Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin der Fraktion DIE LINKE für ihren Antrag dankbar, die damit einen Anstoß für eine politische Debatte gegeben hat, wie unser Nachbarland Polen in die Energiewende stärker mit einbezogen werden kann. Der Landtag hatte bereits frühzeitig, das heißt zu Beginn dieser Legislaturperiode, fraktionsübergreifend für eine qualifizierte Beratung in den Fachausschüssen plädiert und den Ursprungsantrag überwiesen. Der Energieausschuss hat sich dann in der Folge ausreichend Zeit für eine sorgfältige Behandlung dieser Thematik genommen.
Meine Damen und Herren, bevor ich nun auch zu meinem eigentlichen Bericht komme, möchte ich kurz darlegen, unter welchen Rahmenbedingungen und mit welchen Verpflichtungen Klimaschutz – auch in Polen – heutzutage stattfinden muss.
Die Europäische Union hat sich im Rahmen ihres Klima- und Energiepaktes verpflichtet, die Treibhausgasemissionen der EU-27 bis 2020 gegenüber 1990 um mindestens 20 Prozent zu senken. Das ist eine starke Selbstbindung und ein sehr ehrgeiziges Ziel, meine Damen und Herren Abgeordnete, und natürlich muss in diesem Zusammenhang auch das europäische Transformationsland Polen seinen Beitrag dazu leisten, auch wenn dort Sonderbedingungen bestehen.
auf der Verstromung von Steinkohle durch eine veraltete Kraftwerkstechnik. Polen ist also gezwungen, in verhältnismäßig kurzer Zeit seinen nationalen Energiemix komplett umzugestalten und zu modernisieren, wenn die vereinbarten Klimaschutzziele termingerecht erreicht werden sollen. Unser Nachbar versucht dies mittelfristig
Am 10. November 2009 hat der polnische Ministerrat seine Prioritäten hinsichtlich der Energiepolitik Polens bis 2030 und damit die Diversifizierung der Stromerzeugungsstruktur durch die Einführung der Kernenergie festgelegt. Und in der Folge wurden 29, ich wiederhole, 29 mögliche Atomkraftwerksstandorte einschließlich des nachgemeldeten Standortes Gąski in Westpommern identifiziert. Der erste Reaktorblock soll laut Kernenergieprogramm bereits spätestens im Jahr 2020 angefahren werden und Strom produzieren, das heißt, Baubeginn wäre 2015.
Hinsichtlich des möglichen Standortes für das erste Atomkraftwerk scheint am 16. März dieses Jahres eine Vorentscheidung durch das zuständige polnische Wirtschaftsministerium gefallen zu sein. Es handelt sich um den Standort Żarnowiec in der Woiwodschaft Pommern. Der Standort liegt nur in etwa 250 Kilometer Entfernung zur Insel Usedom, fast direkt an der Ostsee und rund 50 Kilometer nordwestlich von Gdansk.
EU-rechtlich, meine Damen und Herren, ist der Neubau von Atomkraftwerken möglich, denn der EU- und Energiefahrplan bis 2050 zeigt Szenarien auf, in denen auch die Kernenergienutzung Berücksichtigung findet. Die Nationalstaaten können somit ihren jeweiligen Energiemix eigenständig, das heißt ohne verbindliche Weisung von außen festlegen. Die Republik Polen geht mit dem beabsichtigten Bau von Kernkraftwerken also auch keinen Sonderweg, sondern folgt anderen EU-Mitgliedsstaaten wie beispielsweise Frankreich und Großbritannien oder wie bisher eben auch Deutschland.
Vor diesem Hintergrund hat sich der Energieausschuss darauf verständigt, meine Damen und Herren, neben Vertretern der Landesregierung auch Vertreter der polnischen Botschaft sowie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in seine Beratungen miteinzubeziehen.
