Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

An dieser Stelle möchte ich nur ganz kurz aus einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zitieren. Ich hätte schon ein bisschen mehr hier, aber in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde können Sie das auch gerne im Netz nachlesen.

(Marc Reinhardt, CDU: Ja, das machen wir.)

Zwei kurze Passagen, ich beginne: „Polizeibeamte sind im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit in sehr hohem Maß Aggressionen durch Bürgerinnen und Bürger ausgesetzt.“ Geschlagen beziehungsweise mit Füßen getreten wurden nach eigenen Angaben alleine 39,3 Prozent aller Streifenbeamtinnen und Streifenbeamten – 39,3 Prozent aller Streifenbeamtinnen und Streifenbeamten! –, davon mehr als ein Drittel im Jahr sogar mehrfach. Das ist eine Zahl, die kann einfach nur erschrecken, und in den seltensten Fällen handelt es sich dabei um Vollstreckungssituationen, die den Paragrafen 113 StGB gerechtfertigt hätten. Wo, bitte schön, ist bei jährlich circa 70.000 Angriffen auf Polizisten alleine in Deutschland der Aktionismus? 70.000 Ein- zelfälle, meine sehr verehrten Damen und Herren, das glaubt doch wohl wirklich keiner!

Ich bin Uta-Maria Kuder sehr dankbar, dass sie mit ihren Überlegungen zur Reform des Paragrafen 113 und der Erweiterung dessen Schutzes auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern, Sozial- und Ordnungsämtern die gesellschaftliche Diskussion um Gewalt gegen Staatsbedienstete auch weiterhin am Leben hält. Leider ist die Initiative der Gewerkschaft der Polizei und einiger Innenminister zunächst am Widerstand einzelner rotgrüner Landesregierungen gescheitert. Das ist bedauerlich. Ich denke aber, dass das Thema damit noch lange nicht vom Tisch ist. Die jüngsten Ereignisse haben einmal mehr bewiesen, dass man Probleme nicht dadurch löst, dass man sie ignoriert. Wir werden Ihren Antrag

selbstverständlich ablehnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt Herr Andrejewski von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln werden in einem ganz frisch im Internet erschienenen Artikel von dem Publizisten Henryk M. Broder als „Pogrom“ bezeichnet, das Pogrom von Köln und, wie ich hinzufüge, ein Pogrom, begangen mitten in Deutschland – als Konsequenz der Willkommenskultur – von Ausländern an Frauen,

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

das nicht verhindert werden konnte durch eine unterbesetzte Polizei,

(Martina Tegtmeier, SPD: Was anderes fällt Ihnen auch nicht mehr ein, was?)

durch eine unterbesetzte Polizei, und von dem man noch versuchte, es totzuschweigen, und es drei Tage lang ver- tuscht hat, bis es dann doch herausgekommen ist. Und die verantwortliche Politik duckt sich, lässt die Polizei den Kopf hinhalten, der Innenminister ist noch da, der Polizeipräsident musste zurücktreten.

Die juristische Aufarbeitung dieses Pogroms soll darin bestehen, dass ein paar Leutchen, die vielleicht erwischt werden und verurteilt werden, dann dran sind wegen tätlicher Beleidigung. Mehr ist das nämlich nach der augenblicklichen Rechtslage nicht. Wie Frau Tegtmeier richtig vorgetragen hat, selbst das Herunterreißen der Kleidung einer Frau und das Antatschen von ihr ist noch nicht mal Sachbeschädigung, wenn die Kleidung dabei nicht beschädigt wird. Weil die Maßstäbe für Paragraf 177 (Sexu- elle Nötigung) sehr hoch sind, ist das nur tätliche Beleidigung.

Wenn man nun ein halbgebildeter Journalist wäre, dann würde man das für ausreichend halten, denn die Presse schreibt in solchen Fällen immer: Er wurde angeklagt, ihm drohen zwei Jahre. 185 StGB: Für Beleidigung, die tätlich begangen wird, drohen in der Tat zwei Jahre. Was die Halbgebildeten aber nicht wissen, ist, es gibt so etwas wie einen Strafrahmen. Dieser Strafrahmen bewegt sich von der Höchststrafe, das sind zwei Jahre, bis zur Mindeststrafe, das sind bei 185 StGB vier Wochen beziehungsweise ein Monat. Dort heißt es: „bis zu zwei Jahren oder … Geldstrafe“. Er kann also ohne Weiteres mit einer Geldstrafe oder einem Monat Gefängnis davonkommen. Wer die Justiz kennt, weiß, dass sie in der Tat auf Kuschelkurs ist. Sie arbeitet mit Streicheleinheiten, selbst bei Mehrfachtätern, und sie orientiert sich meist immer am unteren …

(Tilo Gundlack, SPD: Sie meinen jetzt aber nicht Herrn Pastörs, oder?)

Gegen rechts natürlich nicht, aber ansonsten ja. Und selbst bei rechts manchmal, was ich dann staunend zur Kenntnis nehme, aber meistens gegen normale Kriminelle,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Normale Kriminelle?)

da bewegt sich das dann immer am unteren Rande des Strafrahmens.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Die Unnormalen sind die SED-Kriminellen, die leider nie zur Verantwortung gezogen wurden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Sie hätte man als kriminelle Vereinigung verbieten müs- sen 1989, was man aber nicht gemacht hat – leider, leider.

