Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie üblich dienen die geplanten Gesetzesverschärfungen dem Ziel, den Staat finanziell zu entlasten, sei es durch geringeren Verwaltungsaufwand bei den Jobcentern oder sei es auch durch geringere Leistungsabgabe an die Leistungsbezieher. Allerdings besteht der Staat nicht nur aus Jobcentern, sondern auch aus den Sozialgerichten, und dorthin wird sich der Aufwand ganz einfach verlagern, sowohl personell als auch materiell.
Erstes Beispiel: Es ist offenkundig geplant, dass Hartz-IVLeistungen nur noch unter Vorbehalt geleistet werden, und zwar unter dem Vorbehalt, dass man später nicht rauskriegt, der Betreffende hätte sich nicht genug bemüht, um einen Arbeitsplatz zu kriegen, einen noch besseren Arbeitsplatz zu kriegen oder seine Einnahmen noch mehr zu erhöhen. Das kann auch noch Jahre später erfolgen, dass man nach zwei Jahren feststellt, aha, da sind uns durch Spitzel irgendwelche Informationen zu Ohren gekommen, jetzt werden die Leistungen gekürzt.
So einfach ist das aber nicht. Es ist noch nicht mal jetzt so einfach. Wenn das Jobcenter jetzt feststellt, es hätte sich verrechnet oder es wären Einnahmen nicht korrekt angegeben worden, dann kann es das Geld nicht einfach einkassieren und aufrechnen, es muss einen Bescheid erlassen, einen Aufrechnungs- und Rückerstattungsbescheid. Gegen den ist noch Widerspruch möglich mit aufschiebender Wirkung. Falls nicht geplant ist, das zu ändern, dann dürfen die Jobcenter erst mal zwei/drei Jahre warten bei der Überlastung der Sozialgerichte, bis sie das bekommen.
Und es dürfte noch komplizierter werden, denn bisher wird vor Gericht nur überprüft, ob das Jobcenter sich verrechnet hat oder Leistungen nicht angegeben wurden. Jetzt muss der Sachverhalt noch viel intensiver und auf kompliziertere Weise erforscht werden, indem man nämlich nachforschen muss, hat der Betreffende wirklich alles getan, um einen Arbeitsplatz zu bekommen, hat er sich irgendwas zuschulden kommen lassen, hätte er einen besseren Arbeitsplatz bekommen müssen. Das heißt, die Sozialgerichte werden noch viel stärker beansprucht werden, die Verhandlungen werden länger dauern, und
Ein weiteres Beispiel ist, dass man jetzt auch noch die letzten individuellen Besonderheiten bei den Kosten für die Heizung beseitigen und nicht mehr berücksichtigen will. Es ist jetzt schon so, dass die Jobcenter behaupten, im Bundesheizkostenspiegel wäre alles eingepreist, also alle Besonderheiten, die in einem Haushalt auftreten können, ob dort wärmebedürftige Personen sind – Säuglinge, Kranke –, ob das Haus auf einer Wasserader steht, ob es frei steht, ob es vom Wind besonders gekühlt wird, ob es gut wärmegedämmt ist. Das sei alles schon im Bundesheizkostenspiegel eingepreist und berücksichtigt. Aber theoretisch gibt es immer noch die Möglichkeit, besondere individuelle Faktoren zur Sprache zu bringen und dann zu beantragen, dass Heizkostennachzahlungen vom Jobcenter übernommen werden.
Das soll jetzt nicht mehr der Fall sein, das soll jetzt alles gedeckelt werden, pauschalisiert. Das Problem ist nur, dass vor kurzer Zeit das Bundesverfassungsgericht gerade die Hartz-IV-Regelsätze abgeschossen hatte, weil die nicht genug individualisiert waren, weil dort individuelle Besonderheiten nicht mit berücksichtigt wurden. Das dürfte dann bei einer solchen Gesetzesänderung auch geschehen, sodass wieder eine Menge Leute klagen werden. Und wenn sie bis zum Bundesverfassungsgericht durch sind, könnten sie durchaus recht bekommen und das Ganze wird gekippt werden.
