Protokoll der Sitzung vom 22.04.2016

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Suhr.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Waldmüller für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, ich denke mal – Sie haben es selbst gesagt – der Antrag ist zustande gekommen beim Mieterbund in Wismar, glaube ich, war es,

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Angekündigt dort, angekündigt, Herr Waldmüller!)

wo Sie beide kurzerhand abgeklatscht haben und sagten, so, dann machen wir daraus noch mal einen Antrag, den 27.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir machen nicht so eine Politik wie Sie. Nicht schnacken, sondern tun!)

Da liegt er jetzt vor, der Antrag. Er müsste nur noch nachgebessert werden in dem Punkt 2a, denn da reden Sie immer noch von den Erhebungen auf zehn Jahre. Mittlerweile liegen die Vorlagen bei acht Jahren. Also da müssten Sie noch mal korrigieren.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Dann machen Sie doch einen Änderungsantrag!)

Ja, was ist denn neu im Vergleich zu dem anderen? Wir haben erstens einen neuen Aspekt, dass zu dem in Punkt 1 des Antrages formulierten Aspekt nun tatsächlich aus Bürgerschaften Anträge vorliegen. Die kommunalen Selbstverwalter sind also im Dialog mit der Stadt, um genauer zu sagen, mit den Oberbürgermeistern. Die Anträge liegen jetzt dem Wirtschaftsministerium vor. Daran wird gearbeitet.

(Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben ja gehört, in welchem atemberaubenden Tempo.)

Ja, Moment! Daran wird gearbeitet, unabhängig davon, ob Sie hier einen Antrag einbringen oder nicht. Herr Glawe hat in seinen Ausführungen ja genannt, wie oft schon über Anfragen und über was weiß ich was informiert worden ist,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, warum wohl?)

dass, nachdem es auf die Länder übergegangen ist, die Mietpreisbremse umzusetzen ist und sobald ein Antrag vorliegt, auch, ich sage mal, die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden. Und ich führe gleich noch aus, …

(Der Abgeordnete Jürgen Suhr bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Machen wir es hinterher?

… denn ich führe noch aus, warum das auch nicht ganz so einfach ist. Dann können wir die Frage gern behandeln. Jetzt haben Sie mich glatt noch rausgebracht.

Fakt ist, dass das Wirtschaftsministerium unabhängig von irgendeinem Antrag selbstverständlich seiner Verpflichtung nachkommt und hier wirklich sorgfältig prüfen muss. Die Mietpreisbremse ist nämlich rechtlich, Herr Suhr, ein schwieriges Thema. Dazu muss man wissen, dass es Verbände gibt, die die Verfassungsmäßigkeit einer Mietpreisbremse infrage stellen, weil es hier ein Eingriff in die Vertragsfreiheit sein kann. Und wie Sie ebenfalls wissen, wird die Kompetenz zum Erlass einer Mietpreisbremsenverordnung den Landesregierungen zugewiesen.

Das ist ein im Wohnungsrecht seit Längerem bekanntes Gestaltungsinstrument und auch aufgrund der aufgeworfenen Frage der Verfassungsmäßigkeit ist ein solcher Eingriff voraussetzungsreich. Im Kern muss im entsprechenden Gebiet die Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum besonders gefährdet sein. Dem Verordnungsgeber steht beim Erlass einer solchen Verordnung ein vergleichsweise weiter Spielraum zu, der anhand von Indizien beantwortet wird. Hierzu verweise ich aus Zeitgründen nur auf Arnold Lehmann-Richter,

„Voraussetzungen und Kontrolle einer Gebietsverordnung zur Mietpreisbremse“, Seite 19.