(allgemeine Unruhe – Peter Ritter, DIE LINKE: Wollen Sie mich ins Lager stecken, Herr Andrejewski?)

Wohl zu spät! Wohl zu spät!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wollen Sie mich ins Lager stecken, oder was?)

Aber wie gesagt, die Justiz orientiert sich am unteren Rande des Strafrahmens.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das Dreieck an die Jacke und dann ins Lager!)

Und um noch ein anderes Beispiel zu nennen: Man könnte zufrieden sein, wenn man liest, dass für sexuellen Missbrauch von Kindern eine Höchststrafe von zehn Jahren droht. Zehn Jahre ist schon mal eine Ansage,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

aber die Mindeststrafe, die Mindeststrafe liegt bei sechs Monaten. Man kann davonkommen mit einer Strafe von sechs Monaten beim sexuellen Missbrauch eines Kindes. Auch das ist noch geltendes Recht!

Deswegen ist es auch durchaus angebracht zu überlegen, dass man die Taten, die in Köln begangen wurden, unter 177 subsumiert, dass man den 177 StGB also so abändert, dass diese Taten darunterfallen. Dem würde ich auch zustimmen.

Aber auch da gibt es ein Problem. Den gibt es in mehreren Varianten. Variante Nummer eins (sexuelle Nötigung) wird bestraft nicht unter einem Jahr. Das ist schon mal besser als vier Wochen, aber „nicht unter einem Jahr“ heißt, es kann auch zur Bewährung ausgesetzt werden. Und selbst die – in Anführungsstrichen – „mildeste Form der Vergewaltigung“, die Vergewaltigung ohne Einsatz von Waffen und ohne dass das Opfer in Todesgefahr gerät, wird bestraft mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Auch das kann noch zur Bewährung ausgesetzt werden. Und genauso wie die Gerichte dazu neigen, an den unteren Rand des Strafrahmens zu gehen, neigen sie sehr dazu, Bewährung zu geben,

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ersttätern sowieso, aber auch Zweit- oder Dritttätern. Und das Problem ist in der Tat das Anzeigeverhalten. Frauen müssen verdammt viel Mut aufbringen, wenn der Täter ihnen sagt: Pass mal auf, du kannst mich gerne anzeigen, aber ich kriege sowieso Bewährung, ich bin bald wieder draußen und dann kannst du dich aber wun

dern. Das sagen die Täter dann auch und dann werden viele Frauen es nicht wagen, den anzuzeigen.

(Udo Pastörs, NPD: Auch Kinder!)

Und aus diesem Grunde ist es absolut notwendig, dass man die Mindeststrafen erhöht. Die muss man anpassen,

(Udo Pastörs, NPD: Richtig.)

und zwar so, dass keine Bewährung mehr gegeben werden darf.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das heißt, der 177 müsste so angepasst werden, dass selbst das lascheste Schlafmützengesicht den ins Gefängnis schicken muss, wenn er denn überführt wird. Und das wäre dadurch zu bewerkstelligen, dass die Mindeststrafe drei Jahre beträgt – drei Jahre Mindeststrafe für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und bei Kindern entsprechend mehr, mindestens fünf Jahre – ich würde sagen, so kritisch man die USA auch betrachten kann, die übertreiben es ein bisschen, da gibt es Staaten, drei Straftaten, egal was das ist, und wenn es Sachbeschädigung ist, lebenslänglich, aber bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern lebenslänglich und bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Erwachsenen vielleicht bei vier- oder fünfmal, aber dann auch lebenslänglich – und anfangen mit drei beziehungsweise fünf Jahren, damit die gleich ins Gefängnis gehen, sofort, damit die Justiz keine Chance hat, sie freizulassen, damit die Frauen oder die Eltern der Kinder oder die Kinder selber, die anzeigen wollen, dann auch wissen, der ist erst mal weg und ich muss keine Angst haben für ein paar Jahre. Solange das nicht der Fall ist, werden viel zu wenige Straftaten angezeigt und die Verbrecher kommen davon.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Man muss sich nicht wundern, dass so wenige von denen hinter Gittern landen

(Udo Pastörs, NPD: Und die vor allem immer wieder Straftaten begehen.)

und dass wir im Grunde einen rechtlosen Zustand haben. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt noch einmal Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst erst mal bei den demokratischen Fraktionen für die sachliche Debatte bedanken,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

einfach auch unter dem Gesichtspunkt, dass angesichts der Vorkommnisse in den letzten Wochen und Monaten, die uns alle emotional bewegt haben, wir das nicht nur einseitig gesehen haben, sondern die, ich sage mal, unterschiedlichen Ansichten, Gesichtspunkte in die Debatte mit eingebracht haben. Und dennoch sage ich ganz deutlich und hier auch gerichtet an Herrn Silkeit – gar nicht mehr da –,

(Zurufe vonseiten der Fraktion der CDU: Doch.)