Protokoll der Sitzung vom 23.05.2012

Mit dem im Februar dieses Jahres geschlossenen Staatsvertrag wurde jetzt die Möglichkeit geschaffen, künftig alle Staatsschutzverfahren aus unserem Land vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg zu verhandeln. Eine solche Zuständigkeitskonzentration ist für Mecklenburg-Vorpommern in doppelter Hinsicht vorteilhaft. Zum einen wird auf diese Weise der Gefahr erheblicher Investitionskosten begegnet. Zwar sind Staatsschutzverfahren, insbesondere solche mit terroristischem Hintergrund, relativ selten, erst recht in MecklenburgVorpommern. So hat der zuständige Strafsenat des OLG Rostock in der Vergangenheit lediglich ein entsprechendes Verfahren durchgeführt. Sollte es jedoch in Zukunft zu einem oder mehreren dieser Verfahren im Lande kommen, wären diese sicherheitstechnisch sehr aufwendig und damit sehr teuer. Dies haben die Erfahrungen aus anderen Bundesländern gezeigt.

Das Oberlandesgericht Rostock ist auf mit einem ho- hen Sicherheitsrisiko verbundene Staatsschutzverfahren weder räumlich noch technisch vorbereitet. Vor einem Prozess bedürfte es daher zunächst erheblicher Investitionen, diese können durch die Übertragung der Zuständigkeit jedoch vermieden werden. Das Oberlandesgericht Hamburg verfügt nämlich bereits jetzt über alle Voraus

setzungen, um auch Staatsschutzverfahren mit terroristischem Hintergrund professionell durchführen zu können. Dort wurden bereits mehrere dieser aufwendigen Verfahren verhandelt. Genannt sei hier nur das Al-KaidaVerfahren gegen Mounir el Motassadeq, den Unterstützer der Piloten des 11. September.

Der Verhandlungssaal im Hamburger Strafjustizgebäude wurde eigens für diese Verfahren umgebaut und mit zusätzlichen Sicherungseinrichtungen versehen. Damit ergibt sich zugleich ein weiterer Vorteil: Infolge der in Hamburg verhandelten Verfahren verfügt das dortige Gericht bereits über besondere Sachkunde und Spezialwissen in Bezug auf terroristische Zusammenhänge. Gerade die Bearbeitung aufwendiger und aufsehenerregender Großverfahren wird durch eingearbeitete und erfahrene Justizangehörige besonders erleichtert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Abschluss des Staatsvertrages wurde uns die Chance eröffnet, von diesen Erfahrungen zu profitieren. Diese Möglichkeit müssen wir nutzen. Dann wird das OLG Hamburg zukünftig zentral für alle Staatsschutzverfahren aus Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zuständig sein. Damit ist der Staatsvertrag auch ein Beispiel für die gute norddeutsche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Justiz. Die bereits bestehende konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit wird durch ihn weiter verstärkt. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie daher um Ihre Unterstützung für dieses Vorhaben. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Frau Ministerin.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 6/713 zur Beratung an den Europa- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN bei Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU und SPD – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 6/721, in Verbindung mit der Ersten Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE – Entwurf eines Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern (Auftragsvergabegesetz Mecklen- burg-Vorpommern – AVG M-V), Drucksache 6/726.

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) – Drucksache 6/721 –

Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE Entwurf eines Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg- Vorpommern (Auftragsvergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern – AVG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 6/726 –

Das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU und SPD hat der Abgeordnete Herr Waldmüller von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich möchte beginnen mit einem oft gebrauchten Satz, den wir heute auch schon in der Aktuellen Stunde verwendet haben: Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können. Diesen Satz würde, denke ich mal, in der Politik niemand bestreiten wollen.

(Udo Pastörs, NPD: Nicht nur in der Politik.)

Die Würde des Menschen ist unantastbar, dies muss auch im Arbeitsleben gelten. Sittenwidrige und menschenunwürdige Löhne darf die Politik niemals akzeptieren.

(Udo Pastörs, NPD: Das aus Ihrem Munde.)

Hören Sie zu!

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)

Flächendeckende, nicht branchenbezogene und einheitliche Mindestlöhne, vom Staat festgelegt, halte ich aber für den falschen Weg. Ein solcher Mindestlohn unterminiert nicht nur die Tarifautonomie, er ist ein sehr grobes und daher, aus meiner Sicht, unbrauchbares Mittel, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einem Lohn zu verhelfen, der ihrer Arbeitsleistung Rechnung trägt. Diese grundsätzliche Bemerkung zum Thema Mindestlohn möchte ich vorwegschicken, um zu vermeiden, dass ein falscher Zungenschlag in die Diskussion gelangt, die wir heute zum Vergabegesetz zu führen haben.

