Protokoll der Sitzung vom 11.03.2016

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Frau Rösler auch?)

Ich bitte um Entschuldigung. Wir unterbrechen die Sitzung für fünf Minuten.

Unterbrechung 9.14 Uhr

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Wiederbeginn: 9.18 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die technischen Probleme sind behoben und ich bitte den Innenminister fortzufahren.

Also wir haben festgestellt, dass doch alles festgehalten worden ist und wir mit der Sitzung fortfahren können.

(Heiterkeit bei Helmut Holter, DIE LINKE: Wir können ja die Rede noch mal nachlesen.)

Ich würde noch mal darauf abheben, dass die jeweiligen Änderungen in Brandenburg und bei uns nur auf wirksame Satzungen abzustellen sind und unterschiedliche Auswirkungen hatten. Bei uns war es eine Klarstellung, weil es der Rechtsprechung entsprach. In Brandenburg hingegen hat sich die gesamte Rechtslage geändert. Und auf genau diesen Änderungscharakter bezog sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2015. Ergo ist der Beschluss nicht auf Mecklenburg-Vorpommern übertragbar. Er hat damit auch keine Auswirkungen auf unseren Gesetzentwurf.

Alle weiteren Details des Gesetzentwurfes werde ich in der nächsten Landtagssitzung ausführen. Der Gesetzentwurf ist dem Parlament zugegangen, sodass wir in der nächsten Sitzung damit eine intensive Befassung realisieren können. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Das war ja nicht doll. Das war ja nicht doll. Da hätte er ja nicht noch mal anfangen müssen für diese Rede.)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Heinz Müller für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die geschätzte Kollegin Rösler hat vorhin ganz zu Recht darauf verwiesen, dass das KAG etwas ist, das immer wieder die Parlamente, die Gerichte und die politische Diskussion befasst, deswegen spricht mancher gern ganz allgemein über dieses KAG. Ich werde dieser Versuchung auch nicht ganz widerstehen können und gleich ein paar Worte dazu sagen.

Aber zunächst möchte ich mir erlauben, ein paar Worte zu dem Antrag selbst zu sagen und ihn auch wirklich wörtlich zu nehmen. Ich bin nämlich der Auffassung, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass dieser Antrag eigentlich nach der Papierlage, die wir seit ein paar Tagen haben, spätestens aber seit den Ausführun

gen des Innenministers überholt ist und zurückgezogen werden sollte.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Er hat doch fast gar nichts gesagt. Da kann man doch nichts zurückziehen.)

DIE LINKE fordert die Landesregierung auf, das KAG an das Verfassungsrecht anzupassen und dabei jüngste Rechtsprechungen zu berücksichtigen. Dieses, meine sehr verehrten Damen und Herren, geschieht.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Links wirkt.)

Es ist insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem April dieses Jahres, die zu einer Novellierung dieses Gesetzes führte, der Innenminister hat dies ausgeführt. Das heißt, Punkt 1 Ihres Antrages, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist erledigt.

Punkt 2 sagt, dass der Referentenentwurf des Gesetzes die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom November des Jahres 2015 nicht berücksichtigen konnte. Das ist natürlich richtig, aber – Sie haben das soeben den Worten des Innenministers entnommen – selbstverständlich hat die Landesregierung, bevor sie den Entwurf beschlossen und diesem Haus zugeleitet hat, geprüft, ob die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2015 Auswirkungen auf den Gesetzentwurf haben muss. Das Ergebnis war so, dass es keine Notwendigkeit gibt, den Entwurf zu verändern. Darüber kann man diskutieren, meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann man vielleicht anders sehen, aber dies wird dann bei der Beratung des Gesetzes zu diskutieren sein. Ich kann feststellen, Punkt 2 Ihres Antrages ist erledigt, weil die Landesregierung sich mit dieser Rechtsprechung auseinandergesetzt hat und zu ihrem genannten Ergebnis gekommen ist.

