Protokoll der Sitzung vom 16.03.2012

Wollen wir mal eins festhalten: Ein Kollegium, das aus zwei Personen besteht, ist jedenfalls nicht förderlich für Vertretungsunterricht, ja? Das ist jedenfalls nicht hilfreich, um unsere Probleme zu regeln. Das heißt, wir werden politisch alle miteinander genau diese Fragen zu entscheiden haben: Welches Schulnetz wollen wir? Wie wichtig sind uns kurze Schulwege und sind wir auch bereit, die Konsequenzen einer solchen Entscheidung zu tragen?

Das ist nicht zum Nulltarif zu haben, denn ich sage Ihnen Folgendes: In den Städten, da meine ich jetzt nicht nur Rostock, es sind auch kleine Städte, ist es inzwischen kein Einzelfall mehr, dass 28 Schüler in der Grundschule in der Klasse sitzen in einem sozialen Brennpunkt, wo Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten immer mehr in den Schulen vertreten sind und wo die Lehrerinnen und Lehrer sich nicht mehr in der Lage fühlen, den Unterricht so umzusetzen, wie es eigentlich geboten wäre. Und das ist ein Zustand, den man auf Dauer so nicht halten kann.

Das steht auch im Kontext dieser ganzen Entscheidung, deswegen freue ich mich sehr und begrüße es sehr, dass diese Frage mit aller Ernsthaftigkeit aufgeworfen wird, und ich darf Ihnen zusichern, dass ich den Auftrag so interpretiere, Herr Renz hat es bereits, glaube ich, ausgeführt, dass ergebnisoffen alle Optionen geprüft und Ihnen vorgelegt werden, von der Möglichkeit einer kleinen regionalen Schule bis zu der Frage, ob man über eine Bereinigung der Schulstruktur, eine verantwortbare auch ohne zusätzliche Kosten, diese Frage klären kann. Also das sichere ich Ihnen zu, dass Ihnen das vorgelegt wird, und dann bin ich gespannt auf die Diskussion, die sich an einen solchen Bericht anschließen wird. Es wird keine leichte Diskussion, das darf ich heute schon mal prophezeien, zumal die Ergebnisse der Expertenkommission zum Thema Inklusion die Lage verkomplizieren werden, denn es wird die Forderung kommen,

(David Petereit, NPD: Alles wird besser.)

es wird sicherlich die Forderung aus der Expertenkommission kommen, wer es ernst meint mit inklusiver Schu

le, der muss barrierefreie Zugänge haben in den Schulen, der muss auch Fahrstühle in den Schulen haben. Und dies alles wird man sozusagen in die Schulnetzplanung mit einbauen müssen.

(Der Abgeordnete Johannes Saalfeld bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Herr Minister …

Herr Abgeordneter Saalfeld, da es ja von meiner Redezeit abgeht, würde ich Sie um Verständnis dafür bitten, dass ich Ihre Frage nicht beantworte.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie können doch so lange reden, wie Sie wollen.)

Doch, eine Frage doch, sorry.

Eine Frage, gut. Bitte.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Er kann doch so lange erzählen, wie er will.)

Danke für die eine Frage.

Sehr geehrter Herr Minister, gestern haben Sie die Belastbarkeit von Prognosen, insbesondere der KMK und der CHE, infrage gestellt, jetzt wird hier die Erarbeitung einer Prognose bis 2030 beauftragt. Für wie sinnvoll halten Sie diese Erarbeitung und würden Sie diese im Gegensatz zur KMK- und CHE-Prognose in Ihrer Regierungsarbeit überhaupt berücksichtigen?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Saalfeld, wenn das Parlament dieses beschließen sollte, ist das ein Auftrag, an den die Regierung gebunden ist. So ist jedenfalls meine Interpretation von Parlamentsbeschlüssen, erstens.

Zweitens gibt es einen systematisch entscheidenden Unterschied zwischen Bevölkerungsprognosen, die sich auf das Reproduktionsverhalten der Bevölkerung beziehen, und Prognosen, die sich auf das Sozialverhalten der Bevölkerung beziehen. Die Studien der KMK, auf die Sie sich beziehen, prognostizieren das Sozial- und Mobilitätsverhalten von Erwachsenen. Das halte ich in der Tat nahezu für Voodoo, das zu prognostizieren, oder jedenfalls für sehr ambitioniert.

Anders ist es beim Reproduktionsverhalten der Bevölkerung, denn wenn Sie sich zum Beispiel die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes ansehen, die jedenfalls mehrere Varianten beinhalten, so sind die ziemlich realistisch und ziemlich treffsicher, was einfach damit zu tun hat, dass Sie bei einem bestimmten Ausgangsniveau der Bevölkerung und einem bestimmten kulturellen Verhalten relativ präzise sagen können, wie sich die Bevölkerung entwickeln wird. Und Sie dürfen davon ausgehen, dass diese Prognose genauso gestaltet sein wird, das heißt mit verschiedenen Optionen, dass man also eine mittlere Variante hat, eine obere, eine untere, und das wird man dann, glaube ich, mit sehr viel größerer Seriosität zur Grundlage von Entscheidungsprozessen machen können als Prognosen, die sich auf das Sozialverhalten von Menschen beziehen. Das ist also ein systematischer Unterschied aus meiner Sicht.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, mehr wollte ich gar nicht sagen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Oldenburg für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Begründung Ihres Antrages heißt es, ich zitiere: „Der demographische Wandel stellt das Land Mecklenburg-Vorpommern vor zahlreiche Herausforderungen. Die Bildungspolitik ist eine zentrale politische Aufgabe eines Bundeslandes. Diese Aufgabe, unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung gestaltend wahrzunehmen, muss Anspruch des Landtages sein.“ Ende des Zitates. Diese Aussage ist in ihrem Kern unstrittig und vollkommen richtig.