Die Koalitionsvereinbarung für die Legislatur 2011 bis 2016 sieht die Novellierung des Vergabegesetzes in Mecklenburg-Vorpommern vor. Das Land soll also bei allen öffentlichen Auftragsvergaben in Landeshoheit die Zahlung eines Mindestlohnes von 8,50 Euro zur Bedingung machen. Den Kommunen wird empfohlen, bei der öffentlichen Auftragsvergabe einen Mindestlohn von 8,50 einzufordern. Wenn also Kommunen Aufträge im Rahmen von Vorhaben vergeben, die aus Mitteln des Bundes, des Landes oder der Europäischen Union gefördert werden, sollen diese dazu bewegt werden, einen Mindestlohn zu verlangen.

Die vorgesehene Regelung in diesem Gesetz ist meines Erachtens ein vernünftiger Kompromiss, der die unterschiedlichen Interessen von Auftraggebern, Wirtschaft und Arbeitnehmern in Einklang bringt. Und wir haben sichergestellt, dass die Lohnuntergrenze von 8,50 nicht nur für den Auftragnehmer gelten wird, sondern auch für Nachunternehmerverhältnisse. Damit ist ausgeschlossen oder wird verhindert, dass Landesregelungen unterlaufen werden.

Mir ist durchaus bewusst, dass mancher Unternehmer im Lande das Vergabegesetz mit Unbehagen sieht. Das

Thema Mindestlohn, wie immer man dazu auch stehen mag, ist eben auch ein Reizthema, und die Politik tut gut daran, diesen Umstand nicht außer Acht zu lassen. Ich betone daher, dass sich für die Unternehmerinnen und Unternehmer im Lande nicht sehr viel ändert – mit Mindestlohn oder auch ohne den Mindestlohn.

Der Mindestlohn, der im Vergabegesetz gefordert wird, wird in der Praxis dazu führen, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer möglicherweise höhere Rechnungen schreiben werden. Das Land Mecklenburg-Vorpommern drückt mit dem Vergabegesetz aus, dass es bereit ist, höhere Rechnungen zu bezahlen. Daran ist nichts Verwerfliches. Nachteile im Wettbewerb – und das ist für einen Unternehmer das Entscheidende – entstehen durch das Vergabegesetz nicht. Der Wettbewerb um öffentliche Aufträge wird durch das Vergabegesetz weder erschwert noch verzerrt. Ferner ist davon auszugehen, und diese Hoffnung sei gestattet, dass die Signalwirkung, die die öffentliche Auftragsvergabe entfaltet, mittelfristig zu einem spürbaren Anwachsen der Löhne in allen Branchen führen wird. Vor Kurzem haben wir ja auch die Tariferhöhungen der IG Metall bereits gesehen. Ich wünsche mir aber – ich deutete es eingangs an –, dass dies möglichst staatsfern, also möglichst durch die Tarifpartner, und sehr differenziert geschieht.

Auch im Wettbewerb um die Fachkräfte werden wir erleben, dass dies zwangsläufig eine Anhebung der Löhne und Gehälter mit sich führt.

Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass es gelingen wird, im Rahmen der Ausschussberatungen einen breiten Konsens über das Vergabegesetz herzustellen.

Was den Entwurf des Vergabegesetzes der Fraktion DIE LINKE angeht, so möchte ich nur eine knappe Bemerkung machen. Meiner Meinung nach atmet der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE den Geist eines Staats- und Gesellschaftsverständnisses, das geprägt ist von Misstrauen, das lese ich hieraus, von Gängelung und auch Bevormundung.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Um Gottes willen!)

Man könnte das im Einzelnen begründen, aber vielleicht eine beispielhafte Idee aus dem Paragraf 9. Dort heißt es: „Die Durchführung dieses Gesetzes wird durch eine mit dem notwendigen Personal und den erforderlichen Befugnissen ausgestattete Kontrolleinrichtung überwacht. Das für Wettbewerbsrecht zuständige Ministerium bestimmt durch Verordnung, welche Einrichtung des Landes diese Kontrollfunktion wahrnimmt.“ Eine eigene Kontrollbehörde also zur Überwachung von Unternehmerinnen und Unternehmern. Das kommt eben dabei raus, wenn die Fraktion DIE LINKE über Wirtschaftspolitik nachdenkt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das glauben Sie doch selbst nicht, Herr Waldmüller, was Sie jetzt sagen! – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Meine Damen und Herren, wir haben heute beim Vergabegesetz den Auftrag zur Umsetzung der Koalitionsvereinbarung. Das ist unsere Aufgabe als verlässliche,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

das ist unsere Aufgabe als verlässliche Koalition, und die werden wir erfüllen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt in diesem Redebeitrag darauf beschränken, unseren Gesetzentwurf einzubringen. Die Auseinandersetzung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition erfolgt dann in der Aussprache.

Über zwölf Prozent der erwerbstätigen Menschen in Mecklenburg-Vorpommern sind trotz Arbeit direkt von Armut bedroht. Ein Stundenlohn von unter 2 Euro ist keine Ausnahme im Land. Zehntausende sind trotz ihrer Vollzeitarbeit auf staatliche Leistungen angewiesen, wir haben heute Morgen in der Aktuellen Stunde detailliert darüber gesprochen. Wir sind der Überzeugung, dass dieser skandalöse Umstand nun endlich beendet werden muss.

