Protokoll der Sitzung vom 14.03.2012

Und jetzt ist es egal, ob sie reihenweise ihre Existenzgrundlage verlieren? Die Presselandschaft war und ist voll von solchen Meldungen. Das ist nicht nur ein planloses, hektisches Vorgehen der Bundesregierung, ich nenne das völlig verantwortungslos. Ich kann nur hoffen, dass die Bundesländer nach dem Bundestagsbeschluss den Vermittlungsausschuss anrufen und dass Mecklen

burg-Vorpommern dabei an der Spitze der Bewegung steht. Aber vermutlich wird auch das nicht passieren.

Die öffentliche Debatte um die Förderung der Solarindustrie und deren Anwender ist geprägt von Wahrheiten, Halbwahrheiten, Unterstellungen und Weglassen.

(Torsten Renz, CDU: Ja, genau.)

Die Wahrheit ist, dass die Hersteller von Fotovoltaikzellen und -modulen in Deutschland spätestens seit 2010 in einer großen Krise stecken. Auf dem globalen Markt gibt es ein großes Überangebot, befeuert von neuen Herstellern, vor allem aus Asien.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Diese werden von ihren Regierungen und Banken mit viel billigem Geld versorgt und haben so einen längeren Atem. Kann aber die Antwort auf diese Staatsunterstützung einer Zukunftsbranche in China das Weglassen der Unterstützung der Zukunftsbranche in Deutschland sein? – Wir sagen Nein.

Wahrheit ist auch, dass der technologische Vorsprung der deutschen Hersteller schmilzt. Sie können kaum noch Kapital für weitere Forschung und Entwicklung bereitstellen. Minister Rösler sagt, dass ein massiver Zubau von Fotovoltaikanlagen strompreissteigernde

Wirkung hat. Ja, die Förderung von Fotovoltaik hat eine strompreissteigernde Wirkung, aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Herr Rösler lässt, wie alle Gegner von Fotovoltaik, die strompreissenkende Wirkung erneuerbarer Energien an der Strombörse, den sogenannten MeritOrder-Effekt, völlig außer Acht. Außerdem werden weitere Strompreistreiber verschwiegen. Die Bundesregierung treibt selbst den Preis durch ausufernde Entlastungen der energieintensiven Industrie in die Höhe.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Die größten Energieverbraucher werden bei der Öko- steuer, den Netzentgelten der EEG-Umlage und beim Emissionshandel kräftig entlastet. Für 2012 wird das hübsche Sümmchen von mehr als 10 Milliarden Euro zusammenkommen. Diese Kosten werden die Privathaushalte und kleine und mittelständische Unternehmen bezahlen. Mindestens ein Drittel der Strompreissteigerungen geht auf diese Entlastungen zurück. Begründet wird dies alles mit der notwendigen Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie. Allerdings wurde das bei keiner Ausnahmeregelung im Detail geprüft, in der Summe der Entlastungen sowieso nicht.

Aber ist es nicht völlig logisch, dass diese direkten und indirekten Subventionen die Umstellung auf klimafreundlichere Industrieprozesse verzögern? Es gibt ja gar keinen Grund, sich anzustrengen, wenn man nur die Worte „Verlust der Wettbewerbsfähigkeit“ in den Mund nehmen muss. Wenn die Bundesregierung es mit einer Begrenzung des Strompreisanstieges wirklich ernst meinen würde, sich also Sorgen um das Portemonnaie der kleinen Leute machte, dann sollte sie endlich wieder eine wirksame Strompreisregulierung einführen. Planlose übermäßige Kürzungen bei der Solarförderung sind der falsche Weg. Sie sind das Gegenteil von dem, was seit Monaten von der Branche berechtigterweise gefordert wird: Planungssicherheit. Es zeugt außerdem nicht gerade von sehr viel Vertrauen in die eigene Politik, wenn

keine acht Wochen nach Inkrafttreten der letzten umfassenden EEG-Novelle bereits weitere Kürzungen vorangetrieben werden.

In CDU und FDP – gerade dort gibt es viele Stimmen, die die derzeitige Situation der Modulhersteller als Teil eines natürlichen Konsolidierungsprozesses verstehen. Meine Partei und ich haben auch in diesem Punkt eine andere Auffassung. Erstens wollen wir auch in fünf Jahren noch Produktionsstätten aus möglichst allen Teilen der Wertschöpfungskette einer zentralen Branche für den sozialökologischen Umbau wie bei der Fotovoltaikindustrie in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern haben. Und zweitens – hier setze ich mal bewusst meine ostdeutsche Regionalbrille auf – sind große Teile der PVModul- und -Zellenproduzenten in Regionen Ostdeutschlands angesiedelt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist richtig, ja.)

Übrigens kommen auch neueste Forschungsergebnisse aus Ostdeutschland. Vor 20 Jahren haben wir schon einmal den Zusammenbruch der örtlichen Industrie erleben müssen.

