Protokoll der Sitzung vom 21.06.2012

sollte er sich vielleicht mal überlegen, ob er sich nicht mit ihm, mit seinem früheren Kabinettskollegen in Zukunft darüber austauscht, welche zukünftigen Aufgaben er denn außerhalb des Kabinetts wahrnehmen könnte.

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD)

Ja, Herr Kollege Müller, im Endeffekt weiß ich gar nicht, wie ich diese Tonlage jetzt bewerten soll, sagen wir mal dieses Lachen, denn das bleibt mir inzwischen schon im Halse stecken. Ich glaube, das ist auch etwas, was uns allen inzwischen hier im Halse stecken bleibt, dass wir immer wieder feststellen müssen, es ist zwar Geld da. Ich möchte das hier noch mal ganz deutlich machen, das ist keine Kritik an der Bundesregierung in Gänze, es ist auch keine Kritik meinerseits an dem Bundesfinanzminister oder an die Bundeskanzlerin, es ist eine explizite Kritik an den Bundesverkehrsminister.

(Heinz Müller, SPD: Aber was sollte der denn dann außerhalb des Kabinetts tun?)

Ja, vielleicht ist nachher ein anderer Bundesverkehrsminister. Aber vielleicht hat die CSU auch keinen Kabinettskollegen, den sie da noch hinstellen kann.

Aber, sehr geehrte Kollegen, mir geht es im Endeffekt an dieser Stelle ganz klar darum,

(Zurufe von Marc Reinhardt, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

man muss auch vonseiten dieses Landes mal deutlich sagen, ob ein Bundesminister an dieser Stelle in der Lage ist, einer Gesamtverantwortung für die Bundesrepublik Deutschland nachzukommen. Deswegen bleibt mir

inzwischen auch das Lachen im Hals stecken. Es ist ja nicht das erste Mal der Fall, sondern wir erleben das immer wieder. Und wir haben es bei dem Ausbau des SPNV-Verkehrs, wir haben das in diesem Bereich, wir erleben das in anderen Bereichen auch.

Deswegen, sehr geehrte Kollegen, bitte ich eindrücklich darum, dass wir ein breites Signal mit der Zustimmung zu diesem Antrag hier aus diesem Haus abgeben. Ich gehe nicht davon aus, dass Herr Ramsauer deswegen zurücktreten wird, aber man sollte vielleicht schon mal deutlich machen, was man von der Politik an dieser Stelle eines bestimmten Ministers, ich sage das ausdrücklich, hält. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke, Herr Schulte.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat jetzt der Energieminister Herr Schlotmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ende Mai benachrichtigte mich der Staatssekretär Professor Scheurle im BMVBS darüber, und zwar per Brief – zu dem Thema Dringlichkeit sage ich jetzt nichts mehr, das hatte, glaube ich, ganz andere Ursachen als der falsche Termin –, jedenfalls wurde ich da schriftlich benachrichtigt, dass weder die Vertiefung des Hafens Wismar noch die des Seehafens Rostock in absehbarer Zeit vom Bund umgesetzt werden wird. Die angeführten Gründe, ich will sie noch mal im Kern wiederholen: In Wismar sei die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme nach neuer Nutzen-Kosten-Untersuchung infrage gestellt und in Rostock fehle schlichtweg das Geld. Das ist so die Kernaussage aus beiden Briefen. Ich kann Ihnen sagen, etwas diplomatischer von mir formuliert, mit dieser Haltung des Bundes bin ich absolut nicht einverstanden. Nun, ich werde das auch im Detail begründen.

Der Bund gefährdet mit einer solchen Entscheidung auch die konjunkturelle Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern. Das steckt ein ganzes Stück weit dahinter, das müssen wir immer im Hinterkopf haben. Und, liebe Kollegen von der Union, an der Stelle würde ich mir wirklich die sonst übliche Verlautbarung des Kollegen Rehberg wünschen, der sonst so etwas immer kommentiert, und da er auch gerade für den maritimen Bereich Verantwortung innerhalb der Unionsfraktion hat, hätte ich mir da vielleicht auch ein deutliches Wort von dem Kollegen gewünscht.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Zwischenrufe von der Regierungsbank sind nicht erlaubt, Kollege Glawe.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das musste mal gesagt werden. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Kolleginnen und Kollegen, im Vorfeld dieser Entscheidung des Bundes bestand eine jahrelang

(Regine Lück, DIE LINKE: Ist das überhaupt eine Regierung? Ach ja, die Wirtschaft ist noch da. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist ein bisschen eingeschränkt.)

extrem zuverlässige und gute Zusammenarbeit zwischen dem Seehafen Wismar, der Hansestadt Wismar und dem Wasser- und Schifffahrtsamt in Lübeck, also der entsprechenden Bundesbehörde. Unter der Federführung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lübeck gab es Voruntersuchungen für die Eröffnung eines Planfeststellungsverfahrens für den Ausbau der seewärtigen Zufahrt.

