Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

Die Künstler an den Bühnen müssen einsehen, dass beliebte Stücke in historischer Korrektheit aufgeführt eben das Publikum eher anziehen

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das erfreut das dumpfe Herz.)

als verunstaltete dann das Publikum abstoßen. Wenn die sich selbst so nennenden Kulturschaffenden aber an den Auswüchsen des Regietheaters unbedingt festhalten wollen, dann können sie dies auch gerne tun, aber nicht auf Kosten des Steuerzahlers.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach so?)

Es ist interessant, dass mit den „Störtebeker Festspielen“ in Ralswiek Hunderttausende begeisterte Besucher die familientauglichen Aufführungen besuchen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, ja, hohe Kunst ist das.)

Das von der Familie Hick geführte Unternehmen erhält keinerlei staatliche Subvention und leistet enorm viel für den Kulturstand Pommern.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Vorpommern! Vorpommern!)

Durch die „Störtebeker Festspiele“ werden Hunderttausende angelockt und die Preise sind im Vergleich zu den in diesem Jahr stattfindenden Schlossfestspielen in Schwerin geradezu günstig – hier eine „Bajazzo“-Aufführung in italienischer Sprache für die Schickimickigesellschaft,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Können Sie denn kein Italienisch? Das glaube ich jetzt nicht.)

dort volkstümliches und familienfreundliches Theater.

(allgemeine Unruhe)

Das volkstümliche und familienfreundliche Theater bekommt kein Geld vom Staat, andererseits wird das Staatstheater Schwerin hoch bezuschusst.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

In diesem Land passt vieles nicht mehr zusammen. Die Zeit der Regietheater für linke Quergeister muss ein Ende finden.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Und, meine Damen und Herren, es ist auch gut so, wenn da gespart und durchgegriffen wird.

Ausnehmen möchte ich von der Kritik insbesondere die „Fritz Reuter Bühne“.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ah ja?!)

Dort wird eine hervorragende Arbeit

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da wird sich die „Fritz Reuter Bühne“ aber freuen.)

und ein unverzichtbarer Beitrag für den Erhalt und die Pflege der niederdeutschen Mundart geleistet. Und die leisten mehr als Sie von den etablierten Parteien.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die brauchen Ihre Fürsprache nicht, Her Köster. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Das Wort hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Berger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegt der Antrag einer erfolgreichen Volksinitiative vor, dessen Thema, dessen Ziel die Stärkung der Kultur in unserem Land ist. An all die, die meinen, Kultur sei ein völlig unwichtiges Nebenthema, richtet der Erfolg der Initiatorinnen und Initiatoren schon einmal eine wichtige Botschaft: Sie liegen falsch.

(Norbert Nieszery, SPD: Das denkt ja auch gar keiner.)

Denn wir können hier sehen, Kultur ist den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land ein wichtiges Anliegen, und das ist schon mal ein gutes Zeichen. Der Text der Volksinitiative, der Antrag selbst, zeigt dann auch, hier geht es nicht um pauschale Kritik, um überzogene Forderun

gen, hier haben Menschen ein ernsthaftes Anliegen – Menschen, die die Entwicklung der Theaterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren begleiten, Menschen, denen an dem Mehr an Lebensqualität gelegen ist, das ihnen Kultur bringt, Menschen, die gerne mehr Kultur in ihrer Region hätten, weil die Wege jetzt schon zu weit sind, und natürlich die Kulturschaffenden selbst.

Das, was Herr Minister Brodkorb an Kritik übt an diesem Antrag, ist jedoch ein entscheidender Vorteil. Er legt sich nämlich nicht auf Dinge fest, die wir möglicherweise nicht erfüllen können.

(Vincent Kokert, CDU: Was will er denn daran kritisieren?)

Er ist im Ton wie im Inhalt moderat und er lässt Raum für mehrere Lösungen, von denen es am Ende idealerweise die beste werden soll.

(Torsten Renz, CDU: Davon hat er auch gesprochen.)

Also ist dies eigentlich ein gutes Beispiel dafür, wie Bürgerbeteiligung, wie Partizipation aussehen könnte.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Deshalb überweisen wir ja auch.)

Das Parlament erhält einen Anstoß, einen Auftrag aus der Mitte der Gesellschaft

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

und darf sich nun unter Mitarbeit von kundigen Fachleuten

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

und interessierten Bürgerinnen und Bürgern überlegen, wie dieser Auftrag umgesetzt werden soll. Und so sollte es doch sein. Denn wozu braucht es Instrumente der direkten Bürgerbeteiligung, wenn doch von vornherein klar ist, dass sie nichts bewirken und alle schon wissen, wie es ausgeht?

