Protokoll der Sitzung vom 11.03.2016

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

auch hier an diesem Gesetzentwurf wieder, es ist die unrühmliche Tradition der politisch Herrschenden, in Worte zu kleiden, was man nicht will. Eine solche Scharade hat die Bundesregierung eben auch aufgeführt mit diesem Entwurf einer Neunten Änderung des SGB II. Möglichst unverdächtige Begriffe sollen verschleiern, worum es tatsächlich geht. Auch hier wurden die Absichten derart maskiert, von Vereinfachung des Leistungs- und Verfahrensrechts für Arbeitsuchende sowie Überprüfung der, wörtlich, weitgehenden – was heißt das, zu weitgehenden oder weitgehenden? – Sanktionsregelungen und Sanktionspraxis ist die Rede. Rechtsverschärfung, Entmündigung von Betroffenen und Befehlserteilung sind aber das, was sich mit der Gesetzesnovelle in ganz zentralen Punkten verbindet. Und das ist nur logisch, ging es doch nie um eine wie auch immer geartete Durchsetzung eines Rechts auf Arbeit, welches im Grundgesetz schmerzlich fehlt, das sich

jedoch auf das Engste mit der Würde des Menschen verbindet, wie wir wissen.

So, wie der Gesetzentwurf daherkommt, geht es auch ein weiteres Mal, zum neunten Mal, quasi darum, die Kosten der Verwaltung von Arbeitslosigkeit weiter zu reduzieren. Und es geht wieder einmal darum, den Mechanismus des Umgangs mit Arbeitslosen weiter zu perfektionieren. Die politisch Verantwortlichen aus CDU/CSU und SPD wälzen somit systemisch bedingte Verwerfungen und selbst verursachte Probleme auf diejenigen ab, die hierfür weder etwas können noch über ausreichende Mittel verfügen, sich zur Wehr zu setzen. Mehr noch, die Mittel, sich zur Wehr zu setzen, werden ihnen sukzessive genommen. Auf diese Weise wird die Hartz-IV-Novelle genutzt, um ein rigides Armutsregime auszubauen.

(Torsten Renz, CDU: Oha!)

Kollege Henning Foerster hat bereits auf einige Bestandteile des Gesetzentwurfs verwiesen, sehr wohl differenziert, aber er hat auch ganz klar benannt, warum wir in dem Antrag am Ende zu dem Schluss kommen, so darf er nicht bleiben.

Herr Renz, Sie haben recht, wenn Sie sagen, der wird noch Veränderungen erfahren. Das wird wohl sicherlich so sein, aber wir sind gefordert, eine Position abzugeben. Wir sind gefordert zu sagen, ob wir mit dem, was jetzt auf dem Tisch liegt, einverstanden sind oder nicht.

Jetzt will ich mal zwei Dinge herausgreifen und sage Ihnen ganz ehrlich, das können wir doch nicht wollen. Paragraf 21 Absatz 4 des Entwurfs: die Abschaffung des Mehrbedarfs bei behinderten Auszubildenden, die eine Maßnahme der Berufsvorbereitung absolvieren und bei ihren Eltern wohnen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Tja.)

An Menschen mit Behinderungen, da geht man ran, das ist der Punkt, wo man was verändern muss?! Und das ist die Art und Weise, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen, zu sagen, weil ihr bei euren Eltern wohnt, dann kein Mehrbedarf mehr, vorher war der gerechtfertigt, jetzt nicht mehr, bei euch setzen wir jetzt mal die Daumenschrauben an?! Das kann doch nicht von uns politisch gewollt sein! Wo eine Stärkung von Selbstbestimmung geboten ist, wird nämlich Entmündigung vertieft, und das ausgerechnet, wie gesagt, bei den Behinderten.

Paragraf 41a Absatz 3: Verstöße gegen die Mitwirkungspflicht bei vorläufigen Bewilligungen sollen – also das ist mit zwingender Notwendigkeit versehen – zum kompletten Leistungsverlust führen. Wo jetzt die Mittel um 30 Prozent gekürzt werden, gibt es dann gar nichts mehr.

(Manfred Dachner, SPD: Ja, ja.)

Wovon dann noch Brot, Wasser und Butter bezahlt werden sollen, bleibt ja offen.

(Manfred Dachner, SPD: Was ist denn an einer Mitwirkungspflicht so schlimm? Das müssen Sie mir mal erklären! Was ist denn so schlimm daran?)

Es geht darum, dass man die Mitwirkungspflicht unter ganz bestimmten – das ist gut, dass Sie fragen, Herr Dachner –,

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

es ist so, dass unter ganz bestimmten Bedingungen die Mitwirkungspflicht nicht erfüllt werden kann.

(Manfred Dachner, SPD: Warum?)

Nehmen wir mal zwei Beispiele. Sie kommen ja als Polizist, ehemals so …

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Ein Fahrradunfall, jemand kommt ins Krankenhaus, kann einen Termin nicht einhalten, der Termin verfällt, die Mitwirkungspflicht ist in dem Moment …

(Torsten Renz, CDU: Da ruft er vorher an und sagt Bescheid.)

Der ruft an, von der Trage, mit dem Handy – was produzieren Sie da für Gedanken?

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Zurufe von Manfred Dachner, SPD, und Udo Pastörs, NPD – Glocke der Vizepräsidentin)

Er kann diesen Termin nicht halten und kriegt den kompletten Leistungsanspruch gestrichen?

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Oder ein anderes,

(Zurufe von Manfred Dachner, SPD, und Udo Pastörs, NPD)

oder ein anderes Beispiel: Jemand …

(Manfred Dachner, SPD: Das ist doch albern.)

Nein, das ist nicht albern, das ist doch das Leben.

(Manfred Dachner, SPD: Natürlich, das ist doch Quatsch.)

Jemand, der im Hartz-IV-Bezug ist, hat einen Termin vor der Brust,

(Udo Pastörs, NPD: Das ist mehr als albern. Das ist wirklichkeitsfremd.)

nun stirbt ein enger Angehöriger, jemand ist in einem emotionalen Ausnahme...,

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Sie sind immer im Ausnahmezustand.

... in einem emotionalen Ausnahmezustand

(Egbert Liskow, CDU: Das sind wir öfter. – Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

und der Termin wird nicht wahrgenommen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Dann fällt der komplette Leistungsanspruch weg, nach diesem Paragrafen, nach diesem Entwurf. Haben Sie das mal gelesen?

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und auf diese Art und Weise wird jemand,

(Udo Pastörs, NPD: Der ruft an, dass er nicht konnte, und dann ist das geheilt.)

der die Mitwirkungspflichten, was subjektiv festgestellt wird, nicht erfüllen kann …

(Zurufe von Manfred Dachner, SPD, und Udo Pastörs, NPD)

Herr Renz, Sie haben mich letztens auch... Nee, Sie nicht, dann...

Herr Koplin, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Renz?

Danke schön, Frau Präsidentin.