Ein weiteres Kernstück ist auch, dass man bei Selbstständigen die Freibeträge streichen will. Das heißt natürlich, diese Form von Einkommen wird wegfallen, denn wer keine Freibeträge mehr haben darf, wer das also komplett abgeben muss, was er verdient, der wird seine Selbstständigkeit auch nicht mehr weiter fortführen. Das wird einerseits im ländlichen Raum zu Versorgungslücken führen, weil die meisten kleinen Selbstständigen da Selbstausbeutung betreiben und dann ihren Laden zumachen müssen. Wenn sie das machen, kommen die Jobcenter wieder und sagen, du hast aber auf Einnahmen verzichtet, deswegen überziehen wir dich jetzt mit Sanktionen und streichen dir die Leistungen. Dann geht das wieder vor Gericht, und bei 30 Prozent, die dann gleich einbehalten werden sollen laut der jetzigen Diskussion über den Gesetzentwurf, überschreitet das die Bagatellgrenze, sodass ich auch im Eilverfahren vor das Sozialgericht komme. Letztendlich wird das Ganze hinauslaufen auf ein Beschäftigungsprogramm für Sozialrichter und Rechtsanwälte –
Die Leute wachen auch in immer höherem Maße auf, wehren sich in immer höherem Maße, beschaffen sich über entsprechende Internetseiten immer bessere Kenntnisse. Das wird so gar nichts nützen. Es wird einfach nur den Aufwand von den Jobcentern auf die Sozialgerichte verlagern, und alles, was wir tun können, um diesen Vorgang noch ein bisschen zu verstärken, werden wir auch tun.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Art und Weise, wie Henning Foerster hier in diesem Haus bekannt ist und Wertschätzung erfährt,
hat er deutlich gemacht, wie es zu diesem Entwurf gekommen ist, was dem vorangegangen ist an Erwartungshaltungen, an Vorarbeiten, auch aus unserem Land. Er hat sehr differenziert deutlich gemacht, wo denn – obgleich in spärlichem Umfang – Verbesserungen wären und wo Dinge sind, die wir nicht akzeptieren können im Interesse der Betroffenen in unserem Land.
Also ich beziehe mich mal auf die Aussagen der Sozialministerin, die damit startete und sagte, die Aussagen decken sich, die Intentionen auch, mit dem, was Herr Foerster sagte, und dann die Pirouette drehte und sagte, aber wir unterstützen den Gesetzentwurf.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Weil Frau Nahles sympathischer ist als Henning. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)
Sie kam dann zu dem Bekenntnis – ja, es war ein sehr eigenartiges Abwägen –, zu sagen, na ja, wir haben in der Tat mehr gewollt im Bundesrat, nun kann man nicht alles kriegen, was soll es, dann wäre es so.
Und im Fazit: Die Sympathie für Herrn Foerster und für Frau Nahles, die mag persönlich wirklich berechtigt sein
Oder, Herr Renz, Sie haben mich schon verblüfft damit, dass Sie von der CDU darauf hoffen, dass die SPD noch Veränderungen am Gesetzentwurf durchdrücken wird,
vielleicht könnte man 50 Prozent, man könnte ja nicht 100 Prozent kriegen, man könnte vielleicht 50 Prozent durchsetzen. Darum geht es nicht, wie viel Prozent, wir sind doch nicht auf dem orientalischen Jahrmarkt,
(Udo Pastörs, NPD: Oh, oh, oh, oh, oh! Ganz schön ausländerfeindlich! – Zuruf von Torsten Renz, CDU)
Ganz skurril wurde das dann mit der Friseurin und der Kellnerin. Da konnte ich den Zusammenhang zum Hartz-IVBezug nun gar nicht herstellen,
denn eine Friseurin kann durchaus zu der Erkenntnis kommen, dass ihr der Beruf nicht liegt, oder es ist so, dass man dort nicht mehr weiter beschäftigt ist, weil das Arbeitsklima nicht stimmt, oder von einer Kellnerin vielleicht ein anderer Arbeitsort gewählt wird, weil man der Liebe hinterherzieht, wie auch immer.
Also der Zusammenhang zwischen Hartz-IV-Bezug, Kellnerin und Friseurin erschließt sich mir so nicht.