Klar ist natürlich, wenn ein Antrag einer Initiative un- begründet ist oder nicht sinnvoll, dann kann ihn der Landtag selbstverständlich ablehnen. Das ist hier je- doch nicht der Fall. Was begründete und sinnvolle An- träge von Volksinitiativen verdient haben, ist eine ersthafte und eine unvoreingenommene Behandlung. Nur so können wir zeigen, dass diesem Landtag die Instrumente der Beteiligung und Mitsprache wirklich wichtig sind. Nur so können wir dem verbreiteten Eindruck entgegenwirken, hier finde nur eine Schauveranstaltung statt und die wichtigen Entscheidungen würden an anderen Orten getroffen.

Ernsthafte Behandlung heißt aber auch, wir müssen die Antragstellerinnen und Antragsteller ernst nehmen. So wenige sind es ja nicht. Also darf es dieses Mal nicht so laufen, dass die Antragstellerinnen und Antragsteller gleichsam kühl abgefertigt und brüskiert werden. Es darf auch nicht so laufen, dass wir es immer wieder mit denselben Ausreden versuchen, denn die Initiative zeigt auch, dass die Betroffenen mit den Ausreden allein nicht zufrieden sind, und das zu Recht.

Gründe, nichts für die Theater im Land zu tun, haben Regierungen in Mecklenburg-Vorpommern immer wieder gefunden. In diese vermeintlichen Begründungen ist viel Energie geflossen. Lassen Sie uns diese Energie nutzen, etwas für die Theater im Land zu tun. Seitens der Volksinitiative werden nicht einmal maßlose Geldsummen gefordert – überhaupt, das Argument mit den Finanzen ist im Zusammenhang mit der Kulturpolitik ausgesprochen schwach. Wir müssen die Ausgaben für die Kultur nur mal damit vergleichen, was ein paar Kilometer Straße oder irgendwelche großen Projekte mit kleinem Nutzen kosten. Da fragt sich selten jemand nach Einsparmöglichkeiten, erst gar nicht, bevor das Geld ausgegeben wird.

Diese Initiative spiegelt aber nicht nur Bürgerbeteiligung wider, sie ist in gewisser Weise auch ein Hilferuf, denn wer ein erhöhtes Interesse für die Realität der Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt und sich darüber informiert, weiß, das Geld reicht einfach vorne und hinten nicht. Der Punkt, an dem nicht noch mehr gespart werden kann, ist erreicht. Das wissen Sie alle, das muss man nicht immer wiederholen. Würden diejenigen Leute, die von den Theatern in den letzten Jahren einiges an Enthaltsamkeit und an Kürzungen abverlangt haben, diese Maßstäbe an anderer Stelle auch anwenden, dann würden wir manche Überraschung erleben.

Wenn wir den Antrag der Volksinitiative heute in den Bildungs- und Kulturausschuss überweisen, wird es dort am 16. Mai eine öffentliche Anhörung geben. Die plötzliche Eile, die die Regierungsfraktionen hier in der zeitlichen Abfolge an den Tag legen, verwundert mich nach dem jahrelangen Aussitzen der Probleme schon sehr.

(Torsten Renz, CDU: Was wollen Sie denn? Zwei Jahre warten, oder was?)

Hier hätte ich mir und den Expertinnen und Experten ein bisschen mehr Zeit gewünscht, um die Fülle der Fragen und Anregungen zu bearbeiten

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

und vor allem nicht nur im eigenen Saft zu schmoren, sondern um auch externe Experten von außerhalb des Landes herbeizuholen. Dennoch sehe ich der Anhörung am 16. Mai zuversichtlich entgegen und die Initiative darf auch guter Hoffnung sein, dort Unterstützung für ihr Anliegen zu erhalten.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns den Text der Volksinitiative genau anschauen, dann spricht überhaupt nichts dafür, ihm nicht zuzustimmen. Wer immer das Ziel verfolgt, die bestehenden Strukturen bei den Theatern und Orchestern zu erhalten, und mehr wird zunächst gar nicht verlangt, kann dem Text der Initiative ganz einfach und ohne Probleme zustimmen. Probleme haben allenfalls diejenigen, deren Ziel nicht der Erhalt ist, sondern weniger. Wer eine geschrumpfte Theaterlandschaft will, wer bestehende Strukturen aufgeben will, sollte ehrlich sein und genau das auch einmal aussprechen.

Es spricht nichts dagegen, die Ziele und den Antrag der Volksinitiative zu unterstützen, vielmehr spricht viel dafür. Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass die Anhörung am 16. Mai im Grundsatz andere Ergebnisse hervorbringen wird. Ich freue mich auf eine vertiefte und vor allem öffentliche Diskussion zum Thema in der Hoffnung, dass

alle demokratischen Kräfte in diesem Landtag sich so davon überzeugen können, die Theater und Orchester stärker als bisher zu unterstützen, und dass wir gemeinsame Wege finden, wie wir das angehen können.