an die Kommunen steigen im kommenden Jahr sogar um 29 Millionen Euro. Insgesamt werden

die Kommunen mit ihren eigenen Steuereinnahmen im Jahr 2016 rund 50 Millionen Euro mehr zur Verfügung haben als im Haushaltsjahr 2015.

Darüber hinaus weise ich auf die schnelle, unbürokratische und vollumfängliche Hilfe des Landes bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise hin. Wir erstatten sämtliche Kosten und stellen zusätzlich zweimal 4,8 Millionen Euro zum Ausgleich von Mehrbelastungen im Bereich Asyl zur Verfügung. Die erste Tranche floss in diesem Jahr, die zweite wird im nächsten Jahr folgen. Zudem erhalten die Kommunen für die Jahre 2016/17 eine finanzielle Un- terstützung in Höhe von insgesamt 14,8 Millionen Euro für die Kinderbetreuung und eine Unterstützung von 655.000 Euro für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge.

Dann wollen wir die zusätzlichen Mittel für die Haushaltskonsolidierung nicht vergessen. Die beiden größten kreisangehörigen Städte, also die Weltkulturerbestädte Wismar und Stralsund erhalten dies ebenfalls. Überhaupt ist es ein sehr interessanter Kreis von Kommunen, der sich gemeldet hat. Von den neun kreisangehörigen Gemeinden und Städten haben sechs eine überdurchschnittliche Steuerkraft von 545 Euro je Einwohner und zugleich haben sie deutlich niedrigere Hebesätze als andere.

Ich würde darum bitten, dass wir in eine sachliche Diskussion einsteigen, und ich denke, dass dieses Hohe Haus dann im Jahr 2018 eine richtige neue FAG-Novelle auf den Weg bringen wird, die den Interessen der Kommunen gerecht wird.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

In dem Sinne wünsche ich Ihnen frohe Weihnachten, einen guten Rutsch und alles Gute im nächsten Jahr.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Rösler für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion stimmt selbstverständlich dafür, eine angemessene kommunale Finanzausstattung sicherzustellen. Das haben nicht zuletzt unsere Änderungs- und Entschließungsanträge zum Doppelhaushalt und zur kommunalen Beteiligungsquote deutlich gemacht. Diese Anträge hat allerdings das gleiche Schicksal ereilt wie die zahlreichen kommunalen Resolutionen an die Mitglieder dieses Landtages.

(Minister Harry Glawe: Richtig.)

Die Koalition aus SPD und CDU hat sie weitgehend kommentarlos vom Tisch in den Papierkorb befördert.

Meine Damen und Herren, der Hintergrund der kommunalen Resolutionen für eine Anhebung der Beteiligungsquote ist nach meinem Verständnis allerdings komplexer und dramatischer, als es der vorliegende Antrag zum Ausdruck bringt und zum Ausdruck bringen kann, denke ich.

(Torsten Renz, CDU: Noch schlimmer?!)

Diese Resolutionen der kommunalen Ebene an den Landtag sind erbitterte Bilanzen einer verfehlten Kommunalpolitik dieser Landesregierung. Diese Resolutionen der kommunalen Ebene an den Landtag sind tragische Belege einer konzeptionslosen Kommunalpolitik der Koalition dieser Landesregierung.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Das würde ich so nicht im Raum stehen lassen.)

Der Umgang mit diesen Resolutionen schließlich lässt auch für das künftige Verhältnis von Kommunal- und Landespolitik nichts Gutes erahnen.

(Torsten Renz, CDU: Da sind wir auf dem Weg der konkreten Absprache und Festlegung.)

Auslöser und Hintergrund dieser dramatischen Entwicklung ist zweifellos die Vereinbarung vom 19. Februar letzten Jahres zwischen der Landesregierung und den kommunalen Landesverbänden. Diese Vereinbarung war kein Zukunftsvertrag, sie war ein kommunalpolitisches Stillhalteabkommen: Geld gegen Schweigen.

Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat diese Vereinbarung in einem offenen Brief an alle Bürgermeister und Bürgermeisterinnen bekanntlich scharf kritisiert. Diese Vereinbarung verschiebt eine aufgabengerechte Finanzausstattung in weite Ferne. Der oft verkündete Dialog zwischen der Landesregierung und den Kommunen ist aus unserer Sicht eher eine Farce. Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen sollten sorgfältig prüfen, ob sie sich an diese Vereinbarung gebunden fühlen und sich somit den Mund verbieten lassen. So weit unsere damalige Kritik. Viele Kommunen haben beschlossen, nicht länger zu schweigen. Die Resolutionen sprechen hier eine bemerkenswert deutliche Sprache.

(Heinz Müller, SPD: Wer hat die eigentlich entworfen? Das war doch der Städte- und Gemeindetag, der genau diese Vereinbarung unterschrieben hat.)

Aber mehrheitlich beschlossen von den Vertretungen.

(Heinz Müller, SPD: Sie sollten mal sagen, wer diese Resolution formuliert hat!)

Aber wer hat sie beschlossen, Herr Müller?

(Heinz Müller, SPD: Der Städte- und Gemeindetag hat sie formuliert.)

Der hat sie beschlossen, alles klar.

(Heinz Müller, SPD: Aha! Gut.)

Er hat sie formuliert, aber die Vertretungen haben sie beschlossen – mehrheitlich.

(Heinz Müller, SPD: Gut. Und der Städte- und Gemeindetag ist der, der diese Vereinbarung unterschrieben hat. – Zuruf aus dem Plenum: Genau. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Und nun ist es gut, Herr Müller!)

Die Forderungen in den Resolutionen gehen weit über die Problematik der Beteiligungsquote hinaus. Wenn die Landesregierung landauf, landab postuliert, dass unsere Kommunen auskömmlich finanziert sind, dann muss das in den kommunalen Ohren wie Hohn klingen. Unerträglich aber wird es, wenn die Landesregierung dann im Kleingedruckten das Gegenteil erklären muss, nachzu- lesen in etlichen Gesetzesbegründungen: Stichpunkt „Brandschutz“, Stichpunkt „Leitbild ‚Gemeinde der Zukunft‘“. Hier weiß die linke Hand oft nicht, was die rechte aufschreibt.

(Marc Reinhardt, CDU: Beim Städte- und Gemeindetag? – Zuruf von Minister Harry Glawe)

Die Reform des Brandschutzes wurde ganz wesentlich mit der sinkenden Finanzausstattung der Gemeinden begründet. Lesen Sie es nach auf Seite 22 des gestern verabschiedeten Gesetzes! Von einer auskömmlichen kommunalen Finanzausstattung findet sich im gesamten Gesetz und seiner Begründung keine Silbe. Dem Gesetzentwurf zum Leitbild „Gemeinde der Zukunft“ liegt die beachtliche Erkenntnis zugrunde, dass viele Gemeinden nicht mehr über eine ausreichende finanzielle Leistungsfähigkeit verfügen würden. Auch in diesem Gesetzentwurf ist von einer auskömmlichen Finanzausstattung weit und breit nichts zu lesen.

Meine Damen und Herren, sollte der vorliegende Antrag heute die notwendige Mehrheit bekommen, dann erwarte ich zu Punkt 5 von der Landesregierung, dass sie diese Prüfung zeitnah abschließt und den Landtag über die Ergebnisse informiert. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen eine erholsame Weihnachtszeit und kommen Sie alle gesund in das Jahr 2016!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Rösler.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heinz Müller von der Fraktion der SPD.