In diesem Zusammenhang hatte die Landesregierung insbesondere zur grenzüberschreitenden strategischen Umweltprüfung zum Entwurf des polnischen Kernenergieprogramms sowie zu dessen Standorterweiterung Stellung genommen.
Meine Damen und Herren, mit rund 30.000 Stellungnahmen und Eingaben aus Deutschland haben betroffene Bürgerinnen und Bürger, staatliche Institutionen sowie Vereine und Verbände ihre Sorgen und Befürchtungen zum polnischen Kernenergieprogramm zum Ausdruck gebracht. Der Ausschuss hatte sich den wesentlichen Kritikpunkten der Landesregierung angeschlossen. Dies waren folgende vier Punkte:
Mit den Botschaftsvertretern wurden die Rahmenbedingungen für das polnische Kernenergieprogramm und der Stand der Nutzung erneuerbarer Energien in Polen sowie Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erörtert. Im Ergebnis wurde seitens der Botschaftsvertreter signalisiert, dass Polen aus Gründen des Klimaschutzes von den Plänen zur Kernenergienutzung nicht abrücken könne, aber die deutschen Erfahrungen in Bezug auf den Ausbau erneuerbarer Energien nutzen wolle und ebenso eine gute bilaterale Zusammenarbeit beim Bau von Gaskraftwerken vorstellbar sei.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle sei es mir gestattet, Kritik über einen Umstand während des Beratungsverfahrens zu äußern, der mich als Vorsitzender, aber auch, glaube ich, alle Mitglieder des Ausschusses sehr geärgert hat.
Vor dem Hintergrund der nationalstaatlichen Zuständigkeit bei vielen Energiefragen hatte sich der Energieausschuss über die Präsidentin zu Beginn des Jahres 2012 an den damaligen Bundesumweltminister, Dr. Norbert Röttgen, gewandt und gebeten, dem Ausschuss eine Bewertung des polnischen Kernenergieprogramms und dessen grenzüberschreitenden Ausblick aus Bundessicht zu übermitteln sowie den Ausschuss über die Situation und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien zu informieren.
Leider haben sich Dr. Röttgen und sein Haus einer Zusammenarbeit mit dem Energieausschuss aus organisatorischen und personellen Gründen verweigert und auf Landesbehörden verwiesen. Dies ist gerade in Bezug auf die staatlichen Zuständigkeiten der Kernenergiefragen aus meiner Sicht ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren Abgeordneten, und nicht zu akzeptieren.
Meine Damen und Herren, der Energieausschuss hat den Antrag in insgesamt sieben Sitzungen beraten, um die komplexe Thematik mit der notwendigen inhaltlichen Tiefe und Sorgfalt erörtern zu können. Und ich denke, das ist uns auch gelungen.
Im Ergebnis hat sich der Ausschuss darauf verständigt, eine Entschließung zu verabschieden, mit der darum gebeten wird, die Pläne zum Bau von Atomkraftwerken in Polen zu überdenken. Darüber hinaus wird das Land aufgefordert, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der Woiwodschaft Westpommern auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien auszubauen. Ebenso sind grenznahe Gebietskörperschaften sowie Gremien aufgefordert, eigenständig Initiativen zu ergreifen.
Positiv bewerten möchte ich, dass sich die Fraktion DIE LINKE sehr offen mit den dargelegten Argumenten während der Ausschussberatung auseinandergesetzt hat, die zu einer weiteren Qualifizierung des Ursprungsantrags in neuer Fassung geführt haben, sodass der Ursprungsantrag einvernehmlich dann auch für erledigt erklärt werden konnte.
Positiv ist auch die Festlegung, dass der Landtag von der Landesregierung einen Zwischenbericht über die bis zum 31. März 2014 erzielten Ergebnisse der eingeleiteten Maßnahmen und Aktivitäten im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit den polnischen Nachbarn erhalten soll.
