Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

Und so verspricht …

Nein, das ist nicht nur meine Widerspiegelung, das ist auch die Widerspiegelung des Landesfrauenrates und der Frauen, die an der Klausurberatung teilgenommen haben. Die haben sich doch nicht umsonst Gäste aus Sachsen-Anhalt eingeladen, um sich darüber zu informieren, wie das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm dort funktioniert. Wir hätten uns auch Gäste aus Brandenburg einladen können, aus Hamburg. Es gibt in vielen anderen Ländern ein solches Gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm. Dort kommt niemand auf die Idee zu sagen, brauchen wir nicht und hilft uns nicht, nein, in diesen Ländern funktioniert das ganz gut mit solch einem Programm, nur in Mecklenburg-Vorpommern dauert es etwas.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht kommt ja, vielleicht kommt es ja …

(Martina Tegtmeier, SPD: Ich weiß, wenn Sie an der Regierung sind, führen Sie das sofort ein. Das haben Sie ja gesagt.)

Ja, wenn der führende Paukenschläger der Landesregierung dann an meiner Seite ist, machen wir das sofort, Frau Tegtmeier,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

das ist überhaupt nicht die Frage. Also ich habe mir das schon mal notiert für mögliche Sondierungsgespräche: Gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm, Frau Tegt- meier stimmt zu, und dann setzen wir das um.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so hält eben auch der Titel des Gleichstellungsreformgesetzes der Landesregierung nicht das, was er verspricht. Auch die Redebeiträge aus der Koalition heraus haben das nicht besser gemacht. Es bleibt dabei, dieser vorliegende Gesetzentwurf ist nichts anderes als eine Überarbeitung des Gesetzes zur Gleichstellung von Frau und Mann im öffentlichen Dienst und gilt damit nur für einen Bruchteil der Bevölkerung im Dienst des Landes.

(Torsten Renz, CDU: Das hat ja auch keiner bestritten.)

Das hat dann doch aber mit moderner Gleichstellungspolitik nichts zu tun, Kollege Renz, wenn wir uns nur um zwei Prozent der Gesamtbevölkerung kümmern!

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Im Dienst dieses Landes befinden sich etwa 36.000 Personen, das sind gerade mal zwei Prozent der Gesamtbevölkerung. Auch wenn das Gesetz noch in andere Bereiche mit Landesbeteiligung hineinwirken soll, ist der Gesetzentwurf zu kurz gesprungen. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf Verbesserungen erreichen an der einen oder anderen Stelle. Sie müssen ja nicht alles übernehmen – so leichtgläubig bin ich nun wirklich nicht, nach den vielen Jahren hier in der Opposition.

(Torsten Renz, CDU: Warum arbeiten Sie denn nicht mit Änderungsanträgen? Warum kommen Sie mit einem eigenen Gesetzentwurf?)

Sie werden sich wundern, Herr Renz, wie viele Änderungsanträge wir bringen werden in der Bearbeitung dieses Gesetzentwurfes.

(Torsten Renz, CDU: Ja, aber Sie kommen doch aus taktischen Gründen jetzt extra mit einem Gesetzentwurf.)

Nein, wir kommen nicht aus taktischen Gründen, sondern wir kommen unserer Aufgabe nach, die verfassungsgemäß lautet, die Opposition soll Alternativen auf den Tisch legen.

(Torsten Renz, CDU: Es gibt für alles Begründungen, ne?)

Da haben wir einen alternativen Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt und dann passt es Ihnen auch wieder nicht. Also das Leben ist schon schwierig in so einer Koalition.

Aber es ist ja nicht nur die Linksfraktion, die das Gesetz kritisiert, auch der Landesfrauenrat kritisiert in seiner Stellungnahme einiges, das haben Sie ganz gekonnt ausgeblendet, so zum Beispiel, dass es überhaupt keine Einbeziehung der öffentlichen Auftragsvergabe gibt. Damit wird auch nach Auffassung des Landesfrauenrates eine wichtige Einflussmöglichkeit auf die Privatwirtschaft vertan. Auf den Begriff „Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben“ wird im Gesetzentwurf der Landesregierung ganz verzichtet. Es ist natürlich wichtig, die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie zu ermöglichen, und auch Pflegeaufgaben in der Familie müssen mitgedacht werden. Die verfügbare Zeit einer jeden Person bezieht sich jedoch auf mehr als Arbeit und Familie, das Privatleben mitsamt Hobbys

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ehrenamt.)

und individueller Regenerationszeit spielt eine wichtige Rolle, Ehrenamt – all das wird nicht mitgedacht. Und da sagen Sie, unser Gesetzentwurf bleibt hinter den Anforderungen zurück?! Na, ich weiß es nicht.

Hinzu kommt, nicht alle Menschen haben Kinder. Bedeutet das, dass es für diese Menschen keine Vereinbarkeit zu geben braucht? Ich denke nicht, dass das so gewollt ist, also müssen wir auf die Begrifflichkeiten achten, auch in einem Gesetzentwurf und vor allem in einem Gesetzentwurf der Landesregierung. Das Gleichstellungsreform- gesetz gilt lediglich für die Landesverwaltung, die untergeordneten Behörden und sonstige Organisationen mit Landesbeteiligung. Das ist doch alles andere als eine hier vielfach beschriebene Erweiterung des Wirkungskreises! Das Gesetz muss zum Beispiel auch auf den Bereich der öffentlichen Schulen anwendbar gestaltet werden. Hier gibt es einige Baustellen, Familienfreundlichkeit zum Beispiel: Teilzeitarbeit ist an Schulen nur durch Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung möglich, nicht aber bei Leitungstätigkeit und nicht im Bereich der nicht messbaren Arbeitszeit, Versammlungen und Klassenleitertätigkeiten et cetera, et cetera. Wir benötigen also Maßnahmen zur flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit. Meine Fraktion hat dazu mehrfach Anträge in den Landtag eingebracht. Sie werden sich erinnern, Sie haben sie allesamt abgelehnt.

