Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier in den unterschiedlichsten Zusammenhängen über die Entwicklung am Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern diskutiert. Die insgesamt durchaus positive Entwicklung der offiziellen Statistik darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor spezielle Problemlagen gibt.
Zu einer ehrlichen Analyse gehört daher auch, dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit natürlich etwas mit demografischer Entwicklung zu tun hat, mit Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen und natürlich auch mit versteckter Arbeitslosigkeit. Zählen Sie beispielsweise die 30.000 Menschen dazu, die aufgrund von Krankheit, Alter, Ausübung von Arbeitsgelegenheiten oder Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen gar nicht in der Statistik auftauchen, dann relativieren sich die vielfach zu hörenden Jubelmeldungen über erstmals weniger als 100.000 Arbeitslose seit der politischen Wende.
Dann reden wir über realistische Zahlen, und nach denen haben wir in der offiziellen Statistik der Bundesagentur im Mai dieses Jahres ausgewiesene 72.720 Arbeitslose im SGB-II-Bezug, also Langzeitarbeitslose, zu denen noch einmal 6.599 Frauen und Männer allein in sogenannten Ein-Euro-Jobs hinzugezählt werden müssen. Und wir haben es im Land auch mit einer sehr ungleichen Verteilung der Arbeitslosigkeit über die Rechtskreise zu tun. Das Verhältnis SGB II zu SGB III beträgt etwa zwei Drittel zu einem Drittel.
Vor dem Hintergrund dieser anhaltend hohen Langzeitarbeitslosigkeit und dem gleichzeitig drohenden beziehungsweise einsetzenden Arbeitskräftemangel war es natürlich geradezu paradox, dass auf Bundesebene genau dort das Geld abgezogen wurde, wo es am allermeisten benötigt wird, nämlich bei der Integration von Langzeitarbeitslosen. Durch diese Entscheidung fehlen den Agenturen und Jobcentern im Land allein in diesem Land mehr als 80 Millionen Euro. Das heißt, es steht für das vermeintlich erklärte Ziel der Integration auch von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt weniger Geld zur Verfügung.
Um an dieser Stelle mit einem gern geäußerten Vorurteil aufzuräumen: Auch DIE LINKE freut sich für und mit jeder und jedem Arbeitslosen, die und der wieder in eine reguläre Beschäftigung vermittelt werden kann, sofern diese ihr oder ihm eine Perspektive bietet und sie oder er dabei von seiner Hände Arbeit auch leben kann. Wir wissen aber nicht zuletzt aus Gesprächen mit den Leitern von Agenturen und Jobcentern sowie aus der Anhörung – die hier ja schon Thema war, ich sage noch etwas dazu – der Experten im Finanzausschuss, dass es eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Langzeitarbeitslosen gibt, bei der wir eben davon ausgehen müssen, dass der Arbeitsmarkt im Land sie nur begrenzt aufnehmen kann. Und auch für diese Personengruppe gilt selbstverständlich unsere Landesverfassung, wo es unter Artikel 17 Absatz 1 heißt: „Das Land trägt zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Es sichert im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts einen hohen Beschäftigungsstand.“
Konsolidierung ist also wichtig. Integration in den Arbeitsmarkt hat aber auch Verfassungsrang. Aus unserer Sicht leitet sich daraus ab, dass die Landesregierung ihre Verantwortung für arbeitslose Menschen im Allgemeinen und für langzeitarbeitslose Menschen im Speziellen wahrnehmen muss. Und da wird es dann irdisch, denn seit dem Jahr 2007 nimmt die von SPD und CDU getragene Landesregierung keine eigenen Landesmittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik mehr in die Hand. Sie setzt ausschließlich auf ESF-Mittel zur Finanzierung des Programms „Arbeit durch Innovation und Bildung“ – kurz ArBI.
An dieser Stelle haben Sie jetzt auch geringfügig nachjustiert, indem Sie 2012 und 2013 jeweils 1 Million Euro mehr für Integrationsprojekte einsetzen wollen, was wir nicht in der Sache, sehr wohl aber in der Höhe kritisieren. 1 Million Euro mehr, das sind konservativ gerechnet etwa 250.000 Euro mehr pro Planungsregion, also fünf Projekte, mit denen Sie unterm Strich aus unserer Sicht leider viel zu wenig Langzeitarbeitslose erreichen. Kleinprojekte sollen auch wieder gefördert werden.