Meine Damen und Herren, ich möchte an Sie alle, an die Vertreter der Landesregierung und an Sie auch als Abgeordnete appellieren, dass Sie den heutigen Beschluss – und da gehe ich wie eingangs erwähnt von Ihrer Zustimmung zur Beschlussempfehlung aus – sehr ernst nehmen und mit Leben erfüllen. Es geht um unsere Selbstverpflichtung, werte Kolleginnen und Kollegen, unseren polnischen Nachbarn Hilfe beim Einstieg in eine zukunftsfähige Energiepolitik auf der Grundlage erneuerbarer Energien zu geben.
In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere auf die bisher gefassten Beschlüsse des Landtages in den Empfehlungen des Parlamentsforums Südliche Ostsee verweisen, die die Arbeitsgruppe Energie unter der Leitung unseres Landtages erarbeitet hat. Beispielsweise geht es um die grenzüberschreitende Vernetzung von Forschungs- und wissenschaftlichen Einrichtungen auf dem Gebiet erneuerbarer Energien und den Aufbau eines gemeinsamen Zentrums.
Darüber hinaus sollte der Vorschlag von Herrn Energieminister Schlotmann unterstützt werden, eine grenzüberschreitende Modellregion für erneuerbare Energien gemeinsam zwischen Mecklenburg-Vorpommern und der Woiwodschaft Westpommern zu entwickeln.
Abschließend möchte ich mich namens des Ausschusses für die gute und konstruktive Zusammenarbeit mit der Landesregierung, insbesondere mit den Vertretern des Energieministeriums und des Innenministeriums bedanken. Ebenso möchte ich den Kolleginnen und Kollegen des Energieausschusses sowie den mitberatenden Fachausschüssen danken, die eine umfassende Debatte und ebenso eine qualifizierte Beratung ermöglicht haben. Sie alle waren von der Notwendigkeit des überarbeiteten Antrages überzeugt, wie man unschwer am Votum des Ausschusses erkennen kann.
Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, dass Sie dem Votum des Energieausschusses folgen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als am – ich habe noch mal nachgesehen – 16. November 2011 die Fraktion DIE LINKE den Antrag gestellt hat, um den es hier heute geht, habe ich zunächst gedacht, obwohl ja die CDU, wie gesagt, diesen Anträgen der LINKEN oftmals kritisch, sehr kritisch gegenübersteht, dass eigentlich in der Sache das Thema durchaus zustimmungsmöglich wäre.
Aber als ich mich dann auch mehrfach mit den Formulierungen befasst habe, war für mich doch zu erkennen,
dass es schon gut wäre, die ganze Geschichte sich noch mal etwas detaillierter anzusehen. Und insofern bin ich auch sehr dankbar heute, dass dann ja auch der Vorschlag zur Überweisung kam und wir die Möglichkeit hatten, uns sehr intensiv mit diesem Antrag zu befassen. Ich glaube, das war sehr richtig, das war auch wichtig, zumal es ja auch um ein Thema geht, was am Ende die Fragen internationaler Zusammenarbeit betrifft. Und – das sage ich jetzt völlig wertfrei – da muss man sich schon jedes Wort anschauen. Das könnte mir genauso passieren, wenn ich einen solchen Antrag stelle, dass man da vielleicht Dinge, die man anders meint, am Ende dann mit einer Wirkung versieht, die zu Schwierigkeiten führen könnte. Insofern, glaube ich, war der Weg richtig, dass wir uns – das wurde ja eben noch mal gesagt, in sieben Sitzungen, das hätte ich gar nicht gedacht, dass wir so viel Sitzungen dafür brauchen – aber dann doch sehr intensiv damit befasst haben.
