Protokoll der Sitzung vom 18.12.2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bleibt also der dritte Punkt, nicht fristgemäß, nicht zeitgemäß, und wir sind der Meinung, die Zielvereinbarungen sind auch nicht zukunftstauglich. Hier möchte ich auf das Problem der Lehramtsausbildung eingehen. Das hat uns ja diese Woche schon beschäftigt in den Medien. Das Bildungsministerium hat mit den Zielvereinbarungen gleichzeitig auch eine Lehrerbedarfsprognose mit untergeschoben, nein, sie sind dazu verpflichtet, diese entsprechend zu entwickeln, aber sie hat das sinnvollerweise gleich mit den Zielvereinbarungen verknüpft. Und das ist auch richtig so. Aber diese Lehrerbedarfsprognose steht nicht nur auf tönernen Füßen, sie ist unrealistisch. Warum ist sie unrealistisch?

Erstens. Die Lehrerbedarfsprognose berücksichtigt nicht die Lehrer, die die Schulen in freier Trägerschaft benötigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, elf Prozent aller Schüler gehen ja bereits an Schulen in freier Trägerschaft. Das heißt, hier fehlen uns schon über zehn Prozent der Lehrer. Und es ist klar, dass die Schulen in freier Trägerschaft in direkter Konkurrenz auch zu den öffentlichen Schulen stehen, wenn es darum geht, gute Absolventen abzuwerben. Also müssen wir sie doch berücksichtigen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und nicht nur die Schüler berücksichtigen, die an öffentliche Schulen gehen.

Zweitens. In der Schülerprognose sind die Flüchtlingszahlen nicht berücksichtigt, denn das Bildungsministerium geht von Schülerzahlen aus mit Stand vom Dezember 2014. Damals war aber die Flüchtlingssituation über

haupt noch nicht abzusehen, und dementsprechend sind die Flüchtlingssituation und die Flüchtlingskinder noch nicht berücksichtigt. Also auch hier brauchen wir mehr Lehrer. Es ist ja auch durch die bundesdeutschen Medien gegangen, dass wir im vielstelligen Bereich, im hohen vielstelligen Bereich bundesweit mehr Lehrerstellen brauchen. Es ist schade, dass das überhaupt nicht in Mecklenburg-Vorpommern berücksichtigt wird oder überhaupt keine Rolle spielt.

Drittens. Das Ministerium plant mit unrealistisch hohen Absolventenquoten im Lehramtsstudium beziehungsweise mit unrealistisch niedrigen Schwundquoten. Das Ministerium geht von 10 bis 30 Prozent Schwund aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, realistisch sind es etwa 50 Prozent. Und das können wir ganz einfach von den Rahmendaten ablesen. Im Jahr – jetzt muss ich ganz kurz noch mal nachschauen – 2009 haben zum Beispiel 1.077 Lehramtsstudierende im ersten Fachsemester begonnen zu studieren. Etwa 1.000 Studierende, merken Sie sich diese Zahl! Fünf Jahre später beziehungsweise sechs Jahre später verlassen die Hochschulen aber nur 494 Absolventen. Das ist die Hälfte. Das heißt, Sie können doch nicht von 10 bis 30 Prozent Schwund ausgehen, wenn Sie wissen, dass die Hälfte der Lehramtsstudenten, aus welchen Gründen auch immer, wahrscheinlich gar nicht am Ziel ankommt.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Die sind als Seiteneinsteiger gegangen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss der Bildungsminister hier nachsteuern. Die Hochschulen brauchen höhere Ausbildungskapazitäten, die selbstverständlich vernünftig finanziert werden müssen. Wer heute an der Ausbildung der Lehrer spart, bezahlt dies in der Zukunft mit teuren Notlösungen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, da hilft auch die beste Werbekampagne und die beste Verbeamtungskampagne nichts, wenn die jungen Leute fehlen, dann fehlen sie. Glauben Sie mir, alle anderen Bundesländer haben genau die gleichen Probleme, die haben keine Absolventen zu verschenken. Den Traum können Sie sich aus dem Kopf schlagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich also zusammenfassen: Die Zielvereinbarungen sind weder fristgerecht noch zeitgemäß, noch zukunftstauglich.

Herr Brodkorb, ich kann nur an Sie appellieren. Sie haben ja Ihre Vorgänger immer scharf kritisiert, was die vorherigen Zielvereinbarungen anbelangt. Ich kann mich noch erinnern, gerade der Minister Tesch und der damalige Staatssekretär Michallik standen im Kreuzfeuer Ihrer Kritik. Ich muss jetzt feststellen, nachdem ich die Zielvereinbarungen gelesen habe, auch Sie haben keine Glanzleistung abgeliefert, und ich bedauere das.