Zudem kann die Möglichkeit, an staatlichen Schulen per Abstimmung auf eine Gleichstellungsbeauftragte verzichten zu können, doch nicht ernsthaft Ziel des Gesetzes sein. Sie reden von einem modernen Gesetz und von Ausweitung der Wirkungsmöglichkeiten! Es ist doch nach wie vor so, dass Männer in den Leitungsfunktionen an Schulen und Hochschulen zum Beispiel bei den Professoren deutlich überrepräsentiert sind. Männer lehren hauptsächlich an Schularten, an denen das Einkommen höher ist, also nur in den seltensten Fällen an Grundschulen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Richtig.)

Hier muss einiges getan werden, um ein besseres Gleichgewicht herzustellen. Gleichstellungsbeauftragte sind auch deshalb dort dringend und verbindlich einzuführen und mit mehr verfügbarer Zeit auszugestalten.

(Beifall Regine Lück, DIE LINKE: Völlig richtig.)

Ein großes Problem sind auch die beruflichen Schulen des Landes. 1.200 Beschäftigte sind nach dem jetzigen Entwurf nicht wahlberechtigt und nicht wählbar, da die beruflichen Schulen dem Bildungsministerium unterstellt sind. Sie reden hier von Erweiterung der Mitwirkungsmöglichkeiten und einem modernen Gesetz! Hier muss deutlich nachgeholt werden. Für die Kommunen hat das Gleichstellungsreformgesetz überhaupt keine Gültigkeit, die Stellung der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten ist bislang nur im Paragrafen 41 der Kommunalverfassung für Mecklenburg-Vorpommern geregelt.

Sie merken also, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Liste ließe sich noch weiter fortführen. Um die bestehenden Bedenken, die nicht nur von meiner Fraktion, sondern auch vom Landesfrauenrat und anderen geäußert werden, auszuräumen und das Gesetz entsprechend

nachzubessern, in seiner Wirkung zu verbreitern und dem modernen Ansatz einer Gleichstellungspolitik gerecht zu werden, ist eine Befassung mit beiden Gesetzentwürfen – mit dem der Landesregierung und mit dem Gesetzentwurf meiner Fraktion – in den Ausschüssen und eine Anhörung der Sachverständigen aus unserer Sicht zwingend notwendig. Und wenn Sie einer Überweisung unseres Gesetzentwurfes nun schon zum zweiten Mal nicht zustimmen, können Sie mir glauben, dass, wenn die Liste der Anzuhörenden im Ausschuss beschlossen ist, die Anzuhörenden von mir einen netten Brief kriegen, angehängt unseren Gesetzentwurf, mit der Bitte, auch diesen in der Anhörung mit zu bewerten.

(Torsten Renz, CDU: Aber nicht über das Ausschusssekretariat!)

Dann bin ich mal, und dann bin ich mal gespannt, …

Das mache ich mit privater Post, Herr Renz, nicht über das Ausschusssekretariat. Ich kenne die Spielregeln.

… dann bin ich mal gespannt, wie die Bewertung der Anzuhörenden zu dem zweiten Gesetzentwurf ist.

(Torsten Renz, CDU: Sie müssen jetzt aber aufpassen, dass Sie nicht nur politisch taktische Spielchen spielen.)

Glauben Sie mir, es werden sich viele politisch Interessierte, die noch an den Parlamentarismus in diesem Land glauben, verwundert die Augen reiben, warum nur der Gesetzentwurf der Landesregierung der einzig wahre und überwiesen worden ist, Alternativen der Fraktionen aber wie immer beerdigt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 6/5189 zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss sowie zur Mitberatung an den Innenausschuss, an den Europa- und Rechtsausschuss, an den Finanzausschuss sowie an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? –

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist euer Gesetzentwurf, da müsst ihr jetzt mal zustimmen! Mann, Mann, Mann!)

Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen der Fraktion der NPD an- genommen.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/5198 zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss sowie zur Mitberatung an den Innenausschuss, an den Europa- und Rechtsausschuss, an den Finanzausschuss sowie an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? –

(Regine Lück, DIE LINKE: Schämt euch!)

Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und NPD, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Der Gesetzentwurf wird gemäß Paragraf 48 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung erneut auf die Tagesordnung gesetzt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Justiz, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten – Antrag auf Genehmigung der Erhebung der öffentlichen Klage durch Beantragung eines Strafbefehls, Drucksache 6/5239.

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Justiz, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten (Europa- und Rechtsausschuss, 3. Ausschuss) gemäß § 70 GO LT (Immunitätsangelegenheiten) Antrag auf Genehmigung der Erhebung der öffentlichen Klage durch Beantragung eines Strafbefehls – Drucksache 6/5239 –

Gemäß Paragraf 70 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung entscheidet der Landtag ohne Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses auf Drucksache 6/5239 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses auf Drucksache 6/5239 einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Für einen besseren Verbraucherschutz – Kennzeichnung der Tierhaltungsform bei frischem Fleisch, Drucksache 6/5190. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5242 vor.