Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

In diesem Sinne, Frau Rösler, halte ich Ihren Antrag nicht für zielführend, denn er löst das Problem erst recht nicht. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Saalfeld.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben die Staaten und Länder immer weitere Schulden aufgenommen und alle wussten, dass es so nicht weitergeht, und

wie so häufig, wenn sich eine Krise am Horizont abzeichnet, machten einfach alle weiter.

Nach der Hyperinflation der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren sich alle einig, nämlich dass zur Staatsfinanzierung nie wieder die Noten- und Geldpresse angeworfen werden darf. Aber was haben die Staaten stattdessen getan? Sie haben die Staatsanleihenpresse angeworfen und Unmengen davon ausgegeben und sie haben dadurch Unmengen an Krediten angehäuft. Die Geldumlaufmenge hat sich zwar dadurch nicht wie in den 20er-Jahren erhöht, dennoch gibt es zu dieser Situation eine Parallele.

(Udo Pastörs, NPD: Geld haben sie angehäuft, Schulden haben sie angehäuft.)

Das Vertrauen in die Währung und der Geldgegenwert sinken, insbesondere dann, wenn Staaten ihre Schulden nicht mehr glaubhaft bedienen können, und insbesondere dann, wenn offensichtlich wird, dass diese Schulden nicht mehr innerhalb einer Generation abgetragen werden können.

Was können wir nun in einer solchen Situation tun? Zwei Maßnahmen halte ich für die wichtigsten Gebote der Stunde:

Erstens muss das Vertrauen in die Währung gestärkt werden, so einfach sich das anhört.

Und zweitens müssen Schuldscheine und Kredite vom Markt genommen werden, also schlicht bezahlt werden.

(Udo Pastörs, NPD: Wovon?)

Das Vertrauen in die Währung steigt einerseits durch Wirtschaftskraft und anderseits durch gesamtgesellschaftliche und gesamteuropäische Anstrengungen zur Bewältigung der Schuldenkrise. Und hierzu haben GRÜNE und SPD der Bundesregierung gestern beachtliche, ja, sogar historische Zugeständnisse im Zuge der Fiskalpaktverhandlungen der letzten Tage abgerungen.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Na, das werden wir noch sehen, wie das wird.)

Im sogenannten Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung zwischen Bundesregierung, GRÜNEN und SPD soll in Zukunft einerseits mehr Rücksicht

(Udo Pastörs, NPD: Sie werden noch sehen, dass Wachstum die falsche Ideologie ist.)

auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder genommen werden. Die Wirtschaft soll nicht nur durch eine abrupt eingeführte Schuldenbremse abgewürgt werden. Stattdessen soll durch Investitionsprogramme genügend Luft für die nachhaltige Umstrukturierung der öffentlichen Haushalte und der örtlichen Wirtschaft gelassen werden.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Auf wessen Kosten?)

Weiterhin verpflichtet sich die Bundesregierung zur Unterstützung von Sofortprogrammen gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Ebenso sollen wichtige europäische Infrastrukturprogramme zur Stärkung einer nachhal

tigen Wirtschaft in den Bereichen Energie, Bahnverkehr und Breitbandausbau aufgelegt werden.

(Udo Pastörs, NPD: Alles nicht finanziert.)

Weg vom Straßenbau und hin zu den Infrastrukturen der Zukunft, das ist ein Erfolg der GRÜNEN. Das ist richtig und wichtig, wie es immer Frau Schwesig so schön sagt.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Andererseits hat sich die Bundesregierung dazu verpflichten lassen, eine Finanzmarkttransaktionssteuer in Deutschland und in mindestens acht weiteren Ländern in Form der verstärkten Zusammenarbeit auf europäischer Ebene bis Ende des Jahres noch auf den Weg zu bringen. Das ist, so grau, wie die Materie sein mag, wirklich revolutionär. Das alles wurde mit der Bundesregierung ausgehandelt.

Neben diesen hart verhandelten Zugeständnissen der Bundesregierung sorgt der Fiskalpakt in Zukunft auf europäischer Ebene für eine Haushaltspolitik, die hoffentlich bald zum Schuldenabbau führt. Und es wird doch wohl niemand etwas anderes behaupten wollen, als dass der Schuldenabbau letztendlich das einzig effektive Instrument gegen die Schuldenkrise ist.

(Udo Pastörs, NPD: Nein, man kann aber auch einen Schuldenschnitt machen.)

Und im Übrigen liegt mit dem Fiskalvertrag nichts wahrlich Neues vor. Der Großteil des Fiskalpaktes ist bereits im europäischen Gemeinschaftsrecht vorgesehen. So sah bereits das sogenannte Sixpack, das sind die Ende 2011 verabschiedeten sechs europäischen Rechtsakte, eine Begrenzung des strukturellen gesamtstaatlichen Defizits und einen Abbau der Staatsschulden über die 60-ProzentMarke in 20 Jahren vor. Das wirklich Neue am Fiskalvertrag sind die Vorschriften zur Einführung der nationalen Schuldenbremse in Höhe von 0,5 Prozent der Wirtschaftskraft,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Neu ist, dass es ein völkerrechtlicher Vertrag ist.)

deren Umsetzung eben von der EU-Kommission überprüft wird. Und auch hier sei erwähnt, dass eine Neuverschuldungsgrenze von einem Prozent ebenfalls schon im Sixpack vereinbart war. Das ist alles nichts Neues. Zudem soll es nun einen nationalen Korrekturmechanismus geben, der erst ausgestaltet werden muss – wir wissen noch gar nicht, wie er aussieht –, falls eben vom Haushaltsziel abgewichen wird.