Das zweite Neue in diesem Parlament, in diesem Plenum, ist auch der zweite Aspekt Ihres Antrages: Ende des letzten Jahres sind die Grundlinien zur weiteren Reform des Mietrechts aus dem Bundesjustizministerium bekannt geworden. Es werden dort verschiedene Ziele verfolgt, die nach meiner Einschätzung einer sehr kritischen Würdigung bedürfen. Denn mittelbar betreffen die Pläne des Bundesjustizministeriums einerseits die Investoren in Modernisierung – schon das wäre diskussionswürdig, ich verweise dazu aber an dieser Stelle nur auf die Ihnen zugegangenen umfangreichen Stellungnahmen, unter anderem auch den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern –, und neben der Modernisierung betrifft die Reform des Mietrechts, das steht auch im Antrag drin, aber auch die Möglichkeit der Investitionen in den Neubau.

Über genau diese Auswirkungen der Mietrechtsreform auf den dringend erforderlichen Neubau will ich jetzt zu sprechen kommen. Zunächst: Wofür brauchen wir einen Mietspiegel? Er ist eine Möglichkeit zur Ermittlung ortsüblicher Vergleichsmieten und er hat sich jahrzehntelang zum Beispiel als Option zur Ermittlung eines Mietpreises und zur Reduzierung von Rechtsstreitigkeiten bei Mietpreisfragen bewährt. Aktuell wird diese Vergleichsmiete als Mittelwert aus einem Zeitraum von vier Jahren errechnet. Die Bundesregierung plant, diesen Zeitraum auszudehnen. Hier gibt es aktuell Bewegungen. Es soll nun nicht mehr auf zehn, sondern auf acht Jahre ausgedehnt werden, das heißt konkret, statt von 2012 bis 2016 müsste der Mietpreis demnach von 2008 bis 2016 ermittelt werden.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Zugegeben, für einen Mieter klingt das zunächst verlockend, denn wenn der Zeitraum nicht vier, sondern acht Jahre umfasst, wirkt sich die Inflation quasi rückwirkend positiv auf den Mietpreis aus. Der Mietpreis würde nach diesem Verfahren auf dem Papier erheblich sinken. Und wenn der Mietpreis via Ermittlung über den Mietspiegel erheblich sinkt, stellt sich für jeden Vermieter die wirtschaftlich nachvollziehbare Frage nach Möglichkeiten der praxisnahen Bewertung, die es dann auch gibt. Anbieter einer Wohnung können zwar den Mietspiegel zur ungefähren Abschätzung des Mietzinses nutzen, sie können die Miete aber auch alternativ über eine unabhängige Mediendatenbank, mindestens drei vergleichbare Objekte oder ein Sachverständigengutachten feststellen. Naheliegend ist, dass diese Optionen verstärkt genutzt würden, da die tatsächlichen Mieten ja auch dann höher wären.

Was ist also mit den avisierten Änderungen für den Mieter zu befürchten? Es ist zu befürchten, dass Vermieter verstärkt zu dieser Möglichkeit der Mietzinsermittlung abseits eines Mietspiegels übergehen. Zwingende Folge einer Ausweitung der Datenerhebung für Mietspiegel wäre dann ein Bedeutungsverlust dieses Mietspiegels. Der zu befürchtende Bedeutungsverlust des Mietspiegels ergibt sich auch aus dem sehr viel größeren Aufwand bei der Ermittlung des Mietspiegels.

Hören Sie sich dazu bitte mal in der Wohnungswirtschaft um! Eines dürfte ja klar sein: In Mecklenburg-Vorpom-

mern existieren Mietspiegel vornehmlich in den Mittel- und Oberzentren. Fragen Sie vor Ort, warum der Aufwand in manchen Mittelzentren und in vielen Grundzentren als zu groß angesehen wird! Ganz einfach: Schon bei der aktuellen Ermittlung des Mietspiegels auf der Datengrundlage von vier Jahren gibt es nämlich einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Den aktuellen Aufwand will ich gar nicht kritisieren, aber natürlich wird dieser Bürokratieaufwand steigen, wenn wir die erforderliche Zeitreihe verdoppeln. Der Bedeutungsverlust des Mietspiegels als ein verlässliches Instrument zur Mietpreisermittlung durch dieses Gesetzesvorhaben von Heiko Maas ist also mit den Händen zu greifen.