(Michael Andrejewski, NPD: Wer hat das wohl verschuldet?)

Die Fotovoltaikindustrie stellte und stellt eine Art Neu- anfang für diese Teile Ostdeutschlands dar. Ein abermaliger Niedergang eines ganzen Industriezweiges wäre für die Menschen vor Ort fatal. Und wenn Sie das auch so sehen, dann könnten Sie ja in der Debatte zu unserem Antrag, den wir gemeinsam mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellt haben, noch zustimmen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Schwenke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Waldmüller für die Fraktion der CDU.

(Vincent Kokert, CDU: Stell noch mal die Gemeinsamkeiten der Großen Koalition dar!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei dem Thema, das wir heute in der Aktuellen Stunde haben, ist selbstverständlich zu erwarten, dass wir unterschiedliche Auffassungen haben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist ja auch in Ordnung.)

Und allein die Überschrift suggeriert Ängste, kündigt den Zusammenbruch der Fotovoltaikwirtschaft an und des damit verbundenen Handwerks. Ich möchte hier einmal sachlich dagegen argumentieren.

Ich möchte vorausschicken, dass die Energiewende, auf die sich ja im Zweifel alle beziehen, für mich das Ziel hat, deutsche Wettbewerbsfähigkeit auf den Märkten zu erhalten. Dazu brauchen wir eine Versorgung, die unabhängig von politischen Entwicklungen in erdölexportie

renden Ländern ist und unabhängig gegenüber Rohstoffmärkten. Diese fossilen Brennstoffe sind endlich. Dieser Endlichkeit entgegenzutreten und eine bezahlbare Energieversorgung für den Verbraucher zu sichern, ist Sinn und Zweck der Energiewende.

Meine Damen und Herren, Herr Borchert hat es gesagt: Am 6. März haben die Koalitionsfraktionen den Entwurf des ausschlaggebenden Gesetzes, das Gesetz zur Änderung des Rechtsrahmens, in den Deutschen Bundestag eingebracht. Die Erste Lesung fand statt. Sinn und Zweck dieses Gesetzes ist es:

1. die Vergütung für Fotovoltaik an die gesunkenen

Systempreise anzupassen,

2. die Kosten für alle Verbraucher zu begrenzen und

3. den erheblichen Zubau von Fotovoltaik mit der derzei

tigen Überförderung zu begrenzen.

Doch zunächst möchte ich festhalten, dass die Förderung der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren aufgrund des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ein Erfolgsmodell ist. Und gerade im Bereich der Fotovol- taikanlagen hat sich der Energieanteil seit dem Jahr 2009 verdreifacht. Insgesamt werden in Deutschland 25 Gigawatt aus Fotovoltaikanlagen ins Netz gespeist, davon wurden allein im Jahr 2011 7.500 Megawatt zugebaut.

Und zur Wahrheit gehört auch, dass sich die Fotovoltaikförderung auf eines der sonnenärmsten Länder der Welt konzentriert. 50 Prozent der weltweiten Anlagen stehen in Deutschland und kosten den Bürger jährlich 6 Milliarden Euro, und das 20 Jahre lang. Die derzeitige Umlage aus dem EEG für alle erneuerbaren Energien beträgt 3,592 Cent und wenn Sie das Brutto nehmen, sind das für den Endverbraucher über 4 Cent. Daher ist es wichtig, dass die bestehende Förderung stetig überprüft wird, ob sich die erneuerbaren Energieträger im Energiemarkt integrieren und die Verbraucherpreise durch den erneuerbaren Energieträger verträglich bleiben. Wenn das nicht der Fall ist, riskieren wir die Akzeptanz der Bevölkerung, die derzeit bei 98 Prozent liegt.

Aber sehen wir uns das näher an: Heute werden 56,2 Prozent der EEG-Umlage für die Förderung der Fotovoltaik verwendet. Das entspricht in etwa 1,8 Cent der umgelegten EEG-Förderung. Anders ausgedrückt, der Endverbraucher bezahlt bei Windkraft 38 Euro je Megawattstunde und für Fotovoltaik 307 Euro pro Megawattstunde. Und in Mecklenburg-Vorpommern bedeutet dies, dass wir mit Wind derzeit 46 Prozent des Stroms produzieren und mit der Solarerzeugung, wovon 78 Prozent Fotovoltaikanlagen sind, 3 Prozent. Wer hier keine Schieflage erkennt, der verkennt die objektiven Kriterien.

