Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

Schon damals war der Koalition bewusst, dass wir hierfür mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Die Schülerbeförderung zählt zwar zum eigenen Wirkungskreis der Landkreise, doch unter dem Gesichtspunkt der Konnexität gilt auch hier: Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch. Und wenn es um die Erfüllung von Verbindlichkeiten geht, sind wir sehr genau.

Damals konnten wir noch nicht konkret abschätzen, wie hoch die einzelnen Summen in den jeweiligen Landkreisen tatsächlich ausfallen werden. Deshalb haben wir auch gleich im Gesetz verankert, dass die aus der Neuregelung der Beförderungspflicht gegebenenfalls entstehenden Mehrkosten für die Kommunen durch das Land im Zusammenwirken mit den kommunalen Landesverbänden spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes ermittelt und ausgeglichen werden. Und genau das ist längst passiert. Wir haben uns mit den kommunalen Landesverbänden zusammengesetzt, diese haben die Rechnung auf den Tisch gelegt und dann haben wir eine Vereinbarung geschlossen.

Die zwischen dem Land und den kommunalen Landesverbänden getroffene Vereinbarung zur Abgeltung der konnexen Mehrkosten sieht die Auszahlung einer jährlichen Gesamtfinanzsumme in Höhe von fast 2 Millionen Euro vor. Mit diesem ehrlichen Festbetrag sind sämtliche konnexen Mehrkosten im Zusammenhang mit der schulgesetzlichen Neuregelung zur Schülerbeförderung abgegolten. Ich möchte noch mal unterstreichen, die Verbesserung der Chancengleichheit für Kinder, auch für das Erreichen des Abiturs, hat die Regierungskoalition auf den Weg gebracht und das sind uns diese 2 Millionen Euro wert.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, die Neuausgestaltung der Schülerbeförderung kostet das Land viel Geld. Sicherlich wäre es schön, wenn wir jeder Schülerin und jedem Schüler, egal welche Schule er gewählt hat und wohin er will, die kostenlose Schülerbeförderung oder zumindest die Kostenerstattung gewähren könnten, denn mit der letzten Schulgesetznovelle war auch die Einführung von Schulwahlfreiheit ab Jahrgangsstufe 5 verbunden. Dieses Angebot war von Schülerinnen und Schülern und Eltern vielfach gefordert worden und besteht in dieser Form ebenfalls nicht in jedem Land. Und hier mussten wir eben einen Weg finden, um die neuen Angebote „Schulwahlfreiheit“ und „kostenfreie Beförderung zur örtlich zuständigen Schule in der gymnasialen Oberstufe“ finanzierbar und organisierbar zu machen. Und deshalb haben wir die Beförderung auf den Weg zur örtlich zuständigen Schule begrenzt.

Schülerinnen und Schüler, die eine öffentliche Schule oder eine Schule in freier Trägerschaft besuchen, die nicht die örtlich zuständige Schule ist, bleiben dennoch im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung der Schülerbeförderung nicht unberücksichtigt. Diese Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, kostenlos an der öffentlichen Schülerbeförderung zur örtlich zuständigen Schule teilzunehmen, sofern eine solche eingerichtet ist. Ein Beförderungsanspruch besteht für diese Kinder also insoweit, als sich der Weg mit dem zur örtlich zuständigen Schule deckt und eine öffentliche Schülerbeförderung eingerichtet ist. Dies wird von den Kreisen auch so umgesetzt und selbstverständlich bleibt es ihnen unbenommen, auch über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Schülerbeförderungsmöglichkeiten einzurichten. Dabei müssen sie jedoch ihre finanziellen Möglichkeiten im Auge behalten.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, die geltenden Regelungen zur Schülerbeförderung und zur Schulentwicklungsplanung halten den verfassungsrechtlichen Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung hoch. Nach dem Schulgesetz ist die Schulentwicklungsplanung eine Selbstverwaltungsaufgabe der Kreise. Diese umfasst die Schulen in eigener Trägerschaft sowie die Planung des gesamten Schulnetzes des Landkreises im Benehmen mit den kreisangehörigen Schulträgern. Dabei sollen die Schulen in freier Trägerschaft ihre Planungsüberlegungen den Planungsträgern zur Verfügung stellen, damit ihre Angaben in die Schulentwicklungsplanung einbezogen werden können.

