Es bleibt allerdings nicht nur bei der Untätigkeit von SPD und CDU, es ist in diesem Jahr auf europäischer Ebene sogar noch zu einer Verschlechterung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber gekommen. Das muss hier auch mal deutlich gesagt werden. Denn die Große Koalition im Europaparlament hat mit einer europäischen Richtlinie Tür und Tor für die Bestrafung von Whistleblowern geöffnet. Auch Journalistinnen und Journalisten befürchten mit der Verabschiedung der sogenannten Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung erhebliche Einschnitte für ihre Arbeit. Dabei ist die Arbeit der Medien so essenziell für eine funktionierende Demokratie.
Neben Journalistenverbänden und netzpolitischen Nichtregierungsorganisationen haben sich aber auch die Gewerkschaften zu Wort gemeldet und die deutschen Abgeordneten im Europaparlament dazu aufgefordert, die genannte EU-Richtlinie nicht zu verabschieden, denn auch die Gewerkschaften befürchten, dass Unternehmen die Richtlinie dazu nutzen werden, Missstände in ihren Betrieben einfach als Geschäftsgeheimnisse zu deklarieren und somit die Möglichkeit zu eröffnen, Personen hart zu bestrafen, die diese Missstände in die Öffentlichkeit bringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es waren also nicht nur die üblichen netzpolitischen Lobbyverbände, die die Richtlinie stark kritisiert haben, es war ein großer Teil der europäischen Zivilgesellschaft. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ein Trauerspiel, dass sich SPD und CDU im Europaparlament nicht noch mal besonnen haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Gefahr des Missbrauchs dieser Richtlinie groß ist, sehen wir auch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, denn hier werden viele Kleine Anfragen und Beratungen in entsprechenden Ausschüssen unter Verschluss gestellt, weil angeblich Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, hier muss etwas getan werden.
Ich möchte nun noch einige Worte zum vorliegenden Antrag der LINKEN sagen. Es ist gut und richtig, wenn Mecklenburg-Vorpommern sich im Bundesrat darum bemüht, dass es auf Bundesebene endlich zu einem rechtsverbindlichen Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern kommt, auf den die Menschen bauen können, wenn sie sich die Frage stellen, ob sie Missstände aufdecken sollen. Dabei spielt es keine Rolle, ob
es um private Unternehmen oder um die öffentliche Verwaltung geht. Es gibt zahlreiche Beispiele, die belegen, dass die Compliance-Strukturen innerhalb der Unternehmen und Verwaltungen nur bedingt greifen. Oft werden Menschen, die sich dazu entschließen, Missstände zu kritisieren, als Denunzianten abgestempelt – soll ja sogar im einen oder anderen Landtag vorkommen.
Wir werden uns auch in der nächsten Legislatur für den Whistleblower-Schutz intensiv einsetzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass es noch mal so weit kommt – und ausgerechnet in der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode –, dass ich dem Kollegen Saalfeld recht geben muss, das ist für mich schon etwas wie ein Schock.
Aber, Herr Saalfeld, Sie haben von dem Zickzackkurs der SPD gesprochen und den kann ich auch tatsächlich unterstreichen.
Ich bin nämlich ein bisschen überrascht, was meine Kollegin Drese hier vorhin zum Besten gegeben hat.
Ich kann mich nämlich – und wenn ich sage „ich“, dann meine ich auch meinen Arbeitskreisvorsitzenden –, und auch der Kollege Texter kann sich an keine Abgeordnetenfrage erinnern,
Und ich kann mir auch nicht vorstellen – nach dem, was die Justizministerin zum ersten Punkt gesagt hat –, dass
wir nicht möglicherweise bereit gewesen wären, gemeinsam mit Ihnen einen Änderungsantrag zu stellen. Also ich weiß nicht, was das sollte, vielleicht ist das ein bisschen Wahlkampfgeplänkel.
Liebe Kollegin Borchardt, es stimmt, das Thema ist nicht neu. Das kann ich unterstreichen, das hatte ich in meiner Rede auch gehabt, dass diese Initiative im Deutschen Bundestag gestartet wurde. Diese Initiative setzte sich dann in den Länderparlamenten fort und auch die GRÜNEN haben einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht. Aber mir fehlte natürlich an einer Stelle der Verweis darauf, dass dieser Gesetzentwurf es zumindest in den Ausschuss geschafft hat, dass es auf Grundlage dieses Gesetzentwurfes eine Anhörung im Deutschen Bundestag gegeben hat und bei dieser Anhörung deutlich gemacht wurde, dass – ja, wie soll ich sagen – die Rechtsauffassungen sehr weit auseinandergingen.
