Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Sie können davon ausgehen, dass ich sehr viele Kontakte zu den verschiedensten Schulen hier in unserem Bundesland habe. Der Minister betonte auch in seinem Redebeitrag, dass keine einzige Beschwerde zu diesem Thema im Bildungsministerium vorliegt.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Am letzten Donnerstag war ich noch bei einer Lehrerfortbildungsveranstaltung der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ in Friedland und auch da hatte ich die Möglichkeit, mit mehreren Kollegen zu sprechen. Alle teilten mir mit, dass es ein freiwilliges Angebot der Bundeswehr ist und aus Sicht der Kolleginnen und Kollegen die Arbeit der Jugendoffiziere eine wichtige Bereicherung in der Demo

kratieerziehung ist. Alle Schulleiterinnen und Schulleiter oder Lehrerinnen und Lehrer, mit denen ich sprach, konnten diesen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht verstehen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ich ja.)

Wenn man mal zurückschaut, Herr Renz hat das schon kurz dargestellt, dann ist vielen Pädagogen im Osten Deutschlands noch gut in Erinnerung, wie vor 1989 die Nationale Volksarmee in der Schule verankert war. Das ging vom Wehrkundeunterricht bis zum GST- beziehungsweise ZV-Lager, vom Nötigen zum Unterschreiben von Verpflichtungen für drei Jahre Wehrdienst oder zum Offizier beziehungsweise zum Berechnen und Bearbeiten von militärischen Fragestellungen im Mathematikunterricht.

Ich habe mir auch den Spaß gemacht und so eine Aufgabe aus der zehnten Klasse aus dem Lehrbuch herausgesucht noch von 1988. Ich will Ihnen mal sagen, es gab ein Kapitel „Aufgaben aus dem Bereich der Nationalen Volksarmee“ und hier steht, ich will Ihnen bloß mal eine Aufgabe zitieren, damit Sie wissen, wie das vorher gelaufen ist: „Bei einer Übung der NVA sieht ein Beobachter zwei feindliche MG-Nester A und B und da einen Winkel von etwa 130 Grad. Einen in A angelegten Feuerstoß hört er sieben Sekunden und einen in B abgegebenen acht Sekunden nach Aufleuchten des Mündungsfeuers. Wie weit sind die beiden MG-Nester voneinander entfernt?“

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vergleichen Sie doch nicht schlimme Zeiten mit der schlechten Politik der Gegenwart!)

Darauf komme ich jetzt zurück.

Nach der Wende war ich als Schüler natürlich relativ schnell im Kontakt mit den Jugendoffizieren und mit meinen gemachten Erfahrungen – ich sagte Ihnen die auch gerade aus DDR-Zeiten – war ich sehr gespannt auf die Zusammenarbeit. Es war vieles anders und ich erhielt neben vielen konkreten Informationen auch zahlreiche Angebote für meine Lehrerinnen und Lehrer sowie für die Schülerinnen und Schüler. Die Lehrerinnen und Lehrer an meiner Schule konnten selbst entscheiden, ob sie diese Angebote der Bundeswehr im Rahmen der Demokratieerziehung und des Sozialkundeunterrichts annehmen wollen. Die Jahrgangs- und Fachkonferenzen entschieden darüber. Ich selbst besuchte auch Fortbildungsveranstaltungen, ich rede also nicht aus dem hohlen Bauch, um mich zu informieren. So war ich in Koblenz im Zentrum der inneren Führung, auf der Hardthöhe in Bonn, ich war auch im Hauptquartier der NATO in Brüssel sowie in weiteren Kasernen

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schön, aha, daher weht der Wind!)

und Stützpunkten der Bundeswehr der NATO. Nein, ich war dabei immer wirklich positiv erstaunt, wie die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr funktioniert. Und das sollten Sie bitte nicht verkennen. Bei allen Veranstaltungen wurde mir auch erklärt, dass die Bundeswehr genau wie die anderen Ministerien die verfassungsrechtliche Pflicht hat, die Bürger über ihre Tätigkeiten, ihre Maßnahmen, Pläne und Entscheidungen adäquat zu informieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das ist die Pflicht. Dies ist notwendig, damit die Bürger die Politik und Entscheidungen staatlicher Organe verstehen, nachvollziehen und tragen beziehungsweise auch opponieren können.

Übrigens gibt es auch ein Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 2. März 1977: „Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften ist in Grenzen nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig.“

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja und? Wer sagt was gegen Öffentlichkeitsarbeit?)

Die Demokratie des Grundgesetzes bedarf unbeschadet sachlicher Differenzen, einem weitgehenden Einverständnis mit der vom Grundgesetz geschaffenen Staatsordnung.