Der Hafen, meine Damen und Herren, hat bereits rund 2 Millionen Euro, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, 2 Millionen Euro in Planungsleistungen investiert und die Landesregierung hat diese Arbeiten mit rund einer halben Million Euro bezuschusst im guten Glauben darauf, dass das zu einem Ergebnis führen wird. Der Seehafen Wismar selbst hatte sogar eine Überprüfung der Parameter und eine Simulation für eine Hafenvariante mit einer verringerten Sohlenbreite von 60 Metern noch vor der Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens vorgeschlagen, also von sich aus schon Ideen konstruktiv entwickelt, wie man möglicherweise die Kosten noch reduzieren kann im Vorfeld. Das hat der Bund ausdrücklich abgelehnt und für nicht erforderlich gehalten.

Meine Damen und Herren, diese Anpassung der Planungen, die vom Seehafen vorgeschlagen war, hätte mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem besseren NutzenKosten-Verhältnis geführt. Das Bundesministerium empfiehlt jetzt die Neubeantragung der Vertiefung im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes 2015 auf der Basis aktualisierter Nutzenschätzungen. Das, meine Damen und Herren, wäre eine Verschwendung von finanziellen Mitteln und vor allen Dingen auch von Zeit, da dann wieder mehrere Fachgutachten nicht mehr aktuell wären. Ich möchte mir hier erlauben als Randbemerkung, weil die Diskussionen haben wir auch des Öfteren, insbesondere über die Medien – so viel dann zum Thema Schubladenplanung –, hier waren wir schon über das Stadium hinaus. Stellen Sie sich vor, das wäre jetzt in der Form zu einem späteren Zeitpunkt passiert, meine Damen und Herren.

Das Bundesministerium begründet seine negative Entscheidung damit, dass die dem Ausbauantrag zugrunde gelegte Hafenentwicklung anders verlaufen sei als ursprünglich angenommen. Die Verschiebung dieses Planfeststellungsverfahrens um mehrere Jahre hätte nachteilige Auswirkungen auf die Entwicklung des Hafens selbst, aber zum Beispiel auch auf das wachsende Holzcluster in Wismar. Zudem würde die Förderung weiterer Maßnahmen des Landes, die im mittelbaren und unmittelbaren Zusammenhang mit der Vertiefung der Hafeneinfahrt oder -zufahrt stehen, erschwert, da 2014 der Neubeginn der EFRE-Förderperiode mit deutlich weniger Finanzzuweisungen aus Brüssel für uns wahrscheinlich zu Buche schlagen wird.

Allerdings kann ich sagen – und jetzt wieder ein Lob in Richtung Union –, am kommenden Donnerstag hat die Kollegin Strenz auf Bitte des Bürgermeisters von Wismar, dem Kollegen Beyer, ein Gespräch bei Herrn Ramsauer, und deshalb, glaube ich, hat dieser Beschluss oder die Diskussion auch hier und heute eine besondere Aktualität. Und jenseits jeder Parteibrille wünsche ich der Kolle

gin Strenz bei dem Gespräch zusammen mit den Wismaranern, die dabei sind, wirklich maximalen Erfolg.

Zum Seehafen Rostock: Auch hier wäre die vom Bundesministerium empfohlene Neubeantragung im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes eine finanzielle Verschwendung und auch von Zeit, da auch in diesem Fall die vorliegenden Fachgutachten komplett neu erstellt werden müssen. Gegenüber dem Bundesministerium habe ich klargestellt, dass der beantragte Ausbau des Seekanals Rostock auf 16,50 Meter Wassertiefe keine neuere Maßnahme im engeren Sinne ist, denn bereits vor der Antragstellung für die 1999 fertiggestellte Vertiefung auf 14,50 Meter bei einer Sohlenbreite von 120 Metern wurde eine künftige Vertiefung auf 16,50 Meter als zweiter Ausbauschritt angezeigt und teilweise im Rahmen der Umsetzung realisiert. Man muss sich auch das vergegenwärtigen. Genau auf dieser Grundlage wurde teilweise das Molensystem schon auf 16,50 Meter Wassertiefe ausgebaut und das wäre jetzt alles für die Katz.

Meine Damen und Herren, der Seehafen Rostock sollte nach dem entsprechenden Ausbau der Hafenkapazitäten und Hinterlandanbindung eine deutlich leistungsfähigere seewärtige Zufahrt für größere Massengutschiffe erhalten. Also hier geht es um Öl, Kohle, Erze, Baustoffe und auch Getreide, gerade für unser Land wichtig. Die Planer haben damals ein sehr gutes Nutzen-Kosten-Verhältnis ermittelt, und zwar von plus 3,2. Das würde ich mir bei vielen anderen Projekten, die wir sozusagen in der Pipeline haben, auch wünschen. Heute, nach Einschätzung aller Fachleute, würde dieses Nutzen-Kosten-Verhältnis noch deutlich positiver sein.

Meine Damen und Herren, zwischenzeitlich wurden und werden auch im Moment die Hafenkapazitäten deutlich ausgebaut, so auch die straßen- und schienenseitigen Hinterlandanbindungen. Und ich sage es noch mal: So gesehen handelt es sich bei der beantragten Vertiefung auf 16,50 Meter um eine notwendige Ergänzung zum Ausbau der Hafenhinterlandanbindung und der Hafenkapazitäten. Rostock wird – und nicht zuletzt durch die Unterstützung des Bundesministeriums – zum künftigen Kern des Fernnetzes gehören. Das eine widerspricht hier dem anderen, also das Handeln widerspricht an der Stelle dem Handeln an anderer Stelle,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Tohuwabohu!)

denn wir hatten vorhin das Thema mit Polen und Kooperation, und der Kollege Seidel sagte, an manchen Stellen sind wir nicht unbedingt einer Meinung. Das gilt auch an dieser Stelle, hier sind wir Wettbewerber. Nur durch die Vertiefung der Hafeneinfahrt kommt der einzige deutsche große Universalhafen, nämlich Rostock, an der Ostseeküste auf Augenhöhe mit dem Hafen Danzig, der bereits heute über eine Wassertiefe von 16,50 Meter verfügt. Das heißt, Danzig ist schon ein Hafen mit dieser Wassertiefe.

Meine Damen und Herren, die temporär fehlenden Mittel im Etat des Bundesministeriums dürfen nicht zwangsläufig dazu führen, dass die beiden notwendigen Planfeststellungsverfahren jetzt für mehrere Jahre ausgesetzt werden. Selbst wenn der Ausbau erst in einigen Jahren finanziert werden kann, so müssen die Planfeststellungsverfahren umgehend eröffnet werden. Es ist notwendig, sinnvoll und zwingend, dass in Wismar und Rostock

zügig die Vertiefung der Hafenzufahrten umgesetzt wird. Ich habe das meinem Kollegen Ramsauer im Mai gleich in Reaktion auf seine Schreiben ebenfalls mitgeteilt. Ich habe ebenso deutlich gemacht, dass man mit einer Wiedervorlage im Bundesverkehrswegeplan 2015 real Geld verbrennen würde. Ich habe aber auch Kompromissbereitschaft gezeigt, indem wir natürlich zu einem Spitzengespräch aller Beteiligten bereit sind. Da sind auch die Häfen mit im Boot.

Ich sage es noch mal abschließend, meine Damen und Herren: Die beiden Planfeststellungsverfahren müssen mindestens kommen, denn sonst haben wir hier in Größenordnungen Geld verbrannt, das uns eigentlich nicht gehört. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Lück von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch noch mal klarstellen: Die Ablehnung der Dringlichkeit zu diesem Antrag im Mai durch unsere Fraktion war unserer Meinung nach sehr berechtigt und auch folgerichtig. Es war die Antwort auf den Umgang mit unseren Anträgen, ob nun dringlich oder regulär eingebracht.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Sachliche Gründe spielen bei der Koalition keine Rolle. Ist der Antrag von den LINKEN, wird er abgelehnt, nämlich fast per se kann man sagen.

(Heinz Müller, SPD: Und da ihr die Besseren seid, gebt ihr mit gleicher Münze zurück, oder wie war das?)

Aus dem verblüfften Gesicht vom Kollegen Schulte konnte ich ja lesen, er rechnete nicht mit einer Ablehnung. Doch so ist das manchmal im Leben.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

So kann es einem gehen und dabei will ich es dann auch belassen.

Heute ist dieser Schaufensterantrag nun regulär auf der Tagesordnung.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Wolfgang Waldmüller, CDU: Haben Sie nicht zugehört? – Zurufe von Rainer Albrecht, SPD, und Heinz Müller, SPD)

Ja, ich sage Schaufensterantrag, weil wir ihn für überflüssig halten.

Noch vor dem Dringlichkeitsantrag verständigte sich der Energieausschuss, sich eingehend zum Sachverhalt und zu Auswirkungen zu befassen, und das war nämlich vor Ihrem Dringlichkeitsantrag. Und schon Mitte Mai versicherte das Ministerium im Energieausschuss, sich ge

genüber dem Bund mit der Entscheidung nicht einverstanden zu erklären. Selbst die Begründung wurde erörtert. Man wollte die Bedeutung für die Hafenentwicklung unterstreichen, insbesondere für den Massengutumschlag und mit den schon im Vorfeld getätigten Investitionen. Denn in Erwartung der Vertiefung wurden auch in den Häfen Vorbereitungen getroffen, das ist klar, größere Schiffe mit mehr Tiefgang abfertigen zu können. Diese Investitionen wären dann natürlich verpufft. Es war also verabredet, dass sich der Ausschuss damit befasst. Außerdem handelt die Landesregierung schon. Wir haben es ja jetzt auch vom Minister gehört. Deshalb ist dieser Antrag überflüssig.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Dann hätten Sie ihn ja selber stellen können.)