(Beifall vonseiten der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD)

Deshalb ist es meines Erachtens nicht nur sinnvoll, sondern geradezu notwendig, die Vergütung für den Fotovoltaikstrom an die gesunkenen Systempreise anzupassen. Um das geht es: die Anpassung an die gesunkenen Systempreise und somit die Kosten für den Endverbraucher zu senken. Gleichzeitig kann mit einer solchen Maßnahme langfristig sichergestellt werden, dass Arbeitsplätze und Wertschöpfung dieser Zukunftsbranche in Deutschland erhalten bleiben.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Meine Damen und Herren, ich hatte es schon gesagt, dass wir derzeit eine Zustimmung zur angeschobenen Energiewende von 98 Prozent in der Bevölkerung haben. Diese Akzeptanz darf nicht durch überdurchschnittliche Belastungen auf der einen Seite oder Gewinnmitnahme auf der anderen Seite infrage gestellt werden. Es wird immer weggelassen, dass immer der profitiert, der ein Dach über dem Kopf hat.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Meine Damen und Herren, vielfach wird der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf vorgeworfen, dass sie den Vertrauensschutz missbraucht. Klar ist, das hatten Sie ausgeführt, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineingekommen ist. Und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat schon jetzt das Inkrafttreten der Absenkung für Fotovoltaikdachanlagen vom 9. März auf 1. April und gleichzeitig auch die Regelung für Fotovoltaikfreiflächenanlagen auf den 1. Juli verschoben.

Meine Damen und Herren, viele sehen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den Abbau von Arbeitsplätzen und den Verlust von Wertschöpfung einhergehen. Aber es muss klar sein, dass der Markt für Fotovoltaikanlagen ein Massenmarkt ist, der nicht dauerhaft subventioniert werden kann. Und dann kommen wir zu den Anlagenpreisen. Schon in den zurückliegenden Jahren haben zahlreiche Unternehmen, welche Solaranlagen produzieren, Schwierigkeiten gehabt. Die Produktion von Solarmodulen ist in Südostasien weitaus preiswerter und in gleicher Qualität möglich. Vor diesem Hintergrund entscheiden sich viele Investoren für Produkte aus diesen Ländern. Die weitere Subventionierung der Produktion durch das EEG würde also überhaupt kein Problem der Anlagenhersteller lösen, sondern lediglich Arbeitsplätze in China oder Indien subventionieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Wettbewerb der Anlagenhersteller kann eben nicht durch das EEG geregelt werden. Und für das Handwerk und die Investoren spielt es hingegen keine Rolle, wo die Anlagen produziert werden. Hier ist es für das Handwerk entscheidend, dass weiter in Anlagen investiert wird, und für den Investor, dass er weiterhin eine Rendite erwirtschaftet.

Solaranlagen kosten derzeit mit durchschnittlich 2.000 Euro pro Kilowattstunde lediglich halb so viel wie 2009. Das muss man auch zur Kenntnis nehmen. Nach der Strompreisformel können solche Systeme eine Kilowattstunde schon für 18 Cent herstellen, das heißt, die Kilowattstunde ist 3 Cent preiswerter als die im Netz, was für den privaten Endkunden derzeit 21 Cent pro Kilowattstunde ausmacht. Das heißt, der Strom vom Dach ist durch den Preisrutsch der Module günstiger als der aus der Steckdose. Jetzt wird es erstmalig interessant, den Strom selbst zu verbrauchen.

Freiflächenanlagen werden auch heute schon ohne Förderung geplant und errichtet. Vor diesem Hintergrund werden auch in Zukunft Handwerksbetriebe Solarmodule auf deutschen Dächern und Freiflächen installieren. Aber noch einmal, der zentrale Punkt ist doch: Ist eine Fotovol

taikanlage trotz der Degression der Einspeisevergütung weiterhin eine gute Investition? Da sage ich natürlich Ja, weil das Absinken der Modulpreise das Absinken der Vergütung aufhebt, somit die Wirtschaftlichkeit der Investition gegeben ist und somit auch weiter investiert wird und Aufträge für das Handwerk erteilt werden.

Langwierig sagen wir uns, na gut, das ist so, dann haben wir eben jetzt nicht 11 Prozent Rendite, sondern 7 Prozent. Und ich frage Sie: Ist das wirklich schlecht? Weitere Investitionen gehen unvermindert weiter, beispielsweise führt die Firma BELECTRIC hier in Tramm eine Investition von 250 Hektar bei einer Freiflächenanlage durch. Die Aussage, der Untergang der Fotovoltaik oder die Abkehr von der Energiewende ist schlichtweg Angstmacherei.

Meine Damen und Herren, mit der Anpassung bei der Vergütung der Fotovoltaikanlagen werden die Voraussetzungen für einen Energiewandel, den Erhalt von Arbeitsplätzen, den Erhalt der Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung geschaffen. Dieses Gesetzesvorhaben ist Grundlage dafür, dass sowohl die Interessen der Solarwirtschaft, der Handwerker und der Verbraucher in Einklang gebracht werden. Wenn Sie so wollen, haben wir eine Umverteilung der Besitzenden auf die Allgemeinbevölkerung, die ja Kosten des EEG trägt. Das ist gewollt, das ist richtig und deshalb ist das Gesetzesvorhaben ein Gesetz zugunsten der Verbraucher.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genauso ist es.)