(Marc Reinhardt, CDU: Das können ja auch nur Sie, Herr Saalfeld. – Andreas Butzki, SPD: Wer, wenn nicht er?! – Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Na ja, Herr Reinhardt, erinnern Sie sich doch noch mal, was das war mit dem Herrn Tesch! Ich fand das nicht

sehr feierlich. Aber, wie gesagt, ich finde, diesmal ist auch keine Glanzleistung abgeleistet worden. Und was lehrt uns das beziehungsweise was heißt das jetzt für die Zukunft? Ich bin der Meinung, wir sollten uns in ein oder zwei Jahren diese Zielvereinbarungen dringendst noch mal durch Teilzielvereinbarungen genauer anschauen, also sprich, nach einigen Jahren müssten wir uns noch mal diese Zielvereinbarungen anschauen und möglicherweise durch Teilzielvereinbarungen nachsteuern. Das ist mein Wunsch, und ich freue mich jetzt auf die Aussprache. – Vielen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Kaselitz von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine Kollegin Susann Wippermann hätte ja diese Rede zum Thema Hochschulen, speziell zu den Zielvereinbarungen, sehr gern selbst vorgetragen. Nun ist sie leider erkrankt. Ich wünsche ihr gute Besserung und springe auch sehr gern für sie ein.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die laufenden Zielvereinbarungen mit den Hochschulen waren regelmäßig Teil der Beratungen im SPD-Arbeitskreis Bildung, dem ich auch angehöre. Der Minister berichtete mehrmals umfassend und so konnte auch ich als Nichtfachsprecherin erkennen, dass die komplexen Verhandlungen zwischen Bildungsministerium und Hochschulen im letzten Halbjahr stets hochtourig liefen und sich während der letzten zwei Monate die Ergebnisse jetzt zur Zufriedenheit aller Beteiligten herauskristallisierten. Wir, die Mitglieder der SPD-Fraktion, hatten somit zu keiner Zeit Zweifel daran, dass die Zielvereinbarungen fristgerecht zum Abschluss kommen, dass sie zeitgemäß sind und zukunftstauglich sind.

Sehr geehrter Herr Kollege Saalfeld, in der Formulierung des Tagesordnungspunktes zu dieser Aussprache nehmen Sie das Ergebnis schon wieder vorweg und auch bei diesem grünen politischen Winkelzug bin ich mir sicher, dass die vorbereitete Pressemitteilung schon längst in allen einschlägigen Postfächern gelandet ist, bevor sich alle Akteure hier im Plenum zum Thema aussprechen konnten.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Da ich die Pressemitteilung gerade schreibe, ist das leider nicht möglich. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

So haben Sie es bisher immer gemacht und ich bin mir sicher, dass es dieses Mal wieder so geschehen ist. Keine Landtagssitzung ohne ein hochschulpolitisches Thema, denn wer seinen Wahlkreis an einem Hochschulstandort hat, muss die geneigte Wählerschaft bei Laune halten, und zwar mit allen Mitteln.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber die Rede hab ich vorbereitet, das gebe ich zu.)

Irgendwie kann ich Sie, Herr Kollege Saalfeld, ja verstehen. Da steigert die SPD-CDU-Koalition unter dem SPD

Bildungsminister die Ausgaben für Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen um jährlich 124 Millionen gegenüber 2011, da erfolgte die Einigung zwischen Bildungsministerium und Hochschulen über die Verteilung der BAföG-Mittel geräuschlos und, ja, auch zur Zufriedenheit der Hochschulen.

Ich betone es nur zu gern und immer wieder: Unser Land hat die BAföG-Millionen zu 100 Prozent an die Hochschulen weitergegeben. Das ist nicht selbstverständlich.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Zielvereinbarungsgespräche zwischen den Hochschulen und dem Land geschahen geräuschlos und das Kabinett hat den Zielvereinbarungen in der Kabinettssitzung, wie bereits erwähnt, am 15.12. zugestimmt.

All das muss einen Oppositionspolitiker, der öfter statt auf sachliche Arbeit auf Tumult und Lärm setzt, wirklich wurmen. Es kann ja einfach nicht hinnehmbar sein, dass etwas ordentlich läuft.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo bleibt die sachliche Auseinandersetzung? – Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zurück zur Sache!)

Aber ich kann es mir nicht anders erklären, und die Formulierung der Überschrift sagt es aus, dass es Ihnen erneut nur um Ihre Selbstdarstellung geht, und nicht um sachliche Kritik.

(Heinz Müller, SPD: Richtig. – Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich wusste gar nicht, dass mein Name in der Überschrift steht.)