In der letzten Woche nahm ich mir auch noch mal die Zeit und traf mich in Neubrandenburg mit einem von drei Jugendoffizieren, die hier in Mecklenburg-Vorpommern arbeiten. Nach meinem Kenntnisstand tat das keiner von den Antragstellern. Es wäre vielleicht hilfreich gewesen. Ich informierte mich insbesondere über den Verlauf, die Vorbereitung und Durchführung von Schulbesuchen. Hier wurde mir noch einmal bestätigt, dass die Jugendoffiziere nur an die Schulen kommen, wenn sie aufgefordert oder angefordert werden. In diesen Stunden sind grundsätzlich Lehrerinnen und Lehrer anwesend.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Bei der Ausfallrate wundert mich das.)

Die Jugendoffiziere halten sich grundsätzlich an den Beutelsbacher Konsens. Bisher gab es vonseiten der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer noch keine Beschwerden über den abgehaltenen Unterricht. Im Gegenteil, sie werden immer noch wieder von den Schulen angefordert, bei denen sie auch schon vorher waren. Also hat die Wahrnehmung unserer Bündnisgrünen nichts mit der Realität in Mecklenburg-Vorpommern zu tun.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genauso ist es. Das ist sowieso deren Problem. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ich empfehle insbesondere den Antragstellern, mit den Jugendoffizieren zu reden. Das ist allemal besser, als wenn man übereinander debattiert.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Und haben Sie auch noch mit der Friedensgesellschaft gesprochen auf der anderen Seite? – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Dieser Antrag der GRÜNEN lässt außerdem vermuten, dass sie alles ein bisschen durcheinanderbringen. Gerade die Aussagen in der SVZ von Frau Gerkan zeigen, dass sie die Arbeit eines Jugendoffiziers mit der Arbeit eines Wehrdienstberaters verwechselt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Offensichtlich. – Heinz Müller, SPD: So ist es.)

Der Jugendoffizier ist an den Beutelsbacher Konsens gebunden und ist verpflichtet, danach zu handeln. Der Wehrdienstberater wird zu Berufsinformationsveranstaltungen in die Schulen eingeladen, stellt die Berufe der Bundeswehr vor, zeigt Perspektiven auf und wirbt natürlich auch für die Armee.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen die selbstständige Schule in unserem Bundesland, wir wollen den mündigen Bürger, wir wollen selbstständig handelnde Lehrerinnen und Lehrer und Schulleiterinnen und Schulleiter.

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb können unsere Schulen mit der Bundeswehr zusammenarbeiten, sie müssen es aber nicht. Mit diesem Vertrag gibt es keine Bevorzugung der Bundeswehr, sondern es stellt eine Sicherheit für unsere Lehrer im Sozialkundeunterricht dar.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja.)

Und unsere Lehrerinnen und Lehrer sind gut beraten, aber das wissen Sie allein, wenn sie auch andere Organisationen, Vereine und Kirchen einladen bei der Demokratieerziehung.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Haben Sie den Kooperationsvertrag überhaupt gelesen?)

Aber da bedarf es keiner Vorschriften, sondern das ist verantwortungsvoll schon an vielen Schulen so hier bei uns praktikabel.

Zum Schluss einen Hinweis aus der SVZ heute, das möchte ich Ihnen gern noch mal vorlesen: Heute Kriegseinsatz im Klassenzimmer? Soldaten haben an Schulen nichts zu suchen. Mit dieser Aussage gewinnt man jede Umfrage. Es ist also durchaus eigennützig, wenn zumindest gefordert und regelmäßig wiederholt wird, die Kooperationsvereinbarung zwischen Bildungsministerium und Bundeswehr aufzuheben. Und dann weiter unten, das wirft die Fragen auf.

Erstens. Sind die Kritiker gegen klare Regeln für Soldaten an Schulen?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Eigentlich sind sie alle gegen die Bundeswehr.)

Ja, genau.

Falls die Kritiker doch für klare Regeln sind, die zweite Frage: Wie viel Vereinbarungen müssen geschlossen werden, um alle Institutionen gleich zu behandeln?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie trauen sich das bloß nicht zu sagen.)

Und drittens: Wie viel zusätzliche Bürokratie verträgt das Bildungssystem? Über das Thema diskutiert wird schon länger. Der Zusatz heißt immer: an der Praxis vorbei.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundeswehr steht unter Generalverdacht, ihre Jugendoffiziere sollen entgegen aller Abmachung gezielt junge Leute anwerben, und trotzdem wird sie vorgetragen, aktuell aufgehängt an das Ende der Wehrpflicht ganz so, als wäre das Parlament seither eine Privatarmee. Die Bundeswehr wird beschädigt, allein ist sie damit aber nicht.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach ja?!)

Die SPD-Fraktion wird selbstverständlich diesen Antrag ablehnen und ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Müller.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach du liebe Güte!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da der vorliegende Antrag, wie wir schon gehört haben, völlig an der Realität vorbeigeht, lohnt es im Grunde gar nicht, auf ihn näher einzugehen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das brauchen wir nicht.)

Dennoch möchte ich meine Redezeit dafür nutzen, um grundsätzlich Aussagen zu treffen.