Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Landesblindengeldgesetzes, Drucksache 6/791.
Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Landesblindengeldgesetzes (Erste Lesung) – Drucksache 6/791 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Gegenstand der Gesetzesänderung ist die Anpassung des Landesblindengeldgesetzes Mecklenburg-Vorpommern an die EU-Verordnung Nummer 883/2004, die seit dem 1. Mai 2010 in Kraft getreten ist und unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten entfaltet. Durch diese Verordnung wurde das Wohnsitzerfordernis für den Bezug von Geldleistungen aufgehoben.
Neu ist das Beschäftigungslandprinzip. Die EU vertritt die Auffassung, dass Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, die in der Bundesrepublik beschäftigt oder selbstständig tätig sind, die gleichen sozialen Leistungen wie deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten müssen, und deshalb ist die Gewährung von Landesblindengeld allein an dem gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen auszurichten, so, wie es Paragraf 1 Absatz 1 des bestehenden Gesetzes regelt.
Lassen Sie mich kurz erläutern, was das ganz praktisch bedeuten kann. Es gibt im Grunde zwei Varianten:
gliedsstaat der EU haben und in Deutschland arbeiten, sie wohnen also in der EU und arbeiten bei uns,
ternehmen in das europäische Ausland entsandt werden und dort wohnen und arbeiten, allerdings nicht länger als 24 Monate.
Ich möchte das noch mal praktisch untersetzen, weil es sicherlich alles sehr technisch klingt. Ein Beispiel: Ein blinder oder hochgradig sehbehinderter polnischer EUBürger, der in Swinemünde wohnt, arbeitet als Telefonist in einem Hotel in Heringsdorf. Da nun das Beschäftigungslandprinzip gilt, hat auch diese Person einen Anspruch auf die Gewährung von Landesblindengeld nach dem Entwurf des Landesblindengeldgesetzes M-V, wie wir ihn hier einbringen.
Gleiches gilt auch, wenn zum Beispiel ein blinder oder hochgradig sehbehinderter polnischer selbstständiger Übersetzer diese Tätigkeit in Mecklenburg-Vorpommern ausübt.
Ein anderes Beispiel: Ein in Rostock ansässiges Softwareunternehmen entsendet einen blinden oder hochgradig sehbehinderten Mitarbeiter nach Dänemark, weil dieser den Aufbau einer Zweigstelle in Kopenhagen unterstützen soll. Auch wenn dieser Bürger zeitweise aus MecklenburgVorpommern wegzieht, verliert er seinen Anspruch auf Landesblindengeld nicht. Für den Zeitraum der Entsendung, die aber nicht mehr als 24 Monate sein darf, erhält er weiterhin Landesblindengeld nach dem Landesblindengeldgesetz M-V, so, wie wir das jetzt entwickeln wollen.
wenn ein Blinder oder hochgradig Sehbehinderter eine selbstständige Tätigkeit zunächst in M-V und dann für einen Zeitraum von maximal 24 Monaten in einem anderen Mitgliedsstaat der EU ausübt.
Schon vor dieser Gesetzesänderung wurde durch einen Runderlass sichergestellt, dass die Vollzugsbehörden die EU-Verordnung dementsprechend umsetzen. Da für diese Fälle europarechtlich bedingt neue Leistungstatbestände geschaffen werden, muss zur Vermeidung von Doppelleistungen, zum Beispiel aufgrund gleichartiger nationaler Rechtsvorschriften im europäischen Heimatland der Bürgerin oder des Bürgers, auch die Ausschlussvorschrift des Landesblindengeldgesetzes ergänzt werden.
Von dieser Änderung ausdrücklich nicht erfasst sind innerdeutsche Fragestellungen, das heißt, einem blinden oder hochgradig sehbehinderten Arbeitnehmer aus Brandenburg, der in M-V arbeitet, sind weiterhin Leistungen nach dem Landesblindengeldgesetz in Brandenburg zu gewähren.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachteilsausgleich für blinde und hochgradig sehbehinderte Bürger aus anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die in MecklenburgVorpommern arbeiten, schätzen Sie mal: Wie hoch ist die Anzahl der Betroffenen?
Verschwindend gering sind auch die damit verbundenen Kosten, sie brauchen nicht extra eingestellt zu werden. Eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2010 sollte sich unter solchen Umständen problemlos umsetzen lassen. Trotzdem brauchte es zwei Jahre und eine Vertragsverletzungsklage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, damit wir heute über die Schließung dieser Gerechtigkeitslücke beraten.
Ist es Überarbeitung oder Ignoranz der Regierungskoalition? Bei einer sofortigen Anpassung des Landesblindengeldgesetzes hätten sich sowohl Schwerin als auch Brüssel viel bürokratischen Aufwand sparen können. Ich hoffe, die Landesregierung nimmt zukünftig europäisches Recht ernster.
Auch wenn derzeit viel von Europa die Rede ist, und es um die Fragen geht, wie solidarisch sind wir mit den Ländern des Südens, wie viel Geld soll noch aus den öffentlichen Kassen in die Kassen der Banken, Fonds und Versicherungen fließen, so ist Europa sehr viel alltäglicher.
Und in diesem Alltag wird oft die Integrationsleistung der Europäischen Union vergessen. Europa ist ja nicht nur der freie Verkehr von Kapital, Waren und Dienstleistungen. Europa ist auch die Freizügigkeit für seine Bürgerinnen und Bürger.
Teil dieser Freizügigkeit ist auch die Möglichkeit, dass sich die Menschen in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union
niederlassen und arbeiten gehen können. Und wenn sie dies tun, so müssen sie dabei gerecht und somit gleich den inländischen Arbeitnehmern behandelt werden.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie sollen sich nur melden zum Spargelstechen. Da hat kein Mensch was dagegen, wenn es ums Spargelstechen geht.)
Auch die Anpassung der Rückzahlungsregelungen an die bundesrechtlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch VI teilen wir.