Bekannt ist, dass DIE LINKE sich für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro starkmacht im Bund und im Land. Heute Morgen hatte ich bereits deutlich gesagt, dass wir eine Volksinitiative erfolgreich abgeschlossen haben, mit der über 15.000 Menschen fordern, dass in Mecklenburg-Vorpommern ein Lohn von 10 Euro für öffentliche Aufträge tatsächlich gezahlt wird. Diese Volksinitiative wird den Landtag erreichen und am 4. Juni der Landtagspräsidentin übergeben werden. Wir werden dann hier erneut darüber debattieren.

Es ist aber zurzeit politisch nicht durchsetzbar, weder im Bund noch im Land, dass 10 Euro als flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn entschieden wird. Gerade hier missachten Bund und Land die Probleme in den neuen Ländern. Wer heute von seiner Arbeit nicht leben kann, Niedriglöhner ist und Niedriglöhnerin ist, der wird morgen auch von seiner Rente nicht leben können. Und nicht nur heute müssen Aufstockerinnen und Aufstocker bei der Agentur für Arbeit beziehungsweise beim Jobcenter die Aufstockung beantragen, das wird dann später auch als Rentnerin und Rentner notwendig sein.

DIE LINKE hat heute ein qualifiziertes Vergabegesetz vorgelegt, um deutlich zu zeigen, dass es möglich ist, durch politische Entscheidung zumindest bei öffentlichen Aufträgen eine solche Regelung einzuführen, und dass darüber hinaus bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Unternehmen den Zuschlag für den entsprechenden öffentlichen Auftrag bekommen. Diese Regelungen in einem Vergabegesetz sind zwar nicht vergleichbar mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, weil sie sich ja ausschließlich auf die Aufträge beziehen, die vom Land beziehungsweise von den Kommunen vergeben werden, das ist ganz klar, aber sie sind ein wichtiger Schritt in Richtung Mindestlohn und es geht auch darum, Dumpinglöhne zu verhindern.

Und, Herr Waldmüller, ich wäre wirklich geneigt, mal eine Synopse der verschiedenen Reden anzufertigen, die in der Vergangenheit hier gehalten wurden zu dem Thema Mindestlohn.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Also Ihre Argumentation von heute hätte ich vor einem Jahr aus dem Munde eines CDU-Politikers oder einer CDU-Politikerin in keinster Weise gehört.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hinterhalt sagte man dazu früher.)

Aber die Polemik sei mir an der Stelle wirklich mal gestattet.

Wir können mit diesem Mindestlohn bei den öffentlichen Aufträgen auch dazu beitragen, dass die Fachkräfte nicht länger unser Land verlassen. Gerade junge Leute, und wir haben ja junge Leute, die gerade uns hier zuhören, kehren dem Land den Rücken, weil sie in anderen Bundesländern zum Teil das Doppelte verdienen. Wir werden uns weiterhin für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einsetzen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Mit einem Vergabegesetz werden wir und können wir ein Zeichen setzen. Wir sind der Überzeugung, das habe ich zumindest auch aus dem Koalitionsvertrag von SPD und CDU verstanden, dass mit einem Vergabegesetz Zeichen gesetzt werden können. Die öffentliche Hand kann und muss Vorbild sein, damit diese Niedriglohnpolitik beendet wird und Dumpinglöhne verhindert werden.

Wir alle wissen, auch diejenigen, die seit dieser Legislaturperiode neu in diesem Landtag arbeiten, die Diskussion über das Vergabegesetz begleitet uns nun schon über ein Jahrzehnt, und es war immer die Frage, welches Vergabegesetz ist zeitgemäß. Ich will da nur daran erinnern.

Und ich will auch gar nicht im Einzelnen jetzt die Etappen aufrufen, ich will nur daran erinnern, dass wir in der vergangenen Legislaturperiode, zuerst 2007, einen Antrag eingebracht haben, der, außer, dass er kurz debattiert wurde, nichts weiter gebracht hat, 2008 im März einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, und in 2011 – damals gab es die Diskussion über die europarechtliche Komponente, die dann also auch vom Europäischen Gerichtshof entschieden wurde –, im Januar 2011 haben wir erneut einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in den entsprechenden Ausschuss überwiesen wurde. Nach langem Warten kam dann der Gesetzentwurf von SPD und CDU. Fazit dieses Prozesses war, dass ein Gesetz beschlossen wurde, das keinem nützt, das am Ende auch gar keiner haben wollte, weder die Koalitionäre – die haben es zwar beschlossen, aber es hat keine Wirkung gezeigt –, geschweige denn die Kommunen, die Wirtschaft oder auch die Gewerkschaften.