Auf der Grundlage der Schulnetzplanung bestimmen die Landkreise als Träger der Schülerbeförderung die Mindestentfernung zwischen Wohnung und Schule. Sie haben dabei die Belastbarkeit der Schülerinnen und Schüler auch in zeitlicher Hinsicht zu berücksichtigen. Und damit haben wir ein funktionierendes System, auch wenn dies in einem Flächenland wie MecklenburgVorpommern keine einfache Aufgabe ist, und zwar gerade in den Landkreisen, die nicht so bevölkerungsstark sind. Diesen gilt unser Hauptaugenmerk und deshalb haben die Schülerinnen und Schüler in den kreisfreien Städten mit den wesentlich besseren Bedingungen bisher grundsätzlich keinen Anspruch auf Schülerbeförderung.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass es der kommunalen Ebene untersagt ist, darüber hinausgehende Regelungen zu schaffen. Und erlauben Sie mir an dieser Stelle, insbesondere als Sozialministerin, die Anmerkung: Dann kann ich nicht verstehen, warum man nicht andere zur Verfügung stehende Mittel nutzt, gerade als kreisfreie Stadt, zum Beispiel die Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für Fahrtkostenerstattung. Diese Mittel, die dafür zur Verfügung stehen, werden nicht abgerufen von der kommunalen Ebene.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, na, nicht so pauschal!)

Und ich kann nur immer wieder sagen, bei allem Respekt vor der Diskussion um die Bürokratie: Wenn es darum geht, dass wir sagen, wir könnten eigentlich mehr machen und es gibt sogar Geld aus Töpfen, dann muss die Kommune klug genug sein, Regelungen zu finden, diese Gelder auch für die Kinder abzurufen.

Um die Schülerbeförderung in den Kreisen so reibungslos und angenehm wie möglich für die Schülerinnen und Schüler zu gestalten, stehen hier die staatlichen Schulämter als nachgeordnete Behörden des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und die Schulverwaltungsämter im Dialog. Und ständig ringen sie um eine Optimierung des Schülerverkehrs. Ansatzpunkte sind hier sowohl die Ausgestaltung der Schülerbeförderungssatzung nach der Landkreisneuordnung sowie die Gestaltung der neuen Fahrpläne des ÖPNV.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, mit den jetzt geltenden Regelungen zur Schülerbeförderung können wir uns im bundesweiten Vergleich sehen lassen. Diese Regelungen berücksichtigen den Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung und diese Regelungen können wir nachhaltig finanzieren. Dieses Gleichgewicht sollten wir nicht ohne Not antasten. Und deshalb ist ein Antrag, in dem lediglich populistische

Forderungen formuliert werden und der nicht einmal die verfassungsgemäßen Pflichten des Landtages erfüllt, abzulehnen.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sind Forderungen der Eltern. Das kommt von den Eltern.)

Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Liskow von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schwesig hat schon im Namen des Bildungsministers Herrn Brodkorb viel gesagt oder fast alles gesagt. Ich möchte aber noch mal zusammenfassen:

Ein Eingreifen in die kommunale Selbstverwaltung ist definitiv unzulässig und missachtet den Artikel 28 unseres Grundgesetzes. Dieser sagt aus, dass den Gemeinden das Recht gewährleistet werden muss, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Der vorliegende Antrag der Fraktion der GRÜNEN missachtet eindeutig diesen Artikel, indem in die Aufgaben der Selbstverwaltung der Landkreise im Bereich der Schülerbeförderung eingegriffen wird. Die Regelung der Schülerbeförderung ist Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung, so steht es auch im Paragrafen 113 Schulgesetz Mecklenburg-Vorpommern. Das heißt, das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ist nicht weisungsbefugt und obliegt keiner Rechtsaufsicht.

