Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Dennoch möchte ich meine Redezeit dafür nutzen, um grundsätzlich Aussagen zu treffen.

Selbst wenn die Bundeswehr an Schulen im Rahmen der Informationsveranstaltung für einen Dienst in der Truppe werben würde, so hätten wir dagegen grundsätzlich gar nichts einzuwenden,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

sofern eine Volksarmee dahintersteht und kein Söldnerheer, welches weltweit wirtschaftliche Interessen durchzusetzen hat.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Die NPD bekennt sich nach wie vor zur Wehrpflicht und stellt sich gegen sämtliche Privatisierungsmaßnahmen in der Armee.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Privatisierung ist gut.)

Die Wehrpflicht stellt ihren eigenen Ehrendienst am eigenen Volke dar. Daher hat eine zukunftsfähige Armee die Verpflichtung, die nationale Souveränität nach innen, aber vor allem nach außen zu wahren.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau. – Michael Andrejewski, NPD: Und zwar defensiv.)

Sie hat nicht als Marionette für Großmachtbestrebungen fremder Mächte zu dienen. Der deutsche Soldat hat bei der Wehrerziehung eine Vorbildfunktion für alle jungen Leute einzunehmen. Kurzum: Die Jugendlichen sollen in

der eigenen soldatischen Charaktererhaltung auf das spätere Erwachsenenleben vorbereitet werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Zäh wie Leder.)

Wir sehen es als bedauerlich an, dass gerade dies nicht die Absicht der Jugendoffiziere an den Schulen ist. Vielmehr wird um Verständnis für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen internationaler Einsätze geworben,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach ja!)

die Bundeswehr im angeblichen Einsatz für den Frieden auf der Welt. Der Kriegseinsatz in Afghanistan ist genau wie der Angriff auf den Kosovo in der Amtszeit des grünen Außenministers Joschka Fischer beschlossen worden. Meines Erachtens sollten Sie von den GRÜNEN hier doch die Letzten sein, die sich nun darüber aufregen dürften, wenn Jugendoffiziere darüber referieren, warum es so wichtig ist, rohstoffreichen Ländern mit Bomben Coca-Cola und McDonalds näherzubringen. Ebenso verlogen erscheint es mir, wenn Sie den Beutelsbacher Konsens heranziehen, um ihre gespielte Antikriegshaltung zu untersetzen. Bevor Sie anfangen, sich um die Einhaltung des Beutelbacher Konsens

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Beutelsbach.)

bei Bundeswehraktivitäten in Schulen zu sorgen, fangen Sie doch mal vor Ihrer eigenen Haustür an und hinterfragen, inwieweit Sie es zulassen, andere gesellschaftspolitische Themen kontrovers zu diskutieren, denn von der Einhaltung des Kontroversgebotes in deutschen Bildungseinrichtungen kann angesichts der realen Umstände in der BRD nicht gesprochen werden. Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Berger.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ziehen Sie Ihren Antrag mal zurück, Frau Berger, es wird höchste Zeit!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kollegin Jutta Gerkan hat Ihnen bereits erklärt, was der Beutelsbacher Konsens ist, wie er entstanden ist und wie er angewendet wird.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Schön.)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um zu verdeutlichen, dass das, was Sie gefordert haben, Herr Renz, warum die bisherige Praxis in Mecklenburg-Vorpommern den Grundsätzen des Beutelsbacher Konsens eben gerade nicht entspricht, denn allein dadurch, dass sich die bisherige Kooperationsvereinbarung des Bildungsministeriums mit der Bundeswehr auf den Beutelsbacher Konsens beruft und ihn im Munde führt, wird deshalb der Konsens noch lange nicht beachtet.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das wissen Sie ganz genau, ja?)

Im Gegenteil, wer sich die gesamte Vereinbarung durchliest, muss hier einen Widerspruch feststellen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Waren Sie schon mal dabei, als ein Jugendoffizier in der Schule war? Wahrscheinlich nicht.)

Damit drängt sich der Verdacht auf, wer diese Vereinbarung gestaltet hat, hat die Grundsätze des Beutelsbacher Konsens entweder nicht verstanden oder er will sie nicht verstehen.