Der EU-Fiskalvertrag ist ein neuer völkerrechtlicher Vertrag zwischen 25 der 27 EU-Mitgliedsstaaten.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Weil sich Großbritannien gegen die Änderung der EUVerträge gesperrt hatte, musste auf dieses parallel laufende völkerrechtliche Vertragswerk ausgewichen werden. Deswegen sind auch die Anbindung an die EU und die Kontrolle durch europäische Gremien so schwierig. Ziel muss es aber in Zukunft sein – und das finde ich ein ganz wichtiges Ziel –, beide Vertragsregime, EU und Fiskalpakt, in Zukunft wieder zusammenzuführen und

somit den Fiskalpakt demokratisch legitimierten Kontrollgremien zu unterstellen.

Ich will noch etwas zu den Verhandlungen zwischen Bundesregierung, GRÜNEN und SPD sagen. Das ganze ausgehandelte Paket wurde gestern unter zwei Vorbehalte gestellt, wie es eben gerade die Finanzministerin schon dargestellt hat. Die Verständigung erfolgte vorbehaltlich einer Einigung zwischen Bundesregierung und Bundesländern über die innerstaatliche Umsetzung. Hier muss es eben dann auch um die Entlastung der Kommunen gehen, wie es gerade die Finanzministerin dargestellt hat. Und da möchte ich doch um Verständnis bitten bei der LINKEN, doch mal abzuwarten, was da rauskommt, und nicht von vornherein zu sagen, dass das Vertragswerk Mist ist. Wir wollen mal schauen, was da rauskommt. Ich kann mir da viel vorstellen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir können uns auch viel vorstellen, deshalb lehnen wir es ja ab.)

Und vorbehaltlich einer Einigung der Bundestagsfraktionen – der zweite Vorbehalt – über die Informations- und Beteiligungsrechte des Bundestags beim Fiskalpakt eben unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 19. Juni 2012, auch das wird noch verhandelt zwischen den Bundestagsfraktionen.

Und nun zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. Ich verstehe hier DIE LINKE nicht. Ich vermute, dass Sie auf den Populismuszug der griechischen Linksextremisten aufspringen wollen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, na, na!)

denn andere Gründe kann ich nicht erkennen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und im Gegensatz zu Ihnen bereiten wir uns nicht auf die nächste Bundestagswahl vor, Herr Saalfeld. Dass Sie den Sozis hinten reinkriechen, ist doch klar.)

warum Sie sich ausgerechnet als LINKE so gegen den Fiskalpakt wehren. In Wirklichkeit ist der Fiskalpakt, das möchte ich spitz formulieren, doch im ureigensten Sinne der LINKEN:

Erstens. Durch den Abbau von Schulden können sich die Staaten wieder aus dem Würgegriff der Finanzwirtschaft und aus der Gefangenschaft der Ratingagenturen befreien. Es ist Ihr Ziel.

Zweitens. Durch den Fiskalpakt, den die schwarz-gelbe Bundesregierung unbedingt ratifizieren will, ist der Bundesregierung die Einführung einer Transaktionssteuer für den Finanzmarkt abgerungen worden. Das ist meines Erachtens wirklich eine historische Gelegenheit,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

die seit Jahrzehnten auch von den LINKEN geforderte Besteuerung von Finanzprodukten in Deutschland und Europa einzuführen. Der Spardruck und der Druck von der Straße haben dieses Umdenken, diese Beteiligung der Banken und Kapitalmärkte erst ermöglicht. Und dieses Instrument wollen Sie einfach aus der Hand geben?

Drittens. Nur im Zuge des Fiskalpaktes konnten der Bundesregierung Sofortprogramme gegen Jugendarbeitslosigkeit und europäische Energie- und Infrastrukturpolitik abgerungen werden.

(Udo Pastörs, NPD: Nichts ausfinanziert.)

Anstatt den Fiskalpakt nun zu torpedieren und vor dem Verfassungsgericht zu beklagen, sollte DIE LINKE die historischen Chancen erkennen, die sich aus dem Fiskalpakt ergeben, vor allem dann, wenn dieser Fiskalpakt eigentlich gar keine so großen Neuerungen enthält.

Was wäre denn die Alternative? Kein Fiskalpakt? Keine Transaktionssteuer? Keine Beteiligung der Banken und folglich mehr öffentliche Schulden? Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, wohin das führt? In steigende Inflation und sukzessive Entwertung der kleinen Vermögen und der Renten.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Umgekehrt ist es.)