In den genannten Paragrafen sind die Finanzierung und die Festlegung der zumutbaren Entfernung der Schülerbeförderung enthalten. Sie, die GRÜNEN, fordern jetzt, dass die Kosten, die durch die Beförderung der Schüler entstehen, bei den Schulträgern durch das Land ausgeglichen werden sollen. Manchmal erfordert es einen genauen Blick in das jeweilige Gesetz, um die Sachlage besser zu verstehen. Das haben Sie wahrscheinlich nicht getan.

Laut Paragraf 113 Schulgesetz Mecklenburg-Vorpommern erfolgt die Finanzierung der Schülerbeförderung aus eigenen Mitteln der Kommunen. Jetzt das Besondere: Kommt es zu einer Entstehung von sogenannten Mehrkosten für die Kommunen, so werden diese nach der Neuregelung der Schülerbeförderung durch das Land im Zusammenwirken mit den kommunalen Landesverbänden ermittelt und ausgeglichen. Somit kann von einer auskömmlichen Finanzausstattung der Träger der Schülerbeförderung ausgegangen werden. Was die zumutbaren Wege betrifft, ist zu äußern, dass bereits maximale Schulwegzeiten vorhanden sind: zweimal 40 Minuten beziehungsweise zweimal 60 Minuten – auch hier Selbstverwaltungsaufgaben der Landkreise.

Aufgrund des Eingreifens in die kommunale Selbstverwaltung wird Ihr Antrag von der CDU-Fraktion abgelehnt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Oldenburg von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Frau Ministerin Schwesig, Sie haben gesagt, dass der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gut gemeint ist, aber nicht gut gemacht ist. Da stimme ich Ihnen zu. Aber Sie haben vergessen zu sagen, dass der Paragraf 113 des Schulgesetzes ebenfalls gut gemeint ist, aber nicht gut gemacht ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Jährlich treffen sich die Schulleitungen, das Schulverwaltungsamt, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Vertreter der Busunternehmen zur sogenannten Fahrplankonferenz. Hier wird die Schülerbeförderung für das kommende Schuljahr besprochen. Und wer schon einmal an so einer Konferenz teilgenommen hat, weiß: Schülerbeförderung ist eine logistische Meisterleistung.

Es müssen Schulen, die halbwegs zu einem Bereich gehören, durch Busse so miteinander verbunden werden, dass Grund- und Förderschüler genauso zügig an ihre Schule kommen wie Gymnasiasten oder Schülerinnen und Schüler von Regionalen Schulen sowie von Berufsschulen. Die Busse bringen Schülerinnen und Schüler eines Einzugsgebietes. Und, Frau Berger, das ist ganz wichtig, dass es Einzugsbereiche gibt, ansonsten könnten wir in der Schülerbeförderung überhaupt nichts mehr regeln, wir könnten keinen Bus, kein Kind mehr irgendwohin fahren lassen,

(Burkhard Lenz, CDU: Richtig.)

wenn wir nicht Bereiche hätten für die einzelnen Kinder.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Diese Busse bringen also aus mindestens 40 bis 60 Orten – und das muss man sich mal vorstellen – Kinder an jeweils sehr wenige verschiedene Schulen eines Einzugsbereiches, und dies bei sehr wohl landeseinheitlich festgelegten Schulwegzeiten, nämlich von 40 beziehungsweise 60 Minuten. Dass diese Vorgaben in einigen Gegenden nicht eingehalten werden, muss in den Kreisen geregelt werden, denn es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Wegezeiten durch den sogenannten freigestellten Schülerverkehr zu verkürzen, damit die Kinder eben nicht an jeder Milchkanne vorbeifahren und damit so wertvolle Zeit verschwendet wird. In diesem Zusammenhang kann die Forderung dann nur lauten, keine weiteren Schulschließungen zuzulassen, damit sich die Wegezeiten nicht weiter verlängern.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Nur aus diesem Grunde wurden sie nämlich festgelegt. Nach den massenhaften Schulschließungen sind die noch vorhandenen Schulen eben oft nur in dieser Zeit zu erreichen.