(Marc Reinhardt, CDU: Da spricht die Blinde von der Farbe.)

Eines der wesentlichen Prinzipien im Beutelsbacher Konsens ist das Prinzip der wissenschaftlichen Betrachtungsweise. So heißt es, ich zitiere: „Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muß auch im Unterricht kontrovers erscheinen.“ Erhält also innerhalb eines kontroversen Themas nur eine Seite die Möglichkeit, sich und ihre Position ausführlich darzustellen, dann ist die Kontroverse mindestens verzerrt. Und das gilt auch, wenn diese eine Stelle eindeutig bevorzugt wird, wo es um die Darstellung ihrer Position geht. Und die Bevorzugung der Bundeswehr ist im vorliegenden Fall nicht zu übersehen. Die bestehende Kooperationsvereinbarung räumt ihren exklusiven Zugang zum Unterricht ein, der Vertreterinnen und Vertretern möglicher Gegenpositionen eben nicht offensteht.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Warum denn nicht?)

Weil es keine Kooperationsvereinbarung mit denen gibt.

Und jetzt kommen Sie mir nicht mit diesem vermeintlichen Einwand, diese Gegenpositionen sollen doch die Lehrerinnen und die Lehrer darstellen. Meine Damen und Herren, Interessenvertreter und Wehrkräfte können Sie hier nicht in ein und denselben Topf werfen. Lehrerinnen und Lehrer haben bei politischen Debatten im Unterricht auch noch die Aufgabe, auszugleichen und zu moderieren, kurz, pädagogisch tätig zu sein. Bürden wir ihnen hier eine Doppelrolle auf, so sind das eben sehr ungleiche Voraussetzungen für die Darstellung kontroverser Positionen. Und umgekehrt: Eine Kontroverse im Unterricht etwa in Form eines Rollenspiels zu behandeln, das ist zwar auch eine gute, wenngleich durchaus anspruchsvolle Variante der Didaktik,

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

aber da müssen eben auch alle Beteiligten in einer Rolle auftreten. Vertreter der Bundeswehr an Schulen sind keine Rollenspieler, sondern treten als sie selbst auf in ihrer offiziellen Funktion.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, als was denn sonst?)

Das Problem ist hier, sobald unterschiedliche Seiten einer Kontroverse sichtlich ungleich behandelt werden,

(Marc Reinhardt, CDU: Es sei denn, man holt sich eine Theatergruppe, die können dann was anderes spielen.)

besteht die Gefahr, dass die Kontroverse nicht mehr umfassend dargestellt werden kann.

Ich zitiere dazu weiter aus dem Beutelsbacher Konsens: „… wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten“.

(Michael Andrejewski, NPD: Oh, oh, oh!)

Diese Gefahr besteht bei der bestehenden Vereinbarung leider.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letztlich ist auch das Überwältigungsverbot im Beutelsbacher Konsens berührt,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die Vereinbarung mit Leben erfüllen.)

denn bestimmte Standpunkte nicht darzustellen ist gleichbedeutend damit, ihre Darstellung als unerwünscht einzustufen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wie viel Jugend- offiziere haben Sie schon gesehen im Unterricht? Gar keinen, vermute ich. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Genau das passiert mit der bestehenden Vereinbarung. Zahlreiche Akteurinnen und Akteure, die sich mit aktuellen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik intensiv befassen, müssen sich doch fragen, warum ihr Wissen nicht gefragt ist, warum die Ergebnisse ihres Engagements weniger wert sind.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die können doch jederzeit kommen.)

Eine offene und vielfältige Gesellschaft kann und muss es sich leisten, zu dieser Vielfalt zu stehen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das liegt doch an den Lehrern. Dann sollen die welche einladen.)

Folgerichtig geht es uns darum, die Position der Bundeswehr in der politischen Debatte an den Schulen erst gar nicht darzustellen, sondern eine Diskussion zu führen, ist immer besser, als Dinge zu verschweigen. Unsere entscheidende Forderung ist hier die nach einer Gleichberechtigung und nach einer Ausgewogenheit.