Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

Auch wenn jegliche Argumentation in Richtung BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN gegen die sprichwörtliche Wand erfolgt und somit auch sprichwörtlich für die Katz sein dürfte, wiederhole ich mich gern an dieser Stelle: Alle Menschen, deren Leben in irgendeiner Weise bedroht ist, finden die- sen Schutz – den Schutz, über den wir heute schon mehrfach und in der Vergangenheit gesprochen haben – in Deutschland und werden nicht abgeschoben. Das ist nicht

nur ein humanitärer Grundsatz, sondern es ist auch ein grundgesetzlich verbrieftes Recht.

Worum es in dieser Debatte aber geht, sind nicht die politisch Verfolgten oder die Bürgerkriegsflüchtlinge. Hier geht es schlichtweg um Menschen, die sich nicht auf diesen Status berufen können, denen das in der Regel vorher auch schon bekannt war. Hier geht es um Menschen, die nach deutschem Recht keinen Anspruch auf ein Bleiberecht haben. Es handelt sich um Menschen, die ausreisepflichtig sind, die aber dieser Ausreisepflicht trotz Aufforderung nicht nachgekommen sind. Wir fordern auf, und das nicht nur einmal, nicht zweimal, sondern mehrfach.

Diese Personen – auch das muss hervorgehoben werden – sind nicht kooperationswillig. Denn mit dem ablehnenden Bescheid erhalten Sie ausreichend Zeit, freiwillig in ihre Heimat zurückzukehren. Dies wird von den deutschen Behörden sogar noch bezahlt. Die Programme hat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch in ihrem Antrag benannt.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Diese Fristen haben sie aber ungenutzt verstreichen lassen. Aber das, meine sehr verehrten Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, verschweigen Sie gern. Aus Ihrer Sicht ist es konsequent, denn es passt so in das Bild vom bösen Staat als Täter. Aus meiner Sicht … Ja, ich leiste mir an dieser Stelle keine Einschätzung. Ich will jetzt auch nicht erklären, an welchen Stellen Sie mit Ihrem Antrag völlig danebenliegen, ich hatte es bereits gesagt.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Innenminister Caffier hat das in epischer Breite hier ausgeführt, die Kollegin Kaselitz hat es ergänzt. Deswegen schließe ich meine Ausführungen an dieser Stelle. Danke für die Aufmerksamkeit und wir lehnen natürlich den Antrag von Ihnen ab. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Fraktionsvorsitzende Herr Suhr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte den Versuch machen, in einer Debatte, die, glaube ich, jede Emotionalität rechtfertigt, verbal ein wenig abzurüsten. Ich finde, in eine solche Debatte gehören nicht Zwischenrufe wie „Gejaule“, „Das rührt ja jetzt an“ oder …

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Nee, gehört das da nicht hin? – Michael Andrejewski, NPD: Geheule.)

Nein, ich finde, das gehört da nicht hin.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das, was Sie mit diesem Antrag machen, das ist so schlimm, das werden Sie irgendwann auch noch mitbekommen.)

… die Formulierungen wie „Ihr wisst ja gar nicht, was ihr damit anrichtet“. Ich möchte dafür werben – ich will bei mir anfangen, Herr Kollege Ringguth –, die Formulierungen so zu wählen, dass sie, ich will es gleich am Anfang

sagen, die Position des an dieser Stelle Andersdenkenden achten.

(Zuruf von Michael Silkeit, CDU)

Ich will das einfließen lassen in eine Kommentierung auf das, was der Innenminister gerade gesagt hat. Korrigieren Sie mich, wenn ich das jetzt falsch wiedergebe! Ich habe es nicht wörtlich mitgeschrieben. Sie haben gesagt, ein relevanter Grund dafür, warum wir das hier heute vortragen würden und warum uns das Thema bewegt, wäre die Frage, wo die GRÜNEN gerade stehen, und dass wir uns im Augenblick einem Realitätscheck unterziehen müssen. Ja, da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu.