(Vincent Kokert, CDU: Deshalb haben Sie auch einen Änderungsantrag gestellt?)

Bei näherer Betrachtung muss ich jedoch Folgendes einschränken: Dass Sie mit dieser Erkenntnis die Enquetekommission des Landtages trotzdem allein auf das Älterwerden in Mecklenburg-Vorpommern beschränkt haben, erschließt sich mir da nicht.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und zusätzlich zur Bevölkerungsentwicklung war auch zu erwarten, dass die Kreisgebietsreform zu Veränderungen in der Schullandschaft führen muss, denn wenn Gebietsstrukturen verändert werden, ändern sich zwangsläufig auch die Standortfaktoren.

(Dietmar Eifler, CDU: Deswegen reagieren wir ja auch, Frau Oldenburg.)

Da Sie dies offensichtlich zuvor nicht bedacht haben, ist dieser Antrag aus Ihrem Verständnis folgerichtig.

Nun haben wir lange gerätselt, Herr Renz, welches Jahr Sie denn meinen, wenn es um ein Jahr verlängert wird, denn der damalige Bildungsminister Tesch hat ja bereits in der dritten Verordnung zur Schulentwicklungsplanung die Frist um ein Jahr verlängert, also auf Ende des Schuljahres 2012/13.

Ihrem Beitrag vorhin habe ich entnommen, dass Sie zusätzlich zu dieser von Herrn Tesch vorgenommenen Verlängerung, ein Jahr obendrauf, mindestens also 2014 meinen.

Das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, ist so oder so bereits Bestandteil der Verordnung über die Schulentwicklungsplanung, denn soweit eine Schulschließung nicht zu Beginn der Planungsperiode schon vorgesehen oder terminiert ist, muss eine Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung erfolgen. In beiden Fällen hat das Bildungsministerium hier einen Genehmigungsvorbehalt. Da aber die Planungsperiode schon verlängert wurde, gibt es also nur in akuten Fällen Handlungsbedarf. Und auch hier hat das Ministerium immer noch die Möglich

keit, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Zudem schränken Sie die möglichen Schulschließungen auf solche ein, die im Zusammenhang mit der Landkreisneuordnung stehen.

Was bedeutet das konkret? Können damit dann nur Standorte erhalten bleiben, deren Schließung durch die Landkreisneuordnung bedingt ist, und nach welchen Kriterien erfolgt diese Prüfung und Genehmigung im Gegensatz zu anderen Standortgefährdungen?

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Sie formulieren in der Begründung auch, ich zitiere nochmals: „Der Antrag verfolgt das Ziel, das bildungspolitische Angebot in der Fläche aufrechtzuerhalten, ohne die demographischen Zwänge außer Acht zu lassen.“

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist doch richtig.)

Vollkommen richtig, selbstverständlich.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Mal abgesehen davon, dass dieser Anspruch der Quadratur des Kreises nahekommt, wäre dann zumindest die Einschränkung in Ziffer 1 zu hinterfragen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Nein, wir müssen dann vernünftige Lösungen finden.)

Ein nachhaltiges Schulnetz in der Fläche kann dann aber nicht nur auf die Folgen des Landkreisneuordnungsgesetzes beschränkt werden.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Zum Beispiel.)

Es muss also nach anderen, sehr viel allgemeineren Kriterien gestaltet werden. Die Erfahrungen mit der Anpassung der Schulstandorte an die sinkenden Schülerzahlen in den 90er-Jahren haben uns doch gezeigt, wie emotional und streitbar diese Prozesse sind. Planungstechnische, bildungsorganisatorische oder gar finanzielle Argumente zählen in den betroffenen Kommunen nicht. Die Schule muss im Dorf bleiben. Das war und ist oft das alleinige Argument, was verständlich ist, aber auch verdeutlicht, dass Diskussionen über Schulstandorte immer mit sehr viel Herz geführt werden.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Aber die Qualität muss auch vorhanden sein.)

Auch der Punkt 2 Ihres Antrages ist unserer Meinung nach nicht bis zu Ende gedacht. Es geht doch nicht zuerst um die Prognose, sondern um die Kriterien, die die Grundlage für die Erhaltung oder Schließung von Schulen sein sollten. Wir wissen, dass die bestehenden Organisationskriterien nach Schularten, die in der geltenden Schulentwicklungsplanungsverordnung fixiert sind, bei Schulschließungen stets unter Kritik standen und von den betroffenen Schulträgern auch immer für falsch gehalten werden.

Der Kritikpunkt der Klassengröße als ein Kriterium ist inzwischen beseitigt. Doch Mindestschülerzahlen für

ganze Schulen, die Kapazitätsverordnung oder die Schulwegezeiten sind weiterhin gültig. Es ist auch die Frage unbeantwortet, unter welchen Rahmenbedingungen eine Schule noch eine sinnvolle Mindestgröße hat. 36, 34, 32, 30?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Passe! – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Insoweit wäre es sinnvoll gewesen, Sie hätten das Wort „pädagogisch“ vor Ihre Formulierung gesetzt.