Ein richtiger Ansatz, denn sie sind für viele Vereine der letzte Strohhalm. Allerdings gab es eine monatelange Hängepartie bei der Bewilligung der Gelder für genau diesen Bereich. Kaum nachvollziehbar, reden wir hier doch auch über die Unterstützung des sonst von unserer Sozialministerin zu Recht so hochgelobten Ehrenamtes. Ganz absurd wird es, wenn vonseiten der Landesregierung, der Koalitionäre jedoch nach Berlin geschielt wird und wenn Sie zur Integration von Arbeitslosen in Mecklenburg-Vorpommern im Koalitionsvertrag hilfesuchend die Bundesebene bemühen. Sie haben doch mitbekommen, dass die Kürzung der Eingliederungsmittel bereits im Jahr 2010 beschlossen worden ist.
Was will nun DIE LINKE? Nun, wir sind der Meinung, dass man der spezifischen Problematik Rechnung tragen müsste, und haben daher bereits in den Ausschusssitzungen gefordert, Geld in die Hand zu nehmen, um öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse wieder zu ermöglichen. Denn das im Koalitionsvertrag von SPD und CDU unter Artikel 241 vage formulierte Bestreben, sich für diejenigen, die trotz Vermittlungs- und Qualifizierungsmaßnahmen nicht auf Dauer in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden können, um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mithilfe des Bundes zu bemühen, wird sich nicht erfüllen lassen. Bislang ist demzufolge auch nichts von den im gleichen Absatz angekündigten Initiativen auf Bundesebene zu hören gewesen. Kein Wunder, denn die Weichen wurden dort, wie beschrieben, in eine ganz andere Richtung gestellt.
Was machen Länder, die in einer ähnlichen Situation sind, zum Beispiel das Land Brandenburg? Dort hatte man sich bereits im Koalitionsvertrag darauf verständigt, 40 Millionen Euro aus Landesmitteln zur Verfügung zu stellen, um insbesondere älteren Langzeitarbeitslosen wieder neue Perspektiven zu eröffnen. Ja, auch „Arbeit für Brandenburg“ dockte an bestehende Instrumente der Bundesagentur an und bietet sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsmöglichkeiten im gemeinwohlorientierten Bereich. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass man Langzeitarbeitslose sozial integrieren kann und muss. Ein richtiger Ansatz, von dessen Erfolg ich mich in der vergangenen Woche beim Besuch von Einsatzstellen und im Gespräch mit Betroffenen sowie Vertretern von Jobcenter, Landes- und Stadtpolitik in Potsdam persönlich überzeugen konnte.
Natürlich müssen die Kolleginnen und Kollegen von SPD und LINKEN im Nachbarland auch überlegen, wie sie den Landeszuschuss von 250 Euro, der zu jedem Arbeitsplatz mit mindestens 30 Stunden Wochenarbeitszeit dazugelegt wird, künftig optimal einsetzen. Denn die Kürzung der Arbeitsgelegenheiten, an deren Personalkostenerstattung man bei der Finanzierung öffentlich
geförderter Beschäftigungsverhältnisse angedockt hat, wirkt sich auch in Brandenburg negativ aus. Aber man hat dort ein ganz anderes Grundverständnis davon, wie man mit dem Problem Langzeitarbeitslosigkeit umgehen will, und das ist aus unserer Sicht das Entscheidende.
Alle Partner gehen nämlich erst mal prinzipiell davon aus, dass ein solches Modell sinnvoll ist, und überlegen dann, wie man es gegebenenfalls gemeinsam mit Bundesagentur und Jobcentern finanziell untersetzen kann. Und man will möglichst viele Arbeitslose erreichen. Klar ist dabei, öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse sind eben nicht die billigste Variante und sie bringen daher auch nicht die größten statistischen Effekte. Sie sind aber für die Betroffenen eine echte Chance und daher fordern wir entsprechende Initiativen auch in unserem Land. Dabei geht es im Wesentlichen um drei Punkte:
Erstens soll die Landesregierung bei der Aufstellung des neuen OP für die neue ESF-Förderperiode die Steilvorlage der EU-Kommission zum Thema Armutsbekämpfung aufnehmen. Armut und Arbeitslosigkeit stehen in einem direkten Zusammenhang. Wenn ab 2014 circa 20 Prozent der Fördermittel auf genau dieses Thema konzentriert werden sollen, dann bietet sich hier die Chance, Mittel für öffentlich geförderte Beschäftigung oder – soll ich im Terminus der SPD bleiben – sozialen Arbeitsmarkt bereitzustellen. Und das kostet sie zunächst gar kein eigenes Geld, sondern nur ein wenig mehr Problemverständnis.