(Udo Pastörs, NPD: Auf Baden-Württemberg bezogen hat er das gesagt.)

Ich finde nur, wenn man das anspricht, Herr Caffier, dann darf man an der Stelle auch nicht vergessen, dass der Kompromiss, der im Asylpaket I zwischen den Landesregierungen getroffen worden ist, vonseiten der CDU/CSU deutlich schärfer eingebracht worden ist und dass es auch die GRÜNEN waren, die das abgemildert haben.

Natürlich hat es uns wehgetan, den „sicheren Herkunftsstaaten“ zuzustimmen. Natürlich hat es uns wehgetan, einer ganzen Reihe von Änderungen, die nicht unserer Programmatik entsprechen, zustimmen zu müssen. Natürlich tut es weh, in Landesregierungen, in denen wir involviert und in Verantwortung sind, Dinge tun zu müssen, die eigentlich dem, was wir wollen, widersprechen. Das ist völlig klar. Aber ich sage gleichzeitig, man darf in einer solchen Debatte – das sage ich mit viel Verständnis – auch nicht verschweigen, dass gerade die CDU einem Realitätscheck unterzogen wird, weil sie zerrissen ist: auf der einen Seite das Wort der Kanzlerin, wir schaffen das,

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

und auf der anderen Seite der Versuch oder der Reflex,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, einfach ist die Situation in der Tat nicht.)

dem Druck von vielen Wählerinnen und Wählern nachzukommen …

Ich habe dafür vollstes Verständnis, Herr Kollege Ringguth.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, ich sage nicht, dass das einfach ist. – Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

… und herzugehen und an der Stelle der Abschiebung auch Härte und Verbindlichkeit zu demonstrieren.

(Zurufe von Wolfgang Waldmüller, CDU, und Udo Pastörs, NPD)

Ich will an dieser Stelle sagen, ich habe dafür vollstes Verständnis, das ist für uns alle keine einfache Lage.

(Maika Friemann-Jennert, CDU: Jetzt lenken Sie aber schön von sich ab. – Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Ich will an dem Punkt auch sagen, es ist völlig unsinnig, dem Antrag zu entnehmen – das tun wir nicht und das

erkläre ich noch mal ausdrücklich –, dass die Landesregierung sich hier nicht nach Recht und Gesetz verhalten würde, …

(Michael Silkeit, CDU: Steht da drin.)

Nein, das steht da nicht drin!

… sondern wir sprechen an dieser Stelle – und da will ich noch mal drei Punkte ansprechen, die in unserem Antrag genannt worden sind – die Frage der Humanität bei der Abschiebepraxis an. Selbstverständlich ist es gerechtfertigt, infrage zu stellen, ob es richtig ist, Kinder aus Schulen und aus Kindergärten herauszuholen, bevor sie abgeschoben werden. Selbstverständlich ist es richtig anzusprechen, dass es Einzelfälle gibt, bei denen Kinder für Dolmetscherleistungen herangezogen werden, weil das vor Ort niemand kann.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das muss man infrage stellen.)

Selbstverständlich ist es auch gerechtfertigt, hier die Frage zu stellen, warum wir auf der einen Seite – ich glaube, allesamt – eine Willkommenskultur würdigen, die Ehrenamtlichen immer wieder lobend und dankend erwähnen, aber auf der anderen Seite nicht darauf achten, dass den Hinweisen und Fragen, die aus dem Ehrenamt kommen, wie humanitär mit denjenigen umgegangen wird, die abgeschoben werden und in ihre Heimat zurückkehren müssen, dass diesen Fragen aus dem ehrenamtlichen Bereich nicht ernsthaft nachgegangen wird. Ich finde, es ist gerechtfertigt, dass der Landtag an dieser Stelle darüber diskutiert.

Und, Herr Silkeit, weil Sie gerade gesagt haben, wir werfen Ihnen Rechtsbruch vor – das tun wir nicht, sondern wir stellen die Frage, ob die Abschiebepraxis, so, wie sie in diesem Land erfolgt, humanitären Grundsätzen genügt oder wir hier möglicherweise unterschiedliche Auffassungen haben,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

mit der konstruktiven Zielsetzung, ob man an der Stelle etwas verändern kann. Das ist der relevante Punkt.

