Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/553 –
Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich an dieser Stelle kurzfassen: Wir haben auf der einen Seite den Glücksspielstaatsvertrag, da gibts nur – um bei dem Thema zu bleiben –, die Möglichkeit, um alles oder nichts zu spielen. Wenn wir dem Glücksspielstaatsvertrag nicht zustimmen, dann gehen wir das Risiko ein, dass er dann insgesamt nicht zustande kommen wird. Die Thematik muss auf jeden Fall geregelt werden. Und die Frage der Umsetzung im Rahmen des Ausführungsgesetzes, die hier gleichzeitig mit beraten wird, ist ja letztendlich, wenn Sie sich den Gesetzentwurf angucken, nur die Konkretisierung dessen, was im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages angesprochen worden ist.
Deswegen erlauben Sie mir an dieser Stelle, auf einen Punkt einzugehen, der so tatsächlich im Glücksspielstaatsvertrag zwar angesprochen, aber letztendlich keiner Lösung zugeführt worden ist. Wir diskutieren, wir haben das auch im Rahmen der Anhörung gemacht, wir diskutieren hier immer wieder über Suchtprävention. Wir diskutieren darüber, wir haben darüber diskutiert, wir haben auch unterschiedliche Auffassungen, auch in meiner eigenen Fraktion: Wie gehen wir mit den Spielbanken in diesem Land um? Die Fragen sind: Wie gehen wir mit den Spielhallen um? Muss es weitere Einschränkungen geben? Muss die Möglichkeit des Zugangs bei Spielhallen eingeschränkt werden? Muss die Möglichkeit bestimmter Spiele bei den Spielbanken, beim sogenannten kleinen Spiel, eingeschränkt werden?
Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir diese Aussage, letztendlich ist das eine Diskussion um Probleme, die ein bisschen anmuten, als ob wir noch nicht begriffen hätten, dass wir nicht mehr im 18. oder 19. Jahrhundert leben, sondern im Internetzeitalter. Und wenn wir heute ernsthaft in diesem Zusammenhang auch vielleicht über das Thema „Suchtprävention bei Glücksspielen“ reden, dann dürfen wir uns nicht der Tatsache entziehen, dass heutzutage der Anteil derjenigen, die weder in Spielhallen noch in Spielbanken gehen, immer weiter zurückgeht und der Anteil derjenigen, die das Glücksspiel im illegalen Bereich im Internet suchen, stattdessen zunimmt.
Wir haben eine Situation, wo wir drüber diskutieren, die Bestimmungen für die Spielbanken und die Spielhallen zu verschärfen, ohne zu erkennen, dass die entsprechende Prävention, die in diesem Bereich angestrebt wird, zu einem großen Teil dazu führt, dass ein sogenannter, ich will es mal Verdrängungswettbewerb nen
nen, in den Bereich des illegalen Glücksspiels geht. Und dann kann man natürlich, so, wie das die vorhergehende Landesregierung in Schleswig-Holstein gemacht hat, sagen, wir sehen das Problem und weil wir das Problem sehen, da wollen wir es dadurch lösen, dass wir es legalisieren, um das mal vereinfacht auszudrücken. Aber ob das natürlich dann die Lösung des Problems ist, das möchte ich hier mal dahingestellt sein lassen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich deswegen nicht so sehr auf den Glücksspielstaatsvertrag eingehen, sondern lassen Sie mich auf die Frage eingehen: Wie kann man eigentlich das erreichen, was – mit den unterschiedlichen Vorstellungen – Ziel aller unserer Bemühungen ist? Wenn wir tatsächlich Suchtprävention im Bereich des Glücksspiels betreiben wollen, wenn wir tatsächlich diejenigen, die ordnungsgemäß und legal in diesem Land – und damit meine ich nicht nur Mecklenburg-Vorpommern, sondern die Bundesrepublik Deutschland –, egal ob in Spielhallen oder Spielbanken, Glücksspiel anbieten, wenn wir die auch in ihrer Wettbewerbssituation stärken und sichern wollen, dann müssen wir tatsächlich Maßnahmen ergreifen, die dazu führen, dass das Onlinespiel eingeschränkt wird. Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn das keine Aufgabe dieses Parlaments in Mecklenburg-Vorpommern ist, denke ich doch, dass von diesem Parlament hier in Mecklenburg-Vorpommern dieses Problem auch angesprochen und auch mit in den Fokus gerückt werden muss.
Wir haben – und damit möchte ich dann im Endeffekt vielleicht mal einen Hinweis geben, auch an die Kollegen, die im Bundestag sitzen –, wir haben in den USA eine Regelung im Jahr 2006 geschaffen oder dort ist eine Regelung im Jahr 2006 geschaffen worden. Das Ganze nennt sich Unlawful Internet Gambling Enforcement Act und verbietet im Endeffekt nichts weiter, als kreditkranken Firmen, Banken, Bezahldiensten, Geld an die meist außerhalb der USA ansässigen Glücksspielbetreiber zu überweisen. Das ist eine relativ einfache Vorgehensweise, führt dann aber dazu, dass die entsprechenden Spieler auf den illegal eingerichteten Onlineplattformen ihr Geld nicht mehr platzieren können. Das hat dazu geführt in der Konsequenz, dass eine Vielzahl dieser illegalen Onlinewettanbieter amerikanische Spieler nicht mehr zu diesen Onlinespielen zulassen.
Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir ernsthaft, wenn wir ernsthaft darüber diskutieren wollen, dass wir das Glücksspiel auch in der Bundesrepublik Deutschland kanalisieren wollen, wenn wir ernsthaft darüber diskutieren wollen, wie wir die berechtigten Interessen der Spielhallenbetreiber, der dort Beschäftigten berücksichtigen wollen, wenn wir auch die berechtigten Interessen der Spielbanken, nicht nur in unserem Land, berücksichtigten wollen, dann sollte Politik tatsächlich darüber diskutieren, ob hier in der Bundesrepublik Deutschland nicht eine ähnliche gesetzliche Vorgehensweise eingeführt wird. Das wäre wahrscheinlich effektiver als die Versuche, über Glücksspielstaatsverträge und anderes entsprechende Suchtprävention durch Abstandsregelungen von Spielhallen et cetera hervorzubringen.
Gleichwohl sind wir in der Situation, dass der Bund bis zum heutigen Tag eine entsprechende Regelung nicht in Angriff genommen hat, und deswegen müssen wir auch im Rahmen der Möglichkeiten, die wir als Länder haben,
das tun, was wir tun können. Das wird hier durch den entsprechenden Glücksspielstaatsvertrag umgesetzt, das wird durch das Ausführungsgesetz umgesetzt. Und vor diesem Hintergrund, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bitte ich um Zustimmung zu dem Glücksspielstaatsvertrag und zu dem Ausführungsgesetz. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Schulte, wir müssen gar nichts! Wir müssen nicht mal dem Staatsvertrag zustimmen, denn im Artikel 2 Absatz 2 dieses Glücksspielstaatsvertrages heißt es, ich zitiere: „Wenn bis zum 30. Juni 2012 mindestens 13 Ratifikationsurkunden bei der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt hinterlegt sind, tritt der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag nach seinem Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 am 1. Juli 2012 in Kraft. Das Inkrafttreten wird im Gesetz- und Verordnungsblatt für MecklenburgVorpommern bekannt gegeben.“ Zitatende.
Hier steht also nicht, dass alle Bundesländer diesem Staatsvertrag zustimmen müssen. Insofern können Sie sich vielleicht Ihr Abstimmungsverhalten dann doch noch mal überlegen oder vielleicht vorher doch noch mal in die gesetzlichen Grundlagen hineinschauen,
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute Regelungen für das Glücksspiel auf den Weg bringen, dann wird das für das Glücksspiel, aber vor allen Dingen für die Beschäftigten in dieser Branche insgesamt kaum ein Glückstag sein, weder auf Bundes- noch auf Landesebene.
Meine Fraktion wird – um das vorwegzunehmen – dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag nicht zustimmen, wir werden uns der Stimme enthalten, schon wie beim letzten Mal und wie beim letzten Mal aus den gleichen Gründen auch heute. Und die Änderung glücksspielrechtlicher Landesvorschriften wird meine Fraktion ablehnen. Ich werde das im Einzelnen begründen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beratung beider Gesetzentwürfe erfolgte unter erheblichem Zeitdruck und Zeitdruck ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber,
Stichwort „abgekürzte Verbandsanhörung“. Ganz offensichtlich blieb im Ergebnis für eine vertiefte parlamentarische Beratung einiges auf der Strecke, zum Beispiel möchte ich hier das Stichwort „Spielbankabgabe“ nennen. Wir hatten einfach nicht genügend Raum, uns mit den Fachleuten auseinanderzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Glücksspieländerungsstaatsvertrag bestehen bekanntlich europarechtli
che, aber auch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Im Rahmen der Ersten Lesung hat uns der Innenminister voller Stolz kundgetan, dass die abschließende positive Stellungnahme der EU-Kommission nunmehr vorliege.
Herr Innenminister – ich wünsche Ihnen von hier aus gute Genesung –, ganz so euphorisch bin ich an dieser Stelle nicht. Hier ist das letzte Wort auch auf europäischer Ebene noch nicht gesprochen.
Dann hat der Innenminister darauf verwiesen, dass mit dem zu schaffenden Glücksspielkollegium, also Staatsvertrag Paragraf 9a Absätze 5 bis 8, die Zusammenarbeit der Länder fortentwickelt und effektiver gestaltet würde.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Herr Innenminister, dieses Gremium, das mit Zweidrittelmehrheit für alle beteiligten Bundesländer bindende Beschlüsse fassen soll, wird von namhaften Verfassungsrechtlern schlicht für verfassungswidrig gehalten. Die oberste Glücksspielaufsichtsbehörde unseres Landes, also unser Innenministerium, kann sich nämlich durch diese Konstruktion der Verantwortung gegenüber diesem Landtag künftig entziehen, und das können wir doch wohl nicht ernsthaft wollen! Auch hier liegt die weitere Entwicklung im Dunkeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Gesetzentwurf zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften, also ergänzender landesrechtlicher Regelungen, möchte ich an dieser Stelle nichts mehr zu Mindestabstands-, Sperrzonen- und Sperrzeitenregelungen sagen, so wichtig das im Einzelnen für den Jugend- und Spielerschutz auch ist. Zu dem Änderungsantrag der GRÜNEN an dieser Stelle werden wir uns enthalten.
Mit dem Glücksspielstaatsvertrag und dem vorliegenden Ausführungsgesetz werden erweiterte Erlaubnispflichten und höhere ordnungsrechtliche Anforderungen mit erhöhtem Vollzugsaufwand den Ämtern, amtsfreien Gemeinden, Landkreisen und kreisfreien Städten übertragen. Von Konnexität oder gar Kostenfolgeabschätzung findet sich in den Gesetzen aber kein Wort. Für meine Fraktion und auch für die CDU-Fraktion war es im Beratungsverfahren daher zu Recht fraglich, ob wir es mit einem verfassungskonformen Gesetz zu tun haben. Und auch die nachgeschobene Stellungnahme des Innenministeriums bestärkte eher die Zweifel, als dass sie Fragen ausräumte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für größte politische Unruhe sorgt der Gesetzentwurf zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften gerade dort, wo er nichts ändern will, Stichwort „Spielbankabgabe“. Im Gesetzentwurf der Landesregierung heißt es: „Im Ergebnis einer Gesamtabwägung ist jedoch davon abgesehen worden, den Vorschlag“, also eine Änderung der Staffelung der Spielbankabgabe, „in den Gesetzentwurf aufzunehmen.“
Frau Finanzministerin, Herr Innenminister, bei dieser Gesamtabwägung wäre ich gerne dabei gewesen. Ging es dabei nur um Marktbereinigung und Kosten für die Spielbankenaufsicht oder am Rande auch um Standortsicherung und Arbeitsplätze?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, und wenn die Landesregierung dann noch meint, dass der zunehmende Druck auf die Spielhallen auf lange Sicht mit einer wirtschaftli
chen Stärkung der Spielbanken verbunden sein könnte, dann ist das keine Gesamtabwägung, sondern der blanke Hohn. Wer vor dem wirtschaftlichen Aus steht, dem nutzt kein Vertrösten auf eine ferne Zukunft. Auf diese Weise wird Landespolitik zu verantwortungslosem
Glücksspiel, und das tragen wir nicht mit! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Innenausschusses, liebe Kolleginnen und Kollegen dort, lassen Sie mich abschließend bereits ankündigen, dass wir nach der Sommerpause anregen werden, dass sich der Innen- und der Finanzausschuss intensiver damit befassen werden, was die jetzt vorliegenden Regelungen nicht aufgreifen, etwa die Abgabenproblematik. Dabei, das gebe ich gerne zu, glaube ich auch nicht an einfache Lösungen, aber im Ergebnis an Entscheidungen, die ich politisch verantworten und mittragen kann. Das ist bei den heute vorliegenden Regelungen nicht der Fall.
Und, lieber Kollege Schulte und liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, wenn wir Suchtpotenziale und Glücksspiele in Hinterzimmern wirklich verhindern wollen, dann müssen wir die Beschäftigten in den Spielbanken jetzt stärken. Und Sie erreichen mit Ihrem Gesetzentwurf genau das Gegenteil.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst kurz und knapp erklären, warum die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Änderungsstaatsvertragsgesetz nicht zustimmen wird.
Erstens. Wir hatten es von den Vorrednern schon gehört, die Öffnung des Sportwettenmarktes basiert auf rein fiskalischen Erwägungen und macht alle Bemühungen um eine wirksame Suchtprävention unglaubwürdig. Sportwetten haben ein erhebliches Suchtpotenzial und die Öffnung des Marktes wird zu einer Vergrößerung des Problems beitragen. Hier haben wir eine andere Auffassung als der Abgeordnete Herr Schulte, denn die Gruppen, die momentan sozusagen ihre Sucht im Internet befriedigen, sind völlig andere Gruppen als die, die dann über Wettvermittlungsstellen die Möglichkeit erhalten, an Sportwetten extensiv teilzunehmen. Das heißt, wir werden unter dem Strich möglicherweise eine Suchtausweitung, eine Vergrößerung der Gruppe haben.
Zweitens. Die Begrenzung auf sieben Lizenzen ist willkürlich gewählt und wird vor dem Europäischen Gerichtshof wahrscheinlich schwer zu begründen sein, ebenso die nicht stringente Begrenzung der Werbung.
Drittens. Der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben das deutsche Glücksspielrecht dahin gehend kritisiert, dass es unzulässig sei, eine bestimmte Glücksspielart einem Monopol zu unterstellen und strengen Regelungen zu unterwerfen, eine andere Glücksspielart, die zudem noch ein höheres Suchtpotenzial aufweist, hingegen mehr oder weniger den Kräften
des freien Marktes zu überlassen. Vor diesem Hintergrund ist es für mich unverständlich, dass die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern einem Glücksspieländerungsstaatsvertrag zugestimmt hat, der eine Öffnung des Sportwettenmarktes vorsieht. Während für vergleichsweise harmlose Lotterien das Monopol weiterhin besteht, werden die, wie von der Landesregierung selbst zugegeben, suchtgefährdenteren Sportwetten liberalisiert. Das neu geschaffene Regulierungssystem ist daher ebenso inkohärent wie das alte und wird vor dem Europäischen Gerichtshof keinen Bestand haben.
Berichtigen Sie mich bitte, wenn ich hier falschliege, aber die Abschaffung des staatlichen Lotteriemonopols war doch eigentlich gar nicht Ziel des Änderungsstaatsvertragsgesetzes, oder?