Zweitens soll die Landesregierung das Gespräch mit der Agentur für Arbeit suchen, um auszuloten, welche Möglichkeiten der Kofinanzierung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen es im Sinne einer Landesinitiative zur Integration von Langzeitarbeitslosen durch eben einen solchen sozialen Arbeitsmarkt geben könnte. Wir denken hier beispielsweise an Paragraf 16d SGB II, das neue Instrument der Förderung von Arbeitsverhältnissen.
Und drittens wäre es aus unserer Sicht dringend notwendig, die Zeit bis zum Beginn der neuen Förderperiode durch ein gemeinsames Projekt der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter, der Optionskommunen zur Integration von Langzeitarbeitslosen zu initiieren und dafür in Anlehnung an unser Nachbarland Brandenburg auch entsprechende Landesmittel zur Verfügung zu stellen.
Blieben wir beispielsweise bei einem gleich hohen Landeszuschuss von 250 Euro pro Arbeitsverhältnis, würden 1.000 Arbeitsverhältnisse, angelegt auf die 18 Monate bis zum Ende der aktuellen Förderperiode, etwa 4,5 Millio- nen Euro kosten. Dies wäre im Übrigen auch eine Chance, die Trägerlandschaft einzubinden und damit einen wirksamen Beitrag zu deren Existenzsicherung zu leisten.
Ich habe in der vergangenen Woche aus erster Hand erfahren müssen, wie es um die Zukunft der Beschäftigungs- und Strukturentwicklungsgesellschaften steht, die als Partner der unterschiedlichen Landesregierungen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Umsetzung der Arbeitsmarktpolitik im Land begleitet haben. Ganz klar ist, auch dort wird es strukturelle Anpassungen geben müssen. Wer aber sein Bekenntnis zum Erhalt einer leistungsfähigen Trägerlandschaft auch nur annähernd ernst meint, darf nicht nur deren Flexibilität und Einsatz loben, sondern muss, um eine Geschäftsführerin vom letzten Dienstag in Göldenitz zu zitieren, „auch den finanziellen Beipackzettel“ mitliefern.
Wollen wir hoffen, dass die Landesregierung, nachdem sie zunächst sieben Monate gebraucht hat, um die Abteilung Arbeit aus dem Wirtschaftsministerium in das Sozialministerium umzulagern und die Stelle der Abteilungsleiterin Arbeit mit einer geeigneten Fachfrau zu besetzen, nun endlich an die Arbeit geht.
Dass Sie über die Sie tragenden Fraktionen eine öffentliche Diskussion über die Arbeitsmarktpolitik des Landes durch die zuständigen Fachpolitiker im zuständigen Fachausschuss verhindert haben, war nun wahrlich kein Ruhmesblatt. Und, Herr Schubert, es zeugt schon von einem merkwürdigen Demokratieverständnis, wenn Sie Obleutegespräche als maßgeblich dafür ansehen, ob eine Oppositionsfraktion eine Anhörung beantragen kann oder nicht, zumal es ja eine Vereinbarung gab, dass Fachanhörungen auch in den zuständigen Fachausschuss gehören.
(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Richtig. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das werden wir das nächste Mal durchsetzen.)