Und noch einmal: Die Zielvereinbarungen 2016 bis 2020 sind fristgemäß, zeitgemäß und zukunftstauglich. Sie sind fristgerecht, da der Landtag die Frist zur Vorlage der Eckwerte und somit auch der Zielvereinbarungen verlängert hat. Zielvereinbarungen sind eine Einigung zwischen zwei Partnern, im vorliegenden Fall zwischen den Hochschulen des Landes und dem Bildungsministerium. Und nur, weil die Verhandlungen für Sie geräuschlos waren, bedeutet dies nicht, dass die Rektorinnen und Rektoren nicht hart verhandelt haben. Wie Sie bereits in den letzten Landtagssitzungen erfahren haben, gab es zusätzliche Knackpunkte wie die Lehrauftragsrichtlinie, die in diesem Zusammenhang gleich mitbehandelt wurde. Mit einer Mindestvergütung von 25 Euro je Unterrichtseinheit und einer jährlichen Steigerung von zwei Prozent sind wichtige Forderungen der Betroffenen und der SPDFraktion umgesetzt worden. Nun befindet sich die Richtlinie in der Anhörung.

Auch die eine oder andere Herausforderung an der jeweiligen Hochschule galt es zu lösen. Und glauben Sie mir, sie wurden gelöst. Daher kam es erst zu einer späten, aber eben nicht zu späten Einigung. In allen Beratungen, die wir mit unserem Minister hatten, sagten wir ihm, lieber etwas mehr Zeit, wenn das Ergebnis umso besser wird. Diese Einigung war natürlich möglich, weil beide Verhandlungspartner kompromissbereit waren und an den konstruktiven Lösungen gearbeitet haben, die

unsere Hochschulen und damit unser Land ordentlich voranbringen werden. Da beide Seiten auf die Kompromissbereitschaft der jeweils anderen Seite vertrauen konnten, ist eine Unterzeichnung im Dezember auch kein Problem, da die neuen Zielvereinbarungen erst ab dem 01.01.2016 zu laufen beginnen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang an die zurzeit gültigen Zielvereinbarungen erinnern. Diese konnten erst im Januar 2011 unterzeichnet werden, weil eben eine wichtige Frage auf Bundesebene wie die zweite Finanzierungsphase des Hochschulpaketes erst sehr spät entschieden wurde.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das macht es aber auch nicht besser.)

Auch andere Länder kennen das Problem, dass es länger dauern kann, bis beide Seiten sich einig werden.

Auch Ihre grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat den Hochschulfinanzierungsvertrag mit den Hochschulen von Baden-Württemberg erst am 09.01.2015 unterzeichnet.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber Sie wissen, was da drinsteht, drei Prozent Zuwachs pro Jahr.)

Und dieser trat rückwirkend zum 01.01. in Kraft.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese beiden Fälle waren wirklich nicht fristgemäß.

(Heinz Müller, SPD: Tja.)

Unsere neuen Zielvereinbarungen können durch ihre Rektorinnen und Rektoren noch vor dem 31.12. unterzeichnet werden und damit vor Inkrafttreten.

Die Zielvereinbarungen sind auch zeitgemäß. Sie sind zeitgemäß, da sie den Hochschulen finanzielle Planungssicherheit über fünf Jahre geben. Damit haben die Hochschulen sogar noch etwas mehr Planungssicherheit als durch einen Doppelhaushalt wie in Mecklenburg-Vorpommern. Auch Baden-Württemberg kennt mit dem Hochschulfinanzierungsvertrag ein ähnliches Instrument, das den Hochschulen finanzielle Planungssicherheit gibt. Unsere Zielvereinbarungen sind aber konkreter.

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und dass die Zielvereinbarungen in Mecklenburg-Vor- pommern konkreter sind als der Hochschulfinanzierungsvertrag von Baden-Württemberg, das ist auch gut so. Nur so kann das Geld zielgerichteter ausgegeben werden. Damit stellen wir sicher, dass es in Mecklenburg-Vor- pommern zwei Universitätsmedizinen gibt und das Angebot an Studiengängen sich stärker nach dem Fachkräftebedarf des Landes richtet.

Die Zielvereinbarungen sind auch zukunftstauglich. Mit den Zielvereinbarungen werden wichtige Impulse für die Entwicklung des Landes und seiner Hochschulen gesetzt. Ich möchte hier noch einmal die wichtigsten

Punkte der neuen Zielvereinbarungen 2016 bis 2020 wiederholen:

Es wird ein Landesforschungsprogramm über 28,5 Mil-

lionen Euro geben.