Meine Damen und Herren, es lässt sich also mit einiger Berechtigung vermuten, dass dem Mietspiegel mit der Ausweitung der Datenerhebung ein Bärendienst erwiesen wird. Ich habe es gesagt, die Bedeutung wird eingebüßt. Vielleicht gäbe es ihn, wenn überhaupt, bald nur noch in den Oberzentren des Landes. Was aber bedeutet diese Änderung nun eigentlich für den Vermieter? Wir haben vor Kurzem dazu öffentlich die Studie des Center for Real Estate Studies zitiert. Sie errechnet eine zum Teil deutliche Absenkung der ortsüblichen Vergleichsmieten in den größeren Städten in Deutschland, und zwar ausschließlich unter der Annahme des veränderten Mietspiegels.

Relativ unabhängig davon, ob diese aktuelle Berechnung dann auch mittel- oder langfristig einträte, steht damit doch eines zu befürchten: Eine Ausweitung der aktuell gültigen Regelung würde aufgrund solcher Berechnungen zur Korrektur der Beleihungswerte der Immobilien führen. Leider wird ja nicht manipulativ eingegriffen in die Höhe der Baupreise. Logische Folge wäre, dass bei neuen Projekten mehr Eigenkapital notwendig ist, und das käme schlussendlich einem Investitionsverhinderungsprogramm gleich.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Es führt mittelfristig zwingend zu einer Verknappung des Wohnraumangebotes für die Mieter, also genau das Gegenteil von dem, was geboten wäre. Es ist Augenwischerei.

In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir, aus einer Pressemitteilung des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen zu zitieren. Der Geschäftsführer Andreas Breitner sagte am 12. April, Zitat: „Wir haben in jedem unserer drei Länder Vereinbarungen für mehr und schnelleren Wohnungsbau getroffen. In Hamburg das Bündnis für das Wohnen, in Mecklenburg-Vorpommern die Allianz für das Wohnen mit Zukunft und in SchleswigHolstein die Offensive für mehr bezahlbares Wohnen.“ Und weiter heißt es: „Wir fragen uns, wie wir diese Pläne bei solch massiven Eingriffen aus der Politik umsetzen sollen. Die Landesregierungen bauen keine Wohnungen. Das tun unsere Wohnungsunternehmen – noch. Das zweite Mietrechtspaket gefährdet die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen und damit die Neubau- und Modernisierungsaktivitäten. Dies wird in letzter Instanz auf den Mieter zurückfallen. Denn nur durch mehr Wohnungsbau kann der Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen begegnet werden.“

Das ist genau der Punkt. Nur der Bau von mehr Wohnungen erweitert das Angebot, setzt die Preise fest beziehungsweise runter oder hält sie eben stabil. Ich weiß

jetzt nicht, ob ein guter Zeitpunkt für ein Investitionsverhinderungsprogramm im Wohnungsbau derzeit gegeben ist, aber aktuell kommen solche Gedankenspielchen zur Unzeit, denn was wir stattdessen jetzt brauchen, ist ein gutes Investitionsklima für den Wohnungsbau.

Gestatten Sie mir abschließend noch eine Bemerkung aus unserer Landesperspektive: Im Magazin des privaten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentums MecklenburgVorpommern Haus & Grund vom März 2016 wird auf eine Argumentation des Referentenentwurfs zur Mietrechtsänderung abgestellt. Demnach argumentiert das federführende Bundesjustizministerium zu dem Thema der Mietspiegelerstellung, ich zitiere noch mal, „dass zu wenige Daten über Mieten vorliegen, weil viele Mietverträge länger als vier Jahre bestehen und deren Miete in dieser Zeit nicht angepasst wurde“. Man begründet die fehlenden Daten damit, dass es langfristige Mietverträge gibt, und daraus schließt man, dass man jetzt den Erhebungszeitraum verlängert. Wir wissen aber unter anderem aus Gesprächen mit Vertretern von Haus & Grund, dass diese Mietpreisstabilität gerade auf private Vermieter in Mecklenburg-Vorpommern zutrifft. Dazu gibt es auch repräsentative Umfragen: 30 Prozent der Vermieter erhöhen die Miete ausschließlich beim Mieterwechsel. Dieses soziale Verhalten privater Vermieter darf doch jetzt nicht als Argumentationsgrundlage genommen werden, um die ortsübliche Vergleichsmiete durch die Verlängerung des Erhebungszeitraums künstlich kleinzurechnen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Die hoffen alle auf die christlichen Werte.)