Das mag unter Umständen auch letztendlich dann dazu geführt haben, dass der Gesetzentwurf der Bündnisgrünen im Deutschen Bundestag abgelehnt wurde. Aber dass diese Initiative nicht im Sande verlaufen ist, dass die Initiative der GRÜNEN nicht im Sande verlaufen ist, dass Ihre Initiative nicht im Sande verlaufen ist, das können Sie ja nun am allerdeutlichsten daran merken, dass die Justizministerkonferenz dieses Thema hochgradig priorisiert hat
Und dann wollen wir mal ganz ehrlich bleiben, liebe Kollegin Borchardt, das war vor einem Monat. Das war vor einem Monat! Und da stelle ich mir schon die Frage, ob es dann in diesem Monat, einen Monat später, im Landtag Mecklenburg-Vorpommern nun wirklich erforderlich ist, auf die Tube zu drücken, unsere Landesregierung aufzufordern, der Bundesregierung wiederum jetzt mit entsprechendem Nachdruck einen Auftrag nahezulegen, wenn die sich gerade erst möglicherweise mit diesem Thema beschäftigt. Das ist also ein Punkt, den ich bei eurem Antrag kritisiere.
Und der zweite ist, dass ihr im Grunde genommen das Prüfergebnis vorwegnehmt. Ich sagte es bereits, es hat sehr unterschiedliche Rechtsauffassungen gegeben
(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Herr Caffier kennt doch die Prüfergebnisse auch immer vorher.)
und die Justizministerin hat im Übrigen auf diese sehr großen Unterschiede, auf die breite Palette aufmerksam gemacht, meine Kollegin Drese auch, sodass es mit Sicherheit nicht so einfach ist, wie mein Kollege Saalfeld das hier dargestellt hat.
Also noch mal: Liebe Kollegin Drese, wir hätten durchaus über einen Änderungsantrag reden können. Da dieses Angebot nicht gekommen ist, bleibt uns nun nur übrig, Ihren Antrag abzulehnen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Whistleblower- oder Hinweisgeberproblematik ist vergleichbar mit dem sogenannten Jedermann-Festnahmerecht aus Paragraf 127 Absatz 1 StPO. Genauso wenig, wie ich einfach Betriebsgeheimnisse weitergeben darf oder Dienstgeheimnisse, darf ich auch nicht als Privatperson ohne hoheitliche Befugnisse irgendwen festnehmen und sagen, Sie sind verhaftet. Damit verwirkliche ich erst mal Straftatbestände: Nötigung oder – wenn ich besonders robust vorgehe – auch Freiheitsberaubung.
Aber auf der anderen Seite kann es natürlich auch nicht sein, dass ich Straftäter einfach laufen lassen muss, wenn die Polizei nicht in der Nähe ist, und deswegen hat man diesen Rechtfertigungsgrund geschaffen. Ich bin gerechtfertigt, wenn der Betreffende eine Straftat begangen hat. Dann habe ich zwar tatbestandlich die Freiheitsberaubung begangen, bin aber durch den Rechtfertigungsgrund bewahrt vor einer Verurteilung, und das erstreckt sich auch darauf, wenn ich mich geirrt haben sollte. Die Polizei kann sich ja auch mal irren und den Falschen festnehmen, deswegen müssen die Polizisten nicht ins Gefängnis, sondern die Voraussetzung ist, dass ich einen begründeten Verdacht haben durfte aufgrund der Lage, die sich mir bot, und wenn ich den haben durfte und subjektiv der Meinung war, das ist ein Straftäter gewesen, dann greift der Rechtfertigungsgrund ein.
Whistleblower verletzen auch erst einmal Strafbestimmungen. Wenn ich Dienstgeheimnisse weitergebe, dann mache ich mich strafbar unter Umständen nach Para- graf 351b Strafgesetzbuch, das ist die Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften und das kann bis zu fünf Jahre geben. Wenn ich das in der Privatwirtschaft mache, heißt das nicht nur, dass – wie hier schon vorgetragen wurde – ich auch gekündigt werden kann, schikaniert werden kann, gemobbt werden kann am Arbeitsplatz und Schadenersatzforderungen ausgeliefert werde, sondern ich kann mich auch strafbar machen. Auch dafür gibt es eine Strafbestimmung – im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Dafür kann ich drei Jahre kassieren, wenn ich Firmengeheimnisse und Betriebsgeheimnisse weitergebe. Und hier könnte man daran denken, auch einen Rechtfertigungsgrund zu schaffen, wenn nämlich der Verdacht besteht, wenn ich den Verdacht haben durfte als Behörden- oder Firmenmitarbeiter, dass hier entweder Strafgesetze oder allgemein Gesetze verletzt werden.