Und wenn Sie heute Morgen Herrn Gundlack richtig zugehört haben, dann hat er auch genau das kritisiert. Die Sozialdemokratie sollte sich einmal daran erinnern, was sie den Menschen in ihrem Wahlprogramm versprochen hat. Dort heißt es: „Trotz aller positiven Entwicklung wird es immer noch Langzeitarbeitslose geben, die keine realistische Chance haben, in den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren. Für sie brauchen wir einen sozialen Arbeitsmarkt mit öffentlich geförderter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Die SPD MecklenburgVorpommern setzt auf eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Ihr Paradigma lautet: Wir wollen nicht Arbeitslosigkeit, sondern Arbeit finanzieren!“
Meine Damen und Herren, das ist doch ein schönes Schlusswort für meinen Beitrag. Setzen Sie einfach Ihr Wahlprogramm – oder Sie haben es ja gleich etwas hochtrabend als Regierungsprogramm bezeichnet – um, damit am Ende nicht wieder gilt: „Versprochen – gebrochen“.
Am Ende hat es hingehauen, ja. Wir sind da gar nicht eitel und wir würden Sie selbstverständlich auf diesem Weg unterstützen, denn es geht um die von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen, die ihre Hoffnung in eine entsprechende Politik gesetzt haben. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Zuruf aus dem Plenum: Der ist nicht da. – Peter Ritter, DIE LINKE: Auszeit! – Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Es gibt eine Redner/-innenliste.)
Gut, dann fordere ich den nächsten Redner auf. Das ist der Abgeordnete Herr Renz von der CDU-Fraktion.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Der hatte ja schon gedroht. – Torsten Renz, CDU: Wir arbeiten eben gut zusammen.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde jetzt im Bereich der Arbeitsmarktpolitik die Aktuelle Stunde hier nicht fortführen, ich will doch nachher mehr in den nächsten Ausführungen wieder auf den Haushalt zurückkommen.
Wir haben ja das Thema Arbeitsmarktpolitik, Herr Foerster, das ist auch gut so, in jeder Haushalts…, nicht in jeder Haushaltsdebatte, sondern in jeder Landtagsdebatte auf der Tagesordnung, aber dass die jetzt diesen Schwerpunkt auch noch in politischer Art hier finden muss zum jetzigen Zeitpunkt – na ja, sage ich mal. Aber ich will trotzdem kurz antworten, Herr Foerster.
Weil es eben auch so ist im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, will ich noch mal dann die Gelegenheit nutzen und sagen: Wir haben eine erfolgreiche Bundesregierung und eine erfolgreiche Landesregierung,
was die Arbeitsmarktpolitik betrifft, und das hat dazu geführt, auch das möchte ich an dieser Stelle noch mal sagen, Ausgangspunkt war natürlich die Hartz-IV-Reform unter Rot-Grün, die den Anstoß gebracht hat, und das hat eben dazu geführt, dass wir heute nicht mehr 5 Millionen Arbeitslose haben, so wie damals, sondern 2,8 Millionen Arbeitslose.
Das führt dann logischerweise auch dazu, dass wir bei 2,8 Millionen andere Arbeitsmarktinstrumente einsetzen müssen als bei 5 Millionen, und deswegen wurde richtigerweise umgesteuert. Und das ist von der Logik her, denke ich, auch nachzuvollziehen, dass ich dann auch weniger Geld in diesen Bereich geben muss. Insofern will ich das dann an dieser Stelle, wie gesagt, mit der Arbeitsmarktpolitik belassen und will mich dann doch wieder mehr dem Haushalt zuwenden. Die letzten Diskussionsbeiträge haben mich noch mal dazu animiert, zwei, drei grundlegende Sachen hier zu sagen, auch insbesondere aufgrund des Redebeitrages von Frau Berger von den GRÜNEN.
Ich hatte mir so kurz einfach als Stichworte aufgeschrieben „Wunschliste“ oder „Wünsch dir was“. Deswegen will noch mal ganz deutlich an dieser Stelle – auch gerade, weil ich die Zuhörerschaft dort hinten jetzt sehe – ganz klar ein Zwischenfazit hier ziehen: Wie stellt sich die Situation dar? Was ist solide Finanzpolitik, verantwortungsbewusst für die Zukunft dieses Landes? Da muss ich aufgrund der Redebeiträge feststellen, wir haben hier
eine Große Koalition unter SPD und CDU, sie steht für eine solide Haushaltspolitik ohne Neuverschuldung,
und auf der anderen Seite haben wir Wunschlisten. Und insbesondere zähle ich Sie jetzt auch wieder dazu, Sie sprechen als Opposition von Neuverschuldung und das ist ein ganz klarer Gegensatz, politisch, der sich hier darstellt.