Protokoll der Sitzung vom 06.07.2016

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Stramm.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Auch im Gesetzentwurf der Landesregierung für psychisch Kranke ist vieles unkonkret und auslegbar. Es werden bei der Neufassung der Aufsichtsrechte der kommunalen Fachaufsicht, also den Landräten und Oberbürgermeistern, unbeschränkte Weisungsrechte gegenüber den psychiatrischen Abteilungen und den entsprechenden Krankenhäusern eingeräumt. Ebenso gibt es eine unbeschränkte Einsicht in die Krankenakten. Das widerspricht nach unserer Auffassung der ärztlichen Therapiefreiheit und es widerspricht der ärztlichen Schweigepflicht.

Man muss sich das vorstellen: Ein Mensch wird wegen einer psychiatrischen Erkrankung in einer Einrichtung behandelt und völlig Fachfremde können in die Krankenakte einsehen und möglicherweise auch in die Therapie eingreifen.

(Julian Barlen, SPD: Haben Sie sich mit der Thematik beschäftigt? – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich werden die Verfechter dieses Gesetzentwurfes jetzt sagen, dazu kommt es nicht. Mit der Neufassung der Aufsichtsrechte haben Sie diese Fälle aber auch nicht ausgeschlossen. Durch ihren Gesetzentwurf macht die Landesregierung sie per se möglich. Und wenn wir dann noch bedenken, dass faktisch jeder psychisch erkranken kann – also auch jeder, der hier sitzt –,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und jede.)

dann wird die Notwendigkeit einer sauberen, eindeutigen Formulierung in einem Gesetzentwurf vielleicht deutlich. Darum geht es der Linksfraktion.

Wir haben umfangreiche Änderungen für diesen Gesetzentwurf vorgeschlagen. Damit griffen wir viele Empfehlungen der Sachverständigen aus der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf auf. Unser Haupteinwand ist, dass mit diesem Gesetzentwurf wieder die Regelungen für psychisch Kranke und denen für psychisch kranke und verurteilte Straftäter, die sich im Maßregelvollzug befinden, vermischt werden. Die Bestimmungen für Letztere werden nicht nur im sechsten Abschnitt geregelt – für diejenigen, die den Entwurf nicht so gut kennen, hier handelt es sich um den Maßregelvollzug –, sondern entsprechende Regelungen gibt es auch darüber hinaus, beispielsweise in den Paragrafen 17, 26, 32, 44, 46, 47 und 48.

Wer jetzt einwirft, diese Verbindung zweier Sachverhalte, also von psychisch Kranken und psychisch kranken Straftätern, gab es bereits im vorherigen, noch geltenden Gesetz, den möchte ich daran erinnern, dass genau das seit Jahren durch die Praktiker kritisiert wird. Das ergab auch die öffentliche Anhörung. Die Sachverständigen wünschen sich mehrheitlich eine Trennung der Materie in zwei Gesetzen. Dadurch würde ihre Arbeit erleichtert. Und ich frage nochmals: Warum wohl haben sich alle anderen Bundesländer, ausgenommen Sachsen, für eigenständige Gesetze für psychisch Kranke und für den Maßregelvollzug entschieden?

Der vorliegende Gesetzentwurf sollte überarbeitet werden. Angemessene und eindeutige Regelungen sollten nicht dem Bemühen der Landesregierung geopfert werden, auch diesen Entwurf noch in dieser Legislatur zu verabschieden. Ein solches Ansinnen lehnt die Linksfraktion ab. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Schubert.

Frau Präsidentin! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf wird das Psychischkrankengesetz novelliert. Das war notwendig, weil es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesgerichtshofes eine Novellierung des PsychKG M-V geben musste.

Im Sozialausschuss wurde eine Anhörung mit Fachexperten durchgeführt. Daher bedanke ich mich insbesondere bei den Sachverständigen, die im Rahmen der Anhörung mit ihrem Wissen und auch mit kritischen Hinweisen bei der Erörterung des Gesetzes mitgeholfen haben.

Die Fachexperten haben konstruktiv über das Gesetz diskutiert. Unstimmigkeiten gab es insbesondere bei der Erstellung eines Gesetzes, welches Maßregelvollzug und PsychKG in sich vereint. Das hat auch schon Frau Stramm gesagt. Ein Großteil sprach sich für zwei Gesetze aus, mit denen der Maßregelvollzug und PsychKG getrennt werden würden. Auch das Weisungsrecht des Landrates brachte Diskussionsbedarf.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Uneingeschränkt.)

Aber trotz Kritik ist das Gesetz immer noch besser als keine neue Fassung,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na ja, das macht es trotzdem nicht gut, Herr Schubert.)

das sagte auch ein Experte. Es sind viele neue, gute Regelungen im Gesetz enthalten. Die Praxis wird zeigen, wie es sich umsetzen lässt. Danach kann man immer noch mal darüber nachdenken, ob man an der einen oder anderen Stelle nachjustieren sollte.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie können ja unserer Entschließung zustimmen.)

Durch den Änderungsantrag der SPD und der CDU sind wir den Forderungen der Anzuhörenden nachgekommen. Und – das ist bemerkenswert – sogar GRÜNE und LINKE stimmten dem Änderungsantrag zu.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, so sind wir. Wir lehnen nicht alles ab, was die Koalition auf den Weg bringt.)

Umso erstaunter war ich am Ende, dass Sie das Gesetz im Ganzen aber im Sozialausschuss ablehnten.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, wir haben es verbessert.)

Es ist doch bei Ihnen durchgedrungen, dass die Neufassung besser ist, was der Experte sagte,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat doch keiner bestritten, Herr Schubert.)

als das alte Gesetz und viele gute Regelungen enthält.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat doch keiner bestritten.)

Wir werden dem Gesetz zustimmen.

(Beifall Torsten Renz, CDU – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat doch keiner bestritten, Herr Schubert.)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gajek.

(Harry Glawe, CDU: Dauerrednerin.)

Ja, so ist das.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Schubert, das hat gar keiner bestritten, dass das Gesetz mit den Änderungsvorschlägen besser geworden ist, dennoch ist es nicht gut.

(Egbert Liskow, CDU: Dann loben Sie doch einmal! – Zuruf von Bernd Schubert, CDU)

Wir haben gesagt, wir stimmen dem zu, aber wir haben Kritikpunkte. Deshalb haben wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch unseren Änderungsantrag aufrechterhalten und haben ihn noch mal ergänzt. Dazu würde ich gerne ein paar Ausführungen machen.

(Torsten Renz, CDU: Bitte schön!)

Und zwar, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Privatisierung des Maßregelvollzuges und zur ärztlichen Zwangsbehandlung macht in der Tat eine Neufassung unseres Psychischkrankengesetzes erforderlich, das steht außer Frage. Problematisch ist nur, wie diese Neufassung nun erfolgt.

Die Landesregierung hat im Februar dieses Jahres den Entwurf eines Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Krankheiten in den Landtag eingebracht, in dem zugleich auch der Maßregelvollzug geregelt wird. Dadurch soll, so die Landesregierung, eine möglichst weitgehende Einheitlichkeit der beiden Rechtsbereiche hergestellt werden. Genau das war unsere Kritik.

Und, Herr Schubert und auch Herr Barlen und Frau Stramm, Sie erinnern sich sicher an die Ausführungen des Landesverbandes der Angehörigen und Freunde psychisch Kranker, der genau diesen Punkt angesprochen hat, nämlich die Stigmatisierung von psychisch kranken Menschen, die damit möglicherweise verstärkt wird, aber dem nicht entgegenwirkt.

(Zuruf von Bernd Schubert, CDU)

Und Gleiches – oder Ähnliches, aber mit der Intention gleich – sagte Herr Speck vom Landesverband Sozialpsychiatrie.

Ich verstehe das PsychKG so, dass es letztendlich auch darum geht, dass nicht jeder psychisch Kranke in eine psychiatrische Klinik eingeliefert werden wird. Von daher hat der Sozialpsychiatrische Dienst eine herausragende Rolle und so sind eben auch unsere Anträge zu verstehen. Wir setzen uns dafür ein, dass es einen Krisendienst gibt, der insbesondere für die ländlichen Räume perspektivisch wichtig ist, sodass sich dort Menschen mit psychischen Erkrankungen hinwenden können. Wir wissen alle, wenn der Sozialpsychiatrische Dienst möglicherweise nur pflichtbesetzt ist, dass es dann gerade in den ländlichen Räumen mit den großen Entfernungen Schwierigkeiten gibt. Und die Inaugenscheinnahme durch den Oberbürgermeister/die Oberbürgermeisterin oder den Landrat erfolgt ja immer auch stellverstretend. Ich denke, dass es dort noch Verbesserungsbedarf gibt. Zugleich ist der Sozialpsychiatrische Dienst eben nicht geregelt. Der muss dann wie arbeiten, wie müssen die Öffnungszeiten sein? Da sind sehr viele offene Fragen.

Neu in unserem Änderungsantrag, und das werden Sie sicher festgestellt haben, ist die Beratungs- und Beschwerdestelle, die wir in Paragraf 6 vorschlagen. Das ist auch der Punkt, den der Sachverständige von dem Landesverband der Angehörigen und Freunde psychisch Kranker vorgestellt hat. Wir haben das als sehr wichtig angesehen, dieses perspektivisch umzusetzen. Ich gehe davon aus, dass unser Änderungsantrag nicht die Zustimmung der CDU und SPD finden wird. Nichtsdestotrotz, denke ich, ist es etwas, was diskutiert werden muss.

(Torsten Renz, CDU: Da haben Sie jetzt zweimal recht.)

Von daher halten wir unseren Änderungsantrag eben für sehr, sehr wichtig.

Vielleicht, Herr Renz, ist es gut, mal erst die Sachen zu lesen und sich dann zu äußern.

(Torsten Renz, CDU: Nee, ich habe gesagt, Sie haben zweimal recht.)

Ach so, ich habe recht?!