(Zurufe von Michael Silkeit, CDU, und Udo Pastörs, NPD)

Ich will das mal an zwei Punkten deutlich machen, wo ich finde, es ist gerechtfertigt, wenn wir hier kritische Fragen stellen. Wenn im Innenausschuss des Landtages auf die Anfrage von Johannes Saalfeld der Staatssekretär für die Landesregierung erklärt, man wisse aus Erfahrungen, dass man es bei denjenigen, die aus dem Kosovo kommen, mit Mehrfachantragstellern zu tun hat, wenn es um die Rückführungsbeihilfen geht, man davon spricht, da gibt es welche, die beantragen das drei- oder viermal, man den Eindruck erweckt, dass sie es täten, Herr Caffier, weil sie Finanzen in Anspruch nehmen wollen, die sich aus der entsprechenden Richtlinie ergeben, und man dann an der Stelle nicht sagt – das will ich mal zitieren –, dass zum Beispiel unter Punkt 3, den Bewilligungsvoraussetzungen dieser Richtlinie, unter Punkt 3.3 genannt wird, ich zitiere: „Personen, bei denen nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie in das Bundesgebiet eingereist sind, um eine Rückkehrförderung zu erhalten, soll eine Starthilfe nicht gewährt werden“, also „offensicht-

licher Missbrauch“, wenn hier steht unter 3.4.2., dass sie „für sich und ihre minderjährigen Familienange- hörigen erklären, innerhalb eines Zeitraums von in der Regel drei Monaten auf Dauer aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen und auf Dauer in ihr Herkunftsland zurückzukehren oder in einen aufnahmebereiten Drittstaat weiterwandern zu wollen“, oder wenn hier steht – das finde ich besonders bemerkenswert –, sie sind gar nicht bewilligungsberechtigt, wenn sie unter 3.4.3. „noch keine Hilfen nach den Rückkehrförderprogrammen REAG/GARP erhalten haben“, sie können nur einmal diese Hilfen erhalten, und im Innenausschuss der Ein- druck erweckt wird, na ja, da gibt es welche, die machen das drei- oder viermal und das entbehrt jeder Grundlage,

(Udo Pastörs, NPD: Auch mit anderen Papieren.)

dann kann ich schon die kritische Frage stellen,

(Udo Pastörs, NPD: Das ist wahr, das machen sie mit anderen Papieren.)

ob sich die Landesregierung, vertreten durch den Staatssekretär an der Stelle, richtig dieser Frage widmet, sehr geehrte Damen und Herren.

Ich will an der Stelle auch sagen, dass sich die Landesregierung, ich glaube, auch aus dem Reflex heraus, hier Klarheit, Härte und Verbindlichkeit zeigen zu müssen, selbstverständlich fragen muss, ob sie die Abschiebungen, die da notwendig sind, tatsächlich so gestaltet, dass sie humanitären Ansprüchen und humanitären Voraussetzungen genügen. Ich finde, das ist eine berechtigte Frage.

Ich finde, es ist völlig berechtigt, die Frage zu stellen, und zwar auch in konstruktiver Art und Weise: Warum gelingt es in Nordrhein-Westfalen, dass ein weitaus größerer Teil freiwillig zurückkehrt? – Weil die Menschen offensichtlich über ein Verfahren dazu motiviert werden können, während hier der Anteil derjenigen, die über die freiwillige Rückkehr das Land verlassen, nur in einer überschaubaren Anzahl möglich ist. Offensichtlich machen die in Nordrhein-Westfalen etwas anders. Zumindest kann man nachfragen, was sie anders machen, um diesen Anteil zu erhöhen und tatsächlich von der Abschiebepraxis herunterzukommen, indem man die Zahlen reduziert.

Ich finde, es ist auch gerechtfertigt, Herr Caffier, hier zu sagen: