Und die zweite Bemerkung: Die Ministerin hat dies nicht getan. Sie hat mit hoher Ernsthaftigkeit für die Landesregierung in Stellvertretung für den Kultusminister die Position der Landesregierung vorgetragen und sie hat für meine Begriffe auch glaubhaft vorgetragen die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Begehren der Volksinitiative. Frau Schwesig, ich glaube allerdings, stellvertretend, Sie haben den falschen Schluss gezogen, denn wenn man sich den Wortlaut der Volksinitiative noch mal auf der Zunge zergehen lässt, dann ist es das Bekenntnis zum Erhalt der bestehenden Theater- und Orchesterstruktur. Da ist nichts konkreter festgezurrt, sondern da ist ein Ziel definiert, und ich glaube, dass es gar nicht so schwer gewesen wäre – und das zeigen auch die Zurufe gerade zu den Beiträgen –, dass es gar nicht so schwer gewesen wäre, diese Volksinitiative einfach in ihrem Wortlaut anzunehmen und sich dazu zu bekennen und dann herunterzubrechen, was das in der Konsequenz heißt, von mir aus auch mit einem Konzept.
Ich glaube, dass es diesem Hause gutgetan hätte, wenn wir hier einmal gemeinsam erlebt hätten im besten demokratischen Sinne, dass eine Volksinitiative durch dieses Haus angenommen worden wäre. Ich glaube, das wäre wirklich ein sehr, sehr gutes Zeichen gewesen.
Auf der anderen Seite, ich glaube, es verwundert niemanden wirklich, dass SPD und CDU diese Volksinitiative heute ablehnen. Täten sie dies nicht, so wäre dies ja ein Eingeständnis der verfehlten Kulturpolitik der vergangenen Jahre, oder zumindest ich habe mir nicht vorstellen können, dass dies heute geschieht, nämlich dieses Eingeständnis. Und ich finde wichtig, dass wir hier an dieser Stelle festhalten: Auch mit der Erarbeitung eines Konzeptes signalisiert die Landesregierung all das, was in den vergangenen Wochen, Monaten, Jahren noch
bitter verteidigt worden ist, ein Eckpunktepapier. Die Fusion von Theatern wird damit beerdigt. Es gibt einen neuen Anlauf, und das ist gut so.
Und deshalb glaube ich, dass wir heute zumindest einen deutlichen Schritt weiter sind, wenn es um die Entwicklung der Theater- und Orchesterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern geht, denn bisher reduzierte sich die Stellungnahme der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen vor allem darauf, dass die Theater selbst etwas tun müssten, dass sich das Land doch überdurchschnittlich mit hohen Zuschüssen engagiere und dass vor allem die Kommunen als Träger der Orchester und der Theater hier in der Verantwortung seien, eigene Konzepte zu erarbeiten.
Wenn ich jetzt despektierlich argumentieren würde, würde ich sagen, die Theater- und Orchesterpolitik des Landes hat sich darauf reduziert,
bei Eintreten einer drohenden Insolvenz Zuschüsse an das Theater Schwerin zu geben, aber ich will das hier an dieser Stelle gar nicht so betonen.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber auch das, wenn Sie es nicht machen wollen, ist polemisch. Aber das wissen Sie auch, Herr Suhr. – Zurufe von Jörg Heydorn, SPD, und Dr. Margret Seemann, SPD)
Aber, Herr Dr. Nieszery, wir sind doch aus einem anderen Grund heute einen deutlichen Schritt weiter,
Ein Bekenntnis, „die Theater- und Orchesterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern auf hohem künstlerischem Niveau und ausgewogen zu sichern und fortzuentwickeln“, das ist ausdrücklich benannt. Und wir sind auch deshalb einen deutlichen Schritt weiter, weil „die Landesregierung“ immerhin dazu „aufgefordert wird“, endlich „ein Konzept vorzulegen“.
Ich teile das, was vonseiten der LINKEN gesagt worden ist: Das ist spät, das ist für manche Häuser vielleicht unerträglich spät, weil sie sich permanent nach der Decke strecken, weil verschiedene Häuser in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren immer wieder daran gearbeitet haben, Kosten einzusparen, weil wir seit Jahren mit stagnierenden Zuschüssen arbeiten, und das ist für die Menschen vor Ort, für die Beschäftigten, aber auch für viele Bürgerinnen und Bürger ein unhaltbarer Zustand.
Und auch wenn die Volksinitiative heute durch die Regierungsmehrheit abgelehnt wird, Sie haben mit dem öffentlichen und politischen Druck – und damit meine ich die Initiatoren der Initiative –, den Sie heute durch diese Volksinitiative ausgelöst haben und in den vergangenen Wochen auslösen konnten, in der Tat viel erreicht. Und ich möchte heute all denjenigen danken, die dies durch ihre Arbeit ermöglicht haben.
Man könnte in der Tat heute zu dem falschen Ergebnis kommen, mit der Ablehnung sei nichts erreicht worden. Die Volksinitiative war ein wesentlicher, vielleicht der wesentliche Beitrag,
die Landesregierung in Bewegung zu bringen, endlich in diesem Feld zu arbeiten und endlich in diesem Feld konzeptionell zu arbeiten.