Der nächste Punkt – und da ist allerspätestens das Zurückziehen angesagt – sagt, die Landesregierung möge diesem Parlament doch bitte eine „Formulierungshilfe“ vorlegen. Nun darf ich daran erinnern, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir erst vor Kurzem durch die kommunalen Verbände darauf aufmerksam gemacht worden sind, dass ihnen eine Formulierungshilfe gar nicht so lieb ist, sie möchten lieber einen ordentlichen Gesetzentwurf. Das kann ich vielleicht aus Sicht der kommunalen Verbände verstehen. An diesem Punkt ist es so, dass wir keine Formulierungshilfe bekommen, sondern einen in einem ordentlichen Verfahren durch die Landesregierung beschlossenen Gesetzentwurf, was deutlich mehr ist als eine Formulierungshilfe. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, beim Punkt II.1. Ihres Gesetzentwurfes sollten Sie wirklich überlegen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Antrag! Antrag!)

ob Sie den aufrechterhalten und eine Landesregierung, die einen Gesetzentwurf vorlegt, auffordern wollen, gleichzeitig eine Formulierungshilfe vorzulegen. Das hielte ich doch für ausgesprochen ungewöhnlich. Vielleicht denken Sie darüber nach.

Und im Punkt II.2. wollen Sie, dass wir die Kommunen bitten, Bescheide bis zu einer endgültigen Beschlussfassung in bestimmten Fällen auszusetzen. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass

die Körperschaften, denen Beitragsbescheide obliegen, in eigener Verantwortung mit der Tatsache umgehen werden, dass hier über dieses Thema diskutiert wird, und sich entsprechend verhalten werden.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf, Pardon, dieser Antrag der Fraktion DIE LINKE, sollte zurückgezogen werden. Er ist durch den Zeitablauf einfach überholt. Wenn Sie damit, lieber Kollege Ritter, vor zwei Monaten gekommen wären, dann hätte das Ganze ja vielleicht noch einen gewissen Sinn gemacht,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dann hätten Sie ihn auch abgelehnt, Herr Müller.)

heute macht es keinen Sinn mehr.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Erzählen Sie doch keine Märchen! Dann hätten Sie ihn auch abgelehnt, vor zwei Jahren oder vor drei Jahren. Das ist doch irrelevant, so eine Bemerkung.)

Lieber Kollege Ritter, vielleicht sagen Sie mir mal, wo die Glaskugel steht, in die Sie immer gucken,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das sind die Erfahrungen, Herr Müller.)

um solche Prognosen zu machen,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Dazu brauchen wir keine Glaskugel.)

was gewesen wäre, wenn Sie vor zwei Monaten einen Antrag vorgelegt hätten, was wir denn vor zwei Monaten damit gemacht hätten.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Ich verfüge über diese Glaskugel leider nicht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich brauche keine Glaskugel, ich habe die Realität vor Augen, Herr Müller.)

Ich kann nur sagen, heute legen Sie uns einen Antrag vor, der absolut überholt ist, und ich weiß nicht, warum Sie ihn aufrechterhalten.

(Beifall Michael Silkeit, CDU – Dietmar Eifler, CDU: Richtig. – Peter Ritter, DIE LINKE: Weil er richtig ist und weil er nicht erledigt ist.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie bereits angekündigt, möchte ich aber nicht nur zum Antrag der Fraktion DIE LINKE etwas sagen, sondern ein bisschen in die Problematik einsteigen, denn ich bin mir ganz sicher, dass uns das Thema „Abgaben und Beiträge“ insbesondere für Abwasser, aber auch für andere Bereiche in den nächsten Monaten und vor allen Dingen in den nächsten Jahren durchaus noch sehr intensiv beschäftigen wird.

Zunächst hat uns das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil sehr deutlich gemacht, dass wir eine Höchstgrenze bei der Erhebung von Beiträgen definieren müssen. Ich halte dies für sinnvoll, ich halte dies für

nachvollziehbar, und der Gesetzentwurf, den uns die Landesregierung vorlegt, setzt dies um und legt eine solche Höchstfrist fest. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November letzten Jahres wird offenkundig unterschiedlich bewertet. Der Innenminister hat hier seine Bewertung abgegeben und ich fand das Ganze nachvollziehbar und sehr schlüssig, dass wir aufgrund einer veränderten Situation in der Rechtsprechung zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg in einem relevanten Punkt unterschiedliche Situationen haben und hatten und von daher nicht einfach mechanisch das, was für Brandenburg geurteilt worden ist, auch für Mecklenburg-Vorpommern anwendbar ist.