Was haben wir im Ergebnis erreicht? Ich will darauf nur kurz hinweisen und beziehe mich da auch auf den Vortrag des Ausschussvorsitzenden: Es hat Änderungsvorschläge der Landesregierung gegeben. Es hat eine Ergänzung gegeben, die aufgenommen wurde seitens des Europa- und Rechtsausschusses in Bezug auf Empfehlungen des 6. Parlamentsforums Südliche Ostsee in Kolberg. Es ist, glaube ich, auch deutlich geworden, dass wir auf das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Polen in besonderer Weise Rücksicht nehmen müssen, gerade wenn es um Themen der Energiestrategie geht.
Und ich glaube, das hat man auch gespürt bei der Anhörung, die wir dann gemacht haben, seitens der polnischen Regierungsvertreter – ich glaube, einmal Botschaft, einmal Regierung war das, ich weiß gar nicht mehr genau –, mit welchem Selbstbewusstsein die dort ihre Strategie vertreten haben, was ja verständlich ist, wenn man, wie gesagt, die Historie der polnischen Energieproduktion sich anschaut, zu 92 Prozent heute noch mit Steinkohle. Es ist schwer, das jetzt so umzubauen, dass man da in die Richtung erneuerbarer Energien geht und dabei immer sichert, dass auch entsprechende Versorgungssicherheit gewährleistet ist.
Also ich glaube, wenn man sich den Vergleich jetzt anschaut des Ursprungsantrages und auch der Beschlussempfehlung, die jetzt vorliegt – und da werde ich jetzt, glaube ich, der LINKEN nicht Unrecht tun –, dann hat das eine deutliche Qualifizierung gegeben. Aber ich glaube, dass kann man auch durchaus der besonderen Situation eines solchen Themas zurechnen. Wenn man das sich anschaut, das habe ich jetzt noch mal gemacht, dann hatte der Antrag ursprünglich mal darauf abgestellt. Wie gesagt, ich glaube gar nicht, dass es böser Wille war, aber wenn man sich das dann mal etwas kritisch anschaut, kommt man auch vielleicht darauf, dass Deutschland Verantwortungsbewusstsein
gegenüber heutigen und künftigen Generationen übernommen hat im Hinblick auf den Ausstieg aus der Atomenergie. So war es formuliert ungefähr, also sinngemäß jetzt mal.
Das würde natürlich heißen, wenn man jetzt mal mit der Brille eines Polen vielleicht liest, dass im Umkehrschluss, wenn jemand nicht aussteigt, er kein Verantwortungsbewusstsein gegenüber heutigen und künftigen Generationen haben könnte. Ich mache das mal etwas spitzfindig.
Das meinten sie, glaube ich, nicht, aber ich will nur sagen, insofern war es richtig und wichtig, tatsächlich hier die Dinge anders zu formulieren.
Wir haben ja dann auch eine Formulierung aufgenommen. Ich weiß gar nicht, ich glaube, die ist von der Landesregierung gekommen, dass gesagt wurde, dass eben am Ende auch formuliert wurde, dass also der Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien dieses Verantwortungsbewusstsein demonstriert. Ich glaube, das ist wesentlich eleganter und besser formuliert.
Zum Weiteren: Die Landesregierung, so sagte der Ursprungsantrag, soll deutlich machen, dass neue AKW in Polen den Interessen Mecklenburg-Vorpommerns entgegenstehen, was ohne Zweifel richtig ist. Nur ich halte es für besser, wenn wir dann formuliert haben, also das weiter nach hinten gestellt und dann formuliert haben, die Landesregierung soll geeignete Wege beschreiten, um die polnische Regierung zu bitten, ihre eigenen Pläne zu überdenken. Ich glaube, das gehört sich so, das ist der Respekt vor dem Nachbarn, eben auch in einer solchen Weise zu formulieren.
Die LINKE hat formuliert in ihrem Antrag, die Landesregierung soll „eine grenzübergreifende Region der erneuerbaren Energien … schaffen“. Da war es uns allerdings wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, und das haben wir ja dann auch aufgenommen, dass hier schon die Souveränität Polens bei der Umgestaltung seiner nationalen Energiestrategie oder seines Energiesystems zu respektieren ist.