Um mal ein paar Beispiele zu nennen, bestes Beispiel ist natürlich der Verfassungsschutz: Eine mittelrangige Verfassungsschutzmitarbeiterin bekam 2011 im November den Auftrag, Akten zu schreddern. Sie hatte ein paar Tage vorher in der Zeitung gelesen, dass da angeblich eine Terrortruppe NSU aufgeflogen sei, und sie wusste, diese Akten hatten einen Zusammenhang damit. Das waren V-Mann-Akten und da ging es um den Thüringer Heimatschutz. Also konnte sie den begründeten Verdacht haben, dass hier unter Umständen zumindest versuchte Strafvereitelung im Amt vorliegt, denn diese Akten wären äußerst erforderlich und notwendig gewesen für die Aufklärung dieses Sachverhalts und können durchaus – theoretisch jedenfalls – dazu führen, dass
Was hat sie gemacht? Sie hat sich erst mal geweigert – es gibt auch im Verfassungsschutz sogar noch vereinzelt Leute mit Rückgrat –, dann hat sie dem gesagt, geben Sie mir eine dienstliche Anweisung, und zwar schriftlich. Das hat der auch gemacht und dann hat sie das halt befolgt. Unter diesen Umständen wäre sie durchaus berechtigt gewesen und müsste sie auch berechtigt sein, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Denn man kann sie ja kaum auf den Dienstweg verweisen und sagen, das hat auch Obama über Snowden gesagt, der hätte doch den Dienstweg beschreiten müssen. Das heißt, ich beschreite dann den Dienstweg und mache eine Aktennotiz und erkläre meinen Vorgesetzten, was sie falsch gemacht haben, und beschwere mich bei denen, die den Befehl gegeben haben. Das wird irgendwo begraben und dann ist das weg.
In der Privatwirtschaft ist es ähnlich, es wurden schon Beispiele genannt: Beispiel VW-Abgase. Wenn ich mich dort auf einem inneren Dienstweg an meine Vorgesetzen wende, werden die auch sagen, halten Sie mal die Klappe, oder sie mobben mich, sondern ich muss natürlich an die Öffentlichkeit gehen.
Nun könnte man sagen, es gibt einen Unterschied zwischen der Situation, dass ich jemanden festnehmen will oder muss, und der Situation, dass ich von Straftaten oder Gesetzesbrüchen in der Behörde oder Firma erfahre, denn wenn ich das allgemeine Festnahmerecht praktiziere, ist die Polizei nicht da, und wenn die da ist, muss ich nicht praktizieren. Aber man könnte sagen, gehen Sie zur Staatsanwaltschaft. Das wurde gerade auch erwähnt. Ich kann mich als Beamter ja auch, wenn ich von Korruption in meiner Behörde erfahre, an die Staatsanwaltschaft wenden und dort Anzeige erstatten, da muss ich nicht direkt an die Öffentlichkeit. Die Frage ist nur: Kann ich mich darauf verlassen, dass die Staatsanwaltschaften auch wirklich ermitteln?
In den USA auf gar keinen Fall. Wenn Snowden das gemacht hätte, sich an die Staatsanwaltschaft zu wenden, die CIA-Führung anzuklagen, dann wäre er im Gefängnis gelandet, in irgendeinem CIA-Bunker, und nicht die CIA-Führung. Das heißt, er musste natürlich zusehen, dass er direkt an die Öffentlichkeit kam, und dann musste er zusehen, dass er wegkam. Das war das Vernünftigste, was er machen konnte. Und dass man ausgerechnet ihm kein Asyl gewährte, Hunderttausenden von Betrügern aber doch, zeigt, wie erbärmlich diese ganze Ausländerpolitik ist und wie groß diese Moralheuchelei ist.
Und wie sieht es nun in Deutschland aus? Wie sicher kann ich sein, wenn ich als Behördenmitarbeiter, Verfassungsschutzmitarbeiter etwa mitkriege, dass Gesetze gebrochen werden, dass da vielleicht Strafvereitelung im Amt betrieben wird? Wenn man sich das mal anschaut, all die Aktenvernichter und Aktenzerschredderer im Verfassungsschutz, keiner von denen ist auch nur angeklagt worden, wenigstens wegen versuchter Strafvereitelung im Amt, obwohl es das ist. Ich kann mich also auf diesen