Nun will ich Ihnen gerne zugestehen, liebe Kollegin Rösler, dass Sie das vielleicht anders bewerten, aber ich denke, es wird die Aufgabe der Anhörung im Innenausschuss sein, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen und zu einer Meinung zu kommen. Da gehört es eigentlich hin und nicht in die heutige Debatte. Eines möchte ich aber sehr klar zum Ausdruck bringen, weil es inzwischen offene Briefe und andere Meinungsäußerungen gibt, die an diesem Punkt der Auffassung sind, wir könnten doch die Gelegenheit nutzen, um jetzt sozusagen alles wieder zurückzudrehen, die gesamte Finanzierung unserer Abwasserentsorgungsanlagen noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, uns von dem Beitragsmodell abzuwenden, es rückabzuwickeln und das alles über Gebühren zu finanzieren: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte solche Überlegungen und Gedanken für wenig zielführend.

Frau Rösler, Sie haben vorhin gesagt – da kann ich Ihnen nur beipflichten –, häufige Rechtsänderungen schaden dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in dieses System öffentlicher Abgaben. Ich denke, wenn man über 15 Jahre lang ein System zur Finanzierung öffentlicher Einrichtungen praktiziert hat, es dann – und wie ich finde, ohne Not – über Bord zu werfen, alles mit ungeahnten, auch bürokratischen Folgen rückabzuwickeln, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann nicht zielführend sein. Wir werden es nicht tun. Ich glaube, wir sind vielmehr gehalten, nicht so sehr auf die Finanzierungsfragen der Vergangenheit zu schauen, sondern auf die nahe Zukunft.

Wir haben die Situation, dass viele unserer Abwasseranlagen in den 90er-Jahren errichtet, hergestellt oder gebaut worden sind und dass ein großer Teil dieser Anlagen eine technische Laufzeit von circa 25 Jahren hat. Das führt dazu, dass wir in den nächsten Jahren zu einem erheblichen Erneuerungsbedarf kommen werden. Das bezieht sich weniger auf das Leitungssystem, sondern vor allen Dingen auf technische Einrichtungen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es in vielen Fällen nicht so gelaufen ist, wie es das Idealmodell vorsieht, dass nämlich über die Abschreibungen, die Teil der Gebührenrechnungen sind, hier die notwendigen Rücklagen erwirtschaftet worden sind, um diese Erneuerungen zu finanzieren.

Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, stellt sich dann die Frage, wie wir diese Einrichtungen, die in fünf, acht oder zehn Jahren zu erneuern sind, finanzieren wollen. Das KAG enthält hier den Begriff des Erneuerungsbeitrags. Ich denke aber, bevor wir in die Anwendung eines solchen Begriffes steigen, sollten wir uns doch einmal darüber verständigen, ob wir dieses Instrument wirklich für sinnvoll halten. Die Sinnhaftigkeit wird

von verschiedener Seite sehr bezweifelt und ich selbst habe auch meine Zweifel, ob wir hier den richtigen Weg gehen. Damit stellt sich allerdings die Frage, wie wir es denn anders finanzieren wollen, wenn uns das Instrument des Erneuerungsbeitrags nicht geeignet erscheint.

Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir uns einer solchen Frage zuwenden und versuchen, in der Zukunft Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen, die uns sonst sicherlich ganz viel Ärger machen würden und zu sehr vielen – wie ich fürchte – Ungerechtigkeiten führen würden, dann würden wir unserer Aufgabe gerecht, etwas Vernünftiges für dieses Land zu beschließen, aber nicht, indem wir Anträge beschließen, die inzwischen völlig überholt sind und eigentlich nur noch für die Akte taugen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Herr Müller.