Ich finde, dass die Befassung der Landtagsausschüsse mit der Volksinitiative sowie das Anhörungsverfahren auch deutlich gezeigt haben, dass die Diskussion um die Theater und Orchester einen anderen Schwerpunkt braucht als die Auseinandersetzung vor allem um finanzielle Fragen. In den Beratungen ist deutlich geworden, dass ein hochwertiges Kulturangebot in MecklenburgVorpommern ein wichtiger Pfeiler unserer demokratisch verfassten Gesellschaft ist, denn Mittel der Kunst sind besonders dazu geeignet, vor allem Kindern und Jugendlichen demokratische Werte wie Toleranz, Akzeptanz und Respekt zu vermitteln. Kultur ist ein wichtiger Bestandteil einer humanistisch geprägten Bildungsstruktur und Theater sind überaus geeignete Orte der kritischen Auseinandersetzung, die eine demokratische Gesellschaft unbedingt und immer wieder braucht, um sich weiterentwickeln zu können.
Und Herr Koplin hat vorhin zu Recht darauf hingewiesen, dass das Kulturangebot, das Theater- und Orchesterangebot in Mecklenburg-Vorpommern inzwischen nicht mehr nur ein weicher Standortfaktor ist, sondern, wenn man den Blick auf den Tourismus lenkt, ein harter Standortfaktor und eine Motivation für viele Menschen ist, zu uns zu kommen. Und auch das ist gut so, meine Damen und Herren.
Wenn wir dies erwarten, also diese Wertevermittlung der Theater und Orchester erwarten, dann brauchen unsere Theater und Orchester die Rahmenbedingungen, um ein qualitativ hochwertiges Angebot zu entwickeln und zu präsentieren. Dann brauchen wir die Mittel, um vor allem auch junge Menschen im Rahmen theaterpädagogischer Angebote für Kunst und Kultur zu interessieren. Und da müssen wir Bedingungen schaffen, damit Theater und Orchester sich vor allem auf diese Aufgabe konzentrieren können.
Sehr geehrte Damen und Herren, wer seit Jahren einen Überlebenskampf führen muss, wer immer wieder mit Kürzungen und möglichen Arbeitsplatzverlusten konfrontiert wird, wer immer wieder Gegenstand von möglichen Einsparungen ist oder aus den Medien entnehmen muss, dass das eigene Haus, der eigene Arbeitgeber von Insolvenz bedroht ist, der ist in seinem Handeln einge
schränkt. Die Theater und Orchester werden seit Jahren durch das politische Handeln, oder vielfach – und das geht vor allem an die Adresse der Landesregierung – auch durch das politische Nichthandeln massiv verunsichert. Dies muss so schnell wie möglich aufhören. Wir sind in der Pflicht, verlässliche Rahmenbedingungen und vor allem eine Perspektive für die Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern zu schaffen, damit diese ihre wichtige kulturelle und weit über das Kulturelle hinausgehende Arbeit leisten können und sich darauf konzentrieren können.
… die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützt die Volksinitiative. Wir werden auch den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE unterstützen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, Petereit! – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Der macht jetzt Thor-Steinar-Festspiele, glaube ich.)
Sie reden immer viel von Rahmenbedingungen, die angeblich nicht dem entsprechen würden, was die Theater und Orchester bräuchten. Auch wenn Sie Rahmenbedingungen sagen, gemeint ist immer Geld, Steuergeld.
Sie alle hier erleben beinahe täglich Situationen der Landespolitik, die nicht zufriedenstellend oder katastrophal sind. Fehlende Kita- und Krippenplätze, fehlende kostenlose Schulspeisung, mangelhaftes öffentliches Nahverkehrsnetz, Abbau bei der Polizei, in Bereichen der Daseinsfürsorge und der Sicherheit. Überall muss gekürzt und eingespart werden. Das trifft natürlich auch die Theater und Orchester.
Während der Anhörung zur Volksinitiative im Bildungsausschuss wurde die Behauptung aufgestellt, die Theaterlandschaft sei eigentlich Weltkulturerbe. Solche Sprüche ändern allerdings nichts daran, dass die Theater und Orchester die Mehrheit des Volkes nicht erreichen.
Über die Hälfte geht gar nicht ins Theater, weitere über 30 Prozent eher selten, also auch fast nie, knapp 12 Prozent gehen ab und zu und nur um die 2 Prozent sind regelmäßige, intensive Theaterbesucher – 2 Prozent!
(Manfred Dachner, SPD: Wie oft waren Sie denn eigentlich? – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Immerhin! – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)
Schauen Sie sich zum Beispiel die Besucherzahlen bei den Vorstellungen für Kinder an. Schon komisch, dass ausgerechnet diejenigen, die eigentlich über kein Geld verfügen, für volle Häuser sorgen. Oder was ist mit den Besucherzahlen der Privattheater? Die schaffen es auch, ihre Spielstätten vollzubekommen, und das ohne Zuschüsse aus der öffentlichen Hand.
Und wenn wir dann im Ausschuss noch vermittelt bekommen, dass man am Standort XY eigentlich die besten Voraussetzungen überhaupt hätte, aber trotzdem nicht auf einen halbwegs grünen Ast kommt, dann ist es verdammt noch mal Zeit, sich an die eigene Nase zu fassen. Schluss mit Cliquenwirtschaft und Selbstinszenierung – wir brauchen Volkskunst!
(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was ist denn Volkskunst? Definieren Sie doch mal Volkskunst!)