Dass dieses System noch halbwegs funktioniert, ist allein den Kreisen zu verdanken. Sie sind sich ihrer Verantwortung bewusst und deshalb sollen sie auch weiterhin diese Aufgabe regeln, denn das Land kennt nicht die örtlichen

Gegebenheiten und würde durch administratives Handeln sicher falsche Signale senden.

Ein falsches Signal sehen wir auch in Ihrer Forderung, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, nach der grundsätzlichen und ausnahmslosen Einbindung der Bahn in die Schülerbeförderung. Aus dem Landkreis Nordwestmecklenburg weiß ich, dass es dort, wo es möglich ist – und dies wäre eine zielführende Formulierung –, bereits geschieht, aber eben dort, wo es möglich ist, und nicht grundsätzlich und ausnahmslos, weil diese Forderung wieder weitere Schwierigkeiten in sich birgt. Niemand von Ihnen möchte sein Kind unbeaufsichtigt in eine Bahn steigen lassen oder am Bahnhof warten lassen. Aufsicht ist eine so gravierende Komponente bei der Schülerbeförderung, dass sie nicht ignoriert werden darf.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig. – Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Soll der Schaffner die Kinder beaufsichtigen?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was denn für ein Schaffner? Es gibt doch gar keine Schaffner im Regionalverkehr.)

Der Busfahrer hat wenigstens alle Schülerinnen und Schüler im Blick und hat die von der Verkehrswacht ausgebildeten „Busengel“ an seiner Seite. Aber im Zug? Das muss sorgfältig überlegt werden, mit Altersgrenzen und Begleitpersonal abgesichert sein, bevor diese Forderung gestellt werden kann. Denn „grundsätzlich und ausnahmslos“ ist einfach gefährlich. Das zu beachten, gehört auch dazu, was Sie vorhin sagten, Frau Berger, das Interesse der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen, auch die Beaufsichtigung.

Sehr geehrte Damen und Herren, etwas bedenklich finde ich ebenfalls den letzten Punkt des vorliegenden Antrages, ich zitiere: „Bestehende Hürden bei der Überschreitung von Kreis und Landesgrenzen sind zu beseitigen.“ Ende des Zitats.

Zum einen gibt es bereits seit Langem Verfahren, die den Besuch einer Schule über Kreisgrenzen hinaus regeln,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Sehr richtig.)

und zum anderen müssen wir bedenken, dass Schülerwanderungen auch stets Standortgefährdungen zur Folge haben. Dies ist dann vor Ort wieder ein emotionales Problem, bei dem jede rechtliche Regelung aus Sicht der Betroffenen falsch ist. Landkreise, deren Kinder in anderen Kreisen beschult werden, zahlen für diese Schülerinnen und Schüler einen Schullastenausgleich, Geld, was dem Landkreis zum Ausbau seiner eigenen Schulen fehlt, was die miserable finanzielle Situation der Kommunen weiter verschlechtert.

Und welche Fahrtzeit soll dann für diese Kinder und Jugendlichen gelten?

(Dr. Margret Seemann, SPD: Richtig.)

Ist das in diesem Fall egal oder soll die Beförderung dann trotzdem zügig erfolgen?

Ganz problematisch wird Ihre Forderung beim Überschreiten der Landesgrenzen. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel verdeutlichen: Zum Landkreis Nordwestmecklenburg gehört die Regionale Schule Lüdersdorf in Wahrsow, eine Einrichtung mit über 400 Schülerinnen und Schülern, mit Millionen aus dem Ganztagsschulprogramm errichtet sowie einer von der Gemeinde finanzierten Zweifeldsporthalle. Wollen Sie wirklich, dass diese Kinder in dem nahe gelegenen Lübeck beschult werden und anschließend – drei Kilometer bis Lübeck – auch aufgrund der sinkenden Schülerzahlen und des Besuchs der Lübecker Schulen die Schule in Lüdersdorf geschlossen wird? Dann lade ich Sie in meinen Wahlkreis ein, damit Sie den Eltern sowie den Gemeindevertretern erläutern können, dass dies eine Folge Ihrer Forderung war.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr wohl …