Das passt doch alles hinten und vorne nicht zusammen, das ist einfach nur noch paradox.

Meine Damen und Herren, wir haben mit Blick auf dieses Gesetz vor einiger Zeit öffentlich von Marktmanipulation gesprochen. Eine Marktmanipulation liegt dann vor, wenn unfaire Maßnahmen die Preisfindung auf Märkten beeinflussen, um ungerechtfertigte Gewinne zu erzielen. Ich glaube, mit diesem Gesetzentwurf soll der Markt aber zum Zwecke politischer Gewinne, nämlich Stimmenzuwächse, manipuliert werden. Der Mietspiegel ist aber ein befriedendes Element für die Mietparteien. Wer aus dieser Situation unbedacht politischen Gewinn erzielen möchte, gefährdet nicht nur Investitionen, sondern die Verlässlichkeit des Mietspiegels selbst.

(Beifall Egbert Liskow, CDU)

Wir wollen nicht, dass mit dem Mietspiegel ein manipulativer Wettkampf um die politische Wunschmiete losgetreten wird. Diese Forderung müssen wir nach Berlin schicken, anstatt hier den Jubelperser für unausgegorene Gesetzesentwürfe zu spielen.

Den Antrag lehnen wir ab. Insbesondere zu Punkt 2 sind wir exakt gegenteiliger Auffassung. Am Montag haben wir auch unter anderem zur Mietrechtsnovelle eine Schweriner Erklärung der wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion beschlossen. Den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen, Haus & Grund, verschiedene Wohnungsbaugesellschaften und die CDU/CSU- Bundestagsfraktion haben wir heute mit einem Schreiben über alle aus dem Landtag heraus initiierten Initiativen zur Mietrechtsnovelle unterrichtet, meine Damen und Herren.

Ich gehe mal davon aus, Herr Suhr, Ihre Frage ist, ob ich das Hausaufgabe nenne, wenn das Ding drei Monate liegt. Ansonsten würde ich jetzt fertig sein mit meiner Rede, und wenn Sie noch möchten, können Sie gern die Frage stellen. Bitte.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Dann übergebe ich jetzt das Mikro an Herrn Suhr.

Recht herzlichen Dank, Herr Waldmüller.

Meine Frage orientiert in der Tat auf den Komplex. Ich frage Sie, ob Sie davon ausgehen, dass angesichts der Tatsache, dass das Wirtschaftsministerium drei Monate gebraucht hat, um die Daten zu identifizieren, die zu erheben sind, jetzt eine deutlich beschleunigte Bearbeitung angestrebt wird.

Ich gehe davon aus, und so sind wir das auch gewohnt, dass das Wirtschaftsministerium grundsätzlich seine Hausaufgaben macht. Aber es ist eben nicht einfach. Ich habe versucht zu erklären, warum eine Mietpreisbremse in der Begründung auch rechtlich sehr schwierig ist. Deswegen muss man wirklich seine Hausaufgaben machen, man muss die Datenerhebung machen, man muss regional begrenzen, damit es auch rechtssicher ist. Ich bin davon überzeugt, dass das Wirtschaftsministerium das sehr gewissenhaft und zügig machen wird.

(Beifall Egbert Liskow, CDU)

Darf ich eine Nachfrage stellen?

Bitte, Herr Suhr.

Ist denn nach diesen Ausführungen davon auszugehen, dass dem Ministerium gar nicht bekannt war, welche Daten zu erheben sind, wenn es drei Monate gebraucht hat, um sie zu definieren?